Gluck, Christoph Willibald, Wilibald;
Christoph Willibald Ritter von Gluck
* 2. Juli 1714 in Erasbach (Berching/Oberpfalz)
† 15. Nov. 1787 in Wien
Ich bin der Meinung, daß die Ouvertüre (la Sinfonia) die Zuschauer auf die darzustellende Handlung vorbereiten und sozusagen ihren Inhalt zusammenfassen soll und daß das Orchester nach Maßgabe des Interesses und des Affektes behandelt werden muß, ohne daß der Dialog einen einschneidenden Unterschied zwischen Arie und Rezitativ zuläßt, ohne daß ein Satz sinnwidrig zerschnitten wird, ohne die Gewalt und die Glut der Handlung unzeitig zu unterbrechen.
Ich war ferner der Ansicht, daß meine größte Anstrengung sich darauf beschränken müsse, eine schöne Einfachheit (bella semplicità) zu erreichen. Ich habe es vermieden, ohne um die Schwierigkeiten zum Schaden der Klarheit ein Aufhebens zu machen. Ich habe niemals einen neuen Gedanken für wertvoll gehalten, wenn er nicht durch die Situation und den Ausdruck von selbst gegeben war, und da ist keine hergebrachte Regel, die ich nicht glaubte gerne zugunsten der Wirkung opfern zu dürfen.
Dies sind meine Grundsätze. Glücklicherweise kam zu meiner Verwunderung das Textbuch meinem Vorhaben entgegen. In ihm hat der gefeierte Autor - in seinem Kopf eine neue Vorstellung des Dramatischen - an die Stelle der zierlichen Beschreibung, der überflüssigen Vergleiche, der sinnreichen und frostigen Moralsprüche, die Sprache des Herzens, die starken Gemütsbewegungen, die fesselnden Situationen und ein immerfort wechselndes Schauspiel gesetzt. Der Erfolg hat meine Grundsätze gerechtfertigt und die allgemeine Billigung einer so erlauchten Stadt [Wien] hat deutlich gezeigt, daß Einfachheit, Wahrheit, Natürlichkeit (semplicità, verità et la naturalezza) in den großen Ursprüngen des Schönen und in allen Äußerungen der Kunst sind. Bei alledem, trotz wiederholtem Drängen der achtenswertesten Persönlichkeiten, mich zur Veröffentlichung dieses meines Werkes zu bestimmen, bin ich mir doch des vollen Risikos bewußt, das man mit der Bekämpfung so weitverbreiteter und so tief eingewurzelter Vorurteile eingeht. So habe ich mich genötigt gesehen, mich des allermächtigsten Schutzes Eurer Königlichen Hoheit zu versichern und um Gnade zu bitten, diesem meinem Werk Ihren erlauchten Namen voranzusetzen, der mit so viel Grund die Stimmen des erleuchteten Europa vereinigt. Der große Beschützer der schönen Künste, der über ein Volk herrscht, das für sich den Ruhm in Anspruch nehmen darf, sie [= die schönen Künste] aus der allgemeinen Unterdrückung wieder erhoben und in jeder [dieser Künste] große Vorbilder geschaffen zu haben, in dieser Stadt, stets die erste, das Joch gemeiner Vorurteile abzuschütteln, um sich den Weg zur Vollkommenheit zu bahnen, kann allein die Reform dieses edlen Schauspiels unternommen werden, an dem alle Künste so großen Anteil haben. Wenn dies glücken sollte, wird mir der Ruhm bleiben, den ersten Stein bewegt zu haben. Mit diesem öffentlichen Beweis seines hohen Schutzes habe ich die Ehre, mich mituntertänigster Ergebenheit zu nennen
Euer königlichen Hoheit
ergebensten und gehorsamster Diener Christoph Gluck
Bild-/Tondokumente
1941 Ettore Panizza; New York Metropolitan Opera Chorus and Orchestera
Alceste: Rose Bampton
Admeto: René Maison
Evandro: Alessio de Paolis
Apollo: Arthur Kent
Oberpriester: Leonrad Warren
EJS / Naxos 8.110008-9 (2 CD) live 8. März 1941
1950 René Leibowitz; Coro e Orchestra del Teatro alla Scala di Milano
Alceste: Ethel Semser
Admeto: Enzo Seri
Evandro: Jean Mollien
Apollo: Jean Hoffmann
Oberpriester: Bernard Demigny
Oceanic OCL 204 (3 LP); Le Chant du Monde LDX 7853-5 (3 LP)
1952 Alberto Erede; Chor & Orchester der Metropolitan Opera
Admète: Brian Sullivan
Alceste: Kirsten Flagstad
Evandre: Emery Darcy
Grand-Prêtre: Frank Valentino
Herald: Norman Scott
L'Oracle: Alois Pernerstorfer
Arlecchino ARL A50-A51 (CD), Walhall WLCD0014 (2 CD)
1954 Carlo Maria Giulini; Coro e Orchestra del Teatro alla Scala di Milano
Alceste: Maria Callas
Admeto: Renato Gavarini
Evandro: Giuseppe Zampieri
Apollo: Rolando Panerai
Oberpriester: Paolo Silveri
Cetra LO 50 (2 LP) / Melodram 26026 (2 CD 113'25) ital., live 4. April 1954
1956 Geraint Jones; Geraint Jones Singers and Orchestra
Alceste: Kirsten Flagstad
Admeto: Raoul Jobin
Evandro: Alexander Young
Apollo: Thomas Hemsley
Oberpriester: Thomas Hemsley
Decca GOS 574-6 (3 LP) / Decca 436 234-2 (3 CD 168'50) ital., Wiener Version
1957 Johann Hye-Knudsen; Dänisches Radio-Symphony-Orchester
Alceste: Kirsten Flagstad
Admeto: Arne Engeboll
Evandro: Reiner Christianson
Apollo: Eskil Rask Nielsen
Oberpriester: Niels Mollner
Eklipse EKR 24 (2 CD) live 14. April 1957
1961 Kurt Herbert Adler; Chor & Orchester der Metropolitan Opera
Admète: Nicolai Gedda
Alceste: Eileen Farrell
Grand-Prêtre: Walter Cassel
Herald: Calvin Marsh
L'Oracle: Robert Nagy
Lucine Amara, Charles Anthony, Norman Scott, Jean Wall
Gala GL 100.569 (2 CD 139'17 live)
1962 Georges Prêtre; Orchester des Théâtre National de l'Opéra
Admète: Nicolai Gedda
Alceste: Consuelo Rubio
Grand-Prêtre: René Bianco
EMI (LP); EMI CLASSICS 5 73091 2 (CD)
1967 Vittorio Gui; Coro e Orchestra del Teatro dell'Opera di Roma
Alceste: Leyla Gencer
Admeto: Mirto Picchi
Evandro: Giuseppe Baratti
Apollo: Maurizio Piacenti
Oberpriester: Attilio d' Orazi
GOP 18 (2 LP) / GOP 781 (2 CD) live
1972 Gianandrea Gavazzeni; Coro e Orchestra del Teatro alla Scala di Milano
Alceste: Leyla Gencer
Admeto: Giorgio Casellat Lamberti
Evandro: Giamapolo Corradi
Apollo: Domenico Trimarchi
Oberpriester: Attilio d'Orazi
Foyer 2-CF 2046 (2 CD) live 27. April 1972
1981 Charles Mackerras; Chor & Orchester der Covent Garden Opera
Admète: Robert Tear
Alceste: Janet Baker
Apollo: Philip Gelling
Coryphée: Matthew Best, Mark Curtis, Elaine Mary Hall, Janice Hooper-Roe
Evandre: Maldwyn Davies
Grand-Prêtre: John Shirley-Quirk
Herald: Philip Gelling
Hercules: Jonathan Summers
L'Oracle: Matthew Best
Thanatos: John Shirley-Quirk
Mitridate Ponto PO-1035 (2 CD); ROHS 010 (2 CD) (138'09 live)
1982 Serge Baudo; Chor und Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks
Alceste: Jessye Norman
Admeto: Nicolai Gedda
Evandro: Robert Gambill
Apollo: Bernd Weikl
Oberpriester: Tom Krause
Orfeo F 027823 (3 LP) / Orfeo C 027823 (3 CD 151'40) franz., Pariser Version
1998 Arnold Östman; Chor & Orchester des Drottningholm Theaters
Admète: Justin Lavender
Alceste: Teresa Ringholz
Apollo: Lars Martinsson
Aspasia: Emelie Clausen
Banditore: Matthias Nilsson
Eumelo: Adam Giertz
Evandre: Jonas Dergerfeldt
Grand-Prêtre: Lars Martinsson
Ismene: Miriam Treichl
L'Oracle: Johan Lilja
Naxos (3 CD 146'55)
1999 John Eliot Gardiner; English Baroque Soloists; Monterverdi Choir
Admète: Paul Groves
Alceste: Anne Sofie von Otter
Apollo: Ludovic Tézier
Coryphée: Katharina Fuge, Joanne Lunn
Evandre: Yann Beuron
Grand-Prêtre: Dietrich Henschel
Herald: Ludovic Tézier
Hercules: Dietrich Henschel
L'Oracle: Nicholas Testé
Thanatos: Nicholas Testé
Philips 470 293-2 (2 CD 134'35 live London); Arthaus/Naxos 100160 (DVD live Paris)
Dieses Opernwerk erklärt der altitalienischen Schule den Krieg, indem es das erste Werk ist, welches klar zeigt, daß einzig und allein dramatische Wahrheit höchstes Kunstgesetz ist.
Das Textbuch ist durchaus nicht geschickt geschrieben, nur der Stoff ist zur musik-dramatischen Bearbeitung besonders geeignet. Zahlreiche damalige Komponisten haben diese Orpheussage deshalb in Musik gesetzt, aber die konnten alle auch nicht annähernd die glückliche geniale Arbeit Glucks erreichen.
"Orpheus und Eurydike" ist das erste der Opernwerke, mit denen der Meister sich vollständig vom alten Stile losgesagt und zum Reformator der deutschen Oper aufgeschwungen hat, indem er an Stelle der planlosen italienischen Gesangsmanier eine ungekünstelte, schlichte und zu Herzen gehende Melodie setzt und sein Hauptaugenmerk auf eine dem Text vollständig gerecht werdende Deklamation richtet. Hierdurch wird er der Begründer des modernen Musikdramas. Auch die Einführung des Chores in die Handlung ist ihm zuzuschreiben.
Daß Glucks reformatorische Opern nicht sofort und auch nicht gleichmäßige Erfolge errangen, ist nur selbstverständlich. Die Geschmacksrichtung damaliger Künstler und Kunstfreunde war eben durch die leichte, die Sinne oberflächlich erregende Melodie der verflachten italienischen Schule verwöhnt, und die einfache, solide, Herz und Verstand anregende Tonsprache Glucks wurde in ihrer einfachen Größe und Erhabenheit verkannt.
Jetzt hingegen beginnt man allerorts Glucksche Musikdramen neu dem Repertoire der Opernbühnen einzuverleiben und dies mit Recht, denn die reformatorischen Werke des Altmeisters können auch heute noch mit Ehren bestehen.
Ich bin der Meinung, daß die Ouvertüre (la Sinfonia) die Zuschauer auf die darzustellende Handlung vorbereiten und sozusagen ihren Inhalt zusammenfassen soll und daß das Orchester nach Maßgabe des Interesses und des Affektes behandelt werden muß, ohne daß der Dialog einen einschneidenden Unterschied zwischen Arie und Rezitativ zuläßt, ohne daß ein Satz sinnwidrig zerschnitten wird, ohne die Gewalt und die Glut der Handlung unzeitig zu unterbrechen.
Ich war ferner der Ansicht, daß meine größte Anstrengung sich darauf beschränken müsse, eine schöne Einfachheit (bella semplicità) zu erreichen. Ich habe es vermieden, ohne um die Schwierigkeiten zum Schaden der Klarheit ein Aufhebens zu machen. Ich habe niemals einen neuen Gedanken für wertvoll gehalten, wenn er nicht durch die Situation und den Ausdruck von selbst gegeben war, und da ist keine hergebrachte Regel, die ich nicht glaubte gerne zugunsten der Wirkung opfern zu dürfen.
Dies sind meine Grundsätze. Glücklicherweise kam zu meiner Verwunderung das Textbuch meinem Vorhaben entgegen. In ihm hat der gefeierte Autor - in seinem Kopf eine neue Vorstellung des Dramatischen - an die Stelle der zierlichen Beschreibung, der überflüssigen Vergleiche, der sinnreichen und frostigen Moralsprüche, die Sprache des Herzens, die starken Gemütsbewegungen, die fesselnden Situationen und ein immerfort wechselndes Schauspiel gesetzt. Der Erfolg hat meine Grundsätze gerechtfertigt und die allgemeine Billigung einer so erlauchten Stadt [Wien] hat deutlich gezeigt, daß Einfachheit, Wahrheit, Natürlichkeit (semplicità, verità et la naturalezza) in den großen Ursprüngen des Schönen und in allen Äußerungen der Kunst sind. Bei alledem, trotz wiederholtem Drängen der achtenswertesten Persönlichkeiten, mich zur Veröffentlichung dieses meines Werkes zu bestimmen, bin ich mir doch des vollen Risikos bewußt, das man mit der Bekämpfung so weitverbreiteter und so tief eingewurzelter Vorurteile eingeht. So habe ich mich genötigt gesehen, mich des allermächtigsten Schutzes Eurer Königlichen Hoheit zu versichern und um Gnade zu bitten, diesem meinem Werk Ihren erlauchten Namen voranzusetzen, der mit so viel Grund die Stimmen des erleuchteten Europa vereinigt. Der große Beschützer der schönen Künste, der über ein Volk herrscht, das für sich den Ruhm in Anspruch nehmen darf, sie [= die schönen Künste] aus der allgemeinen Unterdrückung wieder erhoben und in jeder [dieser Künste] große Vorbilder geschaffen zu haben, in dieser Stadt, stets die erste, das Joch gemeiner Vorurteile abzuschütteln, um sich den Weg zur Vollkommenheit zu bahnen, kann allein die Reform dieses edlen Schauspiels unternommen werden, an dem alle Künste so großen Anteil haben. Wenn dies glücken sollte, wird mir der Ruhm bleiben, den ersten Stein bewegt zu haben. Mit diesem öffentlichen Beweis seines hohen Schutzes habe ich die Ehre, mich mituntertänigster Ergebenheit zu nennen
Euer königlichen Hoheit
ergebensten und gehorsamster Diener Christoph Gluck
A | B | C | D | E | F | G | H |
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