003
Wenn fern von uns wohl an sechstausend Meilen
Die sechste Stunde glüht, wenn ihren Schatten
Die Erde fast zum ebenen Grund läßt eilen,
Forse semilia miglia di lontano
ci ferve l'ora sesta, e questo mondo
china già l'ombra quasi al letto piano,
006
Wenn sich des Himmels Mitte uns im satten
Geleucht vertieft, daß manchen Sternes Flimmer
Bis zu uns herzuscheinen muß ermatten;
quando 'l mezzo del cielo, a noi profondo,
comincia a farsi tal, ch'alcuna stella
perde il parere infino a questo fondo;
009
Und wie der Sonne hellste Dienerin immer
Noch steigt, bis sich vorm Licht, das rings ergossen,
Zuschließt des letzten Himmelsauges Schimmer:
e come vien la chiarissima ancella
del sol più oltre, così 'l ciel si chiude
di vista in vista infino a la più bella.
012
So war auch der Triumph - der unverdrossen
Den Punkt, der mich bezwang, im Spiel umfangen,
Umschließend das, was scheinbar Ihn umschlossen -
Non altrimenti il trïunfo che lude
sempre dintorno al punto che mi vinse,
parendo inchiuso da quel ch'elli 'nchiude,
015
Allmählich ganz vorm Auge mir vergangen;
Weshalb den Blick zu Beatricens Zügen
Des Schauspiels Schluß und Liebe wieder zwangen.
a poco a poco al mio veder si stinse:
per che tornar con li occhi a Bëatrice
nulla vedere e amor mi costrinse.
018
Wenn sich in einen Lobspruch ließe fügen,
Was ich im Sang bisher ihr huldigend streute,
Zu dürftig wär es, diesmal zu genügen.
Se quanto infino a qui di lei si dice
fosse conchiuso tutto in una loda,
poca sarebbe a fornir questa vice.
021
Denn wie sich ihre Schönheit jetzt erneute,
War überirdisch, daß - ich sag es offen -
Wohl nur ihr Schöpfer ganz sich ihrer freute!
La bellezza ch'io vidi si trasmoda
non pur di là da noi, ma certo io credo
che solo il suo fattor tutta la goda.
024
Hier, ich gestehs, seh ich mich übertroffen.
Mehr als ein Komiker, als ein Tragöde
Sich überwältigt sieht von seinen Stoffen.
Da questo passo vinto mi concedo
più che già mai da punto di suo tema
soprato fosse comico o tragedo:
027
Die Sonne macht ein schwaches Auge blöde.
Gedenk ich, wie so süß ihr Lächeln taute,
So läßt instich mich das Gedächtnis schnöde.
ché, come sole in viso che più trema,
così lo rimembrar del dolce riso
la mente mia da me medesmo scema.
030
Vom ersten Tag, wo ich ihr Antlitz schaute
In diesem Dasein bis zum Anblick eben,
Mein Lied ihr nachzufolgen sich getraute.
Dal primo giorno ch'i' vidi il suo viso
in questa vita, infino a questa vista,
non m'è il seguire al mio cantar preciso;
033
Doch ferner ihrer Schönheit nachzustreben,
Entsag ich im Gedicht, wie nachzudringen
Dem Letzten sich der Künstler muß begeben.
ma or convien che mio seguir desista
più dietro a sua bellezza, poetando,
come a l'ultimo suo ciascuno artista.
036
So - wie ich sie anheimgeb stärkerm Klingen,
Als meiner Tuba Klang, die ich drauf richte,
Das wuchtige Werk zu Ende jetzt zu bringen -
Cotal qual io la lascio a maggior bando
che quel de la mia tuba, che deduce
l'ardüa sua matera terminando,
039
So, mit erprobten Führers Angesichte
Und Ton, begann sie: »Wir sind nun entronnen
Vom größten Raum zum Reich voll reinstem Lichte,
con atto e voce di spedito duce
ricominciò: «Noi siamo usciti fore
del maggior corpo al ciel ch'è pura luce:
042
Licht der Erkenntnis: Liebe hälts umsponnen,
Liebe zum wahren Gut: voll von Entzücken,
Entzücken: süßeres träuft kein Himmelsbronnen!
luce intellettüal, piena d'amore;
amor di vero ben, pien di letizia;
letizia che trascende ogne dolzore.
045
Bald siehst du die zwei Heere näherrücken
Vom Paradies, und eines so umkleidet,
Wie sie beim letzten Urteilsspruch sich schmücken.« -
Qui vederai l'una e l'altra milizia
di paradiso, e l'una in quelli aspetti
che tu vedrai a l'ultima giustizia».
048
Gleichwie ein unverhoffter Blitz durchschneidet
Des Auges Kraft, daß es, in Bann gehalten,
Den stärksten Eindruck nichtmehr unterscheidet,
Come sùbito lampo che discetti
li spiriti visivi, sì che priva
da l'atto l'occhio di più forti obietti,
051
So überschwemmten lebenden Lichts Gewalten
Mich lodernd, daß mir schwand nach allen Seiten
Der Ausblick durch des Strahlenschleiers Falten.
così mi circunfulse luce viva,
e lasciommi fasciato di tal velo
del suo fulgor, che nulla m'appariva.
054
»Liebe, die Frieden schenkt den Himmelsweiten,
Will jeden solches Grußes hier empfangen,
Um für ihr Glühen die Kerze zu bereiten.«
«Sempre l'amor che queta questo cielo
accoglie in sé con sì fatta salute,
per far disposto a sua fiamma il candelo».
057
Die kurzen Worte kaum ans Ohr mir klangen,
Als über mich hinaus, wie mich es deuchte,
Sich alle meine Seelenkräfte schwangen.
Non fur più tosto dentro a me venute
queste parole brievi, ch'io compresi
me sormontar di sopr' a mia virtute;
060
Auch fühlt ich, daß mir Sehkraft neu durchleuchte
Die Augen so, daß sie kein Licht, und glänze
Sein Feuer noch so stark, zubodenscheuchte.
e di novella vista mi raccesi
tale, che nulla luce è tanto mera,
che li occhi miei non si fosser difesi;
063
Und blitzewerfend sah ich Wellentänze
In einem Glanzstrom. Und die Ufer schienen
vom Lenz geflochtene Wunderfarbenkränze.
e vidi lume in forma di rivera
fulvido di fulgore, intra due rive
dipinte di mirabil primavera.
066
Lebendige Funken schnellten hoch zu ihnen
Vom Strom; worauf zum Blütenflor die Funken
Sich senkten wie in Gold gefaßte Rubinen.
Di tal fiumana uscian faville vive,
e d'ogne parte si mettien ne' fiori,
quasi rubin che oro circunscrive;
069
Die tauchten wie vom Blütendufte trunken
Aufs neue unter in die Wunderwellen.
Und dieser stieg, wenn jener kaum versunken.
poi, come inebrïate da li odori,
riprofondavan sé nel miro gurge,
e s'una intrava, un'altra n'uscia fori.
072
»Dein hehrer Wunsch, es möcht sich dir erhellen
Die Kenntnis dessen, was du hier siehst blinken,
Freut mich jemehr, jemehr ich seh ihn schwellen.
«L'alto disio che mo t'infiamma e urge,
d'aver notizia di ciò che tu vei,
tanto mi piace più quanto più turge;
075
Doch mußt du erst von diesem Wasser trinken,«
(So sprach sie, meiner Augen Licht und Leben)
»Eh deinem großen Durst wird Sättigung winken.«
ma di quest' acqua convien che tu bei
prima che tanta sete in te si sazi»:
così mi disse il sol de li occhi miei.
078
Dann sagte sie: »Der Strom, das Senken, Heben
All der Topase, dieser Blumen Lachen
Will nur der Wahrheit Schattenvorspiel geben.
Anche soggiunse: «Il fiume e li topazi
ch'entrano ed escono e 'l rider de l'erbe
son di lor vero umbriferi prefazi.
081
Nicht daß die Dinge sich undeutbar machen.
Du trägst den Mangel zum alleinigen Teile:
Sohoch zu sehn mißglückt dem Blick, dem schwachen.«
Non che da sé sian queste cose acerbe;
ma è difetto da la parte tua,
che non hai viste ancor tanto superbe».
084
Nie wandte sein Gesicht in größerer Eile
Der Säugling zu den Brüsten, die ihn nähren,
Erwacht er spät nach der gewohnten Weile,
Non è fantin che sì sùbito rua
col volto verso il latte, se si svegli
molto tardato da l'usanza sua,
087
Als ich die Augen beugte - sie zu klären
Zu hellern Spiegeln - auf dies Wasser nieder,
Das hier entströmt, um Besserung zu gewähren.
come fec' io, per far migliori spegli
ancor de li occhi, chinandomi a l'onda
che si deriva perché vi s'immegli;
090
Und kaum noch trank davon der Saum der Lider,
Da sieh! was mir zuerst als Fluß erschienen,
Sah ich zu einem See gerundet wieder.
e sì come di lei bevve la gronda
de le palpebre mie, così mi parve
di sua lunghezza divenuta tonda.
093
Sodann, wie Menschen, die Gesicht und Mienen
Verlarvten, sich verändert offenbaren,
wenn sie der Masken sich nichtmehr bedienen,
Poi, come gente stata sotto larve,
che pare altro che prima, se si sveste
la sembianza non süa in che disparve,
096
So hier zum größern Fest verwandelt waren
Die Funken und die Blumen, daß ich schaute
Des Himmelshofes beide Heeresscharen.
così mi si cambiaro in maggior feste
li fiori e le faville, sì ch'io vidi
ambo le corti del ciel manifeste.
099
O Gottesglanz, darin den Sieg ich schaute
Des wahren Reichs, gieb Kraft dem Unterwinden,
Daß ich ihn schildern kann, wie ich ihn schaute.
O isplendor di Dio, per cu' io vidi
l'alto trïunfo del regno verace,
dammi virtù a dir com' ïo il vidi!
102
Droben ist Licht, davor die Hüllen schwinden,
Daß sich der Schöpfer dem Geschöpf verkläre,
Das Ihn anschauend nur kann Frieden finden.
Lume è là sù che visibile face
lo creatore a quella creatura
che solo in lui vedere ha la sua pace.
105
Und dieses dehnt sich in der Form der Sphäre
Soweit, daß es der Sonne Raum könnt geben
Und dennoch ihr zuweit als Gürtel wäre.
E' si distende in circular figura,
in tanto che la sua circunferenza
sarebbe al sol troppo larga cintura.
108
Nur Strahlen sinds, die ganz sein Bildnis weben,
Die, auf des erstbewegten Himmels Bogen
Zurückgestrahlt, ihm Kraft verleihen und Leben.
Fassi di raggio tutta sua parvenza
reflesso al sommo del mobile primo,
che prende quindi vivere e potenza.
111
Und wie ein Berg sich spiegelt in den Wogen,
Erfreut, daß er vom Fuße bis nach oben
Lieblich von Gras- und Blütenschmuck umzogen.
E come clivo in acqua di suo imo
si specchia, quasi per vedersi addorno,
quando è nel verde e ne' fioretti opimo,
114
So sah ich rings-rings, überm Licht erhoben,
Sich spiegeln das auf tausendfacher Schwelle,
Was je von uns heimwanderte nach droben.
sì, soprastando al lume intorno intorno,
vidi specchiarsi in più di mille soglie
quanto di noi là sù fatto ha ritorno.
117
Zeigt schon die tiefste Stufe solche Helle
Von solcher Pracht: wie weit mag sich verbreiten
Der Rose allerfernste Blätterzelle?
E se l'infimo grado in sé raccoglie
sì grande lume, quanta è la larghezza
di questa rosa ne l'estreme foglie!
120
Mein Blick verlor sich nicht in diesen Weiten
Und Höhen, nein: er durfte ganz durchdringen
Das Was und Wieviel dieser Seligkeiten.
La vista mia ne l'ampio e ne l'altezza
non si smarriva, ma tutto prendeva
il quanto e 'l quale di quella allegrezza.
123
Hier werden Nah und Fern zum hohlen Klingen:
Wo Gott unmittelbar der Herrschaft waltet,
Kann das Naturgesetz nichtsmehr vollbringen.
Presso e lontano, lì, né pon né leva:
ché dove Dio sanza mezzo governa,
la legge natural nulla rileva.
126
Ins Gelb der ewigen Rose, die sich faltet
Zu Stufen, dehnt, und Düfte haucht zum Preise
Der Sonne, die hier ewigen Lenz gestaltet,
Nel giallo de la rosa sempiterna,
che si digrada e dilata e redole
odor di lode al sol che sempre verna,
129
Zog mich, der schwieg und doch gern fragte leise,
Schon Beatrice hin und sprach: »Betrachte
Die zahllos weißen Kleider hier im Kreise.
qual è colui che tace e dicer vole,
mi trasse Bëatrice, e disse: «Mira
quanto è 'l convento de le bianche stole!
132
Sieh unsere Stadt und ihres Umfangs achte.
Sieh, wie besetzt die Stufen unseres Saales,
Daß kaum ein Gast noch Platz dem andern machte.
Vedi nostra città quant' ella gira;
vedi li nostri scanni sì ripieni,
che poca gente più ci si disira.
135
Auf jenem Hochsitz, draus schon lichten Strahles
Die Krone ruht, dahin dein Blick sich neiget,
Wird, eh du Gast bist dieses Hochzeitsmahles,
E 'n quel gran seggio a che tu li occhi tieni
per la corona che già v'è sù posta,
prima che tu a queste nozze ceni,
138
Die Seele, die bei euch der Reif umzweiget,
Des hohen Heinrichs thronen, der gesendet
Zum Heil Italiens, eh es reif sich zeiget.
sederà l'alma, che fia giù agosta,
de l'alto Arrigo, ch'a drizzare Italia
verrà in prima ch'ella sia disposta.
141
Die blinde Habgier macht euch ganz verblendet,
Daß ihr dem Kinde gleicht, das nah am Sterben
Schon ist und doch sich von der Amme wendet.
La cieca cupidigia che v'ammalia
simili fatti v'ha al fantolino
che muor per fame e caccia via la balia.
144
Und Einer wird den Vorsitz dann erwerben
In Gottes Forum, und auf anderen Wegen,
Versteckt und offen, ihm das Spiel verderben.
E fia prefetto nel foro divino
allora tal, che palese e coverto
non anderà con lui per un cammino.
147
Doch bald wird Gott aus heiligem Amt ihn fegen
Zu jener Tiefe hin, wo seine Tücken
Verbüßend Simon Magus ist gelegen,
Ma poco poi sarà da Dio sofferto
nel santo officio; ch'el sarà detruso
là dove Simon mago è per suo merto,
150
Und wird den von Anagni tiefer drücken.«
e farà quel d'Alagna intrar più giuso».

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