003
Zur Zeit, als Juno Haß im Herzen hegte,
Um Semele erzürnt mit Thebens Blute,
Was sie des öftern an den Tag auch legte,
Nel tempo che Iunone era crucciata
per Semelè contra 'l sangue tebano,
come mostrò una e altra fïata,
006
War Athamas in solchem Wahnsinnsmute,
Daß, als sein Weib des Weges kam gegangen
Und ihr in jedem Arm ein Söhnlein ruhte,
Atamante divenne tanto insano,
che veggendo la moglie con due figli
andar carcata da ciascuna mano,
009
Er ausrief: »Spannt die Netze! Laßt uns fangen
Die Löwin bei der Rückkehr samt den Jungen!«
Und die erbarmungslosen Tatzen langen
gridò: "Tendiam le reti, sì ch'io pigli
la leonessa e ' leoncini al varco";
e poi distese i dispietati artigli,
012
Nach dem Learch, den durch die Luft geschwungen
Am Felsen sie zerschmetterten, indessen
Sie mit dem andern Kind ins Meer gesprungen.
prendendo l'un ch'avea nome Learco,
e rotollo e percosselo ad un sasso;
e quella s'annegò con l'altro carco.
015
Und als Fortuna Trojas ganz vergessen,
Des stolzen, das den König samt dem Lande
Verlor, weil jeder Tat sichs dreist vermessen,
E quando la fortuna volse in basso
l'altezza de' Troian che tutto ardiva,
sì che 'nsieme col regno il re fu casso,
018
Als Hekuba in trauriger Fesseln Bande,
Die Ärmste! Polyxenen tot erblickte
Und ihren Polydor am Meeresstrande
Ecuba trista, misera e cattiva,
poscia che vide Polissena morta,
e del suo Polidoro in su la riva
021
Dann schmerzerfüllt als Leiche fand - da schickte
Sie durch die Luft Gebell gleich tollem Hunde,
Weil ihr so großer Gram den Geist umstrickte.
del mar si fu la dolorosa accorta,
forsennata latrò sì come cane;
tanto il dolor le fé la mente torta.
024
Doch Troja selbst noch Theben gab nie Kunde,
Daß je solch Wahnsinn Furien könnt erfassen,
Der also grausam Tier und Mensch verwunde,
Ma né di Tebe furie né troiane
si vider mäi in alcun tanto crude,
non punger bestie, nonché membra umane,
027
Als hier ichs in zwei Schatten, nackten blassen,
Gewahrt, die um sich schnappten gleich dem Schweine,
Das eben aus dem Stall wird losgelassen.
quant'io vidi in due ombre smorte e nude,
che mordendo correvan di quel modo
che 'l porco quando del porcil si schiude.
030
Auf den Capocchio platzte rasch der eine,
Biß ins Genick ihm, fort mit ihm dann schlitternd,
Daß ihm den Bauch zerkratzten Sand und Steine.
L'una giunse a Capocchio, e in sul nodo
del collo l'assannò, sì che, tirando,
grattar li fece il ventre al fondo sodo.
033
Der Aretiner, der zurückblieb zitternd,
Sprach: »Gianni Schicchi heißt der Koboldstolle,
Der uns so zusetzt, rasend nach uns witternd.« -
E l'Aretin che rimase, tremando
mi disse: "Quel folletto è Gianni Schicchi,
e va rabbioso altrui così conciando".
036
»Oh,« sprach ich, »soll der andre nicht im Grolle
Dein Kreuz zerfleischen, dann mir nicht verhehle,
wer jener ist, eh er davon sich trolle.«
"Oh", diss'io lui, "se l'altro non ti ficchi
li denti a dosso, non ti sia fatica
a dir chi è, pria che di qui si spicchi".
039
Und er: »Das ist der Myrrha alte Seele,
Die schändlich einst in Liebesbrunst entglommen
Für ihren Vater bis zum sündigen Fehle.
Ed elli a me: "Quell'è l'anima antica
di Mirra scellerata, che divenne
al padre, fuor del dritto amore, amica.
042
Sie ist bei ihm zum argen Ziel gekommen,
Weil sie, ihr Aussehn fälschend, bei ihm ruhte,
Was jener, der dort läuft, auch unternommen,
Questa a peccar con esso così venne,
falsificando sé in altrui forma,
come l'altro che là sen va, sostenne,
045
Der lüstern auf des Reitstalls beste Stute
Nachahmend spielte des Donati Rolle
Und Testament gemacht mit dessen Gute.«
per guadagnar la donna de la torma,
falsificare in sé Buoso Donati,
testando e dando al testamento norma".
048
Als ich gesehen hatte, wie dies tolle
Verbrecherpaar fortraste, blieb ich stehen,
Betrachtend andere Schmerz- und Sündenvolle.
E poi che i due rabbiosi fuor passati
sovra cu' io avea l'occhio tenuto,
rivolsilo a guardar li altri mal nati.
051
Da sah ich einen, der war anzusehen
Wie eine Laute, hätt ihm weggespalten
Ein Schnitt die Gabel, die man braucht zum Gehen.
Io vidi un, fatto a guisa di lëuto,
pur ch'elli avesse avuta l'anguinaia
tronca da l'altro che l'uomo ha forcuto.
054
Die plumpe Wassersucht - mit dumpfig-alten
Blutsäften oft die Glieder so verdrehend,
Daß Bauch und Antlitz seltsam sich verhalten -
La grave idropesì, che sì dispaia
le membra con l'omor che mal converte,
che 'l viso non risponde a la ventraia,
057
Sie hielt ihm beide Lippen offenstehend,
Daß kinnwärts die und jene aufwärts trachtet,
Als wärs ein Hektiker, vor Durst vergehend.
faceva lui tener le labbra aperte
come l'etico fa, che per la sete
l'un verso 'l mento e l'altro in sù rinverte.
060
»O ihr, die straflos ihr die Wege machtet
(Und nicht weiß ich warum) zur Welt des Bebens,«
Rief er uns an, »erwäget und beachtet
"O voi che sanz'alcuna pena siete,
e non so io perché, nel mondo gramo",
diss'elli a noi, "guardate e attendete
063
Das Elend Meister Adams! Zeit des Lebens
Hatt ich soviel ich wollt: und jetzt? - Genießen
Ein Tröpflein Wassers möcht ich - ach! vergebens.
a la miseria del maestro Adamo;
io ebbi, vivo, assai di quel ch'i' volli,
e ora, lasso!, un gocciol d'acqua bramo.
066
Die Bächlein, die von grünen Hügeln gießen
Des Casentin zum Arno ihre Wellen,
Daß die erfrischten Ufer üppig sprießen -
Li ruscelletti che d'i verdi colli
del Casentin discendon giuso in Arno,
faccendo i lor canali freddi e molli,
069
Noch immer seh ich quellen sie und schwellen.
Und nicht umsonst, weil mehr als diese Plagen
Ihr Bild mich dörrt, mein Antlitz zu entstellen.
sempre mi stanno innanzi, e non indarno,
ché l'imagine lor vie più m'asciuga
che 'l male ond'io nel volto mi discarno.
072
Gerechtigkeit, die mich so hart geschlagen,
Zieht Nutzen selbst vom Ort, wo mein Verschulden
Herstammt, mir Seufzer heftiger anzujagen.
La rigida giustizia che mi fruga
tragge cagion del loco ov'io peccai
a metter più li miei sospiri in fuga.
075
Dort liegt Romena, wo den Täufergulden
Ich oft verfälscht um eine Bagatelle,
Drob ich den Scheiterhaufen mußt erdulden.
Ivi è Romena, là dov'io falsai
la lega suggellata del Batista;
per ch'io il corpo sù arso lasciai.
078
Doch säh ich Guidos schnöden Geist zur Stelle
Und Alessandros samt des Bruders - fragen
Ließ mich der Anblick nicht nach Brandas Quelle!
Ma s'io vedessi qui l'anima trista
di Guido o d'Alessandro o di lor frate,
per Fonte Branda non darei la vista.
081
Drin ist schon einer, wenn hier Wahrheit sagen
Die tollen Schatten, rasend durchs Gehege.
Doch was hilft mirs, den lahme Glieder plagen?
Dentro c'è l'una già, se l'arrabbiate
ombre che vanno intorno dicon vero;
ma che mi val, c' ho le membra legate?
084
Wenn ich nur so behende wär und rege,
In hundert Jahren einen Zoll zu schleichen,
So wär ich sicher längst schon auf dem Weg,
S'io fossi pur di tanto ancor leggero
ch'i' potessi in cent'anni andare un'oncia,
io sarei messo già per lo sentiero,
087
Guido zu suchen bei den Elendbleichen,
Mag dieses Feld nach Länge auch elf Meilen
Und eine halbe in die Breite reichen.
cercando lui tra questa gente sconcia,
con tutto ch'ella volge undici miglia,
e men d'un mezzo di traverso non ci ha.
090
Ich muß um sie bei solcher Sippschaft weilen!
Sie haben mich verleitet, den Florenen
Nur drei Karat Legierung zu erteilen.«
Io son per lor tra sì fatta famiglia;
e' m'indussero a batter li fiorini
ch'avevan tre carati di mondiglia".
093
Und ich zu ihm: »Wie steht es hier mit denen?
Im Winter pflegt gewaschene Hand zu rauchen
Wie sie, die eng zu deiner Rechten lehnen.« -
E io a lui: "Chi son li due tapini
che fumman come man bagnate 'l verno,
giacendo stretti a' tuoi destri confini?".
096
»Hier fand ich sie und sah noch nie sie krauchen,«
Sprach er, »seit michs in diesen Spalt ließ schneien,
Und sind dazu wohl ewig nicht zu brauchen.
"Qui li trovai - e poi volta non dierno -",
rispuose, "quando piovvi in questo greppo,
e non credo che dieno in sempiterno.
099
Des Ehbruchs wollte die den Josef zeihen;
Der log als Grieche Sinon wohl am meisten
Vor Troja. Fieberdunst stinkt aus den zweien.«
L'una è la falsa ch'accusò Gioseppo;
l'altr'è 'l falso Sinon greco di Troia:
per febbre aguta gittan tanto leppo".
102
Und einer ihrer, den wohl die so dreisten
Beleidigenden Worte kränkten, ballte
Die Faust und schlug ihm auf den Bauch, den feisten.
E l'un di lor, che si recò a noia
forse d'esser nomato sì oscuro,
col pugno li percosse l'epa croia.
105
Der klang, alsob ein Paukenton erschallte.
Doch Meister Adam hieb ihm in die Fratze
Mit seinem Arm, der wohl nicht sanfter prallte,
Quella sonò come fosse un tamburo;
e mastro Adamo li percosse il volto
col braccio suo, che non parve men duro,
108
Und schrie ihn an: »Wenn ich mich auch vom Platze
Nicht regen kann der Bleiesschwere wegen,
So hab ich meinen Arm doch zum Ersatze.« -
dicendo a lui: "Ancor che mi sia tolto
lo muover per le membra che son gravi,
ho io il braccio a tal mestiere sciolto".
111
»Als du dem Scheiterhaufen gingst entgegen,«
Rief Sinon, »hobst du nicht ihn so gewichtig;
Doch sah man ihn beim Prägstock flink sich regen.«
Ond'ei rispuose: "Quando tu andavi
al fuoco, non l'avei tu così presto;
ma sì e più l'avei quando coniavi".
114
Der Wassersüchtige höhnte: »Das ist richtig!
Doch Wahrheit sprachst du nur in diesem Falle.
Vor Troja war dein Zeugnis null und nichtig.«
E l'idropico: "Tu di' ver di questo:
ma tu non fosti sì ver testimonio
là 've del ver fosti a Troia richesto".
117
Der schrie: »Ich fälschte Worte, du Metalle!
Und büß ich ein Vergehn in dieser Herde,
Büßest du mehr als diese Teufel alle.« -
"S'io dissi falso, e tu falsasti il conio",
disse Sinon; "e son qui per un fallo,
e tu per più ch'alcun altro demonio!".
120
»Meineidiger, denk des Schwankes mit dem Pferde,«
So hört ich den Geschwollenen Antwort geben,
»Dich strafs, daß er bekannt der ganzen Erde.« -
"Ricorditi, spergiuro, del cavallo",
rispuose quel ch'avëa infiata l'epa;
"e sieti reo che tutto il mondo sallo!".
123
»Dich strafe Durst! Die Zunge soll dir kleben
Und platzen,« rief der Grieche; »und die Jauche
Den Wanst dir bis vors Auge dunstend heben.«
"E te sia rea la sete onde ti crepa",
disse 'l Greco, "la lingua, e l'acqua marcia
che 'l ventre innanzi a li occhi sì t'assiepa!".
126
Der Münzer drauf: »Verzerr nach altem Brauche
Dein Maul nur zu gewohnten Unflatwürfen.
Denn dürst ich auch und schwillt mir Naß im Bauche,
Allora il monetier: "Così si squarcia
la bocca tua per tuo mal come suole;
ché, s'i' ho sete e omor mi rinfarcia,
129
So hast du Brand und Kopfschmerz; und zu schlürfen
Vom klaren Spiegel des Narziß gar däftig,
Würdest du keiner Einladung bedürfen.« -
tu hai l'arsura e 'l capo che ti duole,
e per leccar lo specchio di Narcisso,
non vorresti a 'nvitar molte parole".
132
Sie anzuhören war ich ganz geschäftig,
Bis mich der Meister rief: »Das nenn ich schauen!
Nur wenig fehlt, daß ich dich rügte kräftig.«
Ad ascoltarli er'io del tutto fisso,
quando 'l maestro mi disse: "Or pur mira,
che per poco che teco non mi risso!".
135
Erschreckt fuhr ich herum, als ich den rauhen
Vorwurf vernahm, Schamröte auf den Wangen,
Daß noch Erinnrung runzelt mir die Brauen.
Quand'io 'l senti' a me parlar con ira,
volsimi verso lui con tal vergogna,
ch'ancor per la memoria mi si gira.
138
Und dem gleich, der von bösem Traum umfangen
Fortträumend wünscht, daß ihm der Traum nicht raubte,
Was ihm ja auch in Wahrheit nicht entgangen,
Qual è colui che suo dannaggio sogna,
che sognando desidera sognare,
sì che quel ch'è, come non fosse, agogna,
141
So bangt ich, daß ich mir kein Wort erlaubte,
Mich zu entschuldigen wünschte, und vollkommen
Entschuldigt war, als ich es noch nicht glaubte.
tal mi fec'io, non possendo parlare,
che disïava scusarmi, e scusava
me tuttavia, e nol mi credea fare.
144
»Schon mindere Scham hätt größern Fehl genommen
Von dir, als den, dazu man dich verleitet,«
Der Meister sprach; »drum sei nicht mehr beklommen.
"Maggior difetto men vergogna lava",
disse 'l maestro, "che 'l tuo non è stato;
però d'ogne trestizia ti disgrava.
147
Doch nie vergiß, daß du von mir begleitet,
Führt uns ein Zufall abermals so widrig
Dahin, wo sich ein solch Gesindel streitet.
E fa ragion ch'io ti sia sempre allato,
se più avvien che fortuna t'accoglia
dove sien genti in simigliante piato:
150
Denn gern dies hören, ist ein Wunsch, der niedrig.«
ché voler ciò udire è bassa voglia".

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