003
Der eingeborne Durst, der nur zu löschen
mit jenem von der Samariterin
erbetnen Gnadenwasser, quälte mich,
La sete natural che mai non sazia
se non con l'acqua onde la femminetta
samaritana domandò la grazia,
006
und vorwärts spornte mich die Hast und Eile
auf viel versperrtem Weg dem Führer nach,
auch tat mir die gerechte Buße weh.
mi travagliava, e pungeami la fretta
per la 'mpacciata via dietro al mio duca,
e condoleami a la giusta vendetta.
009
Und siehe, so wie Lukas uns erzählt,
daß Christus den zwei Wandernden erschien,
da er dem Grabe schon entstiegen war,
Ed ecco, sì come ne scrive Luca
che Cristo apparve a' due ch'erano in via,
già surto fuor de la sepulcral buca,
012
so kam von hinten uns ein Schatte nach,
der die am Wege Liegenden besah.
Wir merkten nichts von ihm, bis er uns grüßte:
ci apparve un'ombra, e dietro a noi venìa,
dal piè guardando la turba che giace;
né ci addemmo di lei, sì parlò pria,
015
»Der Friede Gottes, Brüder, sei mit euch!«
Sofort sahn wir uns um, und mein Vergil
erwiderte den Gruß, wie sichʼs gehört,
dicendo: "O frati miei, Dio vi dea pace".
Noi ci volgemmo sùbiti, e Virgilio
rendéli 'l cenno ch'a ciò si conface.
018
und sagt ihm: »In den Schoß der Seligen nehme
in Frieden der wahrhaftige Hof dich auf,
der mich in ewige Verbannung weist.«
Poi cominciò: "Nel beato concilio
ti ponga in pace la verace corte
che me rilega ne l'etterno essilio".
021
»Wieso?« frug er. Wir schritten rüstig weiter.
»Wenn ihr von Gott nicht zugelassen seid,
wer brachte dann euch Schatten bis herauf?«
"Come!", diss'elli, e parte andavam forte:
"se voi siete ombre che Dio sù non degni,
chi v' ha per la sua scala tanto scorte?".
024
Mein Lehrer drauf: »Schau doch die Zeichen an,
die dieser trägt, vom Engel eingegraben,
so siehst du, daß er auserlesen ist.
E 'l dottor mio: "Se tu riguardi a' segni
che questi porta e che l'angel profila,
ben vedrai che coi buon convien ch'e' regni.
027
Doch da die unermüdlich Spinnende
noch auf der Kunkel ihm den Rocken hielt,
den Clotho jedem Menschen zubereitet,
Ma perché lei che dì e notte fila
non li avea tratta ancora la conocchia
che Cloto impone a ciascuno e compila,
030
so konnte seine Seele, unsre Schwester,
den Aufstieg hier noch nicht allein vollbringen,
denn so wie wir sieht sie die Dinge nicht;
l'anima sua, ch'è tua e mia serocchia,
venendo sù, non potea venir sola,
però ch'al nostro modo non adocchia.
033
drum wurde ich aus weitem Höllenschlund
hervorgeholt und soll ihn unterweisen
und will es tun, soweit mein Können reicht.
Ond'io fui tratto fuor de l'ampia gola
d'inferno per mostrarli, e mosterrolli
oltre, quanto 'l potrà menar mia scola.
036
Doch sag, wenn du es weißt, warum soeben
der Berg erbebte und ein einziger Ruf
vom feuchten Ufer bis hinauf erscholl.«
Ma dimmi, se tu sai, perché tai crolli
diè dianzi 'l monte, e perché tutto ad una
parve gridare infino a' suoi piè molli".
039
Mit dieser Frage traf er meinen Wunsch
ins Nadelöhr, daß an der Hoffnung schon
die Ungeduld des Dursts sich linderte.
Sì mi diè, dimandando, per la cruna
del mio disio, che pur con la speranza
si fece la mia sete men digiuna.
042
Der andre sprach: »Hier gibt es nichts, das ohne
Gesetz und Ordnung an dem heiligen Berg
geschieht, noch gegen das Gebräuchliche.
Quei cominciò: "Cosa non è che sanza
ordine senta la religïone
de la montagna, o che sia fuor d'usanza.
045
Für keine Art von Störung ist hier Raum.
Was aus sich selbst der Himmel hat und nimmt,
kann einen Anlaß geben, andres nicht.
Libero è qui da ogne alterazione:
di quel che 'l ciel da sé in sé riceve
esser ci puote, e non d'altro, cagione.
048
Drum fällt kein Regen, fällt kein Schnee noch Hagel.
Kein Tau, kein Reif mehr zeigt sich oberhalb
der kleinen dreigestuften Eingangstreppe.
Per che non pioggia, non grando, non neve,
non rugiada, non brina più sù cade
che la scaletta di tre gradi breve;
051
Von Wolken, dichten oder duftigen,
von Wetterleuchten oder Regenbogen,
der drunten immer wandert, hier kein Schein.
nuvole spesse non paion né rade,
né coruscar, né figlia di Taumante,
che di là cangia sovente contrade;
054
Auch steigt kein trocknes Dampfen höher als
bis zu dem Rand der drei genannten Stufen,
auf dem der Schlüsselträger Petri fußt.
secco vapor non surge più avante
ch'al sommo d'i tre gradi ch'io parlai,
dov' ha 'l vicario di Pietro le piante.
057
Wohl bebt es drunten etwa, schwach und stark,
jedoch durch Wind, der in der Erde steckt,
(ich weiß nicht wie) bebt es hier oben niemals.
Trema forse più giù poco o assai;
ma per vento che 'n terra si nasconda,
non so come, qua sù non tremò mai.
060
Hier bebtʼs, wenn irgendeine Seele sich
geläutert fühlt und aufsteht und sich regt
zum Aufstieg, dann begleitet sie der Ruf.
Tremaci quando alcuna anima monda
sentesi, sì che surga o che si mova
per salir sù; e tal grido seconda.
063
Die Läuterung erweist sich nur durch Wollen,
das völlig frei zu bessrem Aufenthalt
die willensfreudige Seele plötzlich hebt.
De la mondizia sol voler fa prova,
che, tutto libero a mutar convento,
l'alma sorprende, e di voler le giova.
066
Sie will schon vorher, doch sie kommt vom Trieb,
der erst in Sünden, dann gerechtermaßen
in Qualen sie gebannt hält, noch nicht los.
Prima vuol ben, ma non lascia il talento
che divina giustizia, contra voglia,
come fu al peccar, pone al tormento.
069
Und ich, der hier in Schmerzen liegen mußte
fünfhundert Jahr und mehr, hab eben jetzt
den Willen frei zur bessern Welt gespürt.
E io, che son giaciuto a questa doglia
cinquecent'anni e più, pur mo sentii
libera volontà di miglior soglia:
072
Drum spürtet ihr den Erdstoß und den Jubel
der frommen Geister auf dem ganzen Berg
zum Herm, der bald auch sie befördern möge.«
però sentisti il tremoto e li pii
spiriti per lo monte render lode
a quel Segnor, che tosto sù li 'nvii".
075
Dies sagt er uns, und da je mehr der Durst
uns plagt, je besser das Getränk uns schmeckt,
so labte er mich, daß es kaum zu sagen.
Così ne disse; e però ch'el si gode
tanto del ber quant'è grande la sete,
non saprei dir quant'el mi fece prode.
078
Mein weiser Führer drauf: »Nunmehr versteh ich,
wie euch das Netz umstrickt, und wie ihr loskommt,
warum es bebt und über was ihr jubelt.
E 'l savio duca: "Omai veggio la rete
che qui vi 'mpiglia e come si scalappia,
perché ci trema e di che congaudete.
081
Nun laß mich wissen, bitt ich, wer du warst;
warum so viele hundert Jahr du hier
hast liegen müssen, gib mir zu begreifen.«
Ora chi fosti, piacciati ch'io sappia,
e perché tanti secoli giaciuto
qui se', ne le parole tue mi cappia".
084
»Zur Zeit, da mit des höchsten Königs Beistand
der tapfre Titus Blut und Wunden rächte,
die man dem Opfer Judasʼ angetan,
"Nel tempo che 'l buon Tito, con l'aiuto
del sommo rege, vendicò le fóra
ond'uscì 'l sangue per Giuda venduto,
087
lebt ich im Ruhmesglanz des Dichternamens
auf Erden«, sprach der Geist. »Ich wurde viel
gepriesen, doch im Glauben lebt ich nicht.
col nome che più dura e più onora
era io di là", rispuose quello spirto,
"famoso assai, ma non con fede ancora.
090
So lieblich und beschwingt war mein Gesang,
daß mich, den Tolosaner, man nach Rom
berief und mit dem Myrtenkranz mich krönte.
Tanto fu dolce mio vocale spirto,
che, tolosano, a sé mi trasse Roma,
dove mertai le tempie ornar di mirto.
093
Man nennt mich dort noch jetzt mit Namen Statius.
Von Theben sang ich und sodann vom großen
Achill, des Ruhm mich unterwegs erdrückte.
Stazio la gente ancor di là mi noma:
cantai di Tebe, e poi del grande Achille;
ma caddi in via con la seconda soma.
096
Mein Feuer stieg aus einer Funkensaat
der heilgen Flamme, die wie mich wohl mehr
als Tausende erwärmt hat und erleuchtet.
Al mio ardor fuor seme le faville,
che mi scaldar, de la divina fiamma
onde sono allumati più di mille;
099
Ich meine die Aeneis; in der Dichtung
ist sie die Mutter, ist die Amme mir.
Nicht einen Deut vollbracht ich ohne sie.
de l'Eneïda dico, la qual mamma
fummi, e fummi nutrice, poetando:
sanz'essa non fermai peso di dramma.
102
Drüben gelebt zu haben in den Tagen
Vergils, ich gäbe gern ein weitres Jahr
im Banne dieser Buße noch dafür.«
E per esser vivuto di là quando
visse Virgilio, assentirei un sole
più che non deggio al mio uscir di bando".
105
Auf dieses Wort hin wandte sich Vergil
mit einem Blick zu mir, der sagte: schweig!
Doch alles kann die Kraft des Willens auch nicht!
Volser Virgilio a me queste parole
con viso che, tacendo, disse 'Taci';
ma non può tutto la virtù che vuole;
108
Es ist das Lachen und das Weinen derart
dem Reize zugeordnet, demʼs entspringt,
daß es, je ungewollter, desto echter.
ché riso e pianto son tanto seguaci
a la passion di che ciascun si spicca,
che men seguon voler ne' più veraci.
111
So mußt ich eben lächeln oder blinzeln,
worauf der Schatte schwieg und mir ins Auge,
wo unser Innerstes sich darstellt, schaute.
Io pur sorrisi come l'uom ch'ammicca;
per che l'ombra si tacque, e riguardommi
ne li occhi ove 'l sembiante più si ficca;
114
»Wenn all dein Mühen dir gedeihen soll,
so sag«, sprach er, »weshalb soeben dir
ein Lächeln sichtbar übers Antlitz blitzte?« ─
e "Se tanto labore in bene assommi",
disse, "perché la tua faccia testeso
un lampeggiar di riso dimostrommi?".
117
So bin ich angepackt von beiden Seiten:
hier soll ich schweigen, dort werd ich beschworen
zu reden. ─ Seufzen muß ich, und mein Meister
Or son io d'una parte e d'altra preso:
l'una mi fa tacer, l'altra scongiura
ch'io dica; ond'io sospiro, e sono inteso
120
verstehtʼs und sagt mir: »Sprich denn ohne Scheu
und steh ihm Rede und berichte ihm,
was er mit solchem Eifer wissen möchte.«
dal mio maestro, e "Non aver paura",
mi dice, "di parlar; ma parla e digli
quel ch'e' dimanda con cotanta cura".
123
Drauf ich zu jenem: »Wohl magst du dich wundern,
ehrwürdiger Geist, daß mir das Lachen kam.
Noch größes Wundern will ich dir bereiten.
Ond'io: "Forse che tu ti maravigli,
antico spirto, del rider ch'io fei;
ma più d'ammirazion vo' che ti pigli.
126
Der mir den Blick nach oben richtet, dieser
ist dein Vergil, dem du die Kraft verdankst,
die Menschen und die Götter zu besingen.
Questi che guida in alto li occhi miei,
è quel Virgilio dal qual tu togliesti
forte a cantar de li uomini e d'i dèi.
129
Wenn andre Gründe für mein Lachen
du vermutest, gib sie auf, sie sind nicht richtig.
Dein Wort und Wunsch nur war der wahre Grund.«
Se cagion altra al mio rider credesti,
lasciala per non vera, ed esser credi
quelle parole che di lui dicesti".
132
Schon beugt er sich zu meines Lehrers Füßen,
sie zu umfassen, aber dieser wehrte:
»Laß, Bruder, wir sind Schatten alle beide.«
Già s'inchinava ad abbracciar li piedi
al mio dottor, ma el li disse: "Frate,
non far, ché tu se' ombra e ombra vedi".
135
Da stand er auf: »So magst du denn ermessen,
wie groß zu dir das Feuer meiner Liebe,
da ich die Nichtigkeit des Leibs vergesse
Ed ei surgendo: "Or puoi la quantitate
comprender de l'amor ch'a te mi scalda,
quand'io dismento nostra vanitate,
138
und Festigkeit in unsern Schatten suche.«
trattando l'ombre come cosa salda".

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