003
Der sel'ge Spiegel schwelgte schon allein
Im eignen Schau'n; ich kostete das meine,
Die Süße dämpfend mit der herben Pein.
Già si godeva solo del suo verbo
quello specchio beato, e io gustava
lo mio, temprando col dolce l'acerbo;
006
Und die zu Gott mich führte, jene Reine
Sprach: »Denk an andres, denk, wie nahe mir
Er ist, der Unrecht heilt, so schwer es scheine.«
e quella donna ch'a Dio mi menava
disse: «Muta pensier; pensa ch'i' sono
presso a colui ch'ogne torto disgrava».
009
Bei diesem holden Ruf blickt' ich nach ihr,
Und wie ich unter ihren heil'gen Brauen
Jetzt Liebe schaute, des verstumm' ich hier;
Io mi rivolsi a l'amoroso suono
del mio conforto; e qual io allor vidi
ne li occhi santi amor, qui l'abbandono:
012
Nicht weil ich meinem Worte muß mißtrauen,
Nein, das Gedächtnis hat nicht Kraft, so weit
(Wenn Gott nicht hilft) in sich zurückzuschauen,
non perch' io pur del mio parlar diffidi,
ma per la mente che non può redire
sovra sé tanto, s'altri non la guidi.
015
So viel nur kann ich sagen: all die Zeit,
Solang' dies Anschau'n meiner Herrin währte,
Blieb ich von jedem andren Wunsch befreit;
Tanto poss' io di quel punto ridire,
che, rimirando lei, lo mio affetto
libero fu da ogne altro disire,
018
Denn Gottes Freud' unmittelbar verklärte
Ihr Antlitz, daß ihr schönes Angesicht
Im Abglanz schon Genüge mir gewährte,
fin che 'l piacere etterno, che diretto
raggiava in Bëatrice, dal bel viso
mi contentava col secondo aspetto.
021
Besiegend mich mit eines Lächelns Licht.
Sie sprach: »Nun wende dich und horch in Schweigen:
Mein Aug' ist ja der ganze Himmel nicht.«
Vincendo me col lume d'un sorriso,
ella mi disse: «Volgiti e ascolta;
ché non pur ne' miei occhi è paradiso».
024
Wie es dem Wunsch natürlich ist und eigen,
Wann er die ganze Seele übermannt,
Sich in den Mienen des Gesichts zu zeigen,
Come si vede qui alcuna volta
l'affetto ne la vista, s'elli è tanto,
che da lui sia tutta l'anima tolta,
027
So sah ich, nach dem sel'gen Blitz gewandt,
An seinem Funkeln, daß er ein'ge Worte
Mir noch zu sagen die Begier empfand.
così nel fiammeggiar del folgór santo,
a ch'io mi volsi, conobbi la voglia
in lui di ragionarmi ancora alquanto.
030
Und er begann: »An diesem fünften Orte
Des Baumes, der da lebt vom Wipfel her,
Der immer trägt, dem nie ein Blatt verdorrte,
El cominciò: «In questa quinta soglia
de l'albero che vive de la cima
e frutta sempre e mai non perde foglia,
033
Sind sel'ge Geister, so im Fleisch vorher
Sich solche Fülle hohen Ruhms bereitet,
Daß es vollauf für jede Muse wär'.
spiriti son beati, che giù, prima
che venissero al ciel, fuor di gran voce,
sì ch'ogne musa ne sarebbe opima.
036
Schau hin denn, wo das Kreuz die Arme breitet:
Der, den ich nenne, wird dir sichtbar sein,
Wie in der Wolk' ihr schnelles Feuer gleitet.«
Però mira ne' corni de la croce:
quello ch'io nomerò, lì farà l'atto
che fa in nube il suo foco veloce».
039
Ich sah am Kreuz hinfahren lichten Schein
Beim Namen Josua, und nicht eher stellte
Der Name sich als die Erscheinung ein.
Io vidi per la croce un lume tratto
dal nomar Iosuè, com' el si feo;
né mi fu noto il dir prima che 'l fatto.
042
Und Makkabäus, der sich ihm gesellte,
Schwang sich da droben, wie sich Kreisel drehn,
Und Freude war die Peitsche, die ihn schnellte.
E al nome de l'alto Macabeo
vidi moversi un altro roteando,
e letizia era ferza del paleo.
045
Als Kaiser Karl und Roland nannt' er zween,
Und ihrem Flug folgt' ich mit späh'nden Mienen,
Wie Jäger spähend nach dem Falken sehn.
Così per Carlo Magno e per Orlando
due ne seguì lo mio attento sguardo,
com' occhio segue suo falcon volando.
048
Wilhelm und Rennewart dann folgten ihnen,
Und Robert Guiscard sah ich, und zuvor
War Herzog Gottfried an dem Kreuz erschienen.
Poscia trasse Guiglielmo e Rinoardo
e 'l duca Gottifredi la mia vista
per quella croce, e Ruberto Guiscardo.
051
Dann zu den andren Lichtern stieg empor
Der Geist, der mir Zukünft'ges prophezeite,
Und zeigt' als Künstler sich im Himmelschor.
Indi, tra l'altre luci mota e mista,
mostrommi l'alma che m'avea parlato
qual era tra i cantor del cielo artista.
054
Da wandt' ich wieder mich zur rechten Seite,
Und in Beatrix sucht' ich meine Pflicht,
Daß redend oder winkend sie mich leite.
Io mi rivolsi dal mio destro lato
per vedere in Beatrice il mio dovere,
o per parlare o per atto, segnato;
057
Heiter und klar sah ich ihr Angesicht,
Und mochte hohe Schönheit erst sie schmücken,
Jetzt überstrahlte sie das früh're Licht.
e vidi le sue luci tanto mere,
tanto gioconde, che la sua sembianza
vinceva li altri e l'ultimo solere.
060
Und wie der Mensch am wachsenden Entzücken
Bei guten Werken merkt, daß Heiligung
Und Tugend täglich in ihm weiter rücken,
E come, per sentir più dilettanza
bene operando, l'uom di giorno in giorno
s'accorge che la sua virtute avanza,
063
So merkt' ich, daß der Bogen und der Schwung
Des Himmels, wo ich kreiste, zugenommen,
An dieses Wunderbilds Verschönerung.
sì m'accors' io che 'l mio girare intorno
col cielo insieme avea cresciuto l'arco,
veggendo quel miracol più addorno.
066
Wie schneller Farbenwechsel pflegt zu kommen
An weihen Frauen, wann die Last der Scham
Von ihrem Antlitz wird hinweggenommen,
E qual è 'l trasmutare in picciol varco
di tempo in bianca donna, quando 'l volto
suo si discarchi di vergogna il carco,
069
So war der Wechsel, der sie überkam
Im weißen Glanz des milderen Planeten,
Des sechsten, der in seinen Schoß mich nahm.
tal fu ne li occhi miei, quando fui vòlto,
per lo candor de la temprata stella
sesta, che dentro a sé m'avea ricolto.
072
In Jovis Leuchte war ich eingetreten,
Und Funkensprühn der Liebe malte mir
Schriftzeichen vor nach unsren Alphabeten.
Io vidi in quella giovïal facella
lo sfavillar de l'amor che lì era
segnare a li occhi miei nostra favella.
075
Wie Vogelschwarm auffliegt am Stromrevier,
Zur Mahlzeit sich gleichsam Glückwünsche bringend,
In runden Haufen dort, in andren hier,
E come augelli surti di rivera,
quasi congratulando a lor pasture,
fanno di sé or tonda or altra schiera,
078
So in den Lichtern flogen Geister singend
Und formten nun ein D und nun ein I
Und nun ein L, im Fluge sich verschlingend.
sì dentro ai lumi sante creature
volitando cantavano, e faciensi
or D, or I, or L in sue figure.
081
Erst sich bewegend nach der Melodie,
Gestalten sie der Zeichen eins im Schweben,
Und schweigend dann ein Weilchen rasten sie.
Prima, cantando, a sua nota moviensi;
poi, diventando l'un di questi segni,
un poco s'arrestavano e taciensi.
084
O Pegasäa, die du langes Leben
Und Ruhm den Geistern gibst, den sie mit dir
Den Städten und den Königreichen geben,
O diva Pegasëa che li 'ngegni
fai glorïosi e rendili longevi,
ed essi teco le cittadi e ' regni,
087
Erleuchte mich, daß ich die Zeichen hier
Aufzähle, wie sie eingeprägt mir blieben!
Zeig, was du kannst, auf diesem Blatt Papier!
illustrami di te, sì ch'io rilevi
le lor figure com' io l'ho concette:
paia tua possa in questi versi brevi!
090
Vokal' und Konsonanten fünfmal sieben,
Die zeigten sich vor mir, und ich fing an,
Zu merken mir, was sie für Worte schrieben.
Mostrarsi dunque in cinque volte sette
vocali e consonanti; e io notai
le parti sì, come mi parver dette.
093
Diligite justitiam begann
Das Ganze, was ich las an diesem Orte,
Qui judicatis terram schloß es dann.
'DILIGITE IUSTITIAM', primai
fur verbo e nome di tutto 'l dipinto;
'QUI IUDICATIS TERRAM', fur sezzai.
096
Drauf harrten sie im M am Schluß der Worte
Geordnet aus, und Jovis Schimmer glich
Dem Silber nun, verbrämt mit goldner Borte.
Poscia ne l'emme del vocabol quinto
rimasero ordinate; sì che Giove
pareva argento lì d'oro distinto.
099
Und andre Lichter senkten feierlich
Sich auf das Haupt des M, woselbst sie blieben,
Ihm singend, glaub' ich, der sie zieht zu sich.
E vidi scendere altre luci dove
era il colmo de l'emme, e lì quetarsi
cantando, credo, il ben ch'a sé le move.
102
Dann, wie empor zahllose Funken stieben,
Wenn man auf brennende Holzscheite schlug,
Wonach zu prophezein die Toren lieben,
Poi, come nel percuoter d'i ciocchi arsi
surgono innumerabili faville,
onde li stolti sogliono agurarsi,
105
Erhoben tausend Lichter sich zum Flug
Und stiegen, höher oder minder, wieder,
Der Sonne folgend, die sie hob und trug.
resurger parver quindi più di mille
luci e salir, qual assai e qual poco,
sì come 'l sol che l'accende sortille;
108
Und jedes ließ an seinem Ort sich nieder,
Und in dem neuen Feuer nun erschien
Von einem Adler Kopf und Halsgefieder.
e quïetata ciascuna in suo loco,
la testa e 'l collo d'un'aguglia vidi
rappresentare a quel distinto foco.
111
Ihn, der dort malet, niemand leitet ihn,
Er aber leitet, und den Nestern allen
Hat Kraft aus ihm die Lebensform verliehn.
Quei che dipinge lì, non ha chi 'l guidi;
ma esso guida, e da lui si rammenta
quella virtù ch'è forma per li nidi.
114
Die andren Sel'gen, die in Wohlgefallen
Als M geleuchtet hatten all die Zeit,
Folgten der neuen Form mit raschem Wallen.
L'altra bëatitudo, che contenta
pareva prima d'ingigliarsi a l'emme,
con poco moto seguitò la 'mprenta.
117
O holder Stern, welch funkelndes Gcschmeid'
Bewies mir, daß von deiner Silberhelle
Herstammt die irdische Gerechtigkeit !
O dolce stella, quali e quante gemme
mi dimostraro che nostra giustizia
effetto sia del ciel che tu ingemme!
120
Drum fleh' ich zu dem Geist, in dem die Quelle
All deiner Kraft ist, daß er um sich schaut,
Woher so arger Rauch dein Licht entstelle,
Per ch'io prego la mente in che s'inizia
tuo moto e tua virtute, che rimiri
ond' esce il fummo che 'l tuo raggio vizia;
123
Damit vor seinem Grimm den Krämern graut,
Die heut im Tempel kaufen und verkaufen,
Den Märtyrium und Wunder aufgebaut.
sì ch'un'altra fïata omai s'adiri
del comperare e vender dentro al templo
che si murò di segni e di martìri.
126
Himmlische Ritter, betet für den Haufen,
Der hier auf Erden in die Irre fährt,
Weil alle nach dein bösen Beispiel laufen.
O milizia del ciel cu' io contemplo,
adora per color che sono in terra
tutti svïati dietro al malo essemplo!
129
Sonst führte man die Kriege mit dem Schwert,
Jetzt weigert man dem Feind das Brot zu geben,
Das nie von guten Vätern ward verwehrt.
Già si solea con le spade far guerra;
ma or si fa togliendo or qui or quivi
lo pan che 'l pïo Padre a nessun serra.
132
Du aber, der du schacherst mit Vergeben,
Merk, Paul und Petrus starben für die Pracht
Des Weinbergs, den du schändest; doch sie leben!
Ma tu che sol per cancellare scrivi,
pensa che Pietro e Paulo, che moriro
per la vigna che guasti, ancor son vivi.
135
Wohl wirst du sagen: mein Herz ist entfacht
Für ihn, der gern für sich blieb, einsam immer,
Und den ein Tanz zum Märtyrer gemacht;
Ben puoi tu dire: «I' ho fermo 'l disiro
sì a colui che volle viver solo
e che per salti fu tratto al martiro,
138
Den Paulus und den Fischer kenn' ich nimmer.
ch'io non conosco il pescator né Polo».

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert