003
Als der Septentrio der Welt dort oben,
Der nie gekannt hat Auf- und Untergehn
Noch Nebel, außer den, so Schuld gewoben,
Quando il settentrïon del primo cielo,
che né occaso mai seppe né orto
né d'altra nebbia che di colpa velo,
006
Der jeden lehrte seine Pflicht verstehn,
Wie den Piloten das Gestirn hienieden
Das Steuer lehret nach dem Hafen drehn,
e che faceva lì ciascuno accorto
di suo dover, come 'l più basso face
qual temon gira per venire a porto,
009
Still stand, da bog der Zug, dem es beschieden,
Dem Greif voranzuschreiten, still und froh
Sich nach dem Wagen als nach seinem Frieden.
fermo s'affisse: la gente verace,
venuta prima tra 'l grifone ed esso,
al carro volse sé come a sua pace;
012
Und Veni sponsa nunc de Libano!
Sang einer dreimal wie ein Himmelsbote,
Und alle andren sangen ebenso.
e un di loro, quasi da ciel messo,
'Veni, sponsa, de Libano' cantando
gridò tre volte, e tutti li altri appresso.
015
Wie aus dem Grab erstehen wird das Tote
Und Hallelujah dann anstimmen soll
Der Sel'gen Chor beim jüngsten Aufgebote,
Quali i beati al novissimo bando
surgeran presti ognun di sua caverna,
la revestita voce alleluiando,
018
So über jener heil'gen Sänfte scholl
Vielhundertfach ad vocem tanti senis
Die ganze Luft, von Himmelsscharen voll,
cotali in su la divina basterna
si levar cento, ad vocem tanti senis,
ministri e messagger di vita etterna.
021
Und Benedictus, sangen sie, qui venis,
Und Blumen streuend über Pfad und Au',
Sprachen sie: Manibus date lilia plenis.
Tutti dicean: 'Benedictus qui venis!',
e fior gittando e di sopra e dintorno,
'Manibus, oh, date lilïa plenis!'.
024
Oft sah ich nach des Tages erstem Grau
Die Morgenseite ganz in Rosengluten
Und sonst den Himmel klar in heitrem Blau,
Io vidi già nel cominciar del giorno
la parte orïental tutta rosata,
e l'altro ciel di bel sereno addorno;
027
Und nun die Sonn' aufsteigen aus den Fluten,
Beschattet und gedämpft vom Nebelflor,
Daß unbeschwert auf ihr die Blicke ruhten
e la faccia del sol nascere ombrata,
sì che per temperanza di vapori
l'occhio la sostenea lunga fïata:
030
So aus der Blumenwolke, die empor
Aus Engelhänden stieg und auf das ganze
Gefilde hinfloß, strahlt' ein Weib hervor.
così dentro una nuvola di fiori
che da le mani angeliche saliva
e ricadeva in giù dentro e di fori,
033
Im weißen Schleier, im Olivenkranze,
In grünem Mantel stellte sie sich dar,
Bekleidet von lebend'gem Flammenglanze.
sovra candido vel cinta d'uliva
donna m'apparve, sotto verde manto
vestita di color di fiamma viva.
036
Und mein Gemüt, das schon so manches Jahr
Nie mehr von Schauern, die mich einst durchwallten,
In ihrer Näh' erschüttert worden war,
E lo spirito mio, che già cotanto
tempo era stato ch'a la sua presenza
non era di stupor, tremando, affranto,
039
Ohne durchs Auge Kenntnis zu erhalten,
Nur durch verborgne Kraft, die ihr entfloß,
Fühlt' es der alten Liebe starkes Walten.
sanza de li occhi aver più conoscenza,
per occulta virtù che da lei mosse,
d'antico amor sentì la gran potenza.
042
Wie nun sie meinen Blicken sich erschloß,
Die hohe Kraft, die in vergangnen Tagen,
Da ich ein Kind war, durch das Herz mir schoß,
Tosto che ne la vista mi percosse
l'alta virtù che già m'avea trafitto
prima ch'io fuor di püerizia fosse,
045
Wandt' ich zur Linken mich mit solchem Zagen,
Mit dem das Knäblein zu der Mutter rennt,
Wann irgend Kummer oder Furcht es plagen,
volsimi a la sinistra col respitto
col quale il fantolin corre a la mamma
quando ha paura o quand'elli è afflitto,
048
Um zu Virgil zu sprechen; »Jedes Quent
Des Bluts in meinen Adern fühl' ich beben:
Ich merk' es, daß die alte Flamme brennt.«
per dicere a Virgilio: 'Men che dramma
di sangue m'è rimaso che non tremi:
conosco i segni de l'antica fiamma'.
051
Virgil war fort und ließ verwaist mein Leben,
Virgil, mein süßer Vater, Trost und Licht,
Virgil, dem ich zum Heile mich ergeben!
Ma Virgilio n'avea lasciati scemi
di sé, Virgilio dolcissimo patre,
Virgilio a cui per mia salute die' mi;
054
Was Eva einst verlor, es reichte nicht,
Daß es den Tränen neu zu trüben wehrte
Mein jüngst von Tau gewaschnes Angesicht.
né quantunque perdeo l'antica matre,
valse a le guance nette di rugiada
che, lagrimando, non tornasser atre.
057
»Dante! ob auch Virgil hinweg sich kehrte,
Noch weine nicht, nicht weine dieses Mal!
Du mußt noch weinen, wund von andrem Schwerte.«
"Dante, perché Virgilio se ne vada,
non pianger anco, non piangere ancora;
ché pianger ti conven per altra spada".
060
Wie auf Kastell und Deck der Admiral
Die Leut' aufsucht, eh' sie die Seeschlacht schlagen,
Und sie ermahnt, zu tun, was er befahl,
Quasi ammiraglio che in poppa e in prora
viene a veder la gente che ministra
per li altri legni, e a ben far l'incora;
063
So, an dem linken Rand auf ihrem Wagen,
Als bei dem Namen ich zusammenfuhr
(Der, weil es sein muß, hier steht eingetragen),
in su la sponda del carro sinistra,
quando mi volsi al suon del nome mio,
che di necessità qui si registra,
066
Sah ich das Weib, das erst verschleiert nur
Der Engel Festgruß mir zu sehn erlaubte,
Mich anschaun von der andren Uferflur,
vidi la donna che pria m'appario
velata sotto l'angelica festa,
drizzar li occhi ver' me di qua dal rio.
069
Obwohl der Schleier, der von ihrem Haupte
Hinfloß, umgürtet von Minervas Grün,
Mir immer noch den vollen Anblick raubte.
Tutto che 'l vel che le scendea di testa,
cerchiato de le fronde di Minerva,
non la lasciasse parer manifesta,
072
Königlich von Gebärden, frei und kühn
Begann sie, wie ein Mann, der klugen Sinnes
Aufspart die Worte, die am meisten glühn:
regalmente ne l'atto ancor proterva
continüò come colui che dice
e 'l più caldo parlar dietro reserva:
075
»Schau her: ich bin Beatrix, ja, ich bin es.
Dünkt nun das Steigen auf den Berg dir gut?
Warst du zuvor unkundig des Gewinnes?«
"Guardaci ben! Ben son, ben son Beatrice.
Come degnasti d'accedere al monte?
non sapei tu che qui è l'uom felice?".
078
Da sank mein Blick in die kristallne Flut,
Und weil ich dort mich sah, blickt' ich geschwinde
Ins Gras, gebeugt von Scham, die mich belud.
Li occhi mi cadder giù nel chiaro fonte;
ma veggendomi in esso, i trassi a l'erba,
tanta vergogna mi gravò la fronte.
081
Stolz schien sie, wie die Mutter scheint dem Kinde;
Denn streng Erbarmen gab und gibt es nie,
Daß man nicht bitter den Geschmack empfinde.
Così la madre al figlio par superba,
com'ella parve a me; perché d'amaro
sente il sapor de la pietade acerba.
084
Sie schwieg, da scholl der Engel Melodie
Herab: In te speravi domine!
Doch nur bis pedes meos sangen sie.
Ella si tacque; e li angeli cantaro
di sùbito 'In te, Domine, speravi';
ma oltre 'pedes meos' non passaro.
087
Wie zwischen den lebend'gen Balken Schnee
Gefriert auf unserm Apenninenkamme,
Erstarrt im Winde der slawon'schen See,
Sì come neve tra le vive travi
per lo dosso d'Italia si congela,
soffiata e stretta da li venti schiavi,
090
Dann weich in sich versickert wie im Schwamme,
Sobald die schattenlosen Lande wehn,
Als ob die Kerze hinschmelz' an der Flamme,
poi, liquefatta, in sé stessa trapela,
pur che la terra che perde ombra spiri,
sì che par foco fonder la candela;
093
So blieb ich ohne Trän' und Seufzer stehn,
Bis jene sangen, die mit ihren Chören
Stets nach dem Chor der ew'gen Sphären gehn;
così fui sanza lagrime e sospiri
anzi 'l cantar di quei che notan sempre
dietro a le note de li etterni giri;
096
So rührend aber war ihr Lied zu hören
Und gab ihr Mitleid mir so deutlich kund,
Als spräch' es: Weib, warum ihn so verstören?
ma poi che 'ntesi ne le dolci tempre
lor compartire a me, par che se detto
avesser: 'Donna, perché sì lo stempre?',
099
Da ward das Eis auf meines Busens Grund
Zu Hauch und Wasser, und voll Angst befreite
Die Brust von ihnen sich durch Aug' und Mund.
lo gel che m'era intorno al cor ristretto,
spirito e acqua fessi, e con angoscia
de la bocca e de li occhi uscì del petto.
102
Sie, fest noch stehend auf des Wagens Seite,
Hob zu den Seligen ihr Angesicht,
Und also redete die Benedeite:
Ella, pur ferma in su la detta coscia
del carro stando, a le sustanze pie
volse le sue parole così poscia:
105
»Ihr wacht im wandellosen Tageslicht,
So daß den Schritt der Zeit auf ihrem Wege
Euch weder Nacht noch Schlaf je unterbricht;
"Voi vigilate ne l'etterno die,
sì che notte né sonno a voi non fura
passo che faccia il secol per sue vie;
108
Daher ich redend jetzt mehr Sorge hege,
Ihm, der da drüben weinet, klar zu sein,
Damit sich Schuld und Schmerz gleichmäßig wäge.
onde la mia risposta è con più cura
che m'intenda colui che di là piagne,
perché sia colpa e duol d'una misura.
111
Nicht durch die Macht der großen Kreis' allein,
Die jeden Samen lenkt nach einem Ende,
Je nach den Sternen, die Geleit verleihn,
Non pur per ovra de le rote magne,
che drizzan ciascun seme ad alcun fine
secondo che le stelle son compagne,
114
Nein, auch durch Gottes reiche Gnadenspende,
Die aus so hohen Wolken niederfährt,
Daß unser Blick dahin den Weg nicht fände,
ma per larghezza di grazie divine,
che sì alti vapori hanno a lor piova,
che nostre viste là non van vicine,
117
War seinem neuen Leben Kraft beschert,
Daß jegliches Geschick zu guten Taten
In ihm sich hätte wunderbar bewährt.
questi fu tal ne la sua vita nova
virtüalmente, ch'ogne abito destro
fatto averebbe in lui mirabil prova.
120
Doch um so wilder wird das Feld geraten
Von bösem Samen, und man pflegt es nicht,
Je beßre Kraft des Bodens trägt die Saaten.
Ma tanto più maligno e più silvestro
si fa 'l terren col mal seme e non cólto,
quant'elli ha più di buon vigor terrestro.
123
Zuerst hielt aufrecht ihn mein Angesicht;
Ich führt' ihn mit mir an die rechte Stelle;
In meinen jungen Augen fand er Licht.
Alcun tempo il sostenni col mio volto:
mostrando li occhi giovanetti a lui,
meco il menava in dritta parte vòlto.
126
Dann, als ich an des zweiten Alters Schwelle
Das Leben wechselte, da wandt' er sich
Von mir, daß er zu andren sich geselle.
Sì tosto come in su la soglia fui
di mia seconda etade e mutai vita,
questi si tolse a me, e diessi altrui.
129
Sobald ich aus dem Fleisch zum Geist entwich
Und wuchs an Schönheit und Vollkommenheiten,
Da liebt' er minder wahr und zärtlich mich.
Quando di carne a spirto era salita,
e bellezza e virtù cresciuta m'era,
fu' io a lui men cara e men gradita;
132
Unwahre Pfade fing er an zu schreiten,
Den Bildern falschen Gutes nachzuziehn,
Die nie erfüllen, was sie prophezeiten.
e volse i passi suoi per via non vera,
imagini di ben seguendo false,
che nulla promession rendono intera.
135
Umsonst erwirkt' ich Eingebung für ihn,
Durch die in Träumen und auf andre Weise
Ich ihn ermahnt', indes er taub erschien.
Né l'impetrare ispirazion mi valse,
con le quali e in sogno e altrimenti
lo rivocai: sì poco a lui ne calse!
138
Er sank so tief, daß, um ihn ins Geleise
Des Heils zu ziehn, kein Mittel mehr verschlug,
Es sei denn, daß man ihm die Hölle weise,
Tanto giù cadde, che tutti argomenti
a la salute sua eran già corti,
fuor che mostrarli le perdute genti.
141
Ans Tor der Toten eilt' ich da im Flug,
Wohin für ihn ich weinend meine Bitte
Zu dem, der ihn hierher geführt hat, trug.
Per questo visitai l'uscio d'i morti,
e a colui che l' ha qua sù condotto,
li preghi miei, piangendo, furon porti.
144
Und wißt, daß Gottes Ratschluß Abbruch litte,
Wenn ihr ihn Lethe überschreiten ließt
Zu solchem Mahl, eh' er den Zoll bestritte
Alto fato di Dio sarebbe rotto,
se Letè si passasse e tal vivanda
fosse gustata sanza alcuno scotto
147
Der Reue, welche Tränenström' ergießt.«
di pentimento che lagrime spanda".

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