003
Es waren meine Augen so beflissen,
So fest gebannt, zehnjähr'gen Durst zu stillen,
Daß mir die andern Sinne ganz vergingen,
Tant' eran li occhi miei fissi e attenti
a disbramarsi la decenne sete,
che li altri sensi m'eran tutti spenti.
006
Und hatten gleichsam Wände hier und dorten,
Daß nichts sie sahen; also zog das Lächeln,
Das heil'ge, mit dem alten Netz sie an sich:
Ed essi quinci e quindi avien parete
di non caler – così lo santo riso
a sé traéli con l'antica rete! – ;
009
Als mit Gewalt das Antlitz mir zur Linken
Von jenen Göttinnen gewendet wurde,
Weil ich: »Allzu vertieft!« von einer hörte.
quando per forza mi fu vòlto il viso
ver' la sinistra mia da quelle dee,
perch' io udi' da loro un «Troppo fiso!»;
012
Und jener Zustand, den beim Sehn die Augen
Empfinden, die nur eben traf die Sonne,
Beraubte kurze Zeit mich des Gesichts.
e la disposizion ch'a veder èe
ne li occhi pur testé dal sol percossi,
sanza la vista alquanto esser mi fée.
015
Doch als an's Wen'ge sich mein Blick gewöhnte,
- An's Wen'ge, sag' ich, in Betracht des reichen
Anblicks, von dem ich mit Gewalt mich losriß: -
Ma poi ch'al poco il viso riformossi
(e dico ‹al poco' per rispetto al molto
sensibile onde a forza mi rimossi),
018
Sah ich nach rechter Schulter nun sich wenden
Das glorienvolle Heer und wiederkehren,
Die Sonn' im Antlitz und die sieben Flammen.
vidi 'n sul braccio destro esser rivolto
lo glorïoso essercito, e tornarsi
col sole e con le sette fiamme al volto.
021
Wie eine Schaar, zur Deckung, unterm Schilde
Sich wendet und abschwenkt um ihre Fahne,
Eh sie sich gänzlich anders ordnen kann:
Come sotto li scudi per salvarsi
volgesi schiera, e sé gira col segno,
prima che possa tutta in sé mutarsi;
024
So zog auch jene Schaar des Himmelreiches,
Die da vorausging, ganz an uns vorüber,
Bevor der Wagen seine Deichsel wandte.
quella milizia del celeste regno
che procedeva, tutta trapassonne
pria che piegasse il carro il primo legno.
027
Drauf traten an die Räder hin die Frauen
Und die geweihte Last zog nun der Greif
So, daß sich keine Feder an ihm regte.
Indi a le rote si tornar le donne,
e 'l grifon mosse il benedetto carco
sì, che però nulla penna crollonne.
030
Das schöne Weib, das durch die Furt mich brachte,
Statius und ich, wir folgten jenem Rade,
Das sein Geleis im engern Bogen zog.
La bella donna che mi trasse al varco
e Stazio e io seguitavam la rota
che fé l'orbita sua con minore arco.
033
Durchschreitend so den hohen Wald, der öde
Durch deren Schuld ist, die der Schlange glaubte,
Stimmt' ich die Schritte nach den Engelweisen.
Sì passeggiando l'alta selva vòta,
colpa di quella ch'al serpente crese,
temprava i passi un'angelica nota.
036
Dreimal so weit vielleicht, als Raum durchflieget
Ein abgeschoßner Pfeil, war's, daß entfernt
Wir jetzt uns hatten, als Beatrir abstieg.
Forse in tre voli tanto spazio prese
disfrenata saetta, quanto eramo
rimossi, quando Bëatrice scese.
039
Und es erging durch All' ein Murmeln: »Adam!«
Dann kreisten sie um einen Baum, entblößet
Von Blüthen und von Laub an jedem Zweige.
Io senti' mormorare a tutti «Adamo»;
poi cerchiaro una pianta dispogliata
di foglie e d'altra fronda in ciascun ramo.
042
Sein Laubwerk, das je höher, um so breiter
Sich rings ausdehnte, hätten Indier
In ihren Wäldern ob der Höh' bewundert.
La coma sua, che tanto si dilata
più quanto più è sù, fora da l'Indi
ne' boschi lor per altezza ammirata.
045
»Glückselig bist du, Greif, daß nichts dein Schnabel
Von diesem Holz abstreift, so süß dem Gaumen,
Weil es nachher im Bauche grimmen würde.« -
«Beato se', grifon, che non discindi
col becco d'esto legno dolce al gusto,
poscia che mal si torce il ventre quindi».
048
So, rings um den gewalt'gen Baum her, riefen
Die andern; dann das zwiegeborne Thier:
»So wahrt den Samen man jedwedes Rechten.« -
Così dintorno a l'albero robusto
gridaron li altri; e l'animal binato:
«Sì si conserva il seme d'ogne giusto».
051
Und sich zur Deichsel wendend, die's gezogen,
Bracht' es zum Fuß sie des beraubten Baumes
Und ließ, die von ihm stammt', an ihm gebunden.
E vòlto al temo ch'elli avea tirato,
trasselo al piè de la vedova frasca,
e quel di lei a lei lasciò legato.
054
Wie unsre Pflanzen, wenn das große Licht
Hernieder sich ergießt, gemischt mit jenem,
Das hinter jenen Himmelsfischen strahlet,
Come le nostre piante, quando casca
giù la gran luce mischiata con quella
che raggia dietro a la celeste lasca,
057
Von Saft anschwellen und sich dann jedwede
In ihrer Farb' erneuert, eh die Sonne
Mit ihren Rennern kommt zu andrem Sternbild:
turgide fansi, e poi si rinovella
di suo color ciascuna, pria che 'l sole
giunga li suoi corsier sotto altra stella;
060
So, weniger als Rosen, mehr als Veilchen
Die Farb' entfaltend, ward der Baum erneuet,
Der vorher solch' entblößte Zweige hatte.
men che di rose e più che di vïole
colore aprendo, s'innovò la pianta,
che prima avea le ramora sì sole.
063
Ich konnte nicht verstehn, noch singt hienieden
Den Hymnus man, den jene Schaar nun sang;
Auch konnt' ich nicht die Weise ganz ertragen.
Io non lo 'ntesi, né qui non si canta
l'inno che quella gente allor cantaro,
né la nota soffersi tutta quanta.
066
Könnt' ich darstellen, wie, von Syrinx hörend,
Einschlummerten die mitleidslosen Augen,
Sie, denen hoch zu stehn kam längres Wachen:
S'io potessi ritrar come assonnaro
li occhi spietati udendo di Siringa,
li occhi a cui pur vegghiar costò sì caro;
069
So würd' ich, wie ein Maler, welcher malet
Nach einem Vorbild, wie ich einschlief, schildern;
Doch mag, wer will, gut dies Entschlummern malen.
come pintor che con essempro pinga,
disegnerei com' io m'addormentai;
ma qual vuol sia che l'assonnar ben finga.
072
Drum geh ich jetzt zu dem Erwachen über
Und sage, daß ein Glanz zerriß den Schleier
Des Schlafes und ein Ruf: »Steh auf, was thust du?«
Però trascorro a quando mi svegliai,
e dico ch'un splendor mi squarciò 'l velo
del sonno, e un chiamar: «Surgi: che fai?».
075
Wie einst, geführt, zu schaun des Fruchtbaums Blüthen,
- Der lüstern macht selbst Engel nach den Aepfeln
Und stete Festeslust im Himmel schafft -
Quali a veder de' fioretti del melo
che del suo pome li angeli fa ghiotti
e perpetüe nozze fa nel cielo,
078
Sankt Petrus und Johannes und Jacobus
Aus ihrer Ohnmacht auf das Wort erstanden,
Das tiefern Schlummer schon gebrochen hatte,
Pietro e Giovanni e Iacopo condotti
e vinti, ritornaro a la parola
da la qual furon maggior sonni rotti,
081
Und sahen nun vermindert ihre Schaar,
Sowohl um Moses als auch um Elias,
Und an dem Meister sein Gewand verändert:
e videro scemata loro scuola
così di Moïsè come d'Elia,
e al maestro suo cangiata stola;
084
So nun erwacht' auch ich und sah die Fromme
Jetzt stehen über mir, die meine Schritte
Vorher geleitet hatte längs des Baches.
tal torna' io, e vidi quella pia
sovra me starsi che conducitrice
fu de' miei passi lungo 'l fiume pria.
087
»Wo ist Beatrix?« rief ich voller Bangen;
Und jene: »Sieh, dort unter'm neuen Laube,
Wie sie dort sitzet auf des Baumes Wurzel.
E tutto in dubbio dissi: «Ov' è Beatrice?».
Ond' ella: «Vedi lei sotto la fronda
nova sedere in su la sua radice.
090
Sieh die Geleitschaft, welche sie umgibt.
Die andern gehn aufwärts dem Greifen nach,
Noch süßeres und tiefres Lied anstimmend.« -
Vedi la compagnia che la circonda:
li altri dopo 'l grifon sen vanno suso
con più dolce canzone e più profonda».
093
Nicht weiß ich, ob sie weitres noch gesprochen;
Denn schon hielt ich im Blicke Jene fest,
Die mir für anderes den Sinn verschlossen.
E se più fu lo suo parlar diffuso,
non so, però che già ne li occhi m'era
quella ch'ad altro intender m'avea chiuso.
096
Sie saß allein da auf der wahren Erde,
Zur Wächterin des Wagens hinterlassen,
Den dort anband das zwiegestalt'ge Thier.
Sola sedeasi in su la terra vera,
come guardia lasciata lì del plaustro
che legar vidi a la biforme fera.
099
Im Kreis umhegten sie die sieben Nymphen,
In ihren Händen jene Lichter haltend,
Die sicher sind vor Nordsturm oder Südwind.
In cerchio le facevan di sé claustro
le sette ninfe, con quei lumi in mano
che son sicuri d'Aquilone e d'Austro.
102
»Hier wirst du kurze Zeit als Fremdling weilen
Und ewiglich dann sein mit mir ein Bürger
Von jenem Rom, drin Christus Römer ist.
«Qui sarai tu poco tempo silvano;
e sarai meco sanza fine cive
di quella Roma onde Cristo è romano.
105
Zum Heil der Welt drum, deren Wandel schlimm ist,
Schau fest zum Wagen hin und was du siehest,
Das schreibe nach der Rückkehr jenseits nieder.« -
Però, in pro del mondo che mal vive,
al carro tieni or li occhi, e quel che vedi,
ritornato di là, fa che tu scrive».
108
Also Beatrix. Ich, der ihr zu Füßen
Ganz hingesunken der Befehle harrte,
Id wandte Sinn und Blick, wohin sie wollte.
Così Beatrice; e io, che tutto ai piedi
d'i suoi comandamenti era divoto,
la mente e li occhi ov' ella volle diedi.
111
Nicht schoß jemals mit also jäher Schnelle
Aus dichter Wolke Feuer, wenn es regnet
In jener Himmelsgegend, die am fernsten:
Non scese mai con sì veloce moto
foco di spessa nube, quando piove
da quel confine che più va remoto,
114
Wie nieder auf den Baum ich schießen sah
Des Jovis Adler, von der Rind' abreißend,
Nicht nur die Blüthen und die frischen Blätter.
com' io vidi calar l'uccel di Giove
per l'alber giù, rompendo de la scorza,
non che d'i fiori e de le foglie nove;
117
Er fiel den Wagen an mit aller Macht,
Der nun sich beugte wie ein Schiff im Sturme,
Bald rechts, bald links geschleudert von den Wellen.
e ferì 'l carro di tutta sua forza;
ond' el piegò come nave in fortuna,
vinta da l'onda, or da poggia, or da orza.
120
Dann sah ich ferner in den innern Raum
Des Siegeswagens einen Fuchs sich stürzen,
Der gierig schien nach jeder guten Weide.
Poscia vidi avventarsi ne la cuna
del trïunfal veiculo una volpe
che d'ogne pasto buon parea digiuna;
123
Doch als ihn schalt ob seines schnöden Angriffs
Die Herrin, wandt' er sich zu solcher Flucht,
Wie die fleischlosen Knochen nur ertrugen.
ma, riprendendo lei di laide colpe,
la donna mia la volse in tanta futa
quanto sofferser l'ossa sanza polpe.
126
Hierauf von dort, woher zuerst er kam,
Sah ich den Adler in des Wagens Lade
Sich stürzen, sie voll seiner Federn lassend.
Poscia per indi ond' era pria venuta,
l'aguglia vidi scender giù ne l'arca
del carro e lasciar lei di sé pennuta;
129
Und, wie aus einem Herzen, das sich härmet,
Kam aus dem Himmel eine Stimm' und sagte:
»Mein Schifflein, wie so schlimm bist du beladen!« -
e qual esce di cuor che si rammarca,
tal voce uscì del cielo e cotal disse:
«O navicella mia, com' mal se' carca!».
132
Dann sah ich, wie sich zwischen beiden Rädern
Die Erd' aufthat und draus ein Drache kam,
Der seinen Schweif hineinstieß in den Wagen.
Poi parve a me che la terra s'aprisse
tr'ambo le ruote, e vidi uscirne un drago
che per lo carro sù la coda fisse;
135
Und gleich der Wespe, die den Stachel einzieht,
Zog er an sich zurück den gift'gen Schweif,
Riß von dem Grund mit fort, und floh befriedigt.
e come vespa che ritragge l'ago,
a sé traendo la coda maligna,
trasse del fondo, e gissen vago vago.
138
Und was noch übrig blieb, ward, wie von Rasen
Fruchtbares Erdreich, so von dem Gefieder
- Gewährt vielleicht in reiner, güt'ger Absicht -
Quel che rimase, come da gramigna
vivace terra, da la piuma, offerta
forse con intenzion sana e benigna,
141
Ganz überdeckt; so wurden auch die Räder
Damit bedeckt die Deichsel auch, so schnell,
Daß länger hält den Mund ein Seufzer offen.
si ricoperse, e funne ricoperta
e l'una e l'altra rota e 'l temo, in tanto
che più tiene un sospir la bocca aperta.
144
Als so das heilige Geräth verwandelt,
Da traten Häupter vor, aus seinen Theilen,
Drei an der Deichsel, eins an jeder Ecke.
Trasformato così 'l dificio santo
mise fuor teste per le parti sue,
tre sovra 'l temo e una in ciascun canto.
147
Gehörnt wie Kinder waren jene erstern;
Den vieren stand nur ein Horn an der Stirne;
Ein gleiches Unthier sah man niemals noch.
Le prime eran cornute come bue,
ma le quattro un sol corno avean per fronte:
simile mostro visto ancor non fue.
150
Wie eine Burg auf hohem Berg, so sicher
Sah ich auf ihm ein freches Weibsbild sitzen,
Das seine Blicke hurtig um sich warf.
Sicura, quasi rocca in alto monte,
seder sovresso una puttana sciolta
m'apparve con le ciglia intorno pronte;
153
Und gleich als sollte man sie ihm nicht rauben,
Sah ich zur Seit' ihr aufrecht einen Riesen;
Und beide küßten sich von Zeit zu Zeit.
e come perché non li fosse tolta,
vidi di costa a lei dritto un gigante;
e basciavansi insieme alcuna volta.
156
Doch als ihr Aug', umschweifend und begehrlich,
Auf mich sie wandte, geißelte der wilde
Liebhaber sie vom Kopf bis auf die Sohlen.
Ma perché l'occhio cupido e vagante
a me rivolse, quel feroce drudo
la flagellò dal capo infin le piante;
159
Dann, von Verdacht und wildem Grimm erfüllt,
Löst' er das Ungethüm und zog so weit
Es in den Wald, daß der allein mir Schirm war
poi, di sospetto pieno e d'ira crudo,
disciolse il mostro, e trassel per la selva,
tanto che sol di lei mi fece scudo
162
Vor jener Metz' und vor dem neuen Unthier.

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