Sie jagt von sich den Cupido und entblößt ihr Herze dem Jesulein

1
Cupido, blindes Kind,
Pack dich hinweg geschwind
Mit deinen Narrenpfeilen!
Du sollst mein Herz
Mit deinem Scherz
Nunmehr nicht übereilen.

2
Ich bin von Jesu wund
Und fühle noch zur Stund
Sein Feuer in mir brennen.
Drum geh nur fort
An deinen Ort,
Du wirst mich nicht errennen.

3
Ich hab dich längst verjagt
Und ernstlich abgesagt,
Ich sag dir nochmal abe.
Denn dich verdringt,
Der mich bezwingt,
Der Bethlemiter Knabe.

4
Ich hab inbrünstig schon
Gehuldigt seinem Thron
Und seine Pfeil geküsset.
Ich häng ihm an,
So viel ich kann,
Ob es dich zwar verdrießet.

5
Dein Pfeil macht ewgen Schmerz,
Zerstöret Sinn und Herz,
Stürzt Leib und Seel zur Höllen.
Sein Pfeil bringt Freud
In Ewigkeit,
Macht uns zu Gotts Gesellen.

6
Du bist verblendt und toll
Und böser Lüste voll,
Ein Herr der Herzensdiebe.
Mein Knab ist rein,
Keusch, sehend, fein,
Ein Gott der wahren Liebe.

7
Wie blind ist doch die Welt,
Die dir zu Fuße fällt
Und deine Waffen achtet!
Ach, daß sie doch
Nicht nach dem Joch
Des kleinen Jesu trachtet!

8
Gib her dein Giftgeschoß,
Mit dem du pochst so groß,
Die Pfeil und auch den Bogen.
Du bist schon hin
Aus Herz und Sinn,
Wann Jesus eingezogen.

9
Ich bleib nun gänzlich dein,
Huldseligs Jesulein,
Du hochgeliebter Knabe.
Ich liebe dich
Ganz inniglich
Beständig bis zum Grabe.

10
Komm in mein Herz und ruh,
Ich tu dirs auf und zu
Nach deinem liebsten Willen.
Du hasts verwundt,
Machs auch gesund,
Daß sich die Schmerzen stillen.

11
Laß aber deine Pein
Nie gänzlich von mir sein,
Laß deine Pfeile schneiden,
Auf daß mein Herz
Durch diesen Schmerz
Bleib von der Welt gescheiden.

Heilige Seelenlust oder geistliche Hirtenlieder - Erstes Buch 40

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