Oster-Gedancken

Last uns mit den frommen Frauen/
Nun der frühe Tag anbricht/
Für erwachtem Sonnen-Licht
Zu des Herren Grabe schauen.
Last uns Salb' und Specerey/
Seinem Cörper bringen bey.

Seht Aurorens Röth auffsteigen/
Und der helle Morgen-Stern
Wird uns selbst den Weg zum Herrn
Durch den kühlen Thau anzeigen.
Aber ach! der schwere Stein
Kömmt mir unterwegens ein.

Kan ich mit dem Stein der Sünden/
Der mir auff dem Rücken liegt/
Tausend Centner überwiegt/
Mich zur heilgen Stätte finden?
Wo treff ich den Simson an
Der den Stein abweltzen kan?

Unverzagt! dir ist gerathen/
Der/ den du besuchen wilt/
Hat den Kummer schon gestillt:
Seine Treu kömmt dir zu statten/
Hebt den Stein für sich und dich/
Und nimmt deine Last auff sich.

Mag ihn Sünd und Tod nicht zwingen/
Hält ihn nicht der Höllen Klufft/
Kan er sich durch Stein und Grufft
Lebend in die Höhe schwingen/
So wird auch kein Sünden-Stein
Ihm bey dir zu mächtig seyn.

Schau/ das leere Grab ist offen/
Wo dein liebster Heyland lag/
Nun hast du den Oster-Tag
Froher Seligkeit zu hoffen/
Und durchs kühle Schlaff-Gemach
Folgst du ihm in Himmel nach.

III. Himmelschlüssel oder Geistliche Gedichte 60

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