Gaetano Donizetti

Torquato Tasso

Oper in drei Akten

Personen

Alfonso II, Herzog von Ferrara
Eleonora, seine Schwester
Eleonora, Gräfin von Scandiano
Torquato Tasso
Roberto Geraldini, Geheimschreiber des Herzogs
Gherardo, Hof-Cavalier des Herzogs
Ambrogio, Tasso's Diener
Hofleute
Soldaten

Erster Akt.

Vorsaal im herzoglichen Pallaste.

Erste Scene.

Hof-Cavaliere, dann Gherardo, später Ambrogio.

CHOR.
Unsre beiden Rebenbuhler,
Der Poet, verliebt, voll Ehrgeiz,
Und der Narr, der ihn beneidet,
Geben uns am Hofe hier
Stets zur Unterhaltung Stoff.
Doch dem armen Tasso, fürcht‘ ich,
Droht ein schweres Ungewitter.
Wenn nicht alle Zeichen trügen,
Kommt es immer näher schon,
Und ist bald zum Ausbruch reif.
GHERARDO.
Wie, Was sagt Ihr! Wirklich? Nichts?
Gehet, hebet Euch von dannen.
CHOR.
Ha, Gherardo! Hört Ihr ihn?
Er fängt schon zu fragen an,
Wie er's an der Art stets hat.
In Verwirrung ist gerathen
Dieses armen Narren Sinn;
Eifersucht und Neid erfüllt ihn,
Quält und plagt ihn unaufhörlich,
Daß er niemals Ruhe hat.
GHERARDO.
Die beste Art und Weise,
Beim Reden oder Schreiben,
Bleibt immer doch das Fragen,
Ich zieh‘ es Allem vor.
Es stände ohne Fragen
So mancher da als Esel;
Und ohne Fragen käme
Kein Doctor je zum Ziel.
Das Fragen ist die Angel,
Geheimnisse zu fischen;
Nie macht man, wenn ich frage,
Ein X mir für ein U.
Ist Tasso hier vorbeigegangen?
War er nicht eingeladen?
Hat sich der Herzog wegbegeben?
Der Secretair sich schon entfernt?
Hat von den beiden Leonoren
Keine nach mir gesragt?
Wird Mantna's Gesandter
Wohl feierlich empfangen?
Was hat er zu verhandeln?
Weshalb kommt er wohl her?
Wie ist der Herzog aufgelegt?
Wo mag die Gräfin seyn?
So laßt doch eine Sylbe
Dem Munde nur entschlüpfen.
Zum Henker! Steht doch nicht so stumm
Wie Bilder da von Stein.
Ihr schweigt ja wie die Mumien;
Es macht mich wirklich toll!
CHOR.
Wenn Ihr uns nicht in Ruhe laßt
Mit Euren vielen Fragen,
So können wir unmöglich Euch
Auf etwas Auskunft geben.
Seyd doch nur still, es geht ja doch
Nicht Alles auf einmal.
GHERARDO.
Doch, wie ich sehe,
Kommt dort Torquato's
Einfält'ger Diener
Daher gegangen.
Wenn ich mit guter
Art ihn hier frage,
Wie ein Orakel
Antwortet er.
CHOR.
Nehmt Euch in Acht, Herr,
Daß es nicht Eurer
Lästigen Neugier
Uebel ergeht.
GHERARDO.
Geht doch, Ihr Thoren!
Ihr macht mich lachen.
Ein Mann von Klugheit
Weiß, was er thut.
GHERARDO.
Was macht Torquato? Dichtet er?
AMBROGIO.
Ja.
GHERARDO.
Eist verliebt, er seufzet?
AMBROGIO.
Nein.
GHERARDO.
Von Eleonoren redet er?
AMBROGIO.
Ja.
GHERARDO.
Doch welche er liebt, das weißt Du nicht?
AMBROGIO.
Nein.
GHERARDO.
Er schwärmt wohl in Begeisterung?
AMBROGIO.
Ja.
GHERARDO.
Zürnt er auf mich nicht voll Eifersucht?
AMBROGIO.
Nein!
GHERARDO.
Sprichst Du stets so lakonisch?
AMBROGIO.
Ja!
GHERARDO.
Mehr willst Du mir nicht sagen?
AMBROGIO.
Nein!
GHERARDO.
Dieser großartige
Tragische Styl
Treibt mir die Galle
Noch in's Geblüt!
Unnütze Bestie!
Pack‘ Dich zum Teufel!
Einfält'ger Tölpel!
Esel Du!
AMBROGIO.
Nein!
CHOR.
Alles vergebens!
Er ist betrogen.
Ha, ich muß lachen,
Nichts weiß er nun.
Ihm ist geblieben
Stumm das Orakel.
All sein Geplauder
Half ihm zu nichts.
GHERARDO.
Tantalusqualen
Muß ich empfinden.
Was wollt Ihr sagen?
Lacht doch nur nicht.
Aerger und Neugier
Will mich ersticken.
Spottet nur; endlich
Weiß ich es doch!
AMBROGIO.
Frag‘, bis Du schwarz wirst!
Ich stelle taub mich.
Wie er auch in mich dringt,
Ich lach‘ und schweige.
Ich bin gescheidt, ich geh‘
Nicht in die Falle,
Und speis‘ ihn ruhig ab
Mit Ja und Nein.

Die Hof-Cavaliere gehen ab.

GHERARDO.
Du ungezog'ner Mensch! Mir, Don Gherardo,
Deß Auge dem des Luchses gleicht,
Mir, der Alles erfährt, Alles durchschaut,
Antwortest Du ganz trocken Ja und Nein?
Wo willst Du hin? In welcher Absicht?
Hast Du Eleonora Scandiano
Verstohlen nicht zu Tasso's Zimmer
Die Schritte wenden seh'n?
Sie ist die Leonore, die er
Im Herzen trägt? Nicht wahr?
Du kannst das Räthsel lösen? Weshalb leugnen?
AMBROGIO.
Ich bin ein treuer Diener, darum schweig‘ ich.

Ab.

GHERARDO.
Er geht zu Geraldini? Also hat
Torquato ihn dahin geschickt. Ach, wär‘ nur
Aus diesem Robert etwas heraus zu bringen,
Dem sicher nicht verborgen blieb, für wen
Sich Tasso in geheimer Lieb‘ verzehret.
Was für Mauier! Sie brummen in den Bart.
Aha, jetzt hör‘ ich: »Gleich
Werd‘ ich zu Tasso kommen.«
Wenn er heraus kommt, nehm‘ ich ihn in Empfang.
Und wenn er mir nichts sagt? Oder wenn ich erfahre,
Daß Tasso die Gräfin, sie ihn wieder liebt?
Sie soll ihn lieben? Weshalb? der Paar Verse wegen?
Ha, Weiber! – Weh mir! Wie die Eifersucht mich quält.

Ab.

Zweite Scene.

Tasso's Zimmer.

TORQUATO allein.
O du mein einzig Leben, holder Strahl
Vom Lichte ew'ger Schönheit,
Ach, nichts fehlt dir, als nur das Mitleid.
Doch nein, auch das nicht! Mitleid kündet oft mir
Das stumme Lächeln deiner Rosenlippen,
Und dieses Lächeln lohnt mir tausend Qualen.
O du auf ewig mein! Verhaßte Kluft,
Die zwischen uns sich öffnet! – Hoffnung,
Verlaß mich nicht! – Nur einmal laß mich
Die süßen Worte hören: ich liebe dich,
Und all mein Leid verzeih‘ ich dann dem Schicksal.

Dritte Scene.

Ambrogio mit Geraldini, der Vorige.

GERALDINI.
Schweig‘, laß mich! Heiliger Begeisterung
Ist er jetzt hingegeben.

Ambrogio ab.

Stolzer Dichter,
Der jeden höhern Glanz verdunkeln will,
Dein Stern soll unter geh'n. Kurz soll Dein Reich seyn!
TORQUATO.
Täusch‘ ich mich nicht?
GERALDINI.
Er schwärmt!
TORQUATO.
O welche Wonne!
Die ganze Welt zu Füßen mir! Hoch über ihr
Steh‘ ich, wenn ich das große Ziel erreiche.
GERALDINI.
Ha, träume nur; ich wache, Dir zum Verderben.
TORQUATO.
Wann werd‘ ich frei und offen mich
Eleonoren's Lieb‘ erfreuen dürfen?
O güt'ger Himmel, laß mich dies laugen!
Hinweg dann, Cither, Lorbeeru, Scham und Bangen.
GERALDINI für sich.
Der Unvorsicht'ge! Was schreibt er? Dies Blatt
Spricht ihm sein Urtheil.

Laut.

Träumst Du?
Schwärmst Du?
Verrätherisch sind Deine Seufzer.
Sie künden Deines Herzens
Geheime Liebesqual.
TORQUATO.
O Robert, höre mich!
In der Weihe der Begeist'rung,
Wie ich sie noch nie empfunden,
Fühlt‘ ich mich empor getragen
Auf des Glücks, der Liebe Schwingen.
Meiner Liebe Ziel zu finden
Schwang ich mich von Stern zu Sterne,
Und in göttlicher Gestaltung
Fand ich sie im Sonnenglanze;
Huldvoll reichte sie die Hand mir,
Selig durfte ich sie küssen,
Und sie sprach: ich liebe dich!
Ach, es war ein Augenblick nur!
Schnell entschwand mir Leonore!
Und dies Blatt nur trägt die Zeichen
Meiner Sehnsucht ausgedrückt.
GERALDINI.
Dieser Verse holder Zauber
Kündet der Begeist'rung Quelle.
Die Geliebte war Dir nahe,
Es entflammte Dich ihr Lächeln,
Und der Liebe sel'ge Hoffnung
Strömtest Du auf dieses Blatt hin.
Nicht verbergen, nicht verhehlen
In des Herzens sel'gem Rausche
Kannst Du Deiner Sehnsucht Triebe,
Fessellos sprengt ihre Hülle
Die geheime Liebesgluth.
Doch, Torquato, nicht vermessen!
Eile, sie zu unterdrücken,
Sonst seh‘ ich der Rache Blitze
Schon geschleudert auf Dein Haupt.
TORQUATO.
Ach, in diese Verse hab‘ ich
Ausgeströmt des Herzens Gluthen!
In den Bildern des Gedichtes
Find‘ ich meiner Liebe Züge;
Lieb‘ hat sie mir eingegeben,
Lieb‘ ist ihre Schöpferin.
GERALDINI.
Von des Neides, von des Argwohns
Banden seh‘ ich Dich umstricket,
Im unsel'gen Rausch der Liebe
Wirst Du in's Verderben stürzen.
Ha, er selbst leiht mir die Waffen:
Dieses Blatt führt mich zum Ziel.
Still! Mich dünkt, ich höre Tritte.

Vierte Scene.

Ambrogio, die Vorigen.

AMBROGIO.
Die Prinzessin will Torquato seh'n!

Ab.

TORQUATO.
Sie!
GERALDINI.
Du Unvorsicht'ger!
TORQUATO.
Welches Glück!
Ach, vielleicht hör‘ ich das Wort der Liebe!
Sel'ger Traum von Himmelswonne,
Meine Seele hast Du nicht getäuscht!
GERALDINI.
Was nur hoff'st Du?
TORQUATO.
Alles hoff‘ ich!
GERALDINI.
So verbrenne jenes Blatt!
TORQUATO.
Ich selbst? Nein, nein!
Ach, meine eignen Verse,
Ich kann sie nicht verbrennen,
Ich würde Vaterschmerzen
Bei ihrer Asche fühlen.
Doch Dir will ich sie lassen;
Magst Du sie dann vernichten.
Ich will sie nicht beweinen,
Dem Freunde tran‘ ich ganz.
O Liebe, sey mir günstig,
Mein Herz folgt Deinem Winke.
Wenn mir die Wonne blühet,
Von ihr geliebt zu werden,
Beneiden Kön'ge mich.
GERALDINI.
Nein, jenes inhaltschwere Blatt,
Ich kann es nicht bewahren;
Die Wände haben Ohren hier,
Die Lüfte müßt‘ ich fürchten.
Du kannst es nicht zerstören?
Wohl, so will ich's verbrennen,
Vergiß, daß Du es schriebest;
Dem Freunde traue ganz.
Ha, Hochgefühl der Rache,
Dir öffn‘ ich meine Seele.
An seinem Unglück will ich,
An seinem Schmerz mich weiden,
Kein Mitleid werde ihm.

Tasso ab.

Fünfte Scene.

Geraldini, dann Gherardo.

GERALDINI.
Ha, lang‘ ersehnte Rache!
Nach Jahren wirst Du endlich mir,
So hoff‘ ich, nun zu Theil.
GHERARDO.
Robert, ist es erlaubt?
GERALDINI für sich.
Er kommt zu rechter Zeit!
GHERARDO.
Tasso war bei Euch; nun ist er schon fort!
Wohin ging er? Was hat er hier gewollt?
Sprach er von mir? Was sagt‘ er von der Scandiano?
GERALDINI.
Er sprach nicht bloß!
GHERARDO.
Was sonst?
GERALDINI.
Er schrieb
Sehr freie Verse, die von Liebe reden.
GHERARDO.
Er schrieb? Ha, Freund –
GERALDINI.
Das ist ein Hauptverbrechen!
GHERARDO.
Wo ist das Blatt?
GERALDINI.
Er zeigt‘ es mir, doch dann
Verschloß er es voll Eifersucht.
GHERARDO.
Wo?
GERALDINI.
Dort!
Wenn das der Herzog wüßte!
GHERARDO.
Nun, was meint Ihr?
GERALDINI.
Er liebt nicht solche Unbesonnenheit,
Er will, daß strenge Sitte herrsche
An seinem Hofe.
GHERARDO.
Also glaubt Ihr –
GERALDINI.
Meint Ihr's mit Tasso gut?
GHERARDO.
Ei freilich!
Ihr könnt Euch d'rauf verlassen,
Wenn dieses Blatt durch Zusall
Dem Herzog in die Hände käme,
Wär‘ Tasso –
GERALDINI.
Der Unsel'ge wär‘ verloren!

Ab.

Sechste Scene.

GHERARDO allein.
Verloren! Was verlang‘ ich mehr?
Ich könnte – warum nicht? Der Saal ist weit,
Ambrogio wird's nicht hören. Leise nur!
Man muß auf Alles denken. Es wird gehen!
Ich habe mehr Geheimes schon ergründet. Ha, da ist es!
Das Meiste ist gescheh'n, was übrig bleibt, ist wenig.

Ab.

Siebente Scene.

Zimmer der Prinzessin Eleonore.

DIE PRINZESSIN ELEONORE allein.
O, wie mir seiner Dichtung hohe Worte
Zum Herzen dringen! Ja, Torquato,
Das Schicksal will's, ich muß dich lieben.
Mich schützt nicht hohe Herkunft, nicht der Thron –
Umsonst! Der Liebe widersteh‘ ich nicht.
Wenn in hehren Liedestönen
Heldenthaten er verkündet,
Wenn er sang von Krieg und Liebe,
Sprach sein Blick zu meinem Herzen.
Unbewußt von seinem Feuer
Fühlt‘ ich meine Brust entzündet;
Ach, die Liebe, erst ein Spiel nur,
Wurde zur Nothwendigkeit.
Weinte er, mußt‘ ich auch weinen;
Wenn er seufzte, that auch ich es;
Es begegneten die Herzen
Sich in süßer Schwärmerei.
Hinweg, du holde Täuschung
Der hoffnungslosen Liebe!
Ich träume Wonne, die mein Herz vergiftet.
O, möchte immer das Geschick
Mir Thron und Krone rauben,
Wenn seine Liebe nur, sein Herz
Mir bis zum Tode bliebe.
In Niedrigkeit versunken
Wollt‘ ich dem Schicksal trotzen;
Wenn Tasso mein nur wäre,
Entbehrt‘ ich Alles gern.
Ja, bis zum Grab verbunden
Gehören wir uns an.
Er zögert noch! – Langsame Qual verzehrt mich,
Sobald ich ihn nicht sehe. Könnt‘ er wohl –
Nein, falsch ist dieser eifersücht'ge Argwohn.
O komm, Geliebter! – Ha, mein Herz, du bebest?
Das ist sein wohlbekannter Schritt. Wie hebt
Voll Wonne meine Brust sich ihm entgegen!
O wer kann sie beschreiben, meine Lust!

Achte Scene.

Eleonore, Torquato.

ELEONORE.
Torquato? Unbeweglich! Stumm!
TORQUATO.
Mich fesselt
Ehrfurcht und Scheu.
ELEONORE.
Wie, Scheu? Bin ich
So fürchterlich, daß Euch das Wort erstarrt?
TORQUATO.
Ihr seyd mir eine Göttin, die ich stumm anbete.
ELEONORE.
Ihr schmeichelt mir.
TORQUATO.
Nein, Tasso kann nicht lügen.
Der ehrfurchtsvollsten Liebe heiße Gluth
Hat Herz und Sinne ganz mir eingenommen;
Sie ist die Flamme, die mein Leben nährt.
ELEONORE.
Bei meiner leidenden Gesundheit
Bedarf ich Stärkung. Immer fand ich sie
In Euren Dichtungen.
TORQUATO.
Das macht mich stolz!
ELEONORE.
Doch meine armen Augen –

Bei Seite.

die so
viel geweint –
Sind nicht mehr so wie sonst.
TORQUATO für sich.
Noch immer mächtig!
ELEONORE.
En'r Herz ist gut, wie reich begabt Eu'r Geist,
Drum wählet aus Goffredo
Die Stelle, die am passendsten Euch scheint,
Und leset gütig sie mir vor,
Daß Eure Stimme Trost dem Herzen spende,

Bei Seite.

Das, ach! so viel gelitten.
TORQUATO für sich.
Liebe, steh‘ mir bei!
Zweiter Gesang: sechszehnte Strophe.
Ich will die Stelle von Olindo wählen –
Sie kam aus meinem Herzen.
ELEONORE.
Und sie wird mir
Zu Herzen dringen.

Für sich.

Er hat in Olindo
Sich selbst, mich in Sophronia geschildert.
Wohl fass‘ ich seiner Wahl geheimen Sinn.
TORQUATO für sich.
O möchte sie'versteh'n, daß ich für mich jetzt spreche.
Sie heißt Sophronia, Olindo er,
Sie sind aus Einer Stadt, sind Eines
Glaubens;
Er ist bescheiden wie sie schön ist,
An Wünschen reich, an Hoffnung arm,
begehrt er nichts,
Er weiß nicht, oder wagt es nicht zu reden,
Und sie verachtet ihn vielleicht –
ELEONORE.
Dich verachten? Glaub‘ es nimmer!
O wie sehr thust Du mir Unrecht!
Wenn der Mund auch schwieg, das Auge
That des Herzens Wunsch Dir kund.
TORQUATO.
Du verschmähst mich nicht? O Wonne!
Ha, nun segn‘ ich meine Leiden.
Wenn Du Mitleid mit mir fühlest,
Wer ist seliger als ich?
ELEONORE.
Ich wäre grausam?
TORQUATO.
Nein, nicht glaub‘ ich's!
ELEONORE.
Doch hat Dein Mund mich angeklagt.
Kann's auch Dein Herz?
TORQUATO.
Die lange Qual,
Die ich erlitt, entschuld'ge mich!
Nach bang durchwachten Nächten
Stets kummervolle Tage!
Gewaltsam unterdrücken
Wollt‘ ich des Herzens Leiden.
ELEONORE.
»Du liebtest Andre wohl?«
TORQUATO.
Nein, nimmer!
»Zu bergen jene Gluthen,
Die mir Dein holdes Bildniß
Im Herzen heiß entflammet«,
Stellt‘ ich mich flüchtig liebend;
Doch Dich nur liebte ich.
Dich seh'n, und sich zu einer Andern wenden,
Nein, dies vermag kein Herz!
ELEONORE.
Dich hören, und mich einem Andern weihen,
Nein, nie vermag's mein Herz!
Doch schweige!
TORQUATO.
Nein, ich kann's nicht.
ELEONORE.
Schweige!
Torquato, ach, wir sind am Hofe:
Hier sind die Mauern selbst Verräther;
O schweig, wenn Dir mein Leben lieb ist.
TORQUATO.
Wohlan, ich schweige; doch zuvor –
ELEONORE.
Sprich schnell!
TORQUATO.
Mein süßes Leben,
O sag‘ mir –
ELEONORE.
Was begehrst Du?
TORQUATO.
Sag mir, daß Du mich liebest.
ELEONORE.
O, schone mich!
TORQUATO.
Eleonore!
ELEONORE.
Laß mich!
TORQUATO.
Liebst Du mich? Sage: liebst Du mich?
ELEONORE.
Ach, ja!
BEIDE.
Nicht mehr will ich verwünschen
Die Leiden, die mich quälten,
Da Seligkeit der Liebe
Mich nun so reich beglückt.
Ist mir's vergönnt, mein Leben,
Mit Dir vereint zu sterben,
So will den Tod ich segnen,
Der mich der Erd‘ entrückt.
TORQUATO.
Du bist erfüllt, mein Traum!

Neunte Scene.

Ein Page, die Vorigen.

ELEONORE.
Torquato!
Hab‘ Acht. – Mein Bruder schickt Dich? –
Ach, mäß'ge Dich!
TORQUATO.
Ich bin geliebt!
ELEONORE.
Gieb mir das Blatt und geh.

Der Page ab.

»Sieh, Schwester, wie die Dichter
Geheimnisse zu wahren
Versteh'n.« – O Gott, was ist das?
TORQUATO.
Ich zittre!
ELEONORE.
»Wann werd‘ ich frei und offen
Mich Eleonorens Lieb‘ erfreuen dürfen« –
TORQUATO.
Himmel! Was muß ich hören?
ELEONORE.
Tasso! Ja, das ist Deine Handschrift!
TORQUATO.
Wer konnte mich verrathen?
ELEONORE.
Als Verbrechen
Wird es der Herzog anseh'n.
TORQUATO.
Ha! Gewiß
War's der Verräther Robert!
Tod werde ihm!
ELEONORE.
Er naht sich.
Halt‘ Dich zurück: ich will es.

Zehnte Scene.

Die Vorigen, Geraldini, dann die Gräfin Scandiano und Gherardo.

GERALDINI.
Prinzessin,
Es hat Mantna's Herrscher
Bei meinem Herrn, dem Herzog,
Um Eure Hand geworben.
ELEONORE.
Wann?
TORQUATO.
Ha, ich bebe!
GERALDINI.
Der Gesandte,
Der gestern angekommen,
War eben jetzt zur Audienz beim Herzog,
Und hat den Antrag ausgesprochen.
ELEONORE.
Nun, und mein Bruder?
GERALDINI.
Sendet
Zu Euch mich mit der Botschaft.
TORQUATO für sich.
Ha, Verräther!
GRÄFIN.
O Theure! Ihr sollt uns entrissen werden,
Euch in ein andres Land begeben!
ELEONORE.
Allein der Herzog?
GRÄFIN.
Euer Bruder liebt Euch.
Es schmerzt ihn, sich von Euch zu trennen;
Doch wünscht er die Verbindung,
Und bittet um das Jawort Euch.
GERALDINI.
So ist es.
GHERARDO.
Ferrara werdet Ihr verlassen?
Ist's ein Geschwätz nur? Ein Geheimniß?
Ihr wollt nach Mantua gehen,
Prinzessin, ist es Wahrheit? –
Vergebens! Sie ist taub. –
Weshalb giebt die Prinzessin
Mir heute kein Gehör?
Was hat sie diesen Morgen?
Hat sie heut‘ ihre Launen? –
Hier geht es mir nicht besser. –
Mein sehr verehrter Robert,
Ihr wißt es doch ganz sicher:
Der Fürst von Mantua
Hat ihre Hand begehret?
Die Antwort war wohl spröde?
Ich will noch nicht heirathen,
Ich will noch ledig bleiben? –
Auch der ist hart wie Felsen!
Noch immer nichts zu fischen! –
Ein schönes Thema zum Sonett;
Doch ist's noch nicht geschrieben.
Torquato, ich will wetten,
Ihr sinnt ganz in der Stille
Schon auf ein Hochzeitslied.
Hab‘ ich's errathen?
TORQUATO.
Nein!
GHERARDO.
Daß Gott erbarm‘! Der Dichter
Muß toll geworden seyn!
TORQUATO.
Ha, Verräther! Undankbarer!
So hast Du Dein Wort gehalten?
Hast das heiligste Geheimniß
Meiner Liebe frech enthüllet!
Da Du mich so tief verletztest,
Raube mir nun auch das Leben!
Ew'ger Fluch und ew'ge Schande
Folge Deinem Namen nach.
GERALDINI.
Mäß'ge Deines Zornes Toben;
Tasso, nein, Du thust mir Unrecht.
Was ich spreche, kommt vom Herzen;
Nicht hab‘ ich mein Wort gebrochen.
Den Verdacht, der auf mir lastet,
Kann ich zwar noch nicht verscheuchen;
Doch ich bin fürwahr nicht schuldig,
Zeigen wird es klar die Zeit.
GRÄFIN.
Darf ich trau'n des Glückes Lächeln,
So blüht Hoffnung mir: besitzen
Werd‘ ich Tasso's Herz, von jeder
Nebenbuhlerin befreit.
Ewig strahlt sein hoher Name
In dem Glanz des Dichterruhmes,
Und mit ihm wird auch der meine
Leuchten in die fernste Zeit.
ELEONORE.
Ihn vergessen! Ihm entsagen!
Kann ich so mein Herz bezwingen?
Ihn verlassen! Also sollt‘ ich
Seine heiße Lieb‘ ihm lohnen?
Ach, die Kraft will mir entschwinden,
Tod wird meine Qualen enden.
Ja, ein Opfer treuer Liebe
Wird in mir die Nachwelt seh'n.
GHERARDO.
Ach, warum bin ich nicht Maler,
Diese Gruppe nachzubilden!
Jene dort vergeht vor Liebe,
Dieser bebt in wildem Grimme.
Voll von Hoffnung ist die Gräfin,
Sie getröstet sich des Sieges;
Doch was dort der Vierte redet,
Ist zur Zeit mir noch nicht klar.
TORQUATO.
Falscher Freund! Dem Herzog hast Du
Meine Verse überliefert?
GERALDINI.
Nein, ich schwör's!
TORQUATO.
Du bist ein Schurke!
GHERARDO.
Jetzt versteh‘ ich –
GERALDINI.
Ha, Unsinn'ger!
TORQUATO.
Zieh den Degen!
GHERARDO.
Mäßigt Euch!
GRÄFIN.
Unbesonnener!
ELEONORE.
Halt‘ ein, Torquato!
TORQUATO.
Lügner!
ELEONORE.
Mäßigung!
TORQUATO.
Ich muß ihn tödten!
ELEONORE UND GRÄFIN.
Nein, Erbarmen!
TORQUATO.
Nichts mehr hör‘ ich!
ELEONORE UND GRÄFIN.
Robert! Ach!
GERALDINI.
So muß ich mich vertheid'gen!
ELEONORE.
Don Gherardo, steht uns bei.
GRÄFIN.
Trennt sie, Don Gherardo!
GHERARDO.
Wo es Degenstöße regnet,
Wag‘ ich mich nicht gerne hin.
TORQUATO.
Bube!
GERALDINI.
Zitt're!
GHERARDO.
Tolle Jungen!
Gräfin, wenn ich vorwärts gehe,
Sterbe ich um Euch.
GRÄFIN.
Sie sind von Sinnen!
TORQUATO UND GERALDINI.
Zitt're!
ELEONORE, GRÄFIN UND GHERARDO.
Haltet ein!

Elfte Scene.

Der Herzog, Pagen und Hof-Cavaliere ihm vortretend, die Vorigen.

CHOR.
Der Herzog!
ALLE FÜNF.
Der Herzog!
HERZOG.
Wie! In Gegenwart der Damen,
Hier am Hofe?
GERALDINI.
Mich vertheid'gen mußt‘ ich.
HERZOG.
Ein so thörichtes Vergessen aller Sitte
Hätt‘ ich, Tasso, Euch nicht zugetraut.
TORQUATO.
Wahr ist's, Herzog! Ja, gefehlt hab‘ ich!
Doch –
ELEONORE.
Mein Bruder!
HERZOG.
Es ist schon verziehen.
Robert brachte Dir die Kunde,
Daß der Fürst von Mantua,
Dem der Ruf Dein Lob verkündet,
Herz und Hand von Dir begehrt.
ELEONORE.
Doch, mein Bruder –
HERZOG.
Ich auch wünsch‘ es!
ELEONORE.
Aber wenn –
HERZOG.
Du bist mir theuer!
ELEONORE.
Doch ich leide –
HERZOG.
Du wirst sicher
Meine Liebe nicht verscherzen wollen.
ELEONORE UND TORQUATO.
Gott! Welch Unheil!
HERZOG.
Du magst überlegen.
Ich begreif‘ es wohl, der Schritt ist ernst.
Doch, kommt jetzt nach Belrignardo,
Uns begleite Don Gherardo,
Tasso, Robert und die Gräfin.
Dort, wo rein're Lüfte wehen,
Wo Natur so hold uns lächelt,
Wirst Du, klug wie stets Du war'st, Dich
Mit der Herzogin berathen,
Ob Du meinem Wunsch Dich fügest.
Kommt mit mir, ich wünsche heute
Alle froh zu seh'n.
GHERARDO.
O, sicher!

Für sich.

Das ist mir nicht klar.
GRÄFIN UND GERALDINI für sich.
Stellt er sich heiter?
TORQUATO UND ELEONORE für sich.
Ich kann ihm nicht trau'n.
GHERARDO.
Was zögern wir?
HERZOG für sich.
Draußen werd‘ ich wachen.

Laut.

Laßt uns geh'n!
CHOR.
Wir folgen.
HERZOG.
Ihr versöhnet wieder Euch!
ELEONORE UND TORQUATO.
Ach, mein Herz fühlt Todesqual!
GERALDINI.
Ihn ereilt des Herzogs Zorn.
GRÄFIN UND GHERARDO.
Unruh‘, Zweifel quälen mich!
HERZOG.
Lösen soll das Räthsel sich!
TORQUATO UND ELEONORE.
Nimmer fühlt‘ ich solche Qualen,
Wie ich jetzt sie muß erleiden;
Tödten wollen mich die Schmerzen,
Und, o Gott! doch sterb‘ ich nicht.
Aber des Geschickes Strenge
Soll mein Herz nicht niederbeugen:
Noch im Tode sey ihr / sein Name
Meines Mundes letzter Hauch.
GERALDINI.
Ha, der Rache erster Schimmer
Hellt die Nacht in meinem Herzen;
An den Leiden, die ihn treffen
Weidet meine Seele sich.
Ihn, den das Geschick gehoben,
Soll mein Haß nun niederbeugen:
Ja, sein Schicksal ist entschieden;
Leben soll er sich zur Qual.
HERZOG UND CHOR.
Hinaus nach Belrignardo,
Laßt allen Zorn entschwinden.
Dort kehr‘ in heit'rer Ruhe
Der Friede Euch zurück.
ELEONORE.
Warum, grausames Schicksal,
Läßt du mich Wonne kosten,
Wenn du den Kelch des Glückes mir
So schnell entziehen willst?
Dies trügerische Lächeln
Verbirgt des Zornes Regung;
Doch wehe, wenn es schwindet,
Dann naht das Mißgeschick.
GERALDINI.
Nicht länger, Tasso, sollen
Dich Tausende beneiden:
In bitt'ren Thränen bald erlischt
Dein Ruhmesglanz, dein Glück.
Ein trügerisches Lächeln
Birgt noch des Zornes Regung;
Doch wehe, wenn es schwindet,
Dann trifft Dich Mißgeschick.
GRÄFIN.
Umsonst nährt sie im Herzen
Für Tasso heiße Triebe;
Sie muß entflieh'n dem süßen Wahn,
Sonst sinkt dahin ihr Glück.
Ein trügerisches Lächeln
Birgt noch des Zornes Regung,
Doch wehe, wenn es schwindet,
Dann droht ihr Mißgeschick.
TORQUATO.
Nur eine sel'ge Stunde
Erblühte meinem Herzen;
In bittern Thränen schon erlischt
Der Liebesglanz, das Glück.
Ein trügerisches Lächeln
Birgt kaum des Zornes Regung;
Doch bald, ihn ganz zu stillen,
Ist günstig das Geschick.
GHERARDO.
Ich sehe, die Verwirrung
Kommt bloß von jenem Blatte,
Das, aus des Herzogs Hand ein Blitz,
Hieher geschlendert ist.
Zwar kann ich all‘ die Fragen
Und Zweifel noch nicht lösen,
Doch macht die Zeit gefällig
Sie klar wohl meinem Blick.
Zweiter Akt.

Gallerie im Schlosse Belriguardo.

Erste Scene.

Hof-Cavaliere.

ERSTER CHOR.
Sagt, wer mag Torquato's Schrank
Wohl erbrochen haben?
ZWEITER CHOR.
Man weiß es nicht.
Doch das Blatt, das man ihm raubte,
Was enthielt es?
ERSTER CHOR.
Man weiß es nicht.
ALLE.
So viel ist gewiß, dies Blatt hat
Großes Unheil angerichtet;
Fragt man aber Jemand, spricht er
Ernsthaft nur: man weiß es nicht.
Ach, man kommt ganz in Verwirrung,
Spürt man diesen Räthseln nach.
Warum nur hat uns
Heute der Herzog,
Der ganz vergnügt schien,
Ganz unvermuthet
Nach Belriguardo
Hinausgeführt?
Ich kann's nicht einseh'n,
Warum's geschah.
ERSTER CHOR.
Fast möcht‘ ich sagen –
ZWEITER CHOR.
Ich wollte wetten –
ALLE.
Daß hier geheime
Absicht ihn leitet.
Doch mit der Zeit wird sich
Alles enthüllen.
Was uns jetzt dunkel ist,
Wird uns dann klar.
ERSTER CHOR.
Also Geduld nur –
ZWEITER CHOR.
Doch seyd nicht müßig –
ERSTER CHOR.
Forschet durch Fragen
Vorsichtig nach.
ALLE.
Dann ist bis morgen,
Das ist kein Zweifel,
Uns das Geheimniß
Sicher bekannt.

Sie ziehen sich zurück.

Zweite Scene.

Die Gräfin Scandiano und Gherardo.

GHERARDO.
Nein, Gräfin, Ihr habt Unrecht!
GRÄFIN.
Ich habe niemals Unrecht!
GHERARDO.
Doch –
GRÄFIN.
Den Schrank,
Der fremdes Eigenthum ist, aufzubrechen,
Daraus geheime Schriften zu entwenden,
Und unsres größten Dichters
Verächtlicher Angeber dann zu werden,
Ist schwarze Frevelthat.
GHERARDO.
Die Liebe trägt die Schuld.
GRÄFIN.
Die Liebe? Träumet Ihr?
GHERARDO.
Ich glaubte,
Der Dichter des Goffredo schwärme
Für Euch. Der Name Eleonore
Betrog mich; doch der Herzog versteht sich besser
Auf's Lesen, und sah gleich, daß hier die Rede
Von der Prinzessin ist –
GRÄFIN.
Nein!
GHERARDO.
Von seiner Schwester.
GRÄFIN.
Nein, nein: der Herzog irrt. Nur mich liebt
Tasso.
Die zarte Scheu, mit welcher er mir naht,
Verkündet es.
GHERARDO.
Also –
GRÄFIN.
Er liebt mich, und mein Herz,
Das seine Triebe tief in sich verschließt,
Ist ihm in reiner, tugendhafter Lieb‘ ergeben.
GHERARDO.
So wär‘ ich mithin –
GRÄFIN.
Gänzlich abgewiesen.
GHERARDO.
Und meine Lage –
GRÄFIN.
Läßt Euch nichts mehr hoffen.

Ab.

GHERARDO.
Ha, meine Wuth!

Dritte Scene.

Der Herzog, der Vorige, die Hof-Cavaliere im Hintergrunde.

HERZOG.
Gherardo, saher
Ihr die Prinzessin nicht?
GHERARDO.
Nein, Hoheit!
HERZOG.
Wißt Ihr nicht, wo sie seyn mag?
GHERARDO.
Wirklich nicht!
HERZOG.
Das nimmt mich Wunder. Alles wißt Ihr ja!
GHERARDO.
Ei nun, ich will mich just nicht rühmen,
Doch in Entdeckungen da bin ich stark.
Das Blatt von Tasso, das anstößige
Verhältniß, das ich hab‘ entdeckt,
War eine wicht'ge Sache.
HERZOG.
O gewiß!
Ganz Eurer würdig.
GHERARDO.
Dank, mein Fürst!
HERZOG.
Ich will, daß Ihr,
Und Jeder, der Euch gleicht, es wisse –
GHERARDO.
Zu Befehl!
HERZOG.
Daß meine Seele nied'rer Schlechtigkeit
Stets abhold seyn wird:
Daß ich zu herrschen weiß.
GHERARDO.
Sehr wohl!
HERZOG.
Daß läst'ge Neugier
Mir höchst zuwider ist, Angeber tödtlich
Ich hasse, und an meinem Hofe sie nicht seh'n will.

Ab. Die Hof – Cavaliere treten vor.

CHOR.
Don Gherardo! So hat endlich
Die Weissagung sich erfüllet.
Endlich trifft's doch ein, daß Neugier
Die gerechte Straf‘ erhält.
Ich bedaur‘ Euch. Es ist arg!
Von der Gräfin abgewiesen,
Einem Dichter, einem Tasso
Schmählich nachgesetzt zu seyn!
GHERARDO.
Ich verschmäht um einen Tasso?
Ich, ein Mann von Rang und Titel,
Der zu seinen Ahnen zählet
Sechs Marchesen und drei Grafen,
Ich, der in der Seitenlinie
Ist aus freiherrlichem Stamme?
Einem eigensinn'gen Schwärmer,
Einem Tagdieb, einem Schwätzer,
Einem Thörichten, Halbtollen,
Der ein Cicero sich dünket,
Werd‘ ich nachgesetzt? Ich, ein Kritiker,
Diplomat, Politiker,
Numismatiker, Geograph,
Archäolog, Historiograph,
Metaphysiker, Hydrostatiker,
In den Pandekten Hochgelehrter,
Epigraph, Botaniker,
Anatom, Mechaniker,
Algebraiker, Publicist,
Financier und Oekonomist,
Ich, auf's Allergenauste bewandert
In Ceremonien und Etiquette?
Ei, meine allerschönste Gräfin,
Da habt Ihr sehr schlecht gewählt.
CHOR.
Nun, vielleicht mag sie Euch nicht
Wegen Eurer sechszig Jahre.
GHERARDO.
Ei was sechszig! Acht und funfzig;
Bei dem Edelmann, dem Gelehrten
Zählet man die Jahre nicht.
CHOR.
Für die Weisheit sind Jahrhunderte
Freilich wohl nur Augenblicke,
Aber für die Schönheit ist ein
Jahr schon eine Ewigkeit.
GHERARDO.
Doch gesetzt, ich zähle sechszig;
Wer von all den jungen Kämpen
Kann in ritterlichen Künsten
Sich mit mir zu messen wagen?
So wie ich, tanzt nie, ich wette,
Zierlich einer Menuette.
Geh‘ ich, ist mein Schritt beflügelt,
Reit‘ ich, hab‘ ich solche Haltung,
Daß ich immer ähnlich sehe
Marc-Aurel im Capitole.
Frisch bin ich, belebt und rüstig,
Kleide stets mich mit Geschmack.
Nun, der arme Tasso aber
Ist so mager, dünn und schmächtig,
Kommt mit jedem Tage näher
Der Abzehrung und der Schwindsucht.
Ich bedaure ihn, doch jene,
Die für ihren Vortheil blind ist,
Die sich angebetet glaubt,
Und nicht sieht, daß sie verlacht wird;
Daß, wenn man's nur recht betrachtet,
Diese Klagen, diese Seufzer,
Dieses Schmachten, diese Scenen,
Diese Schwäche, dieses Leiden,
Bis zur Deutlichkeit beweisen,
Daß in Tasso's Herzen jene
Unsrer beiden Leonoren
Wird als Göttin angebetet
Und mit heißer Gluth geliebt,
Die des Herzogs Schwester ist, –
Sie soll es gar bald erfahren,
Daß sie thöricht sich betrogen,
Rächen will ich völlig mich.
CHOR.
Aber wie?
GHERARDO.
Das wird sich finden.
CHOR.
Was wollt Ihr?
GHERARDO.
Noch weiß ich's nicht.
Aber unermüdlich streb‘ ich,
Bis ich endlich komm‘ an's Ziel.
Ihr Freunde, wachet überall
Mit aufmerksamen Blicken,
An allen Orten müsset Ihr,
In allen Winkeln forschen,
Bis aus dem Schooß der Finsterniß
Das Wahre sich enthüllt,
Und jenes übermüth'ge Weib
Beschämt, vernichtet wird.
CHOR.
An Fragen, Forschen, Spüren soll
Es unsrerseits nicht fehlen,
Bis hinter das Geheimniß wir
Mit voller Klarheit kommen,
Bis sich das Räthsel endlich ganz
Gelöset haben wird.
Zu spät wird dann die eitle Frau
Erst ihren Irrthum seh'n.
Doch nun hört auf zu schwatzen,
Und laßt uns endlich geh'n.
Wenn wir hier stehen bleiben,
Das macht uns klüger nicht.
GHERARDO.
So gehet meinetwegen,
Ich halt‘ Euch länger nicht.

Alle ab.

Vierte Scene.

Die Prinzessin Eleonore und Ambrogio.

ELEONORE.
Sprichst Du die Wahrheit?
AMBROGIO.
Ja, Prinzessin!
Ich sah's mit eig'nen Augen.
ELEONORE.
Also Robert
Ist nicht der Schuldige?
AMBROGIO.
Nein, sicher nicht!
Ich bin fest überzeugt,
Gherardo ist der Dieb. So war die Sache:
Um heute früh zu Euch zu geh'n,
Wie Ihr's begehrtet, gnäd'ge Frau,
Hatte mein Herr in Eile
Sein Zimmer schon verlassen,
Und Robert war allein zurückgeblieben.
Doch unterdessen war ihm
Jener Neugier'ge bis in's Zimmer
Gefolgt. Als Geraldini nun
Weggeht, begleit‘ ich ihn bis vor die Thür.
Ich kehre um, da hör‘ ich ein Gekrach;
Schnell spring‘ ich zu, und sehe
Den Schrank erbrochen, den mein Herr
Verschlossen hat. Gherardo hält ein Blatt
In seiner Hand, und will's heraus nicht geben,
Er droht sogar, voll Unverschämtheit,
Mich mit Stockschlägen zu mißhandeln.
Ich stell‘ mich in den Weg, er stößt mich fort,
entwischt,
Und ich seh‘ ihn hinein zum Herzog geh'n.
Da hatt‘ ich nun das Nachseh'n!
ELEONORE.
Hast Tasso Alles Du entdeckt?
AMBROGIO.
Von A bis Z hab‘ ich es ihm erzählt.
ELEONORE.
Und er?
AMBROGIO.
Er tobt, er sinnt auf Rache
An Don Gherardo.
ELEONORE.
Sage ihm – doch nein;
Such‘ Robert auf, und schick‘ ihn heimlich zu mir,
Doch schweigst Du gegen Deinen Herrn, ver-
stehst Du mich?
AMBROGIO.
Ja, ja, ich weiß schon Euren Willen:
Ich bin ein Mann von Welt, zwei Worte
g'nügen mir.

Ab.

Fünfte Scene.

Eleonore allein, dann Geraldini.

ELEONORE.
Weh mir! – Am fürchterlichsten Scheidewege
Steht nun mein Herz. Die Liebe Tasso's
Ist kein Geheimniß mehr. Bleib‘ ich – o Gott!
Ich kenne meinen Bruder,
Und zitt're! Wenn ich gehe – Ach!
Ich kenne Tasso's Herz,
Er wird verzweifeln, sterben.
Schrecklicher Scheideweg! Ich kann nicht wählen;
Hier meines Bruders Zorn dort des Geliebten Tod.
GERALDINI.
Prinzessin!
ELEONORE.
Alles weiß ich!
GERALDINI.
Ich entschuld'ge Tasso.
Gerecht war seine Wuth.
ELEONORE.
Ja; doch ich weiß,
Ihr seyd unschuldig, Robert!
Sein Diener hat mir Alles aufgeklärt.
GERALDINI für sich.
Ich triumphire!
ELEONORE.
Hört mich an:
Eleonore bittet Euch! Geht hin zu Tasso,
Umarmet ihn, und sagt ihm,
Wenn er mich liebt – es ist Euch Alles
Ja nun bekannt –
GERALDINI.
Hohes Geheimniß!
Selbst nicht der Luft will ich's vertrau'n.
ELEONORE.
Sagt ihm,
Ich wünsche, daß er wieder Freund Euch sey.
GERALDINI.
Wie glücklich
Bin ich, wenn er mir diesen Namen wieder giebt.
ELEONORE.
So liebt Ihr ihn?
GERALDINI.
O säh't Ihr in mein Herz!
Ich eile –
ELEONORE.
Hört mich noch, wenn wahre Freundschaft
Für den Unglücklichen Ihr fühlt. Ich muß
Ein Band, das mir verhaßt ist, knüpfen,
Oder den Zorn des Herzogs fürchten,
Und kann mich nicht entschließen. Einmal nur
Mit Tasso noch zu sprechen, ist mein Wunsch,
Um seinen Rath zu hören, ob ich ferner hier
In Thränen weilen, ob ich von ihm scheiden soll.
Doch –
GERALDINI.
Ich verstehe.
ELEONORE.
Ihm –
GERALDINI.
Werd‘ ich's verkünden.
ELEONORE.
Robert!
Ein wichtiges Geheimniß ist's!
GERALDINI.
Ich fühle
Mich stolz auf Eu'r Vertrau'n.
ELEONORE.
Ewig muß es
Für Jedermann verborgen bleiben.
GERALDINI.
Das schwör‘ ich!
ELEONORE.
Wenn Nacht und Stille herrschen,
Und in den Lorbeerbüschen
Des Mondes milde Strahlen
Das Dunkel sanft erhellen,
Will ich dort, wo die Quelle
Mit leisem Murmeln rieselt,
Im Schatten still verborgen
Des Freundes schweigend harren;
Jedoch er komme ruhig,
Gefaßt und ganz allein.
Dort will zum letzten Male
Ich weinend bei ihm seyn.
GERALDINI.
Ich fühle ganz, Prinzessin,
Was Eure Seele leidet.
Wenn Ihr des Freundes denket,
Ist seine Qual die Eure;
Ihr fühlt sie mit, die Leiden
Des liebenden Geliebten;
Doch will's das harte Schicksal,
Daß Ihr die Thränen berget.
Vom unterdrückten Schmerze
Gequält das Herz Euch bricht,
Ihr unterliegt im Kampfe
Der Liebe und der Pflicht.
ELEONORE.
Doch wenn des Schicksals Wille
Mich zwingt, von ihm zu scheiden,
Was bleibt dem armen Tasso
Dann noch?
GERALDINI.
Ein Herz: das meine.
ELEONORE.
Wenn dies ihm bleibt, dann wird er nicht
Der Bosheit Opfer seyn.
Er wird dann an des Freundes Brust
Doch ruhig weinen können,
Er wird des Trostes sich erfreu'n,
Mit Euch von mir zu sprechen.
Ihr helft ihm tragen dann die Qual
Der hoffnungslosen Liebe;
Ach, in des Unglücks Tagen,
Ist uns ein Gott der Freund.
GERALDINI.
Ja, seinen Thränen, seinem Schmerz
Sey stets mein Busen offen,
Er finde wenigstens zum Trost
Ein Herz, das mit ihm fühlet.
Kann ich auch stillen nicht die Qual
Der hoffnungslosen Liebe,
So soll doch meine Freundschaft
Treu theilen seinen Schmerz.
ELEONORE.
Ich werde leichter tragen
Den herben Schluß des Schicksals,
Wenn Du ihm treu bleibst.
GERALDINI für sich.
Er sey Staub,
Vom Sturme fortgeweht.
ELEONORE.
Du wirst zu hohen Werken
Befeuern seine Seele;
Den größten Dichter dankt Dir dann
Das Vaterland.
GERALDINI für sich.
Er falle!
ELEONORE.
Wenn vor den Waffen des Hasses, des Neides
Du Torquato's Leben beschützest,
Wird die Welt dir in freudiger Achtung
Seiner Dichtungen Schätze verdanken.
O gedenke stets an Leonoren,
Denke, daß sie um Dein Mitleid flehte;
Meine Wünsche und meine Thränen,
O vergiß sie in Ewigkeit nicht!
GERALDINI für sich.
Endlich lächelt, ich darf es hoffen,
Mir das Glück und führt mich zum Siege.
Mit befriedigter Rache Wonne
Werd‘ ich herab auf den Stolzen blicken.

Laut.

Fürchtet nicht, daß ich je vergesse
Eure Wünsche und Eure Leiden:
Von der Freundschaft Stimme erwecket,
Mitleid für Euch im Herzen spricht.

Beide ab.

Sechste Scene.

Der Herzog allein, dann Geraldini.

HERZOG.
Ich wache, Unvorsichtige! Vollgült'ge
Bedeutungsvolle Rache muß ich haben.
Sie ist Bedürfniß meinem Herzen,
Und Klugheit und Gewalt sichern sie mir.
Ihr niedrigen, ihr neidischen Gemüther,
Die ihr den großen Dichter haßt,
Ihr dient als Werkzeug mir, doch ich durchschau euch;
Euch gilt nur sein Verdienst für seine Schuld.
Boshafte Thoren! Ha, da kommt der Schlimmste.
Robert, habt Ihr mit Tasso Euch versöhnt?
GERALDINI.
Da die Prinzessin selbst es wollte,
Konnt‘ er mir wohl verweigern die Umarmung
Des Freundes? Ihres Wortes Kraft
War mächtiger in seinem Herzen,
Als die Gewißheit, daß ich schuldlos sey.
HERZOG für sich.
Er schuldlos!

Laut.

Und doch weilt er noch immer
So einsam hier an diesem heitern Orte?
GERALDINI.
Er scheut noch Euren Zorn;
Doch dann, wenn Nacht und Stille herrschen,
Wenn in den Lorbeerbüschen
Des Mondes milde Strahlen
Das Dunkel sanft erhellen, wird er
Zur kühlen Quelle wandeln,
Und dort dem Echo seine Leiden klagen.
HERZOG.
Allein?
GERALDINI.
Ich glaub‘ es. Doch, mein Fürst, ich wage nicht –
HERZOG.
Sprich nur.
GERALDINI.
Wenn Ihr ihm unerwartet, während er
Eurer Verzeihung noch nicht sicher ist, Euch zeigtet,
Und ihn mit mildem, güt'gen Wort erquicktet,
Wie Ihr in wahrhaft königlicher Weise
Stets zu Unglücklichen zu sprechen pflegt,
Ihr würdet ihm als eine Gottheit erscheinen.
HERZOG für sich.
Teuflische List!

Laut.

Dein mitleidsvolles Herz
Verleugnet sich nicht. Ja, Dein Rath ist gut,
Ich werde ihn befolgen.
GERALDINI.
Dank, mein Fürst!

Für sich.

O Freude!
HERZOG.
Du kommst mit mir, die unverhoffte Freude
Des trauernden Torquato
Mit zu genießen.
GERALDINI für sich.
Ha, das trifft mich unerwartet!
Ich werde als Verräther gelten.

Laut.

Mein Fürst –
HERZOG.
Ich will es!

Beide ab.

Siebente Scene.

Gebüsch.

Torquato, Gherardo ihm nachschleichend, dann die Prinzessin.

TORQUATO.
O Nacht, die du ringsum
Den dunkeln Mantel ausgebreitet hältst,
In dessen Schutz die Liebe bang sich birgt,
Und du, mitleid'ger Mond,
Der du mit holdem Strahl die Finsterniß
Der feuchten, schwarzen Nacht verscheuchst,
Ich komme, wo mich Liebe hingerufen,
Wo nur der Quelle und des Windes
Rauschen
Den Klagen meines Herzens Antwort
giebt.
GHERARDO.
Allein! Um diese Zeit! Und hier! da mag
Ein Andrer schlafen; ich muß seh'n, was da herauskommt.
Ich folg‘ ihm, wie sein Schatten. Ich verlass‘ ihn nicht.
ELEONORE.
Torquato!
GHERARDO.
Die Gesellschaft vermehrt sich!
TORQUATO.
Bist Du's?
ELEONORE.
Erkennst Du mich nicht?
GHERARDO.
Ha, die Prinzessin! Schnell muß ich's der Gräfin
melden.
ELEONORE.
Tasso!
TORQUATO.
O sprich, ist diese Seligkeit
Vielleicht ein trügerischer Traum nur?
Doch wenn Du's bist, o schöner Stern der Liebe,
Der mir mit holdem Glanz das Herz entzückt,
Wer hält im Zaum dann meiner Wünsche
Kühnheit?
ELEONORE.
Genug der Schwärmerei. Es sollte
Uns diese kostbaren Minuten
Kein bitt'res Wort verkümmern; doch verrathen hat
Uns unvorsicht'ge Liebe. Das gequälte Herz
Vermag's nicht auszusprechen, und doch muß es,
O mein Geliebter –
TORQUATO.
Sprich, o Theure –
ELEONORE.
Lebe wohl –
TORQUATO.
Liebst Du mich nicht?
ELEONORE.
Weil ich Dich liebe,
So müssen wir – ich sprech‘ es aus – uns trennen.
TORQUATO.
Ich muß Dir also wenig
Unglücklich wohl erscheinen,
Da Du mein Elend noch vergrößern willst?
ELEONORE.
Nie werd‘ ich eines Andern seyn; doch Dir, Torquato,
Kann Leonore nicht gehören.
TORQUATO.
O Tod!
ELEONORE.
Die Klugheit will's; entsagen müssen wir
Der Schwärmerei der Leidenschaft –
Tasso! Ja, Du mußt scheiden!
TORQUATO.
Kannst Du's sagen?
Weh mir! Ich muß von Stein wohl seyn,
Da diese Kunde mich nicht tödtet.
ELEONORE.
Das Schicksal trennt die Herzen, die sich lieben.
TORQUATO.
Allein, verlassen! – Komm, fliehe mit mir!
ELEONORE.
Es wäre Wahnsinn.
TORQUATO.
Was bleibt mir?
ELEONORE.
Dein Geist,
Dein Dichterruhm und meine Thränen.
TORQUATO.
Soll ich,
Der Spielball eines grausamen Geschickes,
Kein Pfand der Treue, keinen Trost für
meine Sehnsucht
Von Dir empfangen, Grausame?
ELEONORE.
Hier dieser Ring
Enthält mein Haar.
TORQUATO.
O unverhofftes,
Entzückendes Geschenk!
Mit süßen Banden bin ich ewig so
An Dich gefesselt.
ELEONORE.
Es entschwinden schnell
Und unbemerkt den Liebenden die Augenblicke.
Drum fasse Muth – O Qual!
TORQUATO.
Was willst Du sagen, Theure?
ELEONORE.
Das harte Schicksal will's – wir müssen scheiden.
TORQUATO.
Ja – auf ewig!
ELEONORE.
Hör‘, o hör‘ mich!
Schon fühl‘ ich den Tod im Herzen;
Doch der Liebe Thränen werden
Thauen auf mein frühes Grab.
Darf ich's hoffen?
TORQUATO.
Ha, Grausame!
Freut Dich's, mir das Herz zu brechen?
Ach, kann ich Dir Thränen spenden,
Wenn im Schmerz ihr Quell versiegt?
ELEONORE
Wenn im nächsten Augenblicke
Uns des Schicksals Wille scheidet,
O, so wollen wir noch einmal
Uns der Wonne überlassen.
Ja, an Deiner Brust vergess‘ ich
Alle Qualen, alle Leiden.
Ewig wird mein Herz Dir schlagen,
Ewig mein das Deine seyn;
Diese Flammen reiner Liebe
Löscht des Todes Hand allein.

Achte Scene.

Der Herzog mit Geraldini, die Gräfin und Gherardo; die Vorigen.

GERALDINI.
Seht, er ist nicht allein.
HERZOG.
Sey still.
GHERARDO.
Nun, sagt‘ ich Euch die Wahrheit?
GRÄFIN.
Schweigt!
TORQUATO.
Ach! Mich loszureißen,
Wo soll die Kraft ich finden?
GHERARDO.
Hört Ihr?
ELEONORE.
O geh, verlaß mich!
GRÄFIN.
Treuloser!
TORQUATO.
Ach, vergebens!
GERALDINI.
Er trennt sich von der Gräfin.
HERZOG.
Glaubst Du?
TORQUATO.
Auf Deine Hand laß
Mein Leben mich verhauchen.
GHERARDO.
Habt Ihr genug?
ELEONORE.
O Theurer,
Zu schwer machst Du die Trennung!
TORQUATO.
Mein bist Du! Trotz dem Schicksal!
ELEONORE.
Laß mich, ich muß Dir widerstreben!
TORQUATO.
Komm, folg‘ mir. Deinem Unterdrücker
Entziehe Dich.
HERZOG.
Herbei! –

Bewaffnete und Pagen kommen.

Ha, welch Geschick! der Arme!
Seht, Tasso ist von Sinnen!
Nehmt schnell ihn in Gewahrsam,
Bewacht ihn Tag und Nacht.
TORQUATO.
Mein Schwerdt? Nein!
ELEONORE.
Willst Du mich verderben?
HERZOG.
Prinzessin!
TORQUATO.
Dir nur geb‘ ich es.
HERZOG.
Führt ihn hinweg!
GHERARDO.
Besänftigt Euch!
HERZOG.
Er ist von Sinnen!
TORQUATO.
Ich von Sinnen?
ELEONORE.
Gott!
GRÄFIN.
Erbarmen!
ELEONORE.
Ach, um dieser Thränen willen.
GHERARDO UND GERALDINI.
Mein Fürst!
ELEONORE.
Mein theurer Bruder!
TORQUATO.
Ich wär‘ von Sinnen?
HERZOG.
Ja!
TORQUATO.
So geh‘ ich denn zur Haft;
Doch erst mußt Du mich hören.
»Du, der die Liebe strafen will,
Du hast ein Herz von Stein, bist herzlos.
Ein wildes Thier bist Du in menschlicher Gestalt,
Wenn Du den sinnlos nennst, der Liebe fühlt.
Doch nein; fremd sind den Thieren
Der Wildniß selbst nicht diese Triebe.
Willst Du mein Blut? die Brust ist unbewehrt;
Doch über meinen Geist hast Du nicht Macht.
Verstand ist Gabe Gottes;
So lang‘ mir Gott ihn läßt, nenn‘ ich ihn mein.«
ELEONORE.
Ich ward verrathen! Heimlich freut
Der Falsche sich des Sieges.
Schwer laste dieser Thränen
Gewicht auf seinem Haupt.
GERALDINI.
So fällt er endlich! Es zerrinnt
Der Wahn des stolzen Träumers!
Doch heucheln muß ich Thränen
Und Mitleid noch mit ihm.
GHERARDO.
O weh! Ganz wider Willen muß
Ich Thränen noch vergießen.
Er thut mir Leid, wie sehr er
Mir auch zuwider ist.
GRÄFIN.
Es tödten mich die Schmerzen:
Ach, Mitleid wird ihm nicht!
HERZOG.
So wird die Zeit es lösen
Dies thör'ge Liebesband.
TORQUATO.
Hinweg mit euch, ihr Thränen,
Man soll nicht schwach mich seh'n.
ELEONORE.
Mein Bruder!
TORQUATO.
Ha, was thust Du?
Laß Dich zu Bitten nicht herab,
Verschwende nicht die Thränen,
Dies harte Herz erweichst Du nicht.
GERALDINI.
Torquato!
TORQUATO.
Du! – O sieh‘ mich an,
Dein Herz durchschau‘ ich.
GERALDINI.
Glaube mir –
TORQUATO.
Ich glaube, daß Du Deiner Wuth
Zum Opfer mich erkohren.
GERALDINI UND GHERARDO.
O Himmel!
TORQUATO.
Geht, Verräther,
Verderben mich, und Mitleid dann
Noch heucheln, ist zu ruchlos!
HERZOG.
Folgt dem Befehl, bringt ihn zur Haft!
ELEONORE.
Mein Herz erliegt der Qual!
TORQUATO.
Wer würd‘ um diese Thränen nicht
Den Kerker mir beneiden?
ELEONORE UND TORQUATO.
Die Leiden, die uns das Geschick
So grausam hat bereitet,
Trägt die Geschichte in ihr Buch
Mit blut'gen Zügen ein.
Den schuldlos Liebenden, die man
So ohn‘ Erbarmen trennte,
Wird mitleidsvoll die fernste Zeit
Noch eine Thräne weih'n.
HERZOG.
Mich fürchten lernen sollen sie,
Die meiner Macht vergaßen;
Mitleid mit den Verblendeten
Würde hier strafbar seyn.
Doch trinmphiren sollen nicht
Die niedrigen Verräther,
Geweckt aus ihrem stolzen Traum
Will ich der Schmach sie weih'n.
GERALDINI.
Befriedigung fühlt nun mein Herz,
Ich seh‘ den Feind erliegen;
Nicht mehr wird er voll Uebermuth
Der stolze Günstling seyn.
Doch kann bei diesen Thränen nicht
Mein Herz gefühllos bleiben;
Sie flößen unwillkürlich mir
Des Mitleids Regung ein.
GHERARDO.
Jetzt, Gräfin, da zu sehen ist,
Daß er den Kopf verloren,
Begebt Euch nicht mehr in Gefahr,
Stellt Euer Trachten ein.
Wenn er verrückt geworden ist,
Kann er Euch nichts mehr helfen,
Seht seine Wuth: laßt ab von ihm;
Ihr müßt vernünftig seyn.
GRÄFIN.
Nein, größ'res Leid kann nimmermehr
Wohl Tasso's Herz empfinden;
Der Feinde falsches Mitleid mehrt
Noch seine Qual und Pein.
Zu schrecklich ist das Mißgeschick,
Das schwer ihn hat getroffen.
Laßt mich! In meinen Thränen will
Ich ungestört nun seyn.
TORQUATO.
Leb wohl, mein theures Leben,
Jenseits winkt Wiederseh'n!
ELEONORE.
Ich harre Dein, Geliebter,
In sel'gen Himmelshöh'n!
HERZOG.
Trennt sie, folgt dem Befehle:
Vollführt will ich ihn seh'n!
Dritter Akt.

Gefängniß.

Einzige Scene.

Torquato allein, später Hof-Cavaliere.

TORQUATO.
»Was bin ich, und was war ich? Wo befind‘ ich mich?
Wer führte mich hieher, hält mich in Haft?
Ach, wem hab‘ ich vertraut? Wie bin ich hintergangen?
Für mich ist kein Erbarmen! Hier, wo Mitleid dürft'gem
Und krankem Volke einen Sammelplatz bereitet,
Im dunkeln Kerker, unter hartem Zwang,
Dem Spott des gier'gen Pöbels preisgegeben,
Muß ich dem Tod‘ entgegenschmachten,
Ein niedres Spiel des feindlichen Geschickes.«
Am Arno haben meine Feinde
Sich wider mich verschworen; rastlos
Verfolgt mich heimlich eines Dämons Tücke;
Die Welt nennt sinnlos mich – und Liebe glüht
im Herzen.
O daß die Luft zu dir
Doch meine Seufzer trüge!
Daß dir das Echo doch
Mein Leiden möchte künden,
Holde Geliebte!
Wohl nennt man sinnlos mich,
Hält mich in strengen Banden,
Doch lieb‘ ich ewig dich;
Nicht sinnlos bin ich, wenn ich
Mein Herz dir weihe.
Fünf Jahre schwanden! Noch ein Jahr! Und
wieder eins!
Vielleicht hat Leonore mich vergessen!
Vielleicht – o schrecklich! – schenkt sie Glauben
Der falschen Stimme, die für sinnlos mich
Erklärt, durch die ich schnöd‘ verrathen,
Mit Schmach bedeckt, hier eingeschlossen schmachte;
Sie weint, und kann nicht meine Fesseln lösen.
CHOR in der Ferne.
Es lebe Tasso!
TORQUATO.
Täusch‘ ich mich? Von fern
Erklang mein Name.
CHOR.
Auf dem Capitole
Sprießt der Lorbeer seinem Haupte.
TORQUATO.
Ha, was hör‘ ich!

Die Hof – Cavaliere treten ein.

CHOR.
Von des Herrschersitzes Höhe
Streckt Dir Rom die Hand entgegen;
Eile, seinem Wink zu folgen,
Denn für Deine Stirn, o Tasso,
Ist der hehre Kranz gewunden,
Der Petrarca einst geschmückt,
Und dort an der Tiber Fluthen
Keinen Dichter sonst beglückt.
Du bist frei, erheb‘ die Blicke,
Würd'ger Sohn des Vaterlandes;
Eine fürstliche Versammlung
Hat auf dem Tarpej'schen Felsen
Dir den Lorbeer zugesprochen,
Den entblättert keine Zeit.
Er sey des Verdienstes Zeichen,
Sinnbild der Unsterblichkeit.
TORQUATO.
Ach! Laßt mich Athem schöpfen! Zu viel Wonne!
Gekrönt dort meine Dichtung! Nach den Dornen,
Die mir so lang zu Theil geworden sind,
Wird endlich mir ein Lorbeerkranz geboten.
Eleonore! Der jetzt von dir scheidet,
Er ist dir gleich: auch ich trag‘ eine Krone.
CHOR.
So komm‘ denn!
TORQUATO.
Ja, doch erst zu ihr. Ich will sie fragen,
Ob diese seltne Krone, die für Gold
Nicht feil ist, mich zu ihr erhebt.
CHOR.
Halt‘ ein!
Frage nicht; stumm sind die Todten,
Und das Grab giebt keine Antwort;
Nicht durch Worte, noch durch Thräuen
Spricht lebloser Staub zu Dir.
TORQUATO.
Sie ist todt? Für mich verloren?
Ach, so bin ich ganz verlassen!
Doch, ist sie auch stumm für immer,
Ewig hört sie doch mein Herz.
Ja, sie spricht zu mir. In Träumen
Wird sie zu mir niedersteigen,
Minder stolz, doch himmlisch schöner
Kehrt sie dann zu mir zurück.
Ha, ich sehe sie! – du bist es!
Sieh den Lorbeer dir zu Füßen.
Den ersehnten Preis des Sieges,
Ich verschmäh‘ ihn, da du starbst.
CHOR.
Genug der Thränen, Tasso!
Oeffne Dein Herz dem Ruhme.
Sieh, wie Dein Genius mächtig
Den Flug der Zeit besieget.
Im Schutz des heil'gen Lorbeers
Trotzt er der Macht der Jahre.
Jahrhunderte durchfliegt er
Auf nimmermüden Schwingen.
Und Deiner Lieder hoher Klang
Schallt mächtig durch die Welt,
Bis einst der Bau der Schöpfung
Wie Staub, verweht vom Winde,
Zertrümmert und zerfällt.
TORQUATO.
Der Neid verstumme nun fortan,
Rom macht unsterblich mich.
Und du, die mir die Seligkeit,
Die mir das Leid gegeben,
Der Blumen Schmuck, der Thränen Zoll
Weih‘ Deinem Grabe ich.
CHOR.
Wohlauf, nach Rom! Nicht weine mehr;
Die Ehre leitet Dich.
TORQUATO.
Ja, auf den Ruf der Ehre
Eil‘ ich zum Strand der Tiber;
Dort an der Cäsarn stolzem Sitz
Winkt mir der Lorbeerkranz.
CHOR.
Auf, eile! Deines Unglücks Nacht
Erhellt des Ruhmes Glanz.