Giuseppe Verdi
Othello
Oper in vier Akten
Personen
Othello, Mohr, Befehlshaber der venezianischen Flotte (Tenor)
Jago, FĂ€hnrich (Bariton)
Cassio, Hauptmann (Tenor)
Rodrigo, ein edler Venezianer (Tenor)
Lodovico, Gesandter der Republik Venedig (BaĂ)
Montano, der VorgĂ€nger Othellos in der Statthalterei von Cypern (BaĂ)
Ein Herold (BaĂ)
Desdemona, Othellos Gemahlin (Sopran)
Emilia, Jagos Gattin (Mezzo-Sopran)
Soldaten und Seeleute der Republik Venedig, Edeldamen und venezianische Nobili, Cyprioten beiderlei Geschlechts, griechische, dalmatinische und albanesische Krieger, ein Schenkwirt mit vier Gehilfen, Volk usw.
Ort der Handlung: Eine Hafenstadt der Insel Cypern.
Zeit: Ende des fĂŒnfzehnten Jahrhunderts.
Erster Akt
Ein Platz vor dem Schlosse
Eine Schenke mit Lauben. Aussicht auf die Hafenanlagen und das Meer. Es ist Abend. Heftiger Orkan und Gewitter.
Erste Szene
Jago, Rodrieo, Cassio, Montano, spÀter Othello. Cyprioten und venezianische Soldaten.
MEHRERE VOM CHOR.
Seht das Segel!
ANDERE VOM CHOR.
Die Galeere!
DIE ERSTEREN.
Eine Flagge!
DIE LETZTEREN.
Eine Flagge!
MONTANO.
Mit des Löwen Gestalt!
CASSIO.
Böser Tanz auf dem Meere!
ANDERE die hinzukommen.
Hört sie rufen!
WIEDER ANDERE.
Notsignale!
ALLE.
Die Kanone erschallt.
CASSIO.
's ist das Schiff unsres Feldherrn!
MONTANO.
Jetzt versinkt es, fortgezogen!
CASSIO.
Wieder steigt es aus den Wogen.
DER HALBE CHOR.
Bald im Nebel verschwindet es ganz,
Bald erscheint's in gespenstischem Glanz.
ALLE.
Rote Blitze flammen,
Schrecklich rollt der Donner rings umher,
Alles zittert, kracht zusammen,
Und der Sturm zerpeitscht das Meer.
Seine RabenflĂŒgel
Hat der Geist der Hölle ausgespannt,
Hat des Himmels Lichter
Ausgelöscht mit finstrer Hand.
Durch den Rauch im roten Feuer
Grinst sein fahles Angesicht,
Und er steigt herab zur Erde,
Die ihn kommen sieht mit Stöhnen.
Wird sie aus den Fugen gehen?
Ist verflossen ihre Zeit? Sie weiĂ es nicht.
Furchtbar mit Posaunentönen
Droht das Weltgericht.
Vom Hintergrunde viele Weiber aus dem Volke
ALLE mit GebÀrden des Schreckens und Àngstlichen Flehens nach dem Hafendamm gerichtet.
Gott, du hörst der Schwachen Flehen,
Sei der Retter dieses Strandes!
Nicht im Dunkel untergehen
LaĂ den Stern des Vaterlandes!
Unversehrt durch Sturm und Wellen
FĂŒhrst den Schiffer du nach Haus,
Und er sieht die Nacht sich hellen,
Wirft den treuen Anker aus.
JAGO.
Entmastet ist das Schiff!
RODRIGO.
Es muĂ zerschellen
Dort an den Klippen!
CHOR.
Zu Hilfe!
JAGO fĂŒr sich.
Gebettet
Liegt er bald im sichern SchoĂ der Wellen!
CHOR.
Gerettet! Gerettet!
STIMMEN VON INNEN.
Das Boot heraus in Eile?
Hand an die Seile!
VorwÀrts!
ERSTER HALBCHOR.
Zu den Rudern!
ZWEITER HALBCHOR die Ufertreppe hinabsteigend.
Her zum Strande!
STIMMEN VON INNEN.
In den Hafen, auf die Treppe!
ANDERE STIMMEN VON INNEN.
Am Lande!
OTHELLO von der Treppe auf den Hafendamm steigend mit Gefolge von Seeleuten und Soldaten.
Freut euch alle! Dem stolzen TĂŒrken haben
Die Fluten dort ein weites Grab gegraben.
Was den Waffen entrann, ertrank im Meere.
ALLE.
O, Heil Othello! Ruft ihm Heil und Ehre!
Othello geht ins SchloĂ, gefolgt von Cassio, Montano und Soldaten.
CHOR.
Der Feinde Gemeinde
Ertrunken, versunken,
Begraben im MeeresschoĂ,
Bedeckt von der Flut!
Es sausen und brausen
Die Wellen mit Schwellen,
Die Winde verkĂŒnden euch,
Wer unten dort ruht.
Viktoria!
CHOR.
Von dannen zieht das Wetter.
JAGO beiseite zu Rodrigo.
Rodrigo, sagâ, was meinst du?
RODRIGO.
Sterben möcht ich âŠ
JAGO.
Der ist ein Narr, der sterben will aus Liebe.
RODRIGO.
Nicht trag ich's mehr.
JAGO.
Was da! Sei klĂŒger!
Erwarte bessre Zeiten!
Einige aus dem Volke errichten einen Scheiterhaufen. Neugieriges und unruhiges GedrÀnge.
Die schöne Desdemona,
Die zarte Sehnsucht deiner stillen TrÀume,
Wird nicht begehren immer nach den wulst'gen Lippen
Des schwarzen Ungeheuers.
Guter Rodrigo, als deinen besten Freund
Darfst du mich betrachten. Nahe geht es mir,
Was dein armes Herz bedrÀngt. Und wenn
Ein schwankend Frauenwort nicht fester hÀlt
Als Mannesklugheit und bewĂ€hrte KĂŒnste,
Dann wiegst dein Liebchen bald in Armen du.
Du zauderst, weil der Schein noch gegen mich?
Ich hasse den Mohren âŠ
Cassio tritt auf und vereinigt sich mit einem Kreise von Soldaten.
Der Ursprung meines Hasses, jener da,
WeiĂt du âŠ
Auf Cassio deutend.
das aufgestutzte Offizierchen,
VerdrÀngte mich vom Platz, von meinem Platz,
Den ich in hundert ehrlich geschlag'nen Schlachten
Verdiente. Das war das Werk Othellos.
Der Platz fĂŒllt sich immer mehr mit gemeinem Volk an.
Ich bin der FĂ€hndrich seiner Mohrenschaft geblieben.
Von dem Scheiterhaufen qualmen dicke Rauchwolken auf.
Aber so wahr wie du Rodrigo bist,
Ist's ausgemacht, daĂ, wenn der Mohr ich wĂ€re,
Ich andre lieber um mich sĂ€hâ als Jago.
Drum laĂ dir sagen âŠ
Jago fĂŒhrt Rodrigo nach dem Hintergrunde. Die Flamme schlĂ€gt in die Höhe. Die Soldaten drĂ€ngen sich um die Schenktische.
CHOR WÀhrend des beim Freudenfeuer angestimmten Gesanges behÀngen die Schenkendiener den Laubengang mit venezianischen Laternen verschiedener Farben, welche die Szene heiter beleuchten. Die Soldaten scharen sich an den Tischen, einige sitzen, einige stehen, plaudernd und trinkend.
Feuer der Freude! â Lustig erglĂŒhe,
Wandle zum Tage â die dĂŒstere Nacht,
Knistre und prassle, â lodre und sprĂŒhe,
Schon sind im Herzen â die Flammen entfacht!
O, wie sie schwĂ€rmen, â vom Geiste getrieben,
Bunte Gestalten â in wechselndem Zug!
Und sind es MĂ€dchen, â zum ersten Lieben,
Und sind es Falter, â zum letzten Flug!
Brenne die Palme, â brenne die Zeder!
Singe, mein Liebchen, â was liegt daran!
Heute in Flammen â stehe mir jeder,
Lodre zum Himmel â der Liebe hinan!
Bald sind die Scheiter â glimmend versunken,
Bald ist zerstoben â das heitere Fest,
Hier noch ein FlĂ€mmchen, â da noch ein Funken,
Und dann vorĂŒber â und Asche der Rest!
Das Feuer erlischt allmÀhlich; der Sturm hat aufgehört. Jago, Rodrigo, Cassio und andere ihres Standes sitzen und stehen um einen Tisch der Schenke und trinken Wein.
JAGO.
LaĂ trinken uns, o Freund!
Cassio zutrinkend.
Hier diesen Becher
Unserem Hauptmann!
CASSIO.
Ich trinke nicht.
JAGO will Cassio einschenken.
Vom Besten! 'nen Schluck nur!
CASSIO zieht sein Glas zurĂŒck.
Nein.
JAGO.
Geh doch! Alles steht heut auf dem Kopfe!
Ganz Cypern ist berauscht, und also âŠ
CASSIO.
LaĂ mich!
Mir tanzt das Hirn schon
Von dem einen Becher.
JAGO.
Du muĂt noch einen trinken. Auf das Wohl
Desdemonens, des Othello Weib!
CHOR.
Sie lebe!
CASSIO erhebt das Glas und trinkt ein wenig.
Sie ist der Insel Zierde.
JAGO leise zu Rodrigo.
Hörst du?
CASSIO.
Es blĂŒhen
Die Blumen, wo sie wandelt am Gestade.
RODRIGO.
Und wie ist sie so sittsam!
CASSIO.
Jago,
Singâ etwas ihr zum Lobe!
JAGO leise zu Rodrigo.
Hörst du?
Laut zu Cassio.
Nein, ich bin nur ein Kritiker.
CASSIO.
Und sie ist ĂŒber alles Lob erhaben.
JAGO wie oben.
Da sieh nur diesen Cassio!
RODRIGO.
Wie meinst du?
JAGO immer aufreizender.
Hast du denn nicht gehört,
Wie verwegen er spricht?
Ihn hat der Jugend heiĂes Blut verraten.
Ein gefĂ€hrlicher VerfĂŒhrer,
Der dir in den Weg tritt!
Achtung! âŠ
RODRIGO.
Was nun?
JAGO.
Des Toren UnglĂŒck ist sein Rausch.
Zu den Weinschenken.
He, Schlingel, schaffet Wein her!
Jago fĂŒllt drei Becher an: fĂŒr sich, Rodrigo und Cassio. Die Schenken warten mit Kannen auf.
JAGO mit dem Becher in der Hand; die Menge lÀuft neugierig zusammen.
Komm, liebes Becherlein,
Blinke, ja blinke!
Ehe das Leben uns
FlĂŒchtig verraucht!
CASSIO zu Jago, den Becher in der Hand.
Ich armes Zecherlein
Trinke, ja trinke!
Die Reben geben uns,
Was man nur braucht.
JAGO zu allen.
Ein kleines SchlĂŒckchen kann
Jeder vertragen,
Wer's drauf will wagen,
Trinke mit mir!
CHOR.
Ein kleines SchlĂŒckchen kann
Jeder vertragen.
Ich will es wagen,
Trinken mit dir!
JAGO leise zu Rodrigo, auf Cassio deutend.
Das feinste StĂŒckchen dann
Siehest du hier!
Laut.
Nicht dĂŒnke weise dich,
Trink dich gescheiter!
Wer sich Gedanken macht,
Ist nur ein Tropf!
CASSIO von neuem trinkend.
Dreh ich im Kreise mich,
Komm ich nicht weiter,
Ach, was mich schwanken macht,
Trag ich im Kopf.
JAGO wie oben.
Ein kleines SchlĂŒckchen kann
Jeder vertragen,
Wer's drauf will wagen,
Trinke mit mir!
ALLE.
Ein kleines SchlĂŒckchen kann
Jeder vertragen.
Ich will es wagen,
Trinken mit dir!
JAGO zu Rodrigo.
Das feinste StĂŒckchen dann
Siehest du hier.
Laut.
Nur durch die Kehle geht
Der Weg zum Herzen âŠ
Seelchen, was zitterst du?
Droht dir Gefahr?
CASSIO den Becher schwenkend, auĂer sich.
Was in der Seele steht:
Freuden und Schmerzen âŠ
Trinkt.
Das ist ja klar âŠ
Taumelnd.
Das ist ja klar ⊠ich trinke âŠ
ALLE lachen.
Ha, ha!
CASSIO.
Ich Zecherlein trinke âŠ
Ich armes Zecherlein âŠ
JAGO zu Rodrigo, wÀhrend die andern lachen.
Er ist total betrunken. Nun muĂt du
Ihn in HĂ€ndel gleich verwickeln.
Er neigt zum JĂ€hzorn, beleidigt dich,
Und der Skandal ist fertig!
So auch auf gute Art kannst du Othello
Die erste Liebesnacht versalzen.
RODRIGO entschlossen.
Zum Teufel, das will ich!
MONTANO tritt auf und wendet sich zu Cassio.
Hauptmann, hört, auf dem Walle sollt
Ihr Euern Dienst versehen.
CASSIO schwankend.
So gehn wir!
MONTANO.
Was sehâ ich?
JAGO.
Solcherart pflegt Cassio
Zum Dienste sich zu stÀrken.
MONTANO.
Ich will's melden.
CASSIO wie oben.
Betrachten wir die WĂ€lle!
RODRIGO dann alle.
Ha, ha!
CASSIO.
Wer lacht da?
RODRIGO herausfordernd.
Kannst du's verwehren?
CASSIO auf Rodrigo losstĂŒrzend.
Wartâ, ich will dich lehren, du Schurke!
RODRIGO sich verteidigend.
Betrunkener Flegel!
CASSIO.
VerrÀter! Jetzt bist du verloren!
MONTANO trennt sie mit Gewalt und wendet sich gegen Cassio.
Was wollt Ihr beginnen?
LaĂt, ich beschwörâ Euch!
CASSIO.
Dem spaltâ ich den SchĂ€del,
Der mich zurĂŒckhĂ€lt!
MONTANO.
Worte eines Trunknen âŠ
CASSIO.
Ich trunken?!
Er zieht den SĂ€bel aus der Scheide, Montano desgleichen. WĂŒtender Anlauf, die Menge weicht zurĂŒck.
JAGO beiseite zu Rodrigo.
Höre: Eilig laufâ zum Hafen
Und schreie, was du kannst: Ein Aufstand!
Geh! Trage den LĂ€rm zur Stadt
Und laà zum Sturme die Glocken lÀuten!
Rodrigo lÀuft davon.
JAGO ruft den KĂ€mpfenden zu.
Kameraden,
Steht von diesem bösen Streite ab!
VIELE WEIBER VOM CHOR fliehend.
Nur fort!
JAGO.
O Gott! Der edle Montano blutet schon!
ANDERE WEIBER.
Hinweg!
JAGO.
O schreckliches WĂŒten! Haltet!
WEIBER.
Sie morden sich.
JAGO zu den Umstehenden.
Will niemand hier verhindern
Das wilde Gemetzel?
So schreit doch um Hilfe,
Ruft Zeter Mordio!
STIMMEN auf und hinter der Szene.
Hilfe!
Die Sturmglocken lÀuten.
Hilfe!
Zweite Szene
Othello, Jago, Cassio, Montano, Soldaten, Volk, spÀter Desdemona.
OTHELLO mit Gefolge von FackeltrÀgern.
Hinweg die Schwerter!
Die KĂ€mpfenden halten ein. Montano lehnt sich auf einen Soldaten.
Die Wolken beginnen sich zu zerteilen.
Holla, was gibt's? Bin ich bei Sarazenen?
Oder ist TĂŒrkenwut in euch gefahren,
DaĂ ihr blind euch zerreiĂt?
Mein werter Jago, bei deiner alten Liebâ
und Treue, rede!
JAGO.
Ich weiĂ nicht âŠ
Eben waren sie noch Freunde,
Heiter und fröhlich ⊠aber plötzlich dann,
Als ob ein feindlicher Stern
Mit seiner Macht verwirrte ihren Geist,
Ziehn sie die Schwerter
Und stĂŒrmen aufeinander âŠ
Die Beine hĂ€ttâ ich gern verloren,
Die hierher mich trugen!
OTHELLO.
Cassio, wie vergaĂest so du deiner WĂŒrde?
CASSIO.
Gnade ⊠Verzeiht ⊠ich kann nicht sprechen âŠ
OTHELLO.
Montano âŠ
MONTANO von einem Soldaten unterstĂŒtzt.
Ist verwundet.
OTHELLO.
Verwundet! ⊠Nun beim Himmel,
Mein Blut gerÀt in Wallung!
Kommt der Engel, der unsern Zorn
In milde Sanftmut wandelt?
Desdemona tritt auf, Othello geht ihr entgegen.
Wie? ⊠Desdemona, die Liebliche? âŠ
Aufgescheucht aus ihren sĂŒĂen TrĂ€umen?
Cassio, Hauptmann bist du nicht lÀnger.
Cassio lĂ€Ăt den SĂ€bel fallen, den Jago aufhebt.
JAGO den SĂ€bel einem Offizier reichend.
Ha, das gelang mir!
OTHELLO.
In Aufruhr ist die Stadt; drum gehe, Jago,
Nimm ein paar Leute mit und stifte Ruhe!
Jago ab.
Montano bringt zum Feldscher!
Montano wird ins SchloĂ gefĂŒhrt.
Zu allen mit gebietender Haltung.
Auch ihr andern geht jetzt nach Hause!
Nicht vom Platze weichâ ich,
Bis alles ruhig nicht im Hafen!
Die BĂŒhne wird leer. Othello gibt den FackeltrĂ€gern einen Wink, sich zu entfernen. Er bleibt mit Desdemona allein.
Dritte Szene
Othello und Desdemona
OTHELLO.
Nun in der nÀcht'gen Stille
Verliert sich jeder Ton.
Das ist der Liebe Stunde,
In ihrem Arm entschlÀft der trotz'ge Wille.
Donn're die Schlacht,
Gehe die Welt zu Grunde,
Wenn nur von deinem Munde
Dann winkt mein sĂŒĂer Lohn!
DESDEMONA.
Du mein herrlicher Held! Ach wohl mit Qualen,
Mit verborgenem Seufzen, mit heiĂem Bangen
MuĂ mein Ă€ngstliches Herz sein GlĂŒck bezahlen!
Doch ist das Leid, hÀlt mich dein Arm umfangen,
In Lust vergangen.
Wenn du erzÀhlt von deinem wilden Leben,
Von fernen Fahrten und von Not und Streit,
FĂŒhltâ ich beschwingt die Seele mir entschweben,
Und unter mir versanken Welt und Zeit.
OTHELLO.
Die Schildâ und Panzer lieĂ vor dir ich glĂ€nzen, âŠ
Die Fahnen flattern, die Trompete klingt,
Voran fliegt uns der Sieg mit goldnen KrĂ€nzen, âŠ
Hinauf zum Wall! ⊠Der kĂŒhne Streich gelingt!
DESDEMONA.
Du fĂŒhrtest mich in deiner Heimat Lande,
Wo weit im Sonnenbrand die WĂŒste schweigt.
Die Karawane liegt verweht vom Sande,
Und aus dem Dunst der blut'ge Vollmond steigt.
OTHELLO.
Dein TrÀnenblick gab Seele jenen Schatten,
Dein Mitleid hauchte Glut den Toten ein,
Das Paradies erschloĂ sich deinem Gatten,
Und seine Stirn umstrahlt des Ruhmes Schein.
DESDEMONA.
Da branntâ im dunkeln Antlitz dir ein Feuer,
Vor dem beschĂ€mt zurĂŒck die Schönheit wich.
OTHELLO.
Du liebtest mich um meine Abenteuer,
Um deines Mitleids willen liebtâ ich dich.
Komme der Tod nun! Geh nicht auf mehr, Sonne!
In diesem Augenblicke erfĂŒllte sich mein Leben.
Der Himmel hat sich aufgeheitert.
Mein ĂŒbergroĂes GlĂŒck macht mich erbeben,
Ich fĂŒrchte Götterneid und SchicksalstĂŒcke.
Die Zukunft liegt verschlossen,
Doch was es Höchstes gibt, habâ ich genossen.
DESDEMONA.
O daĂ uns Gott bewahre!
Die Liebe wachse mit der Zahl der Jahre!
OTHELLO.
Amen, sagâ ich gerne,
Ihr hört uns, ew'ge Himmelssterne.
DESDEMONA.
Amen, ihr Sterne!
OTHELLO lehnt sich auf eine Erhöhung des Hafendammes.
Ha, mir schwindelt es vor Wonne,
Mich ĂŒberlĂ€uft's, es zittern meine Glieder âŠ
O kĂŒsse mich!
DESDEMONA.
Othello! âŠ
OTHELLO.
KĂŒĂ mich wieder!
Blickt zum Sternenhimmel auf.
Schon wollen die Plejaden
Des Meeres Saum berĂŒhren,
DESDEMONA.
Ja spÀt zu Nacht ist's.
OTHELLO.
Venus soll uns fĂŒhren,
Sie gehen, einander umschlungen haltend, auf das SchloĂ zu.
Zweiter Akt
Ein ebenerdiger Saal im Schlosse.
Eine Wand mit groĂen Fenstern trennt den Saal von einem weiten Garten. â Ein Erker.
Erste Szene
Jago auf der einen, Cassio auf der Àndern Seite des Erkers.
JAGO.
GrÀme dich nicht! Ich wette drauf:
In kurzem schon wieder hÀltst du
Auf dem SchoĂ Bianca, den Schelm,
Als wohlbestallter KapitÀn,
Das goldne Wehrgehenk zur Seite.
CASSIO.
LaĂ doch die Scherze!
JAGO.
Höre, was ich sage. Wissen muĂt du:
Unsres Herren Herrin ist Desdemona.
Sie kann alles machen.
Gehe sie an,
DaĂ ihre gute Seele sich dein erbarmâ,
Und sie verschafft Pardon dir.
CASSIO.
Doch wie sie sprechen?
JAGO.
Des Mittags pflegt sie gern im Schatten
Jener BĂ€ume dort zu ruhn mit meiner Frau.
Da warte ihrer, und erschlossen ist
Der Weg zum Heil dir. NĂŒtzâ ihn.
Cassio entfernt sich.
Zweite Szene
Jago allein.
JAGO, Cassio mit den Augen folgend.
Geh nur! Ich kennâ dein Ziel.
Denn dich regiert dein DĂ€mon,
Und der bin ich selber. Mich reiĂt
Der meine fort, an den ich glaube,
Als meine furchtbare Gottheit.
Er verlĂ€Ăt den Erker, ohne weiter auf Cassio zu achten, der zwischen den Gartenhecken verschwindet.
Ich glaubâ an einen Gott, der mich
Zum Affen des eignen Selbst erzeugt.
Weh, daĂ ich's glaube! Aus faulem Keime,
Kot und Erdenstaube ward ich geschaffen. â
Treu diesem Gotte,
Machâ ich zum Spotte,
Was dreist mit Ehrâ und Tugend brĂŒstet sich.
Ja, also glaube ich.
Ich glaubâ auch an den Sohn;
Den bösen Willen hat er
Vom Vater schon empfangen,
Und was er sich gelobt im stillen,
Das wird er sicher auch erlangen.
Zum dritten glaubâ ich an den Geist
Des Zweifels, der alles klar erkennt,
Und jeden Trug des Teufels:
Freundschaft, Liebe, Treue
Beim wahren Namen nennt.
Das ist mein Credo.
Wir sind des Zufalls Narren
Und tragen unsern Sparren
Bis in das letzte Haus.
Uns allen gibt der Tod
Den bösen NasenstĂŒber,
Und dann? ⊠ist es vorĂŒber,
Der dumme SpaĂ ist aus.
Man sieht Desdemona mit Emilia im Garten. Jago lĂ€uft geschwind zu dem Erker, wo Cassio Posto gefaĂt hat.
JAGO zu Cassio.
Cassio, sie ist da ⊠nur zu! âŠ
Die Zeit ist gĂŒnstig, eilâ dich âŠ
Desdemona kommt.
Cassio geht auf Desdemona zu, begrĂŒĂt sie und nĂ€hert sich ihr.
Da ist er, er begrĂŒĂt sie,
Geht jetzt nĂ€her â das muĂ Othello sehn!
Mein feines WagestĂŒck laĂ, Satan,
Mir gelingen! âŠ
Man sieht Desdemona mit Cassio im Garten vorĂŒbergehen.
Schon bereden sich beide âŠ
Ihr schönes Antlitz neigt
Sie gegen ihn mit LĂ€cheln.
Ein einz'ger Strahl genĂŒgt mir jenes
LĂ€chelns,
FĂŒr immerdar Othello zu verderben.
Nun fort âŠ
Er eilt schnell nach dem Ausgang zur Rechten, bleibt aber plötzlich stehen.
Der gĂŒnst'ge Zufall will mir helfen.
Dort ist er schon ⊠wohlan denn,
Frisch zu Werke!
Er bleibt, ohne sich zu rĂŒhren, im Erker und blickt unverwandt in den Garten, wo Cassio und Desdemona stehen.
Dritte Szene
Jago und Othello.
JAGO tut, als ob er den auf ihn zukommenden Othello nicht bemerke und mit sich selber spreche.
Mir gefÀllt's nicht.
OTHELLO.
Was sagst du?
JAGO.
Gar nichts ⊠Ihr hier?
Ein Zufallswörtchen
Nur entfloh den Lippen âŠ
OTHELLO.
Wer ging da eben weg von meiner Gattin?
War's Cassio?
Beide treten aus dem Erker hervor.
JAGO.
Cassio? Nein ⊠Fort schlich er.
Als er Euch sah, wie ein SĂŒnder.
OTHELLO.
TĂ€uschâ ich mich nicht, war's Cassio.
JAGO.
Mein Gebieter âŠ
OTHELLO.
Was willst du?
JAGO.
Cassio ⊠Desdemona
Hat er gekannt am Anfang Eurer Liebe?
OTHELLO.
Ja. Doch wozu die Frage?
JAGO.
's war nur so ein Gedanke
Des Wahnes, sonst nichts Böses.
OTHELLO.
Sagâ, was du wĂ€hntest, Jago.
JAGO.
Und Ihr vertrautet Cassio?
OTHELLO.
Oft brachtâ er ein Geschenk,
Einen Brief meiner Verlobten.
JAGO.
In Wahrheit?
OTHELLO.
Ja, in Wahrheit. Ist er nicht ehrlich?
JAGO.
Ehrlich?
OTHELLO.
Was hast du auf dem Herzen?
JAGO.
Was soll ich, Herr, denn haben?
OTHELLO.
Was soll ich, Herr, denn haben?
Zum Teufel, wenn du nichts als mein
Echo bist!
Du hÀltst im Kerker deiner Seele
Irgendein Ungeheuer. Wohl verstanden
Habâ ich dein FlĂŒstern. Mir gefĂ€llt's nicht.
Sage mir, was du meinst.
Du sprachst von Cassio,
Dann zogst du deine Stirn in Falten.
So rede doch ⊠bei deiner Liebe!
JAGO.
Gut. Ihr wiĂt, daĂ ich Euch liebe.
OTHELLO.
Deshalb will ich die Wahrheit hören,
Klar und deutlich.
Was du tief in der Seele
Arges bewahrst an Gedanken,
LaĂ es heraus aus der Kehle!
JAGO.
Und hieltet in der Hand Ihr auch mein Herz,
Ihr solltet dennoch nichts erfahren!
Ganz nahe zu Othello mit leiser Stimme.
O wollet Euch vor Eifersucht bewahren!
Sie ist die blinde, glatte Schlange,
Die sich vom Blut des Herzens nÀhret
Und sich im eignen Gift verzehret.
OTHELLO.
O Not und Jammer! Nein. Es kann
Mir ein Verdacht genĂŒgen nicht.
Vor dem Zweifel will sehen ich,
Und zweiflâ ich, dann Beweise;
Danach, wenn nichts mehr
Zu bezweifeln bliebe,
Verschwindet mit der Eifersucht
Auch meine Liebe.
JAGO mit dreister Miene.
Ein solcher Vorsatz
Löst von meinen Lippen das Siegel ab.
Nicht sprechâ ich von Beweisen; nur
Hochherziger Othello, gebt mir Achtung!
Erforscht und prĂŒft die Worte Desdemonens,
Ein Wink kann ihre Treuâ erweisen,
Kann auch den Verdacht bestÀrken.
Sie ist da. Gebet mir Achtung!
Durch die breite Ăffnung des Hintergrundes sieht man Desdemona wieder im Garten erscheinen, umgeben von Frauen, Kindern, cyprischen und albanesischen Seeleuten, welche ihr Blumen und andere Geschenke ĂŒberreichen. Einige begleiten den Chorgesang auf der Mandoline [»Guzla«], andere mit kleinen Harfen.
CHOR im Garten.
Deiner strahlengebenden
Augen sanftes SprĂŒhen
LĂ€Ăt mit dem belebenden
Blick die Blumen blĂŒhen.
Schönheit will uns laben,
Ihrem Hochaltar
Bringen unsre Gaben
Wir beseligt dar.
KINDER Lilien auf den Boden streuend.
Mit Lilienstengelein,
Benetzt von Tau,
Entschwebten die Engelein
Der Himmelsauâ.
Sie brachen die BlĂŒten
Mit reinen HĂ€nden,
Um sie zu spenden
Der schönsten Frau.
FRAUEN UND SEELEUTE.
Zur Mandola klingen
Soll der Freude Lied,
Das auf leichten Schwingen
Durch die LĂŒfte zieht.
SEELEUTE Desdemonen Korallen und PerlenschnĂŒre darbietend.
LaĂ dir gefallen
Perlen, Korallen!
Seiner Gebieterin
Huldigt das Meer.
Gleich der Erkorenen,
Wellengeborenen,
Kamst zum Gestade du,
Bildnis der Gnade, du
Herrlich daher.
KINDER UND FRAUEN.
Zur Mandola klingen
Soll der Freude Lied,
Das auf leichten Schwingen
Durch die LĂŒfte zieht.
DIE FRAUEN Laub und Blumen streuend.
FĂŒr dich die KrĂ€nze hier,
Welche wir wanden!
Dir lacht die Sonne
In Wonne,
Dir leuchtet die Flur.
FĂŒr dich zum Feste
Das Allerbeste
Empfingen im Lenze wir
Von der Natur.
KINDER UND SEELEUTE.
Zur Mandola klingen
Soll der Freude Lied,
Das mit leichten Schwingen
Durch die LĂŒfte zieht.
ALLE.
Deiner strahlengebenden
Augen sanftes SprĂŒhen
LĂ€Ăt mit dem belebenden
Blick die Blumen blĂŒhen.
Schönheit will uns laben,
Ihrem Hochaltar
Bringen unsre Gaben
Wir beseligt dar.
DESDEMONA.
BlumendĂŒfte,
LenzeslĂŒfte,
Lind und weich!
Allerwegen
Heil und Segen,
O wie bin ich so reich!
CHOR.
Lebe du glĂŒcklich in Amors Reich!
Othello und Jago hören dem Chor als stille Beobachter zu.
OTHELLO innig bewegt.
Ich dankâ euch, sĂŒĂe Lieder, ihr gebt
Dem Herzen seinen Frieden wieder!
JAGO.
(Wie gut zusammen Liebâ und Schönheit klingen,
Hinein den schrillen MiĂton will ich bringen.)
Vierte Szene
Nach Beendigung des Chorgesanges kĂŒĂt Desdemona etliche Kinder aufs Haupt, und die Frauen kĂŒssen den Saum ihres Kleides. Sie gibt den Seeleuten eine Börse. Der Chor entfernt sich. Desdemona kommt, von Emilia gefolgt, in den Saal und geht auf Othello zu.
DESDEMONA.
Von einem Manne, den dein Zorn getroffen,
Bringâ ich dir eine Bitte.
OTHELLO.
Wer denn ist es?
DESDEMONA.
Cassio.
OTHELLO.
War er's, der unter jenen BĂ€umen dich
Gesprochen?
DESDEMONA.
Derselbe. Sein tiefer Gram,
Sein herzlich Trauern hat mich ergriffen;
Wenn der Gnadâ er wĂŒrdig,
Will flehen ich fĂŒr ihn, fĂŒr ihn dich bitten.
Verzeih ihm, Lieber!
OTHELLO.
Nur jetzt nicht.
DESDEMONA.
Wie? Du willst es mir versagen?
Ach, vergib ihm!
OTHELLO mit Strenge.
Nur jetzt nicht.
DESDEMONA.
Woher doch dieser Ton in deiner Stimme?
Was liegt dir auf der Seele?
OTHELLO.
Mich brennt die SchlÀfe.
DESDEMONA sie faltet ihr Taschentuch, wie um Othello die Stirn zu verbinden.
Bald wird vergehn der lÀst'ge Schmerz,
Wenn ich mit diesem weichen Tuch
Die Stirn umwinde.
OTHELLO wirft das Taschentuch zur Erde.
Ich bedarf des nicht.
DESDEMONA.
Ach, du bist schlecht gelaunt!
OTHELLO.
So laĂ mich!
Emilia hebt das Taschentuch vom Boden auf.
DESDEMONA.
Wenn unwissend, mein Gemahl,
Ich mich vergangen,
LaĂ nicht im Zorn mich gehen,
Ein Wörtchen sagâ, ein lindes,
Zum Troste deines Kindes,
Du hörst sein schuldlos Flehen!
Finster sind deine Mienen,
Dein Blick mir abgekehrt,
So bist du nie mir erschienen,
HĂ€ltst du mich dein nicht wert?
Gern will ich leiden, dienen,
Nur sagâ, was dich beschwert!
JAGO zu Emilia mit leiser Stimme.
Gib das Gewebe,
Das du genommen.
EMILIA ebenso zu Jago.
Wehe mir! Ich bebe
Ăngstlich beklommen!
JAGO.
Was ĂŒberlegst du,
Wenn ich befehle?
EMILIA.
Böses bewegst du
In deiner Seele.
JAGO.
Machst du kein Ende?
EMILIA.
Ich halte rein
Die treuen HĂ€nde.
JAGO.
Das Tuch sei mein!
Er packt Emilia heftig am Arme.
HĂŒte den Leib nur,
Weh deinen Gliedern!
EMILIA.
Darfst du dein Weib zur
Sklavin erniedern?
OTHELLO beiseite.
(Weil ich das Schmeicheln spare
Und nicht vermag zu girren,
Sehâ ich sie straucheln, irren âŠ
Vielleicht auch sind's die Jahre,
Oder weil mir, dem Mohren,
Nicht Anmut ward beschert!
Was sie geschworen,
Es ging verloren,
Nur eine Sage
Sind meine goldnen Tage,
Verrat hat mich entehrt.)
JAGO.
Denke der Mahnung,
Tu, was ich sage!
EMILIA.
Ăngstliche Ahnung
Macht, daĂ ich zage.
JAGO.
Nicht eher ruhst du âŠ
EMILIA.
Grausamer Mann!
JAGO.
Her da! âŠ
EMILIA.
Was tust du?
JAGO.
Nur was ich kann.
Mit einem Schlag auf die Hand hat Jago das Taschentuch Emilien entrissen.
Fahne der Fahnen,
Du sollst im Spiele
Den Weg mir bahnen
Zum sichern Ziele!
EMILIA.
Ihm in die Krallen
Bin ich gefallen.
Nichts kann erlösen
Mich von dem Bösen!
OTHELLO.
Hinweg ihr! LaĂt mich allein!
Desdemona und Emilia gehen ab.
JAGO leise zu Emilia, die im Begriff ist zu gehen.
Du schweigst wie das Grab. Verstanden?
Jago tut, als ob er durch die TĂŒr im Hintergrunde fortgehen wolle, bleibt aber vor derselben stehen.
FĂŒnfte Szene
Othello. Jago im Hintergrunde.
OTHELLO sinkt ermattet auf einen Sessel.
Sie schuldig! Desdemona!
JAGO betrachtet im Hintergrunde verstohlen das Taschentuch und steckt es dann sorgfÀltig in sein Wams.
Aus diesen FĂ€den will ich den Strick
FĂŒr ihre Unschuld drehn, und schnell
Das Tuch bringâ ich in Cassios HĂ€nde.
OTHELLO.
Mit Schaudern denkâ ich's!
JAGO Othello beobachtend.
Mein Gift beginnt zu wirken.
OTHELLO.
Falsch gegen mich, ja, gegen mich!
JAGO finster.
Tobâ und schreiâ nur!
OTHELLO.
Entsetzlich!!! Entsetzlich!!! âŠ
JAGO hat sich dicht hinter Othello geschoben â treuherzig.
Denkt nicht weiter dran!
OTHELLO auffahrend.
Du?! VerrÀter, weiche!!
An das Kreuz mich zu schlagen! âŠ
Weh mir! ⊠Weit schlimmer als
Die Untat selbst ist ihr Verdacht.
Habâ ich von ihrer Lust geheimen Stunden
In meiner Brust ein Ahnen je empfunden?
Ich lebte heiter, arglos, war unwissend froh;
An ihrem Götterleibe fand ich mein EntzĂŒcken,
Auf ihrem Mund die KĂŒsse nicht des Cassio,
Nun aber ⊠nun, ach, fahre wohl fĂŒr immer,
SĂŒĂes Gedenken, Liebesrast und Ruh!
Fahr wohl, glorreicher Krieg
Mit Pracht und Schimmer,
Flatternde Fahne, wiehernd SchlachtroĂ du!
Fahr wohl, du Braut der Wogen, stolze Galione,
Fahr wohl auf ewig, du mein glÀnzender Sieg!
Fahr wohl, Trompetenschall und Donner der Kanone,
Dem Untergange neigt mein Stern sich zu!
JAGO.
Ruhig, o Herr!
OTHELLO.
Du Verruchter!
Du sollst die Beweise mir geben,
Sonst verwirkst du dein Leben.
Dich rettet keine Flucht,
Dir hilft kein Flehen,
Beweise will ich klar und deutlich sehen.
Kannst mehr du nicht bringen
Als bloĂen Verdacht,
Dann â bei der Wut, die du entfacht! â
Soll die Hölle dich Teufel verschlingen!
Er packt Jago und wirft ihn zu Boden.
JAGO.
Des Himmels Gnade schĂŒtze mich!
Sich wieder aufrichtend.
Und also Gott befohlen!
Euer FĂ€hndrich nimmt Abschied.
Möge die Welt an mir ersehn,
Wie ĂŒbel Treu und Ehrlichkeit fahren.
Tut, als wolle er fort.
OTHELLO.
Nein.., verweile! Ehrlich bist du vielleicht!
JAGO auf der Schwelle, zum Gehen gewendet.
Wahrlich,
Ein Marktschreier möchtâ ich lieber sein.
OTHELLO.
Bei allen Göttern! Treu, so glaubâ ich,
Ist Desdemona, und glaubâ auch,
DaĂ sie's nicht ist. Dich glaubâ ich ehrlich
Und glaubâ auch, daĂ du's nicht bist âŠ
Beweise will ich, sichere Beweise!!
JAGO zu Othello zurĂŒckkehrend.
O Herr, nur nicht zu hitzig!
Ich stelltâ Euch herzlich gern zufrieden,
Soll ich sie gepaart Euch zeigen?
OTHELLO.
Tod Gottes und Verdammnis!
JAGO.
Seine Schwierigkeit hĂ€ttâ es.
Von welcher Sicherheit trÀumt Ihr,
Wenn dieses edle Schauspiel
Sich Eurem Blick entzieht?
Und dennoch sagâ ich:
Es gibt noch andre Mittel,
Und mit den stĂ€rksten GrĂŒnden kann ich
Euch dienen, die in kurzem GewiĂheit
Euch verschaffen. So höret:
Zur Nachtzeit war es,
DaĂ ich und Cassio
Im Zimmer lagen.
Da leis im Schlummer
Voll Liebeskummer
Hörtâ ich ihn klagen.
Vom Traum umfangen,
Mit glĂŒhenden Wangen
Seufztâ er und stöhnte,
WĂ€lzte die Glieder,
Seufzte dann wieder,
Und es ertönte:
»O sĂŒĂe Desdemona,
DaĂ doch verborgen bliebe
Unsere Liebe!
Mögâ ihr EntzĂŒcken
Uns stets beglĂŒcken!«
Nun schien das Traumbild
Ihn zu verlassen.
Mit zarten Ăngsten
Sucht er's zu fassen,
KĂŒĂtâ es mit Leiden
Und sprach beim Scheiden:
»Weh! daà an den Mohren
Ich dich verloren!«
Dann sank er wieder
In tiefern Schlaf danieder.
OTHELLO.
Ha! Welche SĂŒndâ und Schande.
JAGO.
Nur einen Traum erzĂ€hltâ ich.
OTHELLO.
Doch einen, der die Untat aufdeckt.
JAGO.
Vielleicht dient dieser Traum zum Anhalt
Uns fĂŒr andre Zeichen.
OTHELLO.
Die sind?
JAGO.
Saht Ihr nicht manchmal
In Desdemonens Hand
Ein feines TĂŒchlein, gestickt mit Blumen,
DĂŒnner als ein Schleier?
OTHELLO.
Ihr Taschentuch und meiner Liebe
Allererstes Geschenk.
JAGO.
Dasselbe TĂŒchlein gestern
(Irrâ ich mich nicht)
Sah ich in Cassios HĂ€nden.
OTHELLO.
O, daĂ er tausend Leben hĂ€ttâ empfangen!
Eines stillt nicht mein grausames Verlangen!!
Jago, das Herz gefriert mir.
Hinweg mit dir, die Mitleid heuchelt!
Was noch in mir an Liebe war zu finden,
Gebâ ich so
Er blĂ€st ĂŒber die Hand.
den Winden.
Kommst du herangekrochen,
ScheuĂlicher Drache?
Ha! Rache! Rache! Rache!
Er kniet nieder.
Bei des Himmels eh'rnem Dache,
Bei dem Blitz, der niederfÀhrt,
Bei der schwarzen Nacht des Meeres,
Bei dem HaĂ, der mich verzehrt,
Bei dem Tode schwörâ ich Rache.
Was mein wildes Herz begehrt,
Diese Hand, sie wird's erreichen!
Er streckt die Hand zum Himmel empor.
JAGO Othello will aufstehen, Jago drĂŒckt ihn wieder auf die Knie.
Stehet noch nicht auf!
Ebenfalls niederkniend.
Zeuge sei die hohe Sonne,
Deren Kraft mich wandeln heiĂt,
Zeuge sei der Schöpfung Geist,
Welcher rings das All umkreist,
DaĂ ich der gerechten Sache
Weihâ die treue Manneshand,
Wenn zum heil'gen, Werk der Rache
Du mich ausgesandt!
JAGO UND OTHELLO zusammen die HĂ€nde zum Schwur erhebend.
Bei des Himmels eh'rnem Dache,
Bei dem Blitz, der niederfÀhrt,
Bei der schwarzen Nacht des Meeres,
Bei dem HaĂ, der mich verzehrt,
Bei dem Tode schwörâ ich Rache.
Was mein Herz begehrt,
Diese Hand, sie wird's erreichen!
Beim ewigen Gott!
Dritter Akt
Hauptsaal im Schlosse
Zur Rechten ein breiter SĂ€ulengang, der mit einem kleineren Saal in Verbindung steht; im Hintergrunde des Saales ein Erker mit Balkon.
Erste Szene
Othello, Jago. Ein Herold.
HEROLD aus dem SĂ€ulengange zu Othello, der mit Jago im Saale sich befindet.
Von der Wache des Hafens wird
Die Ankunft gemeldet der Galeere,
Die her nach Cypern die Gesandtschaft bringt.
OTHELLO zu dem Herold, dem er einen Wink gibt, sich zu entfernen.
's ist gut.
Der Herold geht ab.
OTHELLO zu Jago.
Nun weiter.
JAGO.
Hierher kommt Cassio; ich dringâ in ihn mit List,
Und er plaudert alles aus.
Auf das Gemach im Erker zeigend.
Ihr bergt Euch dort. Gebt Achtung
Recht genau auf seine Worte,
GebÀrden und Mienen. Nur Geduld ein wenig,
LaĂt Euch nichts merken ⊠ich gehe.
Er entfernt sich, wie um fortzugehen, macht dann kehrt und nÀhert sich Othello.
Denkt an das Taschentuch!
OTHELLO.
Geh! O wie gerne dĂ€chtâ ich nicht mehr dran!
Jago ab.
Zweite Szene
Othello, Desdemona von der linken TĂŒr.
DESDEMONA noch auf der Schwelle.
Gott soll dich, Teurer, segnen,
Den meinen Herrn ich heiĂe?
OTHELLO geht Desdemona entgegen und nimmt sie bei der Hand.
Dank, edle Dame, reicht mir
Die Hand, die schwanenweiĂe! Wie habâ ich
Diese zarte und warme Hand so gern!
DESDEMONA.
Noch blieben ihr die Spuren von
Gram und Alter fern.
OTHELLO.
Und doch wohnt hier ein Teufelchen
Und wehe, wer gefallen, vertrauend auf
Das Elfenbein, in seine scharfen Krallen!
Dies HĂ€ndchen sollst du fleiĂig
Zu deinem Gott erheben âŠ
DESDEMONA.
Mit dieser Hand auch habe ich Euch mein Herz gegeben.
Und wieder nun von Cassio zu reden âŠ
OTHELLO.
Mein altes Leiden will
Noch immer nicht entschwinden;
LaĂ mich die Stirn verbinden!
DESDEMONA ein Taschentuch ziehend.
Sogleich!
OTHELLO.
Nein. Dies ist mein Tuch nicht,
Das ich gerne bei dir sehe.
DESDEMONA.
Ich vergaĂ es.
OTHELLO.
Desdemona, wenn du's verloren! Wehe!
Ein weises Weib hat heimlichen Zauber hineingesponnen,
Und einen Talisman nennt sein, wer es gewonnen,
Verlierst du's je, so möge sich deiner Gott erbarmen!
DESDEMONA.
Du sprichst die Wahrheit?
OTHELLO.
Die volle Wahrheit.
DESDEMONA.
Dann weh mir Armen!
OTHELLO.
Hast du es fortgegeben?
DESDEMONA.
Nein âŠ
OTHELLO.
Dann suchâ es.
DESDEMONA.
Ach warte ⊠Ich such's hernach âŠ
OTHELLO.
Nein, eilig!
DESDEMONA.
Du willst mich nur betören,
Um nichts von Cassio mehr zu hören!
Ja, deshalb weichst du schlau mir aus.
OTHELLO.
Beim Himmel! Ich halte mich nicht lÀnger!
Du schaffst das Tuch mir!!
DESDEMONA.
O Gnade, Gnade fĂŒr Cassio!
OTHELLO.
Du schaffst das Tuch mir!!!
DESDEMONA.
Mein Gott? Aus deiner Stimme
Spricht Grimm und wilde Drohung!
OTHELLO.
Den Blick erhebe!
Er faĂt sie mit Gewalt unterm Kinn und bei der Schulter und zwingt sie, ihn anzusehen.
DESDEMONA.
Was fÀllt dir ein?
OTHELLO.
Sieh mir ins Auge! Sagâ was du bist!
DESDEMONA.
Das treue Gemahl Othellos.
OTHELLO.
Schwörâ es! Verdamm dich selber! âŠ
DESDEMONA.
Du glaubst mich treu, Othello.
OTHELLO.
Ich glaube dich treulos.
DESDEMONA.
So helfe Gott mir!
OTHELLO.
Lauf in dein Verderben,
Sagâ, daĂ du rein bist.
DESDEMONA die Augen fest auf ihn richtend.
Rein ⊠ich bin's âŠ
OTHELLO.
Schwör's und verdammâ dich!
DESDEMONA.
Ich bin erstarrt vor Schrecken,
So furchtbar dich zu sehen,
Aus dir spricht eine Furie,
Ich kann sie nicht verstehen.
O blickâ durchs Auge tief in meine Seele
Und sieh, daĂ ich dir nichts verhehle!
Zum Himmel steigen
Um dich des Herzens Klagen,
Um dich die Erde trĂ€nkâ ich
Mit brennenden Tropfen hier.
Siehe, die ersten TrĂ€nen flieĂen
Von den Augen mir!
OTHELLO.
SĂ€hâ sie ein Teufel so, er möchte nicht
An diesem Engel sich vergreifen.
DESDEMONA.
Ihr Himmlischen kennt meine Treue!
OTHELLO.
Die Hölle kennt sie.
DESDEMONA.
Gerechtigkeit verlangâ ich,
O mein Gatte!
OTHELLO.
LaĂ ab von mir, du Falsche!
Entweichâ, entweiche!
DESDEMONA.
Du auch weinest! ⊠In die Seele
Scheint dir der Schmerz zu schneiden.
Ach, unschuldig gab ich
Den Grund zu deinen Leiden!
Was denn verbrach ich!
OTHELLO.
Du fragst noch? ⊠ist dein schwarzes Vergehen
Doch eingebrannt auf deiner Lilienstirn zu sehen!
DESDEMONA.
Weh mir!
OTHELLO.
Wenn ich dich eine Dirne nennte?
DESDEMONA.
Gott! nein ⊠bei der Taufe heil'gem Sakramente! âŠ
OTHELLO.
Was?
DESDEMONA.
Ich bin nicht, was deine Worte
Mich ruchlos heiĂen.
Othello nimmt Desdemona bei der Hand und geleitet sie zur TĂŒr, durch welche sie eingetreten.
OTHELLO.
So reicht die schönste mir der HÀnde,
Der schwanenweiĂen. Denn ich dachte,
(Verzeiht die Laune meinem Hirne)
Des Othello Gemahlin wĂ€re nurâ ne Dirne.
Bei den letzten Worten nötigt Othello, an der Schwelle der TĂŒr zur Linken angekommen, mit einer Beugung des Armes Desdemona fortzugehen. Dann kehrt er in die Mitte der BĂŒhne mit dem Ausdrucke tiefster Niedergeschlagenheit zurĂŒck.
Dritte Szene
OTHELLO.
Gott, warum hast du dieses Elend, diese Leiden
GehÀuft auf meinen Scheitel?
Von meinen Siegen und Triumphen muĂ ich scheiden! âŠ
Alles ist eitel!
Gern möchtâ ich glauben, mein wĂ€re die Schuld,
Und gern die Plagen
In Ruhe tragen,
In deinen Willen fĂŒgen
Mich mit Geduld.
Doch â Gram und Schmerz! â der Spiegel meiner Wonne,
Der mich bezaubert, brach in StĂŒcke,
Und mit verzerrten ZĂŒgen
Wirft er in tausend Fratzen mein Bild zurĂŒcke!
Ach! es erlosch die Sonne,
Die strahlend zugelĂ€chelt mir in meinem GlĂŒcke!
Dein gnÀdig Antlitz, Engel des Lichts,
VerhĂŒllâ und schweige!
Und aus der Tiefe steige
Der finstere Geist des Gerichts!
Vierte Szene
Othello, dann Jago.
OTHELLO.
Ha, Tod und Teufel! Er muĂ alles
Bekennen, und dann soll er sterben. Er
Gestehâ, gestehe! âŠ
Jago tritt ein.
Jetzt Beweise! âŠ
JAGO nahe zu Othello, auf den Eingang zeigend.
Cassio ist da!
OTHELLO.
Da?! Himmel, dir dank ich!!
Mit Schaudern.
O Pein! Unsel'ge Marter!!
JAGO.
Geduld nur! da verbergt Euch!
Er zieht Othello schnell in den Hintergrund zur Linken, wo der Erker sich befindet, lĂ€uft dann auf den SĂ€ulengang zu und stöĂt mit dem eben eintretenden Cassio zusammen.
FĂŒnfte Szene
Othello, verborgen. Jago und Cassio.
JAGO.
Hierher! Hier stört uns niemand.
Nun, Hauptmann, es geht vortrefflich.
CASSIO.
Schuld ist dieser Titel,
DaĂ es nicht gut mir geht.
JAGO.
Nur Mut! Die Sache,
Du weiĂt es ja, liegt in den besten HĂ€nden.
CASSIO.
Ich glaubte Desdemona hier zu finden.
OTHELLO versteckt.
(Er spricht von ihr.)
CASSIO.
Ich hÀtte gern erfahren,
Ob die verheiĂne Gnade sie erwirkte.
JAGO heiter.
So warte! Inzwischen magst du mir
Von deinen SchwÀnken erzÀhlen,
Denn du plauderst gerne. Sage,
Wie steht's mit deiner letzten Flamme?
Er zieht Cassio dicht an die vorderste SĂ€ule des Peristyls.
CASSIO.
Mit wem?
JAGO sehr leise.
Mit Bianca.
OTHELLO.
(Er lacht schon!)
CASSIO.
Torheit!
JAGO.
Sie kann verliebte Ăugelchen machen.
CASSIO.
Das ist zum Lachen!
JAGO.
Lachen und Siegen!
CASSIO lacht.
Siegen und lachen â
So halt ich's gerne:
Nicht unterliegen,
Ha, ha!
JAGO wie oben.
Ha, ha!
OTHELLO.
(O dieses Lachen
Will das Herz mir zerschneiden!
Nacht meiner Leiden,
Dir leuchtet kein Stern!)
CASSIO.
Die KĂŒsse wollen
Frisch nur mir schmecken.
JAGO.
Seht mir den Kecken!
CASSIO.
Sie mag sich trollen!
JAGO.
Was Neues reizt
Den lĂŒsternen Herrn,
Habâ ich's getroffen?
CASSIO.
Ha, ha!
JAGO.
Ha, ha!
OTHELLO.
(O dieses Lachen
Will das Herz mir zerschneiden!
Nacht meiner Leiden,
Dir leuchtet kein Stern!)
CASSIO.
's ist meine Weise,
Ich sagâ es offen.
Wisse âŠ
JAGO sehr leise.
Reden wir leise,
Ich höre.
CASSIO sehr leise, wÀhrend Jago ihn weiter von Othello fortzieht; nur einzelne Worte sind zu verstehen.
Jago, es hausen ja
Wand an Wand wir âŠ
. . . . . . .
. . . . . . .
Die Worte verlieren sich.
OTHELLO nÀhert sich mit Vorsicht, um besser zu hören.
(Jetzt gibt er Kunde
Von Ort und Stunde âŠ)
CASSIO fÀhrt fort mit leiser Stimme zu erzÀhlen.
. . . . . . .
Von fremder Hand mir âŠ
. . . . . . .
Die Worte verlieren sich wieder.
. . . . . . .
OTHELLO.
(Nichts Gewisses vernahm ich âŠ
Weh mir! Ich lauschender Tor!
Ach, wohin kam ich?!)
CASSIO.
. . . . . . .
Ein Prachtgewebe âŠ
. . . . . . .
Wie oben.
JAGO.
Sehr seltsam, so wahr ich lebe!
OTHELLO.
(Jetzt schleich ich nÀher,
Jago winkt dem SpÀher.)
Langsam und vorsichtig schleicht sich Othello Schritt fĂŒr Schritt, von den SĂ€ulen gedeckt, nĂ€her an die beiden heran.
JAGO leise.
Von einer Fremden?
Laut
Possen!
CASSIO.
In Wahrheit.
Jago bedeutet Cassio, noch weiter leise zu reden.
Wenn ich nur wĂŒĂte,
Wer's dort verloren!?
JAGO Othello schnell von der Seite anblickend â zu sich.
(Er spitzt die Ohren.)
Zu Cassio mit lauter Stimme.
Wo hast du's?
CASSIO zieht das Taschentuch der Desdemona aus dem Brustlatz.
Sieh nur!
JAGO das Taschentuch nehmend.
Ein wahres Wunder!
Beiseite.
(Othello lauert,
Und er fÀngt Feuer
Wie mĂŒrber Zunder.)
Er verneigt sich scherzhaft vor Cassio und hĂ€lt die HĂ€nde auf dem RĂŒcken, damit Othello das Taschentuch betrachten könne.
Ich gratuliere,
Mein Herr, aufs beste.
Seltene GĂ€ste
Kehren bei Euch ein.
OTHELLO nĂ€hert sich, von der ersten SĂ€ule gedeckt, hinter Jagos RĂŒcken dem Taschentuch.
(Ihr Tuch ist's! Kein Zweifel!
O Tod und Teufel!)
JAGO.
(Othello lauert.)
OTHELLO mustert, hinter der SĂ€ule versteckt, das in Cassios HĂ€nden befindliche Taschentuch auf das genaueste.
Fort auf immer mit Lieb und Pein!
Das Herz gefror mir zu Eise.
Verraten, ha, verraten!
Die Beweise Sind klar wie Sonnenschein.
JAGO zu Cassio, auf das Taschentuch weisend.
Siehe, dein SchÀtzchen Machte dies Ding,
DaĂ in dem Netzchen
Dein Herz sich fing.
Wohl auf und nieder
Zappelt's mit Bangen,
Wird doch nicht wieder
Hinausgelangen.
Siehe, dein SchÀtzchen
Machte dies Ding,
DaĂ in dem Netzchen,
Dein Herz sich fingâ.
CASSIO das Taschentuch betrachtend, das er Jago wieder abgenommen.
O zierliches Linnen,
Wer mochte dich spinnen?
Wer hat dich gewoben
Mit emsigem FleiĂ?
FĂŒr Elfen ein Röckchen,
Und gleich einem Flöckchen
Vom Himmel da droben
So duftig und weiĂ.
Trompeten hinter der BĂŒhne, dann ein KanonenschuĂ.
Othello ist in den Erker zurĂŒckgekehrt.
JAGO.
Horch, die Trompeten! Sie melden
Die Ankunft der venezianischen Galeere.
Drum fort jetzt!
Trompetensignale von verschiedenen Seiten.
Rings von der Festung ertönen die Signale.
Wenn du nicht willst,
DaĂ dich Othello findet, so fliehe.
CASSIO.
Lebâ wohl denn!
JAGO.
Fort!
Cassio verschwindet schnell im Hintergrunde.
Sechste Szene
Jago. Othello.
OTHELLO sich Jago nÀhernd.
Sagâ, wie ermordâ ich sie?
JAGO.
Ihr saht und hörtet ihn doch lachen?
OTHELLO.
Ja.
Von Zeit zu Zeit SalutschĂŒsse und Trompetensignale, die immer nĂ€her kommen.
JAGO.
Ihr saht das Tuch auch?
OTHELLO.
Alles sah ich.
STIMMEN von auĂen in der Ferne.
Hurra!
STIMMEN.
Ans Ufer!
STIMMEN.
Zu den Booten!
OTHELLO.
Sie ist gerichtet.
Schaffâ ein wirksames Gift
FĂŒr diese Nacht mir!
STIMMEN nÀher.
Ein Hoch dem venezianischen Löwen!
JAGO.
Wozu denn Gift?!
Weit besser, Ihr erwĂŒrgt sie
Dort in dem Bette, dort, wo sie gesĂŒndigt.
OTHELLO.
Deine Gerechtigkeit gefÀllt mir.
JAGO.
FĂŒr Cassio sorgt Euer Jago schon.
OTHELLO.
Jago, zum Hauptmann
Wirst du ernannt gleich auf der Stelle.
JAGO.
Ich danke Euer Gnaden.
Das GerÀusch kommt immer nÀher. Fanfaren und Volksgeschrei.
Da sind die Abgesandten. Ihr empfangt sie.
Doch um Verdacht zu meiden,
MuĂ Desdemona sich den Herren zeigen.
OTHELLO.
Ja, sie soll kommen.
Jago ab durch die linke TĂŒr. Othello wendet sich dem Hintergrunde zu, um die Gesandten zu empfangen.
Siebente Szene
Othello, Lodovico, Rodrigo, der Herold. WĂŒrdentrĂ€ger der Republik Venedig. â Edelleute und Damen. â Soldaten. â Trompeter im Hintergrunde. â Dann Jago mit Desdemona und Emilia, von der Linken.
LODOVICO eine Pergamentrolle haltend.
Die Republik Venedigt entbietet ihren GruĂ
Dem tapfern Helden von Cypern.
LaĂt mich in Eure HĂ€nde legen
Des Dogen Befehl.
OTHELLO nimmt das Schreiben und kĂŒĂt das Siegel.
Gehorsam kĂŒĂ ich das Siegel
Seiner Herrlichkeit.
Erbricht das Siegel und liest.
LODOVICO geht auf Desdemona zu.
Der Himmel.
Edle Dame, beschĂŒtzâ Euch!
DESDEMONA.
Er sei mir gnÀdig.
EMILIA beiseite zu Desdemona.
(Ihr blickt so traurig!
DESDEMONA beiseite zu Emilia.
Ein finstrer Geist,
Emilia, verhĂŒllt die Seelâ Othellos
Und mein Schicksal.)
JAGO an Lodovico herantretend.
Es freut mich, Euch wieder hier zu sehen.
Lodovico, Desdemona und Jago plaudern zusammen.
LODOVICO.
Jago, was gibt es Neues? âŠ
Doch ich vermisse unsern Cassio.
JAGO.
Othello lieĂ ihn fallen.
DESDEMONA.
Er hebt in Gnadâ ihn wieder auf.
OTHELLO wÀhrend des Lesens, heftig zu Desdemona.
Seid Ihr des sicher?
DESDEMONA.
Wie sagt Ihr?
LODOVICO.
Er liest nur, spricht zu Euch nicht.
JAGO.
's ist möglich, daà er ihm verzeiht.
DESDEMONA.
Das hoffâ ich, Jago. Du weiĂt,
Wie sehr ich Cassio schĂ€tzâ und liebe âŠ
OTHELLO immer noch lesend, aber fieberhaft aufgeregt, (leise zu Desdemona.
Bewahrt Eure geschwĂ€tzige Zunge! âŠ
DESDEMONA.
O begnadigt ihn doch! âŠ
OTHELLO auf Desdemona losspringend.
Du Teufel, schweige!!
LODOVICO Othello zurĂŒckhaltend.
Haltet!
ALLE.
O Grauen!
LODOVICO.
Kaum wagâ ich zu denken, daĂ wahr,
Was ich gesehen.
OTHELLO plötzlich gebieterisch zu dem Herold.
Man hole Cassio.
Der Herold ab.
JAGO schnell zu Othello gehend, mit leiser Stimme.
(Was wollt Ihr?
OTHELLO zu Jago, leise.
LaĂ sie nicht aus den Augen!)
LODOVICO.
Arme Gattin!
Mit halber Stimme zu Jago, der sich etwas von Othello entfernt hat.
Das also ist der Held! Das jene Seele
Voll erhabner EntwĂŒrfe?
JAGO achselzuckend zu Lodovico.
Er ist, was er ist.
LODOVICO.
ErklÀrt mir diese RÀtsel!
JAGO.
Ich schweige lieber von diesen Dingen.
Achte Szene
Cassio, von dem Herold begleitet, und die Vorigen.
OTHELLO der immer nach der TĂŒr gesehen hat.
(Sieh da! Er kommt!
Zu Jago, wÀhrend Cassio den Saal betritt.
Erforsche seine Seele!)
OTHELLO mit lauter Stimme zu allen.
Ihr Herrn! der Doge âŠ
Rasch, aber leise zu Desdemona.
â (du verstellst dich trefflich)
Ruft ab mich nach Venedig.
RODRIGO.
(Wie ungelegen!)
OTHELLO fÀhrt mit lauter und befehlender Stimme fort.
An meiner Statt herrscht kĂŒnftig hier,
Der neben mir der Fahne diente: Cassio.
JAGO in heftiger Ăberraschung.
(Tod und Verdammnis!)
OTHELLO fÀhrt wie oben fort und zeigt das Pergament vor.
So befiehlt der Doge, der mein Gebieter.
CASSIO verbeugt sich vor Othello.
Ich folge gerne.
OTHELLO schnell zu Jago, heimlich auf Cassio deutend.
(Siehst du? Nicht scheint erfreut der Frevler.
JAGO.
Nein.)
OTHELLO laut zu allen.
Die Mannschaft,
Besatzung âŠ
Leise und sehr schnell zu Desdemona.
â (Nun schluchzâ und heule weiter! âŠ)
Laut zu allen, ohne Cassio wieder anzusehen.
Wie das SchloĂ, die Schiffe, tretâ ich ab
Dem neuen Feldherrn.
LODOVICO zu Othello, auf Desdemona deutend, die sich demĂŒtig nĂ€hert.
Othello, tröste sie,
Willst du ihr Herz nicht brechen.
OTHELLO zu Lodovico und Desdemona.
Wir wollen morgen segeln.
Er packt Desdemona wĂŒtend an.
Zu Boden! ⊠Da heule! âŠ
Desdemona fÀllt nieder. Emilia und Lodovico heben sie auf und leisten ihr mitleidig Beistand.
DESDEMONA.
Am Boden! ⊠Ja âŠ
Zum Tod getroffen ⊠Im Staub âŠ
Vergehâ ich ⊠weine âŠ
Es bricht mein armes Herz âŠ
Und Schauder faĂt mich an.
Ein Rosenlenz der Liebe
ErblĂŒhte meinem Hoffen,
Doch, ach, wie bald
Verwelkte dieser FrĂŒhling dann!
O Sonne, holdes Himmelslicht,
Was willst du noch mir scheinen?
Kein Strahl, der neues Leben
Den welken BlĂŒten geben kann.
EMILIA.
(Wie viel vermag die Dulderin
Still und gefaĂt zu tragen!
In ihrer Unschuld frommen Sinn
Schleicht der HaĂ nicht ein.
Auch ihre TrÀnen wollen
Nur klagen, nicht verklagen,
Wer könnte ihr noch grollen,
HĂ€ttâ er ein Herz von Stein?!)
RODRIGO.
(Sehâ ich des Lebens Sterne
Im Nachtgewölk entfliehn?
Fort muĂ in weite Ferne
Mein blonder Engel ziehn.)
CHOR in GesprÀchsform, verschieden gruppiert.
O Gott!
Ein RĂ€tsel!
Voll Angst und Grauen
MuĂ ich erbeben,
Was muĂ ich schauen
Und was erleben?
Weh mir, weh!
Den schwarzen Unhold
MuĂ jeder hassen,
Nicht kann ich fassen,
Was ich sehâ!
Das anzusehn!
Ha, dieser Anblick!
Wie unertrÀglich!
Er starrt zu Boden unverwandt.
JAGO nÀhert sich Othello, der ermattet auf einen Sessel gesunken ist.
Vergönnt ein Wort noch.
OTHELLO.
Was ist?
JAGO.
Beeilt Euch! Schleunig betreibt jetzt
Eure Rache! Die Zeit ist kostbar.
OTHELLO.
Ich will es.
JAGO.
Nichts mehr von Zorn und Trauer
Fort damit! Das Werk allein im Auge!
Und nichts weiter! Ich denkâ an Cassio
Er bĂŒĂt fĂŒr seine RĂ€nke. Schon freut
Die Hölle sich auf seine Seele!
OTHELLO.
Wer schickt hinab sie?
JAGO.
Ich.
OTHELLO.
Du?
JAGO.
Ja, ich schwör's.
OTHELLO.
So sei's!
JAGO.
Ihr sollt in dieser Nacht noch von ihm hören âŠ!
Er verlĂ€Ăt Othello und wendet sich zu Rodrigo.
JAGO ironisch zu Rodrigo.
Dein schöner Traum schwimmt morgen auf dem Wasser,
Du aber bleibst im Trock'nen!
RODRIGO.
Ich Armer!
JAGO.
Dummkopf!
Dem KĂŒhnen hilft das GlĂŒck! Versuch's
Und halte es fest am Zipfel, hör!
CHOR.
Dann wieder wild dem Himmel droht er,
Als trĂ€fâ er ihn mit der geballten, dunkeln Hand.
Dies Antlitz, heilig, sanft und reizend,
Das weinend sich in Demut senkt!
So mag die Trauer sein,
Wenn dort der Engel Schar voll Weh
Des SĂŒnders tiefen Fall bedenkt.
CASSIO.
(Ich fliege, gleich dem leichten Ball
Von Schicksalshand geschlagen,
Es reiĂt von meinem tiefen Fall
Zur Höhe mich das GlĂŒck.
Will sich die Nacht erhellen?
Sehâ ich den Morgen tagen?
So steigt der Kamm der Wellen
Und gleitet dann zurĂŒck.)
LODOVICO.
(Ach, an den Leib der Reinen
Wagt sich die Hand des Rohen!
Sie hebt mit leisem Weinen
Zum Himmel ihr Gesicht.
Was reiĂt ihn fort zum Grimme?
Grausam erscheint sein Drohen,
Wohl fleht des Mitleids Stimme,
Er aber hört sie nicht.)
RODRIGO.
Ich höre.
JAGO.
Das Schiff geht ab mit Tagesanbruch.
Dann ist Cassio Herr. Doch wenn ein UnglĂŒck ihm begegnet,
Legt die Hand an den Degen.
So muĂ Othello bleiben.
RODRIGO.
Ein traurig Licht in finstrer Nacht.
JAGO.
Hand an den Degen!
Im Dunkeln gebâ ich acht auf seine FĂ€hrte,
Und Zeit und Ort erspĂ€hâ ich.
Dir bleibt der Rest,
Dein Treiber bin ich. Wir jagen! jagen!
Frisch auf den Anstand!
RODRIGO.
Ehrâ und Treuâ verkauf ich dir.
JAGO.
Glaubâ an das Blendwerk!
Schwach ist dein Witz,
Und deiner Liebe Wahn verblendet dich!
LaĂ von dem LĂŒgengeiste nur dich lenken,
Du meinst zu tun nach deinem Willen,
Dein Wille, das bin ich.
RODRIGO.
Der WĂŒrfel ist gefallen.
Sonder Furcht und Bangen
Sehâ ich das Schicksal,
Meiner wartend, nahn.
Die Liebe will's, ihr gebâ ich mich gefangen,
Ein Stern des Todes leuchtet meiner Bahn.
OTHELLO erhebt sich und wendet sich mit schrecklicher GebÀrde gegen die Menge.
Entfliehet!
ALLE.
Gott!
OTHELLO auf die Versammlung losstĂŒrzend.
Entweicht dem Zorn Othellos.
Fanfaren hinter der Szene.
JAGO zu den Umstehenden.
Ein wunderlicher Anfall raubt
Ihm seine Sinne.
OTHELLO mit Nachdruck.
Den, der nicht weicht,
Behandlâ ich als Rebellen!
LODOVICO sucht Desdemona wegzufĂŒhren.
Kommt mit mir âŠ
STIMMEN von auĂen.
Er lebe!
DESDEMONA macht sich von Lodovico los und lÀuft auf Othello zu.
Mein Gatte!
OTHELLO zu Desdemona.
Auf deine Seele Fluch und Verdammnis!
ALLE laufen entsetzt davon.
O Gott! âŠ
Desdemona geht ab, von Emilia und Lodovico gefĂŒhrt.
Neunte Szene
Othello und Jago allein.
OTHELLO in tiefster Niedergeschlagenheit.
Nur ich entfliehâ mir nicht ⊠Blut!
Ha, verdammt sei alles Denken! âŠ
»Mir gefÀllt's nicht!«
In KrÀmpfen taumelnd.
Vielleicht gepaart sie sehen! âŠ
Das Taschentuch! ⊠Ach! âŠ
FĂ€llt in Ohnmacht.
JAGO.
(Mein Gift tat seine Wirkung.)
ZURUFE UND FANFAREN von auĂen.
Heil Othello!
JAGO auf die Zurufe hörend und dann den ohnmÀchtig hingestreckten Othello betrachtend.
Horch, die Siegesdrommete
Bringt ihre letzten GrĂŒĂe.
Nach einer Pause.
Auf den Nacken des Siegers da
Die Ferse könntâ ich setzen.
ZURUFE UND FANFAREN etwas nÀher.
Heil Othello! Ehre
Dem Löwen Venedigs!
JAGO richtet sich mit der GebÀrde eines schrecklichen Triumphes empor und zeigt auf den regungslosen Körper Othellos.
Da liegt der Löwe! âŠ
Vierter Akt
Desdemonens Schlafgemach mit Bett, Betstuhl, Tisch, Spiegel und Sessel. Vor dem Madonnenbilde ĂŒber dem Betstuhl brennt eine Ampel. Rechts eine TĂŒr. Es ist Nacht. Auf dem Tisch eine Kerze
Erste Szene
Desdemona. Emilia.
EMILIA.
Er ist besÀnftigt?
DESDEMONA.
Ja, so scheint's. Ich soll
Zur Ruhe mich begeben, soll
Erwarten ihn ⊠Emilia, eine Bitte!
Geh, lege mir aufs Bett das weiĂe Kleid,
Das ich dereinst als Braut getragen.
Emilia tut es.
Höre:
Ist mir verhÀngt, vor dir zu sterben, sollst
Du hĂŒllen mich in eines dieser TĂŒcher!
EMILIA.
Was macht Ihr Euch fĂŒr Sorgen!
DESDEMONA indem sie sich mechanisch vor den Spiegel setzt.
Ach, ich bin traurig. Bei meiner Mutter
Dientâ einmal ein MĂ€dchen, ein armes,
HĂŒbsches Kind, mit Namen Barbara,
Die war verliebt, und treulos ward
Ihr Schatz. Sie sang ein altes Liedchen:
»Das Lied vom Weidenstrauch ⊠«
Zu Emilia.
â Komm und löse das Haar mir! â
Und heute abend gedenkâ ich plötzlich
Wieder der lĂ€ngst vergeĂnen Weise:
»Sie saà mit Leide
Auf öder Heide,
Sah vor sich nieder.
O Weide, grĂŒne Weide!
Nicht andre Lieder
Verlangâ ich wieder,
Ja singet: Trauerweide,
Mein Kranz, mein Brautgeschmeide!« âŠ
â Beeile dich, bald wird Othello kommen! â
»Das muntre BÀchlein hemmt
Mitleidig seinen Lauf
In den beblĂŒmten Auen,
Das Gras der Wiese fÀngt
Die TrÀnen auf,
Die von den Augen tauen.
O Weide, grĂŒne Weide!
Ja singet: Trauerweide,
Mein Kranz, mein Brautgeschmeide!
Die Vöglein, die versteckt
Im dunklen Haine,
Lauschen dem sĂŒĂen Singen,
Der Klagelaut will auch
Dem Felsgesteine
Das harte Herz bezwingen.«
Zu Emilia, indem sie einen Ring vom Finger streift.
â Legâ diesen Ring beiseite! â
Ach, arme Barbara! Gewöhnlich schloĂ
Ihr trauriges Liedchen mit folgendem Wort:
»Er war geboren zu seinem Ruhme,
Ich ihn zu lieben ⊠«
Sich unterbrechend.
â Was war das? Rief man nicht drauĂen?
Emilia macht ein paar Schritte.
Still! Wer pocht dort an der TĂŒr?
EMILIA.
Der Wind nur.
DESDEMONA.
»Ich, ihn zu lieben und zu sterben ⊠«
Leb wohl, Emilia! Wie die Augen
Mich brennen! Das bedeutet wohl TrÀnen.
Gute Nacht denn!
Sie umarmt Emilia.
Ach Emilia, lebe wohl!
Emilia ab.
Zweite Szene
Desdemona allein.
Kniet im Betstuhl nieder.
Sei mir gegrĂŒĂt, Jungfrau Maria, du bist voller
Gnaden, der Herr ist mit dir! Du bist gebenedeiet
unter den Weibern, gebenedeiet ist die Frucht
deines Leibes!
Du neigst dich dem, der fleht mit frommem Munde,
Und nimmst die Schwachen auf in dein Erbarmen!
Du bist die Zuversicht der Reichen wie der Armen,
Stillest die Schmerzen, heilest jede Wunde!
Bitte fĂŒr alle, die grambeladen
Dich suchen auf des Lebens dunkeln Pfaden!
FĂŒr uns, o Hort der Gnaden,
Bitte du immer, bitte du heute wie in des Todes Stunde!
Bitte fĂŒr uns, fĂŒr uns!
Sie kniet noch eine Weile und legt die Stirn auf das Pult, als ob sie das Gebet im stillen wiederhole. Nur die ersten und letzten Worte desselben sind zu hören.
Sei mir gegrĂŒĂt âŠ
. . . . . . .
. . . . . . .
⊠in des Todes Stunde!
Amen.
Sie erhebt sich und geht zu Bette.
Dritte Szene
Desdemona. Othello.
Othello tritt durch eine geheime TĂŒr ein, legt den SĂ€bel auf den Tisch, verweilt vor dem Licht, unschlĂŒssig, ob er es auslöschen soll oder nicht. Er erblickt Desdemona. Er blĂ€st das Licht aus die BĂŒhne wird allein von der ewigen Lampe erleuchtet. Othello geht wĂŒtend auf das Bett los; dort aber bleibt er stehen. Lange betrachtet er die schlafende Desdemona. Er kĂŒĂt sie dreimal. Beim letzten Kusse richtet sich Desdemona auf.
DESDEMONA.
⊠Wer ist da? Othello?
OTHELLO.
Ja. Du hast doch heute abend
Zu Nacht gebetet?
DESDEMONA.
Ich tat's.
OTHELLO.
Wenn ein Vergehen noch ungesĂŒhnt
Du gelassen, dann sieh zu,
DaĂ schnell Vergebung du erflehest.
DESDEMONA.
Warum?
OTHELLO.
Beeile dich! Nicht gern in deinen SĂŒnden
Tötetâ ich dich.
DESDEMONA.
Du sprichst von Töten?
OTHELLO.
Ja.
DESDEMONA.
Barmherzigkeit, mein Gott!
OTHELLO.
Amen.
DESDEMONA.
Erbarmen, Erbarmen habâ auch du!
OTHELLO.
Denkâ deiner SĂŒnden!
DESDEMONA.
Die Liebâ ist mein Vergehn.
OTHELLO.
Um Liebe stirbst du.
DESDEMONA.
Du willst mich darum töten? âŠ
OTHELLO.
Cassio liebst du.
DESDEMONA.
Beim ew'gen Heile, nein!
OTHELLO.
Das Taschentuch
Von mir hast du gegeben ihm.
DESDEMONA.
Nein, niemals!
OTHELLO.
Ich sah's in seinen HĂ€nden.
DESDEMONA.
Ich bin schuldlos!
OTHELLO.
Gestehâ!
DESDEMONA.
Ich schwörâ es.
OTHELLO.
HĂŒte dich vor Meineid âŠ
Wisse: du liegst auf deinem Totenbette.
DESDEMONA.
Zu sterben nicht.
OTHELLO.
Sogleich zu sterben.
DESDEMONA.
Hilfe! Nicht liebâ ich Cassio âŠ
LaĂ kommen ihn und sprechen.
OTHELLO.
Nie spricht er wieder.
DESDEMONA.
Himmel! Tot!
OTHELLO.
Tot.
DESDEMONA.
Verraten, ha, verloren!
OTHELLO.
Ihn noch beweinen?
DESDEMONA.
VerstoĂ mich, aber tötâ mich nicht!
OTHELLO.
Vergebens ist dein Flehen.
DESDEMONA.
O laĂ das Leben mir âŠ
OTHELLO.
Nein! Nieder mit dir, du feile Dirne!
DESDEMONA.
O hörâ!
OTHELLO.
Nichts mehr.
DESDEMONA.
LaĂ mich die Nacht noch leben âŠ
OTHELLO.
Nein!
DESDEMONA.
Ein StĂŒndchen âŠ
OTHELLO.
Nein!
DESDEMONA.
Zwei Minuten.
OTHELLO.
Nein!
DESDEMONA.
So langâ ich bete.
OTHELLO.
Zu spÀt ist's.
Er erdrosselt sie. Desdemona stöĂt einen Schrei aus. â Es klopft an der TĂŒr.
OTHELLO den regungslosen Körper der Desdemona betrachtend.
Still, still wie das Grab.
EMILIA von auĂen.
Ach öffnet!
OTHELLO umhertaumelnd.
Wer da? Wer klopft?
EMILIA wie oben.
O Herr, ich bitte Euch,
Ich muà Euch etwas sagen, öffnet!
OTHELLO die TĂŒr aufschlieĂend.
Emilia!
Was gibt's?
EMILIA tritt ein.
Ein UnglĂŒck. Cassio erschlug Rodrigo.
OTHELLO.
Und Cassio?
EMILIA.
Lebt.
OTHELLO.
Er lebt noch, ha!!
DESDEMONA vom Bett aus.
Unschuldig
Bin ich ⊠unschuldig hingemordet âŠ
EMILIA lÀuft an das Bett.
Wer seufzte dort? O Grau'n!
DESDEMONA.
Ich sterbe schuldlos âŠ
EMILIA.
O Gott! Wer tat es? Wer?
DESDEMONA.
Ich weiĂ nicht.. Ich selber âŠ
Meinen guten Herrn sollst du mir grĂŒĂen.
Ich sterbe schuldlos ⊠Ich sterbe!
Stirbt.
OTHELLO.
Sie hat gelogen! Ich vollbrachtâ es.
EMILIA.
Dann weh dir, Mörder!
OTHELLO.
Cassios Geliebte war sie;
Von Jago hörtâ ich's.
EMILIA.
Von Jago?
OTHELLO.
Von Jago!
EMILIA.
Tor!! DaĂ du ihm glaubtest!
OTHELLO auf Emilia losfahrend.
Du wagst zu leugnen?
EMILIA.
Ich wagâ es.
OTHELLO er ergreift sie.
Warte!
EMILIA.
Holla! Zu Hilfe! Zu Hilfe,
Othello tötet Desdemona!
Sie macht sich los und lĂ€uft mit verzweifeltem Geschrei zur TĂŒr.
Vierte Szene
Othello, Emilia, Lodovico, Cassio, Jago.
SpÀter Montano mit Bewaffneten.
ALLE auĂer Othello und Emilia.
Welch Schrei'n! Entsetzlich! O Grauen!
EMILIA zu Jago
Jago,
Bezeugâ es dem niedrigen Mörder: Hast
Geglaubt du, Desdemona sei untreu?
JAGO.
Ich hab's geglaubt.
OTHELLO.
Denn jenes Tuch, das ich ihr einstens schenkte,
Hat Cassio sie gegeben.
EMILIA.
All ihr ew'gen MĂ€chte!
JAGO zu Emilia.
Schweige!
EMILIA.
Nein, ich entdecke alles!
JAGO.
Schweige!
EMILIA.
Nein. Aus meinen HĂ€nden hat
Er jenes Tuch gewaltsam mir entrissen.
CASSIO.
Ich fand's in meiner Wohnung und stecktâ es ein.
MONTANO tritt ein und zeigt auf Jago.
Im Tode hat Rodrigo mir enthĂŒllt
Jenes Mannes schÀndliche RÀnke!
OTHELLO.
Rechtfert'ge dich!
JAGO entflieht.
Nein.
LODOVICO.
Haltet!
MONTANO.
Verfolgt ihn!
Mehrere eilen Jago nach.
ALLE.
Greift den Bösewicht!
OTHELLO stĂŒrzt an den Tisch, nach dem SĂ€bel.
Und schlÀgt kein Blitz vom Himmel drein?
LODOVICO.
Mir dieses Schwert!
OTHELLO.
Du wagst es?! â Jeder Knabe
Kann mir mein Schwert entreiĂen.
Das ist das Ende der Heldenbahn.
O Ehre! Othello war!
Er lĂ€Ăt den SĂ€bel fallen.
Tritt ans Bett und blickt Desdemona an.
Und du! ⊠wie bist du bleich, mein Lieb!
Wie mĂŒde, wie schweigsam und wie
Reizend! Armes Geschöpf,
Geboren unter ĂnglĂŒckssternen, kalt,
Liebliches Kind, als wie die Keuschheit,
Gingst zum Himmel du.
O Desdemona! Desdemona! âŠ
Mein sĂŒĂes, totes Liebchen!
Heimlich einen Dolch hervorziehend.
Ich folge dir!
Ersticht sich.
CASSIO.
Ach haltet!
ALLE.
UnglĂŒcksel'ger!
OTHELLO.
Ehâ ich den Tod dir gab, Geliebte,
KĂŒĂtâ ich dich, und nun im Sterben âŠ
Schon sinkt die Nacht hernieder âŠ
Noch einmal kĂŒssâ ich dich wieder!
Stirbt.
Ende der Oper.