Gaetano Donizetti

Maria von Rohan

Tragische Oper in drei Akten

Personen

Richard, Graf von Chalais
Heinrich, Herzog von Chevreuse
Maria, Gräfin von Rohan
Der Vicomte von Suza
Armand von Gondi
Von Fiesko
Aubry, Sekretär des Herzogs
Ein Diener Chevreuse's
Chor, Cavaliere und Damen, Bogenschützen, ein Thürsteher des Königs, Pagen, Wachen, Diener Chevreuse's

Die Handlung geht vor zu Paris, unter der Regierung Ludwig des Dreizehnten.

Erster Akt.

Erste Scene.

Saal im Louvre zu ebener Erde. Links eine Treppe welche zu den Gemächern des Königs, rchts eine zweite, welche zu denen der Königin führt. Seitenthüren, im Hintergrune ein Säulengang. Die Nacht beginnt brennende Kerzen ringsumher.

Cavaliere und Damen, von verschiedenen Seiten kommend.

EINIGE DAMEN.
So wär‘ es wahr! in diesen Königs-Hallen,
Wo finst'res Schweigen nur geherrscht allein,
Hier soll jetzt plötzlich Festes-Jubel tönen,
Soll ringsum strahlen heller Kerzen Schein?
ERSTER CAVALIER.
Wohl flammt ein Blitz durch solch‘ ein tief Geheimniß,
Verkündend oft den Wechsel des Geschicks.
ZWEITER CAVALIER leise.
Der Stern des Herrn Ministers ist im Sinken.
DRITTER CAVALIER wie oben.
Er stürzt herab vom Gipfel seines Glück's.
ERSTER CAVALIER.
Es frommt nicht solch‘ Geheimniß zu ergründen.
ZWEITER CAVALIER.
Solch Thun ist kühn, doch weise ist es nicht.
EIN GREISER CAVALIER.
Der Fürsten und der Völker Loos bestimmen,
Laßt Gott, der droben ernst sein Machtwort spricht.

Sie entfernen sich.

Zweite Scene.

Chalais kommt aus den Gemächern des Königs, blickt nach den Zimmern der Königin hinüber, zieht einen Brief hervor und liest.

»Geht nicht mit auf die Jagd; ich muß Euch sprechen,
Bevor der König noch zurückgekehrt.« –
So lange mied Maria meine Rähe,
Nie durft ich laut ihr klagen meine Pein ..
Jetzt! – dieser Wunsch! sie liebt mich! sie wird mein!

Nein! meiner hoffnungstrunknen Seele
Droht nicht der Täuschung herber Schmerz;
Wie aus dem starren Schlaf des Todes
Erwacht zum Leben neu mein Herz.
Du Theure! könnt ich mit Dir theilen
Des Erdendaseins Lust und Leid,
Dann wären alle meine Tage
Ein Traum voll Liebes-Seligkeit.

Dritte Scene.

Maria aus den Gemächern der Königin. Der Vorige.

MARIA.
Graf?
CHALAIS.
Ihr seid aufgeregt.
MARIA.
Ach und wie sehr!
Nur Ihr vermögt ein Unglück abzuwenden.
CHALAIS.
Ich? …
MARIA.
Ja! Es drängt die Zeit, so hört mich an
Zum Kampf auf Tod und Leben war Chevreus
Gefordert von dem Neffen des Ministers;
Der Fordernde ist auf dem Platz geblieben,
Und das Gesetz bedroht dafür den Herzog,
Nun mit dem Tod.
CHALAIS.
Ja leider!
MARIA.
Eine Hoffnung
Auf seine Rettung bleibt noch: Ihr.
CHALAIS.
So sprecht.
MARIA leidenschaftlich.
Die hellste Sonne königlicher Gunst
Strahlt Euch, o so erfleht denn vom Monarchen,
Des Schuld'gen Leben, und er ist gerettet.
CHALAIS.
Er ist Euch nah verwandt, doch … ha, der Qual! …
Der Himmel ende gnädig meinen Argwohn …
Muß ich in ihm den Nebenbuhler fürchten?
MARIA, den Blick senkend.
(Gott! was soll ich ihm sagen.)
CHALAIS.
Wie, Ihr schweigt?
So liebt Ihr mich nicht mehr?
MARIA.
Ich darf es nicht.
CHALAIS.
Was hör‘ ich!

Man vernimmt Hörnerklang.

MARIA.
Ha, der König kehrt zurück;
Er ehrt der Mutter Fest durch seine Nähe …..
Der nächste Morgen schaut das Blutgerüst;
Nur kurze Augenblicke sind noch Euer,
Um des Monarchen Gnade anzufleh'n.
CHALAIS.
Mein Schicksal hängt am Winke Eures Auges.
Gott! ich beschütze eines and'ren Leben,
Mein Lohn dafür vielleicht ist Todesqual.

Er geht in die Zimmer des Königs.

MARIA.
Dein Nebenbuhler … Ach! ist mein Gemahl.
Nichts hat mehr Raum in meinen Herzen
Als Kummer tief und grenzenlos!
Erstorben ruht dort jede Hoffnung,
Wie in des Grabes dunklem Schooß,
All meine Stunden, o der Pein!
Zählt nur der Schmerz, der Schmerz allein.
Mein letzter Trost in tiefsten Leiden,
Sind stumme Trauer und Geduld;
Die Thräne, Weh mir! selbst die Thräne
Von mir vergossen, wird zur Schuld,

Sie nähert sich den Zimmern des Königs, in höchster Aufregung.

Vierte Scene.

Fiesko, der Vicomte. Damen. Cavaliere. Die Vorigen, dann ein Thürsteher.

VICOMTE.
Gräfin wie! so laute Freude,
Sicht Euch traurig.
DAMEN.
Sprecht warum?
MARIA.
Traurig ich? (O Gott, entsetzlich!
Qual der Seele macht mich stumm.)
FIESKO leise zu den andern.
Seht, sie harrt mit bangem Blick
Als wär sein Wohl auch ihr Glück.
MARIA.
Ha! wer naht, ich glüh‘ und bebe!

Der Thürsteher tritt ein, überreicht Maria ein Blatt und entfernt sich wieder.

Träum‘ ich? Gnade les‘ ich hier.
CAVALIERE zu einander.
Seht ein Schreiben!
MARIA.
(Richard, Ed'ler!
Alles, Alles dank‘ ich Dir.)
Ewig sei der Tag gesegnet,
Wo ich Dich zuerst geschaut;
Großmuthsvoller! einst mir theuer,
Dir mit Recht, hab‘ ich vertraut.

Dürft ich, o, mit einem Worte,
Wie so gern beglückt‘ ich Dich,
Doch der Liebe tief Geheimniß
Darf nur wissen Gott und ich.
FIESKO. VICOMTE. CHOR zu einander.
(Seht, o seht der Gräfin Blick
Kündet strahlend höchstes Glück.)

Maria giebt den Damen ein Zeichen, diese folgen ihr in die Gemächer der Königin.

Fünfte Scene.

CHEVREUSE allein.
Er kommt noch nicht, und Du, still harrst Du meiner,
Maria, Heißgeliebte, die der Himmel
Als Engel mir zum Trost herabgesendet!
Ja wahrlich, Theure, Du warst auserseh'n
Für mich vom Schicksal Gnade zu erfleh'n;

O welch ein Tag voll Edens Wonne!
Dich soll ich wiedersehen, Dich!
Nein, nein auf Erden lebt kein Wesen,
Das heiß're Liebe fühlt als ich.
Ich darf Dir wieder zärtlich sagen
Daß mir Du Seel‘ und Sinn geweiht,
Daß mir Du Deines Herzens Treue,
Gelobt hast für die Ewigkeit.

Ha, Tag voll Paradieses-Wonne,
Voll Liebesseligkeit für mich!
Nein, nein auf Erden lebt kein Wesen,
Daß heiß're Liebe fühlt als ich.

Er geht.

Sechste Scene.

Fiesko. Vicomte. Gondi. Cavaliere. Chalais.

GONDI mit ungezwungenem Anstande eintretend.
Ich grüß‘ Euch, Cavaliere.
VICOMTE.
Was, Du hier!
CAVALIERE.
Wie, Armand!
VICOMTE UND FIESKO.
Er ist rasend.
GONDI.
Welch‘ Verwundern!
FIESKO.
Du wagst es jetzt bei Hofe Dich zu zeigen?
Warst Du im unglückseligen Duell,
Nicht Sekundant des Herzogs von Chevreuse?
Flieh‘, sonst ereilt Dich des Ministers Zorn.

Chalais tritt mit ernster Miene ein, und geht in Hintergrunde auf und ab.

GONDI.
Der hat an ernst're Dinge jetzt zu denken,
Sein Fall ist sicher und ganz nah!
FIESKO.
Ganz sicher.
GONDI spöttisch.
Freund, Deinetwegen blutet mir das Herz
Zum Schützenhauptmann hätt‘ er Dich ernannt.
FIESKO.
Von seinem Sturz wagt Niemand schon zu reden.
Du freust Dich dessen laut, Verweg'ner Du!
GONDI.
Er ist mein Nebenbuhler, hört nur zu.

Alle umkreisen ihn, Chalais bleibt im Hintergrunde lauschend stehen.

Um doch nicht müßig ganz zu bleiben,
War vor zwei Monden ich so dreist,
Den Hof zu machen einer Dame,
Von Schönheit, Rang und Stand und Geist.
Ich sende Brief auf Brief vergebens,
Verschmachte fast vor Liebesschmerz,
Doch leichter schien ein Fels zu rühren
Als meiner Spröden grausam Herz.
Lueretia, selbst, wie Schnee so rein,
Schien minder keusch als sie zu sein.
VICOMTE. FIESKO. CHOR.
Traut nicht dem Scheine zu geschwind,
Da die Lucretien selten sind.
GONDI.
Dies schwere Räthsel aufzulösen,
Um jeden Preis, ward mir zur Lust;
So folgt‘ ich meiner strengen Schönen
Denn überall, ihr unbewußt;
Und siehe da, nach wenig Tagen,
An einem Morgen früh, ganz früh,
Schlüpft in den Palast des Ministers…
Wer meint ihr wohl? Sie wirklich, sie
Ja, traut dem Schein nicht zugeschwind,
Da die Lucretien selten sind;
Ein Frauenherz scheint kalt wie Eis,
Und birgt doch Liebe glühend heiß.
ALLE außer Chalais.
Ihr Name, nun?
GONDI.
Ist Euch gar wohl bekannt:
Maria Gräfin Rohan.
CHALAIS auf Gondi zustürzend.
Ha Verweg'ner!
GONDI.
Wie, Richard!
CHALAIS.
Lüg'ner, schändlicher Verläumder!
DIE UEBRIGEN.
Graf.
GONDI den Degen ziehend.
Tilge diesen Schimpf mit Deinem Blut.
CHALAIS.
Sogleich, ja!
VIEOMTE UND CAVALIERE.
Habet ein!
FIEAKO.
Seid ihr von Sinnen!
Hier im Palaste ein Duell ! Man kommt.
CHALAIS.
Wohl denn auf Morgen

Er wirft einen Handschuh vor Gondi nieder, den dieser aufhebt.

Ist dies Zauberei?
Der Herzog!
CAVALIERE. GONDI.
Was, Chevreuse?

Siebente Scene.

Chevreuse. Die Vorigen.

CHEVREUSE.
Ja, meine Freunde.
VICOMTE.
Bei Hofe Du?
CHEVREUSE.
Du siehst es
FIESKO.
Wie nur? sprich!
CHEVREUSE Chalais umarmend.
Befrage meinen Retter dort, nicht mich.
Doch wie! Du scheinst bewegt.
CHALAIS.
Bewegt?
VICOMTE.
Natürlich.
Hat er so eben Armand doch gefordert.
CHALAIS blickt zornig zu Gondi hinüber.
Auf Tod und Leben.
CHEUVREUSE.
Ha, so wählst Du mich
Zu Deinem Secundanten.
CHALAIS.
Herzog, nein;
Schon hat sich der Vicomte dazu erboten.
CHEVREUSE.
Doch fordert der Gebrauch zwei Secundanten,
Wenn Ihr Euch schlagen wollt, auf Tod und
Leben.

Sich hastig zu Gondi wendend.

Sagt mir, wo trefft Ihr Euch?
GONDI.
Am Thurm von Nesle.
CHEVREUSE.
Wohl, nenne jetzt mir noch den Tag, die
Stunde.
GONDI.
So bald das nächste Morgenroth sich zeigt.

Der Saal füllt sich mit Cavalieren und Hofdamen.

VICOMTE.
Mich ruft die Pflicht, ich muß zum König gehen,
Wir werden bei dem Fest uns wiedersehn.

Er geht in die Gemächer des Königs.

Achte Scene.

Maria, die Vorigen.

MARIA.
Der Tanz beginnt, ich bringe wicht'ge Nachricht,
Der Kardinal – er ist nicht mehr Minister.
FIESKO.
Wie!
MARIA.
Ihre Majestät die Königin
Hat selbst es ausgesprochen.
GONDI.
Welch ein Glück.
DIE ANDERN, Fiesko ausgenommen.
Der König lebe hoch!
CHEVREUSE.
Beneidenswerth
Macht wahrlich heut‘ mich des Geschickes Gunst,
Denn ich darf stolz jetzt diesem hohen Kreise,
Die Gattin zeigen, die ich mir erwählt.
DIE ANDERN.
Was sagst Du?
CHEVREUSE.
So vernehmt: Für seinen Neffen,
Den, wie ihr wißt ich im Duell getödtet,
Warb Richelien um meiner Theuren Hand,
Um zu entgeh'n der Rache des Ministers
Verschwieg ich meine Heirath.
CHOR. FIESKO.
Doch wer ist
Die Herzogin?
CHALAIS UND GONDI.
Die Gattin Deiner Wahl?
MARIA.
(Ich zitt're.)
CHEVREUSE, Maria vorstellend.
Wünscht mir Glück.
CHALAIS mit Entsetzen.
Sie? Sie o Qual!
CHEVREUSE.
Ein selig Jahr ist jetzt dahin geflossen,
Seit uns verknüpft geheimer Ehe Band,
Seit mir beglückt durch Sie das Erdenleben
Gleich einem Himmelstraume zaub'risch schwand.
MARIA.
(Ich sehe seiner Seele heiße Schmerzen
Des Inner'n Pein verräth sein Angesicht,
Ich seh‘ die Qualen seines wunden Herzens,
Ach, wunder als das meine ist es nicht.)
CHALAIS.
(Gott! welch Geheimniß löst dort seinen Schleier,
Mein Lebenshimmel hüllt in Nacht sich ein.
Nur noch ein Glück kann mir dir Erde bieten:
Die Gruft, die mich begräbt und meine Pein.)
GONDI. FIESKO. CHOR.
Wir Alle theilen Eurer Seele Wonne,
Ersehnen Euch der Liebe reinstes Glück.
Was nur die weite Welt besitzt an Gütern
Das spende huldvoll stets Euch das Geschick.

Neunte Scene.

Der Vicomte. Die Vorigen.

VICOMTE sich verbeugend vor Chalais.
Graf!
CHALAIS.
Nun.
VICOMTE.
Die Gnade Seiner Majestät
Hat zum Minister eben Euch ernannt.
FIESKO.
(Ihn)
CHEVREUSE.
Du Minister!
MARIA.
Himmel.
GONDI. CHOR.
Wär‘ es wahr.
ALLE.
Wir bringen Graf, Euch unsern Glückwunsch dar.

Chevreuse drückt Chalais die Hand, die Uebrigen umringen Chalais. Fiesko sucht seinen Zorn zu verbergen.

CHEVREUSE. VICOMTE. FIESKO. CHOR.
Wir seh'n das Ungewitter jetzt entschweben,
Das Frankreich's schönem Lande schwer gedroht;
Ein leuchtend Glücks-Gestirn wird sich erheben,
Froh grüßen wir der Hoffnung Morgenroth.
CHALAIS.
(Ha, wenn ich je der Ehrlust Flammen-Triebe
Mit Stolz genährt in meiner Mannes-Brust,
So war es, werth zu sein Maria's Liebe,
Nur der Gedanke war allein mir Lust,
Doch jetzt, da einem Andern fest verbunden
Maria diesem Lieb‘ und Leben weiht:
Leb‘ wohl, Du Hoffnung himmlisch schöner Stunden,
Du gold'ner Traum von Ehr‘ und Seligkeit!)
MARIA.
(O, reine Liebe du zum Vaterlande,
Du Ruhmes-Lust erfüllt ihm ganz das Herz;
Macht ihr frei von einem Liebesbande
Das mitleidslos ihn fesselt an den Schmerz.)
CHALAIS. CHEVREUSE. VICOMTE UND GONDI leise zu einander.
Wie schnell vom Himmel Wetterwolken schwinden,
So wird das Dunkel flieh'n das uns umgraut.
CHEVREUSE. MARIA. VICOMTE. GONDI. CHOR.
Raum wird in jeder Brust die Freude finden,
Rings wiederhallen wird der Freude Laut.
FIESKO.
(Ha, meinen tiefen Haß darf Niemand ahnen,
Durch täuschend Lächeln sei mein Groll verhüllt,)
CHALAIS.
(Ich selbst will seinem Schwert die Wege bahnen
Zu meiner Brust, von Todesqual erfüllt.)

Der Vorhang des Hintergrundes fällt, man erblickt die Gärten des Louvre, Chalais, gefolgt vom Vicomte, eilt den Zimmern des Königs zu, und wendet sich vor seiner Entfernung noch ein Mal nach Maria zurück. Alle gehen in den Festsaal.

Ende des ersten Aktes.

Zweiter Akt.

Erste Scene.

Ein Saal in Chalais Palaste. Im Hintergrunde ein Fenster, durch welches man den Louvre erblickt. Seitenthüren.

Chalais ist mit Schreiben beschäftigt. Aubry im Hintergrunde. Vom Louvre her erschallt Tanzmusik.

CHALAIS im Schreiben sich unterbrechend.
Im Festgewühle sah ich sie noch Einmal,
Zum letzten Male! … O mein grausam Schicksal!
Maria's Mutter stirbt, und fordert sterbend
Daß ihre Tochter mir entsage …

Die Glocke des Louvre schlägt vier Uhr. Chalais schreibt weiter versiegelt dann den Brief, und zieht ein Bild hervor, das er an den Brief befestigt.

AUBRY näher kommend.
Herr Graf!
CHALAIS verschließt den Brief in den Schreibtisch und steckt den Schlüssel ein.
Hab‘ Acht! Bin ich nicht heimgekehrt
Wenn sich der Abend nähert, dann erbrich
Selbst meinen Schreibtisch, und den Brief hier bringe …
Die Aufschrift sagt an Wen … Doch sei verschwiegen …
Verstehst Du mich?
AUBRY.
Stets war ich pflichtgetreu.
CHALAIS.
Ja wohl! Der Mutter Schlaf ist traumbewegt.
Du Theure! Eh vielleicht die gold'ne Sonne
Noch heute ihren Tageslauf vollbracht,
Umfängt uns Beide Schlaf in Grabesnacht.

Du treue, heißgeliebte Seele,
Die bald zu ihrem Schöpfer schwebt,
O, harre nur noch kurze Stunden
Bis sich mit Dir mein Geist erhebt.

Mir sagt es klar des Herzens Stimme,
Ich stehe an des Grabes Rand;
Verein‘ im Himmel uns die Liebe,
Wie sie hienieden uns verband.

Maria tritt ein.

CHALAIS.
Wer mag wohl jene Maske sein?

Zweite Scene.

Die Vorigen, Maria im Domino, das Gesicht mit einer Maske bedeckt; dann Chevreuse von Innen.

CHALAIS auf seinen Wink entfernt sich Aubry, Maria nimmt die Maske ab.
Maria! O Entzücken ohne Gleichen!
Es ist nur Traum, Traum nur … erweck't mich nicht! …
MARIA.
O redet von Entzücken Ihr nicht, Graf,
Der Tod ist nah Euch … Richelieu …
CHALAIS.
Sprecht aus.
MARIA.
Ist wieder, was er einst gewesen.
CHALAIS.
Wie?
MARIA.
Der König hat ihn angehört, und leicht
Ward es dem Listigen sich rein zu waschen
Von jeder Schuld.
CHALAIS.
Und Ihr?
MARIA.
Die Königin
Hat das Geheimniß selbst mir mitgetheilt;
Ihr habt des Gatten Leben mir erhalten,
So laßt mich dankbar jetzt das Eure‘ retten.
Ihr müßt entflieh'n;
CHALAIS.
Entflieh'n? Ha, hör‘ ich recht?
MARIA.
Und ohne Zögern, ja. Der Kardinal
Beschuldigt Euch des schändlichsten Verraths.
Bei Tages Anbruch soll man Euch verhaften,
Und Eu'rer wartet Tod durch Henkershand.
CHEVREUSE von Innen.
Wo ist der Graf? Chalais, Chalais!
MARIA mit Entsetzen.
O Himmel! …
Der Herzog mein Gemahl……
CHALAIS.
Wo berg‘ ich Euch?
Ha, recht! – mich macht Entsetzen todesbleich.

Er zieht Marie, die unbeweglich steht, mit sich fort und verbirgt sie in die Waffenkammer.

Dritte Scene.

Chevreuse; die Vorige.

CHEVREUSE.
Er schliefe noch?
CHALAIS geht eintretend Chevreuse entgegen, mit verstellter Ruhe.
Du, Heinrich?
CHEVREUSE.
Dich erwartet
Hab‘ ich bis jetzt im Hause des Vicomte.
Die Stunde zum Duell bestimmt, ist nah‘,
Ich komme daher selbst …
CHALAIS einen verstörten Blick auf das Cabinet werfend.
Sprich leiser Freund,
Die Mutter könnt‘ uns hören.
CHEVREUSE leise.
Wohl gesprochen.
Laß uns die Waffen nehmen jetzt und gehen.

Er nähert sich dem Schreibtisch.

Was? Denkst Du einen Ball denn zu besuchen,
Daß Du den Degen so zerbrechlich wählst?
Ein Festschmuck hängt daran – welch eine Grille!
Du hast zehn bess're Klingen, und gar weislich
Ist mir die Wahl der Waffen zuerkannt.
Dies Recht ist mein, ich bin Dein Secundant.

Er will in das Cabinett gehen.

CHALAIS.
Was suchst Du dort? bleib! bleib! – ich bitte.
CHEVREUSE, er bemerkt die Maske und nimmt sie auf.
Wenn Du nicht willst,
Was seh‘ ich da?
Jetzt weiß ich Alles.
CHALAIS.
Du kannst glauben.
CHEVREUSE.
Was meine Augen sehen, ja.
CHALAIS.
Dich täuscht der Schein, trau‘ meinem Worte
Nicht Liebe führt sie her, nein, nein!
Ich kann es Dir vor Gott beschwören,
Ganz schuldlos ist ihr Herz, ganz rein.
CHEVREUSE scherzend.
Die Mutter könnt‘ es hören, sprich
Fein leiser, Freund, ich bitte Dich. –
Glaub‘ Heinrich nicht, ich sei gekommen
Um Dein Geheimniß zu erspäh'n.
Der Eifer nur für Deine Ehre,
Hieß mich so früh schon zu Dir geh'n,
Fort, fort man würde Dich verhöhnen
Wenn Du zu spät kämst.
CHALAIS.
Du sprichst wahr.
Ermanne Dich und zeig‘ Dich muthig
Wie sonst in Stunden der Gefahr.
Auf, auf, wir eilen ja zum Siege,
Den lächelnd uns gewährt das Glück,
Den Heldenmuth, der sonst Dir eigen,
Ruf in die tapf're Brust zurück;
Wie heut die Liebe, zart und rein,
Wird auch der Ruhm Dir hold jetzt sein.
CHALAIS wirft einen Blick auf das Cabinett.
(Gott, wenn ich Ihrer Angst gedenke,
Erstarrt im Herzen mir das Blut;
Hast Du nun endlich, feindlich Schicksal,
Gesättigt Deine blinde Wuth?
Ha, wahrlich gleichen Folterschmerz
Ertrug noch nie ein menschlich Herz.)
CHEVREUSE.
Wohlan, ich will zum Kampfplatz eilen,
Du folgst mir Freund, sobald….
CHALAIS.
Ja, ja.
CHEVREUSE.
Doch, Richard, säume nicht zu lange,
Denn sieh‘, das Morgenroth ist da.

Chevreuse geht, Chalais verschließt die Thür, und naht sich dem Cabinett.

CHALAIS.
Maria!

Vierte Scene.

Der Vorige. Maria mühsam sich aufrecht haltend.

CHALAIS.
Laßt Euch nieder.
MARIA.
Gott! des Todes
Wär‘ ich im nächsten Augenblick gewesen.
CHALAIS.
Erholt Euch, die Gefahr ist jetzt vorüber.
MARIA.
Vorüber? Ja! Doch nur um einer andern
Ihr gleich an Furchtbarkeit, den Platz zu räumen.
Ich habe Alles dort gehört … Ein Zweikampf –
Entsetzlich! nein … Ihr stellt Euch nicht.
CHALAIS.
Wie?
MARIA.
Nein!
Bei Allem, was auf Erden und im Himmel
Euch werth und heilig ist: schwört mir, Paris
Jetzt zu verlassen; jetzt, wo furchtbar Euch
Der Tod von allen Seiten hier bedroht,
CHALAIS.
Was sagt Ihr! Meine Ehre …
MARIA.
O des Wahnes!
Dem pflichtgetreuen Unterthan verbietet
Die Ehre, das Gesetz zu übertreten,
Und ein Gesetz, so heilig als gerecht,
Bestraft den Zweikampf schwer.
CHALAIS.
Weißt Du es nicht?
Vergebens ringt der Mensch mit dem Geschick,
Mich reißt es fort … müßt‘ es zum Tode sein,
Doch folg‘ ich ihm.

Es schlägt fünf Uhr, Chalais will sich entfernen.

MARIA.
Nein, Mitleidsloser, nein.
CHALAIS.
Die Stunde hat geschlagen.
MARIA leidenschaftlich.
Ha, entsetzlich!
Bleib‘, bleib‘ noch! … hör‘ mich an, ich
bitte Dich.
CHALAIS.
Ich darf nicht, nur Ein Augenblick des Säumens
Und einen Feigling nennt man schmachvoll mich.
MARIA.
O weile! weile noch, laß‘ Dich erfleh'n.
Maria bittet, kannst Du widersteh'n.

Mit wachsender Aufregung und von Thränen unterbrochen.

O sage mir, wodurch kann ich Dich rühren,
Sprich, welches Wort bewegt Dein grausam Herz,
Kann Deine Brust zur Mitleid nichts bewegen,
Nicht meine Klagen … nicht mein heißer Schmerz?
Ha, Deiner Mutter denke! Hab‘ Erbarmen
Mit ihr, mit mir von Todesqual bedroht.
O Richard, Richard, wenn Du fällst im Kampfe,
Gibst Du der theuren Mutter selbst den Tod.

Zu Chalais Füßen knieend.

CHALAIS.
Halt ein! (Wie nur verberg‘ ich meine Thränen,
Vergebens! sie benetzen mir den Blick.)
Mein Leben ruht in des Allmächt'gen Händen,
Er hat entschieden über mein Geschick.
Hör‘ auf Dein grausam Mitleid mir zu weih'n.
Das tief'res Weh mir bringt als Todespein,
Erhebe Dich, willst Du das Herz mir brechen.

Er will sie erheben, Maria kommt ihm knieend näher.

MARIA.
Zu Füßen Dir, wirst Du mich sterben seh'n,
Wenn Du dem Zweikampf nicht entsagst …
CHALAIS.
Unmöglich.
MARIA mit immer wachsender Angst.
Gieb nach, erhöre der Verzweif'lung Fleh'n,
Wo nehm‘ ich Worte her wie Dich beschwören,
O Himmel wolle gnädig mir verzeih'n,
Erbarmen, Allbarmherziger! .. Erbarmen,
Mein Richard.
CHALAIS.
Ha, so soll ich ehrlos sein!
MARIA.
Doch sprich …. sprich, wenn auch ich mich nun entehre,
Wenn Gott … die Welt, nun mein Geständniß hört,
Daß Du der Heißgeliebte meiner Seele,
Daß rastlos mich der Sehnsucht Gluth verzehrt,
CHEVREUSE.
Wie, Du sprichst wahr? Ich sterbe vor Entzücken ….
Mich liebtest Du … noch als Du Dich vermählt,
Noch einmal sprich es aus… Mit neuem Leben,
Haft Du Maria meine Brust beseelt.
Du liebst mich noch?
MARIA.
Dich lieb‘ ich, Dich allein;
Dein war mein Herz, Dein wird es ewig sein.

Es wird an die Thür gepocht.

CHALAIS.
Du siegst.

Fünfte Scene.

Die Vorigen. Der Vicomte.

VICOMTE.
Graf.
CHALAIS.
Freund!
VICOMTE.
Vorüber ist die Stunde
An Deiner Statt steht Heinrich kampfbereit.
CHALAIS.
Und ich … Gott! … Halt‘ ihn auf, bring‘ ihm die Kunde
Daß ich Dir folge.
MARIA.
Weh; bedenk‘ mein Leid.
CHALAIS zu Maria.
Wie! hast Du nicht gehört?
VICOMTE.
Chalais, fort, fort.
CHALAIS.
Ich eile.
MARIA.
Nein, o nein! – Der Tod harrt dort!
CHALAIS.
Der Tod! O wisse ich begann zu sterben
Als ich vernahm, Du wärest nicht mehr mein,
O laß mich! laß mich gehn in mein Verderben;
Erfüllt muß endlich doch mein Schicksal sein,
Doch wenn Maria in verschwieg'ner Stille,
Dem Grabe Richards Schmerzensthränen weiht:
Dann schaut im Geist er seine kalte Hüllen
Nicht ohne Schmerz nur, nein! mit Seligkeit!
MARIA.
Bei ihr der Theuren, die Dich einst geboren,
Bei Deiner Liebe, die ich mein genannt,
Bei meiner Seelen-Folter sei beschworen,
Flieh! … flieh‘! Bewaff'ne nicht zum Kampf die Hand.
Erspare unermeßlich Weh mir Armen….
Ich flehe vor Dir, sinkend in den Straub:
Erbarmen, Richard, schenke mir Erbarmen
Dein Tod giebt auch dem Tode mich zum Raub.

Chalais enteilt, Maria folgt ihm.

Ende des zweiten Aktes.

Dritter Akt.

Erste Scene.

Saal bei Chevreuse. Der Eingang ist im Hintergrund. Eine Seitenthüre. Eine große Uhr. Ein Tisch zwischen zwei Stühlen.

Chevreuse, einen Arm in der Binde, sitzt an einem Tisch, auf welchem sich die Chalais gehörigen Pistolen befinden. Maria steht von einer Seite, Chalais von der andern. Einige Diener umher.

CHEVREUSE zu Maria.
Sei ruhig, meine Wunde ist nur leicht,
Noch leichter als es scheint.
CHALAIS.
Trotz meines Willens,
Erschien ich auf dem Kampfplatz doch zu spät,
Wesshalb haft Du mich nicht erwartet, sprich.
CHEVREUSE.
Den Folgen eines andern großen Unglücks
Jetzt vorzubeugen, ist die nächste Sorge.
Du bist auf Frankreichs Boden nicht mehr sicher.

Er steht auf.

Ich will Dir einen Weg zur Rettung bahnen.
CHALAIS.
Was willst Du thun, Dein Zustand fordert
Ruhe.
CHEUVREUSE.
Ich ruhen, wenn Gefahr dem Freunde droht,
O Richard, wenig kennst Du Heinrichs Herz.

Er winkt Dienern ihm zu folgen und entfernt sich durch die Seitenthür.

MARIA.
(Nicht aufzuseh'n wag‘ ich vor Schaam und Schmerz.)

Zweite Scene.

Ein Diener von Chevreuse. Aubry. Die Vorigen.

Diener kündigt Aubry an, und zieht sich dann zurück.

AUBRY in großer Aufregung.
Vergebens such‘ ich Euch schon lange
Und find‘ Euch jetzt durch Hülfe des Vicomte.
CHALAIS.
Bringst Du mir böse Nachricht?
AUBRY.
Eure Wohnung
Ward plötzlich rings besetzt von Bogenschützen,
Genau durchsucht, und was sich an Papieren
Dort vorgefunden, das ward mitgenommen.
CHALAIS.
Wel'ch ein Ereigniß

Zu Aubry.

Geh‘.

In Verzweiflung.

Maria! Gott!
Du bist verloren.
MARIA.
Ich? Was sagst Du! Himmel!
CHALAIS.
Ich schrieb an Dich mit aller Gluth der Liebe,
Bevor ich zum Duell ging; jenes Blatt
Ist zweifellos in des Ministers Händen,
Wird bald in denen Deines Gatten sein.
MARIA.
Ha, tödten wird er mich.
CHALAIS.
Gewiß! so meide
Des Zornes ersten Ausbruch, flieh mit mir.
MARIA.
Nein!
CHALAIS.
Heilig ist des Freundes Gattin mir,
Mein Wort zum Pfand darauf, und daß ich Dich
In Deines Bruders Arme führen will.
Versprech ich Dir zugleich.

Ein geheimer Ausgang öffnet sich, der Seitenthür gegenüber.

MARIA.
Der Herzog, still!

Dritte Scene.

Chevreuse. Die Vorigen.

CHEVREUSE.
Auf diesem Weg erreichst Du ungefährdet,
Die Mauern von Paris; dort wartet Deiner.
Ein flüchtig Roß. Auf! fort! … beeile Dich

Chevreuse entfernt sich durch die geheime Thür.

CHALAIS hastig.
Maria, wenn die nächste Stunde schlägt,
Und Du kommst nicht, dann, um mit Dir zu sterben,
Kehr‘ ich zurück.

Er folgt Chevreuse.

MARIA mit Bitterkeit.
Welch‘ unheilvolle Bande
Hat doch Dein Wille, Mutter, hier geknüpft;
Gehorsam war ich Dir, ich zagte nicht –
Und Tod wird mir als Lohn erfüllter Pflicht

Knieet weinend nieder.

Auf die Betrübten schaut voll Gnade
Der Vater, der im Himmel thront,
Der den Gehorsam seiner Kinder
Mit reichem Segen huldvoll lohnt.
Du, Mutter, nur kannst von mir wenden
Das Unheil, das mich schwer bedroht,
Nur Dein Gebet kann mich erretten
Vor furchtbar nahem, grausen Tod.
Wenn für ihr Kind die Mutter fleht,
Erhört der Himmel das Gebet.

Ich fühl‘ es klar, Du, Vater droben,
Bist gnädig meinem heißen Fleh'n.
Ja! endlich werd‘ ich meine Leiden
Nach langem Kampf geendet seh'n.

Ein Hoffnungsstrahl erglänzt mir wieder,
Der mild mein krankes Herz erquickt,
Und wieder scheint mit lichten Farben
Das Bild der Zukunft mir geschmückt.

Vierte Scene.

Chevreuse. Die Vorige. Dann Fiesko.

CHEVREUSE.
Er ist entflohen, und in kurzer Zeit
Wird er von Frankreich fern sein.
MARIA.
(Gott, ich zitt're!)
DIENER eintretend.
Der Schützen Hauptmann.
MARIA erschreckend.
(Weh, mir naht der Tod!)
CHEVREUSE.
Warum erbebst Du? Richard ist gerettet.

Gegen die Thür.

Er möge kommen.
FIESKO.
Ihr Frau Herzogin,
Seid zu der Königin befohlen worden

Er geht.

MARIA mit schneller Bewegung.
Ich eile.
CHEVREUSE.
Werde ruhig erst Maria.
MARIA.
Und bin ich es denn nicht? … Doch mein Gemahl
Wenn Du es wünschest bleib‘ ich noch.
CHEVREUSE.
Nein, nein!
MARIA sich entfernend.
(Die Erde stürzt vor meinen Schritten ein.)

Sie begegnet Fiesko, der sich verbeugt. Chevreuse sieht ihr mit Verwunderung nach.

Fünfte Scene.

In Uniform. Einige Schützen, die jenseits des Eingangs stehen bleiben. Der Vorige.

FIESKO.
Der Herr Minister hofft, Ihr werdet mir,
Des angeklagten Grafen Schutzort nennen;
Doch vor der Antwort, Herzog, les't dies Blatt.
Ich werde warten.

Er giebt Chevreuse den Brief, an welchem das Bild befestigt ist, und zieht sich mit den Schützen zurück.

CHEVREUSE, das Blatt entfaltend.
Richard's Handschrift, wie!

Er lies't.

»Vielleicht fall‘ ich noch heute im Duell
Ich sterbe dann für Dich; die Nacht des Grabes;
Verhüllt auch meine Liebe dann zu Dir.
Beweine mich, doch nur im stillen Herzen;
Mein letztes Lebewohl, sagt Dir dies Blatt,
Von Deinem holden Bild begleitet.« –

Er öffnet die Schachtel, welche das Bild enthält.

Wie
Maria! – Sie – Sie wirklich! – ha! und Richard …
In letzt verfloss'ner Nacht … Abscheulich … nein
Ein Dämon täuscht mich … Ja! … ich zweifle noch;
Es kann nicht sein..

Er betrachtet das Bild von Neuem.

Und doch! … Sie ist es doch.

Im hellsten Glanz der Freuden Sonne
Schien mir das Leben reichgeschmückt,
Die Huld des Himmels gab mir gnädig,
Was hoch ein Menschenherz beglückt
Weh‘ mir! mich täuschten Trug-gestalten,
Ein Wahn nur war mein flüchtig Glück,
Die ganze, schreckenvolle Wahrheit
Entschleiert heut sich meinem Blick! …
Der Tag scheint öde mir und traurig
In Dunkelheit der Nacht gehüllt.
Ein weites Grab scheint mir die Erde,
Von Gifthauch rings die Luft erfüllt.

Sechste Scene.

Fiesko. Der Vorige, dann der Diener.

FIESKO.
Nun?
CHEVREUSE.
Sprecht, was woll Ihr?
FIESKO.
Wißt Ihr es nicht mehr?
Ich fordre Antwort, Herzog.
CHEVREUSE.
Der Verräther
Ist längst entfloh'n … (Und Sie vielleicht! Ha! Sie …
Ist ihm gefolgt… Entsetzlicher Gedanke!)

Er klingelt, ein Diener tritt ein.

Die Herzogin erscheine. …
FIESKO.
Leere Sorge!
Aus dem Palast darf Niemand sich entfernen ..
CHEVREUSE.
(Ha! so wird doch der Rache Lust noch mein!)
FIESKO.
Lebt wohl! Der Graf wird aufzufinden sein.

Er entfernt sich eiligst.

CHEVREUSE zum Diener.
Erfülle mein Geheiß sogleich; geh! bitte
Daß hierher komme die Frau Herzogin.

Der Diener geht.

Es ist des Todes-Engels ernste Stimme
Die heut Dich zu mir ruft, Verrätherin!

In Dir hatt‘ ich des Lebens Glück gefunden,
Du warst wir theu'rer als der Sonne Licht;
Warst theurer selbst mir als des Himmels Gnade,
Gott ist gerecht: mich trifft sein Strafgericht.

Und doch benetzt des feigen Mitleids Regung
Die Wimper mir mit einer Thräne Naß!
Ha! bald soll sie ein Blutstrom überfluthen,
Vergossen von der Rachbegier, vom Haß.

Er zieht sich zurück.

Siebente Scene.

Maria, der Diener, dann Chevreuse.

MARIA tritt näher, unsicheren Schrittes, bleich, mit verstörten Zügen.
Der Tod harrt meiner! …
CHEVREUSE tritt, ungesehen von Maria, welche sich im Vorgrunde befindet, ein; er hält einen Dolch in der Rechten, seine Züge sind von Wuth entstellt.
Ha! die Ungetreue!
Da ist sie! … Wahrlich, leichter würd‘ es mir
Den Dolch in meine eig'ne Brust zu stoßen.

Er wirft den Dolch von sich, schreitet vor, zwingt Maria sich neben ihn zu setzen, und gibt dem Diener ein Zeichen sich zu entfernen. Maria blickt nach der Uhr.

Wie angstvoll Du dem Lauf des Zeigers folgst‘
Ja! Du hast Recht, Maria, Deiner wartet…

Maria geräth in Verwirrung.

Die Königin…
MARIA.
(Ha! jedes seiner Worte
Und jeder Blick vermehrt noch mein Entsetzen.)
CHEVREUSE.
Was macht Dich beben in des Mannes Nähe
Der einst Dich heiß geliebt … noch Dich liebt
Mehr als ein sterblich Wesen … der Vertrauen
Dir ohne Maaß geschenkt.
MARIA.
Herzog! .. (ich zitt're.)
CHEVREUSE.
Mit Schmach des Gatten Namen zu bedecken,
Ihn zu entehren! … furchtbar, grausenvoll
Ist der Gedanke; … doch erschreckt er nicht
Die pflichtvergess'ne Gattin; wird die Schande,
Durch die Du mich besteckt, je offenbar ….
So löscht nur Blut sie aus.
MARIA.
Halt ein! Halt ein! …
(O Gott! entsetzlich wird mein Schicksal sein.)
CHEVREUSE sich bezwingend und mit Hohn.
Ganz hab‘ ich jetzt Dein schönes Herz verstanden,
Und Deine Treue ward mir klar genug;
Mit Kindes-Unschuld schmückst Du Deine Seele,
Du kennst nicht Lüge, Heuchelei und Trug.
Wem könnt‘ ich wohl das Kleinod Deiner Ehre
So sicher anvertrau'n als Deiner Hut.
MARIA.
O mein Gemahl! … hör auf … laß Dich beschwören.
Aus Deiner Wunde quillt ein Strom von Blut.
CHEVREUSE wutherfüllt aufstehend.
Des Blutes mehr hab‘ ich für ihn vergossen,
Mein Leben setzt‘ ich für den Frevler ein! …
MARIA.
O werde ruhig! …
CHEVREUSE.
Ha! für solch ein Opfer
Wird nun zum Lohne Schimpf und Schande mein! …
Und das Geschick beschützt noch den Verräther,
Entzieht ihn der gerechten Rache Wuth …
MARIA.
Herzog! O Gott! …
CHEVREUSE.
Und ich sollt‘ ihn nicht tödten,
Nicht kühlen meinen Zorn in seinem Blut? …
MARIA.
Entsetzlich! …
CHEVREUSE.
Ich soll nicht sein Herz zerreißen,
Sein falsches Herz, mit meiner eignen Hand?

Die Uhr schlägt.

MARIA wendet voller Entsetzen mit einem Schrei sich dem verborgenen Ausgange zu.
Ach!
CHEVREUSE.
Welch ein Schrei! Warum hast Du Dein Auge
So angstvoll jener Thür dort zugewandt?
Ha! welch ein Hoffnungsstrahl! … der Frevler! … sprich …
Gieb Antwort mir …
MARIA.
Erbarme. meiner. Dich!

Sie sinkt fast ohnmächtig zu Chevreus's Füßen.

CHEVREUSE reißt Maria zur geheimer Thür fort.
Laß Beide uns nach jenem Ausgang blicken,
Laß seh'n, wer kommen wird durch jene Thür…
Dich, Heuchlerin macht sprachlos das Entsetzen,
Der Rache Wonne raubt den Athem mir.
MARIA.
O hör mich an … laß ab vom wilden Zorne.
Auf meinen Lippen stirbt des Flehens. Wort.
Nicht weiter weiter nicht vergeb'nes Hoffen.
Weh‘! Weh‘ mir! mich umringen Tod und Mord …

Achte Scene.

Der Ausgang öffnet sich. Chalais erscheint. Die Vorigen.

CHEVREUSE mit wilder Freude.
Ha!
MARIA.
Jetzt ist voll der Becher meiner Leiden.
CHEVREUSE.
Was führt in diese Mauern Dich zurück?
CHALAIS wirft seinen Degen von sich.
Die glühend heiße Sehnsucht nach dem Tode
Mein unversöhnlichzürnendes Geschick.
CHEVREUSE.
Gut wählst Du Deine Zeit.
MARIA zu Chalais.
Weh‘ Aermster Dir!

Ein Blick des Herzogs macht Maria verstummen.

(Vor seinem Blick entweicht das Leben mir.)

Neunte Scene.

Der Diener. Die Vorigen.

DIENER.
Vernehmt, Herr Herzog, Bogenschützen dringen
In den Palast.
MARIA.
Weh‘.
CHEVREUSE.
Richard, sei bereit,
Tod wird der nächste Augenblick Dir bringen,
Denk‘ an den Himmel, an die Ewigkeit.
CHALAIS.
Mir ist es leicht ein Dasein hinzugeben,
Das mir verhaßt, so will ich selbst es gern ..

Im Begriff hinaus zu eilen.

CHEVREUSE, Chalais zurückhaltend.
Nicht von der Stelle! … Mir gehört Dein Leben …
Nur kurze Zeit noch halt die Schützen fern.

Zum Diener der sogleich abgeht.

CHALAIS.
(Was nun beginnen?)
MARIA.
Erde, schließ‘ mich ein!
CHEVREUSE dringt Chalais ein Pistol auf.
Nimm! …
CHALAIS.
Wie!
CHEVREUSE deutet auf die Thür.
Hinaus!
MARIA.
Barbaren Ihr! .. Nein! .. Nein! .
CHEVREUSE.
Nur in der Brust die Todeswunde
Darfst Du verlassen diesen Ort;
Mir wahrlich, schlug die Sterbe-Stunde,
Zum blut'gen Kampfe fort denn, fort!
Wie heiß Dein Herz auch für ihn fleht,
Die Gottheit hört nicht solch‘ Gebet.
CHALAIS.
Ich bebe nicht vor Deinem Wüthen,
Nein! stille Deine Rach-Begier;
Mir kann kein Glück das Dasein bieten,
Preis geb‘ ich gern mein Leben Dir.
Auf! zög're nicht! vergieß mein Blut;
Tod ist mir ein ersehntes Gut.
MARIA.
Ha! vor des grausen Kampfs Beginnen
Ich bitte, … ich beschwöre Dich …
Kann menschlich Fleh'n Dein Herz gewinnen …
So tödte aus Erbarmen mich.
Jetzt wär‘ mir Leben Folterpein.
O Gnade … Gnade … Tod sei mein!

Man vernimmt Lärmen an der Thür des Hintergrundes. Chevreuse stößt Maria von sich, und reißt Chalais zum Ausgange fort; bald darauf fallen zwei Pistolenschüsse. Chevreuse erscheint mit verstörten Zügen und wuthfunkelnden Blicken. Maria sinkt ohnmächtig zu Boden.

Ende der Oper.