Léo Delibes

Lakme

Oper in 3 Akten

Personen
Gerald
Friedrich
Nilakantha
Hadji
Ein Wahrsager
Ein Kaufmann
Ein Gauner
Lakme
Ellen
Rosa
Mistreß Bentson
Mallika
Hindu-Männer und Frauen, englische Offiziere und Frauen, Matrosen, Bajaderen, chinesische Kaufleute, Musikanten, Brahmanen

Die Handlung spielt in der Gegenwart.

Ort: Eine englische Besitzung in Indien.

Erster Akt.

Ein sehr schattiger Garten mit allen Blumen Indiens.

Nr. 1. Introduction.

CHOR.
Zu der gewohnten Stunde,
Da der Duft in der Runde
Giebt vom neuen Tag Kunde,
Im glüh'nden Morgenroth,
Laßt Gebete ertönen,
Um den Zorn zu versöhnen,
Mit dem Brahma uns bedroht.
NILAKANTHA.
Gesegnet drei Mal seid,
Ihr, die in Treue stehet
Zum Priester, der verkannt,
Verhöhnet und geschmähet.
Bald wird der Sieger im Land
In seinem Zwang ermüden;
Sind die Götter auch verbannt
Aus den hundertjähr'gen Tempeln;
Schon unsre Feinde seh‘ ich
Vor Brahma's Rache erbeben;
Wenn sie losbricht fürchterlich,
Wird sie uns Befreiung geben.
Gott bestimmt des Schicksals Lauf,
Spricht zu mir aus des Himmels Höhen,
Ich seh‘ ihn, steig‘ zu ihm auf,
Höre ich der Tochter Flehen.
LAKME.
Weiße Durga,
Bleicher Schiwa,
Mächt'ger Ganeza!
O Ihr, die erschuf Brahma!
CHOR.
O Durga, weiße Durga,
Ganeza, beschützet mich,
Schiwa, besänft'ge Dich!
Mächt'ge Götter, die schuf Brahma.
NILAKANTHA.
In Frieden zieht und wiederholet gleich
Euren Morgengesang. Nun geht, Gott höret Euch.
CHOR.
Zu der gewohnten Stunde etc.

Nr. 1bis. Scene.

NILAKANTHA.
Lakme, Du bist's, die Schutz uns bringet!
Wenn gegen uns'ren Feind der Trotz mir noch gelinget,
Obgleich Besiegte wir sind,
Ist's, weil Gott Mitleid hat mit Dir, dem reinen Kind.
LAKME.
Als Brahma einst in seiner Liebe
Eine Blume zerrieb, schuf den Himmel, die Erd‘,
Ward uns zum Heil bescheert,
Daß die Hoffnung uns bliebe.
NILAKANTHA.
Doch, ohne Aufenthalt verlass‘ ich Dich.
LAKME.
Wie, schon jetzt?
NILAKANTHA.
Nichts befürchte!
Die heilige Pagode, die man der Stadt noch ließ, erwartet mich,
Es rufet das Fest für morgen.
Bei Lakme bleibet Ihr.
HADJI.
Wir werden treulich sorgen.
MALLIKA.
Wir Beide hüten sie.
NILAKANTHA.
Eh‘ es Nacht, glaubet mir,
Seht Ihr mich wieder hier.

Ensemble.

Daß der Himmel mich / Dich schütze
Vor jeder Frevelthat,
Sei Führer mir / Dir und Stütze,
Erleuchte meinen / Deinen Pfad.

Nr. 2. Duo.

LAKME.
Komm‘, Mallika, die Lianen, sie blüh'n
Und werfen schon die Schatten
Auf uns'ren heil'gen Bach, der ruhig düster fließet,
Nur erweckt durch die Vögel, die lärmend entflieh'n.
MALLIKA.
Meine Herrin! Die Zeit ist's, wo Du gern magst scherzen,
Die Stund‘ allein, wo in Lakme's Herzen,
Das sich vor der Welt verschließt,
Mallika liest.

Ensemble.

Unter laub'gem Dach, wo Jasmin in Pracht
Bei der Rose erscheinet,
Wo das Ufer blüht und dem Morgen lacht,
Laß uns eilen vereinet.
Und die kleine Hand folgt der Strömung gut,
Spielend in der Fluth sie ruht.
Die Wellen lustig springen,
Nahen, sie zu umschlingen;
Komm‘, komm‘ zu der Stell‘,
Ruhig fließt der Quell
Und Vöglein singen.
LAKME.
Doch, weiß nicht, was mir so plötzlich geschehen,
Die Furcht quälet mich;
Wenn mein Vater allein muß zu jener Stadt gehen,
Vor Schrecken, vor Angst zitt're ich.
MALLIKA.
Daß Gott Ganeza ihm Schutz mag verleihen!
Laß gehen uns zu dem nahen Teich,
Wo Schwäne sich mit uns erfreuen;
Der blaue Lotos steht dort so reich.
LAKME.
Ja, zu den Schwänen, die mit uns sich freuen,
Die blauen Lotos pflücken wir gleich.

Ensemble.

Unter laub'gem Dach u.s.w.

Nr. 2bis. Recitativ.

MISTREß BENTSON.
Miß Rosa, Miß Ellen, den Verschluß respektiren!
ELLEN.
Wir woll'n ein wenig nur durch die Bambus seh'n.
ROSA.
Ich hab‘ geöffnet; man kann hindurch.
GERALD.
Mistreß Bentson läßt sich hier zu Abenteuern verführen.
MISTREß BENTSON.
Nicht in der Ordnung ist's!
GERALD.
Aber doch amüsant.
FRIEDRICH.
Recht gefährlich manchmal.
GERALD.
Was ich ganz wohl erkannte.
MISTREß BENTSON.
Doch ich, ich soll vorsichtig sein,
Ich als Gouvernante.
ELLEN.
Die Bäume, diese Blumen, nichts sieht drohend aus.
FRIEDRICH.
Vertrau'n Sie ihnen nicht! Diese Blume, äußerlich so heilig,
Datura heißet sie, die so reizend und weiß,
Enthält doch starkes Gift.
MISTREß BENTSON.
Dies Indien ist abscheulich!
GERALD.
Ach, 's ist ein Land, märchenhaft,
Wo eine schöne Blume den Tod uns verschafft.
FRIEDRICH.
O, Du Dichter, der wandelt in himmlischen Bahnen,
Erkennst Du dort den Lotos der Brahmanen?
Die verborg'ne Pagode befindet sich hier;
Bei Nilakantha sind wir –
ALLE.
Bei Nilakantha!
FRIEDRICH.
Dem fanatischen Brahmanen, der stachelt die Indier
Zum Haß und zur Rache.
Er erzog seine Tochter als ein göttlich Wesen;
Wie man sagt, soll ein Zauber sie umgeben,
Doch verborgen will ewig sie für Brahma leben
In diesem Paradies, nur Vertrauten bekannt;
Sie wird Lakme genannt.
GERALD.
Lakme!

Nr. 3. Quintett.

ELLEN.
Ist eine Frau wirklich so reizend,
Dann ohne Grund verbirgt sie sich.
FRIEDRICH.
In diesem Land ist Alles Narrheit,
Drum geb‘ ich's zu und füge mich.
GERALD.
Ein Ideal, der Gottheit ähnlich!
ROSA.
Das mit Gewalt man schließet ein.
GERALD.
Entfernt von Menschen, die gewöhnlich!
MISTREß BENTSON.
Sie muß wohl furchtbar häßlich sein.
ELLEN.
Jede Frau wird Lob gerne hören,
Ist dieses Lob noch so gering.
FRIEDRICH.
In Europa will ich drauf schwören,
Aber hier ist's ein ander‘ Ding.
GERALD. ELLEN. ROSA. MISTREß BENTSON.
Ach, wollt nicht Systeme bauen,
Wie das Herz so wandelbar,
Poesie läßt erschauen,
Was voll Reiz, doch selten wahr.
Ja, es gleichen sich üb'rall die Frauen
Zum Glück ganz und gar.
FRIEDRICH.
Ich mag nicht Systeme bauen,
Ich prüfe lieber klar,
Statt Poesie zu schauen.
Nicht gleichen sich die Frauen
Ueb'rall ganz und gar.
ELLEN.
Wenn wir nun suchten ihre Spuren
Im abgeleg'nen Aufenthalt?
FRIEDRICH.
O nein – 's wär‘ am End‘ zu verwegen,
All‘ ihre Götter brauchten Gewalt!
ROSA.
Hat sie überird'sche Manieren?
FRIEDRICH.
Ich denk‘, sie ist lieblich zum Verführen.
GERALD.
Fällt man sofort zu Füßen ihr?
MISTREß BENTSON.
Sagt doch gleich, sie ist besser als wir.
FRIEDRICH.
Ich will mit Thorheit gern verschonen,
Doch – sag‘ ich es grad‘ heraus:
Die Frauen in heißeren Zonen
Seh'n gegen die unsren anders aus.
Ihre Tugend stellt sich nur sehr einfach dar,
Ihre Lieb‘ kennt nicht Kontrakt und nicht Notar;
Nicht die Lieb‘, die durch Kokett'rie gewinnet,
Kein Gefühl, das man süß und zärtlich nennt,
Das sich im Verborg'nen entspinnet,
Und dann führt zum moral'schen End‘.
Nein, die Lieb‘ ist ihrem Wesen Hochgenuß,
Und ihr Herz nur lebt, daß es bezaubern muß.
ELLEN.
Das sind die Frau'n, die idealen,
Bezaubern für den Augenblick,
Wir scheinen ihnen die banalen,
Wir, die erstreben and'res Glück.
Man erobert uns nur fein und sehr gewandt,
Furcht vor Ueberraschung leitet den Verstand,
Doch sie haben nicht, Eure Zauberinnen,
Unser Zagen, wenn wir ein Geständniß scheu'n,
Nicht Verwirrung, Seligkeit drinnen
Von dem Glück, wie man schwärmt zu Zwei'n!
Jener Zauber wird niemals von Dauer sein,
Wahrer Liebe fähig sind nur wir allein.
FRIEDRICH.
Möglich erscheint's, daß man sich irret.
ELLEN. ROSA. MISTREß BENTSON.
Ja wohl, Ihr Geist, der sich verwirret.
GERALD.
Aus Poesie hat er gefehlt!
FRIEDRICH.
Ich sag‘ nur, was man mir erzählt.
ALLE.
Ja, sein Geist, der sich verwirret,
Glaubte, was man ihm erzählt.
Ach, wollt nicht Systeme bauen etc.

Nr. 3bis. Recitativ.

FRIEDRICH.
Wir scherzen da mit heil'gen Dingen,
Für die Brahmanen fordern Blut.
GERALD.
Soldaten haben Muth!
FRIEDRICH.
Und eines Tags ist man todt, Niemand ahnet die Schlingen.
MISTREß BENTSON.
Dann fort, schnell fort!
ROSA.
O, dieser Schmuck!
MISTREß BENTSON.
Folgen Sie!
ELLEN.
O, wie reizend und fein, das wollen wir beseh'n.
MISTREß BENTSON.
Nein, nein!
ELLEN.
Laßt's uns wagen!
GERALD.
Nun gut! Gar schnell zeichn‘ ich ihn ab.
ELLEN.
Sie bleiben hier allein?
GERALD.
Dereinst am Tag der Hochzeit mögen Sie ihn tragen.
ELLEN.
Und doch – droht auch keine Gefahr?
GERALD.
Nein!
FRIEDRICH.
Unklug find‘ ich's nur.
GERALD.
Furchtsam gar?
FRIEDRICH.
Welch‘ undankbar‘ Geschäft, was Gescheidtes zu sagen.

Nr. 4. Arie.

GERALD.
Zeichne ich mir ab dies Geschmeid‘,
Wär‘ das wirklich so strafbar? Ach, Friedrich geht zu weit!
Doch woher plötzlich kommt dies befremdliche Bangen?
Welch‘ unerklärliches Gefühl hält die Sinne gefangen
Vor dieser feierlichen Ruh‘!
Mädchen, durch meine Laune tritt die Fremde zu mir hervor,
Ihre Stimme mir ganz nahe flüstert so leis zu meinem Ohr.
Nein, nein!
Diese Bilder, nebelhafte Schäume,
Sind doch holde Wahrheit nie;
Kehre wieder in das Land der Träume
Auf gold'nen Flügeln, o Phantasie!
Zart mag er sein, der Arm der Heidin,
Den dieser Reif so oft umschlingt;
O ganz gewiß, klein ist das Händchen,
Das hier hindurch den Weg erzwingt.
Der gold'ne Ring wird sie begleiten
Bei jedem Gang – welch‘ schönes Loos –
Den kleinen Fuß, bestimmt, zu schreiten
Auf Blumenpfad, auf weichem Moos.
Dies Band, das sie um den Hals getragen,
Es wirkt sein Duft auf mich mit aller Macht,
Es fühlte wohl oft ihres Herzens Schlagen,
Wenn des Geliebten sie treu gedacht.
Nein, nein!
Flieht, ihr Gedanken,
Schon beginnt zu wanken
Zaubergleich mein Verstand.
Diese Bilder, nebelhafte Schäume u.s.w.
Nein, es bleibe dieser Schmuck in seiner Ruh‘,
Nichts berühr‘ ich hier,
Fast wie Entwürd'gung schien‘ es mir.
Lakme! Wie hübsch das klingt!
Doch was tönet jetzt mir zu?
Gesang so süß, wie man ihn hört in diesem Land.
Sie ist es, Lakme ist's, voll Blumen jede Hand.
Ja, sie ist's!

Nr. 4bis. Scene.

LAKME. MALLIKA.
Mein Fleh'n laß zu Dir dringen,
Schütze uns vor Schlingen,
Die uns vom Feind gelegt!
LAKME.
Nun eilen wir zu den durchsicht'gen Wogen –
Ihr sorglos Plätschern, bis hierher kommt es gezogen,
Vor der drückenden Gluth spenden Kühlung sie uns.
MALLIKA.
Günstige Zeit, da schon von allen Seiten
Die laubigen Bäume
Ihre kühlen Schatten weit umher verbreiten.

Nr. 5. Scene und Lied.

LAKME.
Doch ich fühle mein Herz so verwirrt und bewegt.
Die Blüthen, sie winken hernieder,
Sie spenden herrlichen Duft,
Der Wald hat für mich neue Lieder –
Wie so mild umspielt mich die Luft!
Welche Mächte, die mich erheben,
Alles zucket, jetzt fang‘ ich an zu leben!

Warum treibt es zum tiefen, dunklen Walde mich?
Dann weine ich.
Warum bin ich so traurig, wenn Vogelstimmen schallen,
Bei einer welken Blume, bei den Blättern, die fallen?
Und dann so wohl wird mir, schau‘ voll Sehnsucht mich um,
Ach, ich fühl‘ mich glücklich! Warum?

Warum tönt's wie Gespräch aus dem Wasser hervor,
Aus Schilf und Rohr?
Warum das Hochgefühl, das mich seltsam entzündet?
Wie balsamischer Hauch naht es mir und verschwindet.
Dann möcht‘ ich rufen gern, doch mein Mund bleibt stumm,
Ach, ich fühl‘ mich glücklich! Warum?
Ha! Mallika!
MALLIKA.
Lakme! Ist Dir Schlimmes begegnet?
LAKME.
O, nichts, ich täuschte mich. Alles schrecket mich heut!
Auch kommt mein Vater nicht, und die Stunden vergehen;
Eilt Beid‘ entgegen ihm, geht!

Nr. 6. Duo.

LAKME.
Woher kommst Du? Und was willst Du? Deine
Kühnheit zu strafen
War Dein Loos der Tod ganz sicherlich.
Doch meiner Furcht jetzt schäm‘ ich mich;
Ich will nicht den Argwohn wecken,
Daß der Fuß des Barbaren konnte schmachvoll beflecken
Diesen Ort, wo mein Vater sich mußte verstecken.
Was jetzt Dein Aug‘ geseh'n, das vergiß ewiglich!
Nun geh‘! Der Götter Tochter bin ich!
GERALD.
Nein, die Hoheit Deiner Züge,
Triumphirend wie im Siege,
Ewig ruf‘ ich sie zurück.
Die Gestalt, die zornig zittert,
Drohet unbeugsam, erbittert,
Und mit diesem Kindesblick.
LAKME.
Verwegner, dämpfe die Flamme,
Kein Bruder von meinem Stamme
Spräche so an diesem Ort.
Doch der Rächer kann nicht schlafen,
Gott wird Deinen Frevel strafen,
Und nun, sogleich, fort, nur fort!
GERALD.
Nein, ich kann ja nie vergessen
Diese Anmuth unermessen,
Diesen Reiz, der Dich umfängt.
Nie wird mir Dein Bild entschweben,
Denn ich fühle, wie mein Leben
Nur an Deinen Lippen hängt.
LAKME.
Du wußtest nicht, daß Dein Verweilen
Nur Gefahr Dir gebracht. Und nun mögest Du eilen,
Geh‘; um Dein Leben ist sonst es sicher gescheh'n.
Geh‘!
GERALD.
Gönne mir, Dich anzuseh'n.
LAKME.
Nur für mich, die in Haß erglühet,
Um bei mir zu sein den Augenblick,
Weicht er vor dem Tod nicht zurück.
Welche Macht, die zu mir ihn ziehet?
Nichts läßt ihn zagen? Ist es Spott,
Dieses übermenschlich‘ Wagen?
Wer hilft Dir denn, wer ist der Gott?
GERALD.
Der Gott? Der Gott? Ja,
's ist der Gott der holden Jugend,
's ist der Gott der Frühlingszeit,
Der in seinen heißen Küssen
Uns spendet Seligkeit;
Der aus allen Rosenkelchen
Hervor die Düfte trieb,
Der selbst spricht aus Deinen Launen,
's ist die Lieb‘!
LAKME.
Scheint es mir doch, daß sich stehle
Ein Feuerstrahl in meine Seele,
Sie erfüllend mit Furcht und Reu‘,
Wie klang sein Wort für mich so neu?
's ist der Gott der holden Jugend u.s.w.
's ist die Lieb‘, ja, die Lieb‘!
GERALD.
Ach, bleibe, bleibe so, erröthend in Gedanken,
Schon schwand das Bleich Deiner Wange so klar;
Welch‘ Reiz wunderbar,
Dein Herz beginnt zu wanken.
BEIDE.
Ach! 's ist der Gott der holden Jugend u.s.w.
LAKME.
Heil'ge Götter, da ist mein Vater, flieh‘!
Habe Mitleid, Mitleid nur für mich!
GERALD.
Nein, auf ewig denk‘ ich Dein,
O wunderholdes Bild!

Nr. 6bis. Szene.

HADJI.
Komm‘, da! da!
NILAKANTHA.
Ja, eingetreten
Ist ein Fremder hier in mein Haus.
LAKME.
O, welche Angst!
NILAKANTHA.
Ich muß ihn tödten!
Ha, Rache!

Zweiter Aufzug.

Ein öffentlicher Platz.

Nr. 7. Marktszene.

CHOR.
Kommt, Mittag wird es nun bald schlagen,
Kauft billig, billig, laßt Euch sagen,
Daß man getäuscht, soll Niemand klagen.
Kauft, kauft, bald mit dem Markt ist's aus,
Wir ziehen gleich nach Haus!
INDIER.
Schuhe sind bei mir zu suchen!
CHINESEN.
Ich verkaufe süße Kuchen!
INDIER.
Taschentücher wunderschön –
CHINESEN.
Und gar prächtig anzuseh'n.
FRAUEN.
Frisch bei mir sind die Bananen,
Diese Blätter Betelkraut,
Schön Geflechte von Lianen,
Feinster Honig, kommt und schaut!
MATROSEN.
Soll man Euch erst d'ran ermahnen,
Daß Ihr den Ungläub'gen traut!
CHOR.
Kommt, Mittag wird es nun bald schlagen u.s.w.
MISTREß BENTSON.
Die jungen Paare,
Daß Gott bewahre,
Schwatzen von Liebe nur
Und verlieren meine Spur.
EIN WAHRSAGER.
Madam, ich kann die Zukunft sagen!
MISTREß BENTSON.
Nein, o nein, hab‘ kein Behagen.
CHINESE.
So kauft diesen gold'nen Schmuck.
MISTREß BENTSON.
Mein Herr, ich hab‘ das genug.
GAUNER.
Laßt doch Madam Zeit zum Erholen!
MISTREß BENTSON.
Danke schön! Er hat mich bestohlen!
WAHRSAGER.
Aus der Hand lese ich geschwind,
Ob Sie morgen glücklich sind.
MISTREß BENTSON.
Aber, Herr, will nichts mehr hören!
CHINESE.
Dies ist Gesundheits-Elixir,
Verleihet Schönheit, Anmuths-Zier.
MISTREß BENTSON.
Danke, mein Herr, trag‘ kein Begehren.
CHINESE.
Nur noch ein Wort!
GAUNER.
Das hab‘ ich fort!
ALLE.
Nur noch ein Wort,
Bald bin ich fort!
MISTREß BENTSON.
Genug! Ich bin die Gouvernante
Bei der Tochter vom Gouverneur!
FRIEDRICH.
Mistreß ist in Wuth, wie ich hör‘.
ROSA.
Mistreß Bentson, was ist gescheh'n?
MISTREß BENTSON.
Diebe giebt's, 's ist 'ne Schande!
CHOR.
Kommt, Mittag wird es nun bald schlagen etc.
FRIEDRICH.
Wie kann man sich d'rob entsetzen,
Daß die Leute sich bemüh'n
Gar zu kühn?
MISTREß BENTSON.
Er ist verschwunden wie der Wind,
Hat meine Uhr davongetragen.
Himmel, was heißt nun wieder das Läuten?
FRIEDRICH.
's ist das Signal, das man versteht,
Soll den Marktschluß bedeuten,
Und Alles geht.
MISTREß BENTSON.
Zu spät, mein Gott, zu spät!

Nr. 7bis. Recitativ.

MISTREß BENTSON.
Endlich, endlich! Nun wird's doch wohl stille?
FRIEDRICH.
Nein, für heute nicht.
MISTREß BENTSON.
Nun, der Markt, der ist doch vorbei!
FRIEDRICH.
Die Feier beginnt!
MISTREß BENTSON.
Nein, dieses Volk,
Kann's seine Göttin nicht mit etwas wen'ger Lärm verehren?
ROSA.
Da sind die Bajaderen!
MISTREß BENTSON.
Darf eine Engländ'rin sie seh'n?
FRIEDRICH.
Ganz wohl!
MISTREß BENTSON.
So sind es nicht gar unmoral'sche Wesen?
FRIEDRICH.
Sie leben in Pagoden von ihrer Priester Gaben.
MISTREß BENTSON.
Vestalinnen sind's wohl?
FRIEDRICH.
Ja, Vestalinnen, die nichts zu hüten haben.

Nr. 8. Ballet der Bajaderen.

Nr. 8bis. Recitativ.

ROSA.
Seh'n Sie dort jenen Greis, mit ihm das junge Mädchen!
FRIEDRICH.
's ist ein Sanniassy.
ROSA.
Wie seine Blicke spähen!
FRIEDRICH.
Zur Stadt muß er gehen,
An mildthät'ge Seelen sich zu wenden;
Und die Tochter trägt vor jene frommen Legenden,
Die der Indier so liebt.
MISTREß BENTSON.
Ah, Miß Ellen, endlich hier!
FRIEDRICH.
Wie so zufrieden an ihres Bräut'gams Arm.
ELLEN.
Ja, ich bin überglücklich! In mein Herz
Scheint die Sonne so strahlend und warm.
Nicht recht war es gestern, daß ich Gerald verließ,
Dort, wegen eines Schmucks der kleinen Göttin, angestaunt von Allen.
Plötzlich erfaßte mich die unsagbarste Angst,
Mir war's, als säh‘ ich ihn, wie sterbend, lautlos fallen.
Ein Bild des Wahnes; er ist da, er ist bei mir.
FRIEDRICH.
Doch der Zweck ward nicht erreicht.
ELLEN.
Desto besser!
FRIEDRICH.
Und Nilakantha, hat er sich gezeigt?
GERALD.
Die Tochter nur konnt‘ ich erschauen,
Sie schritt lächelnd und voll Vertrauen
Zu jenem ruh'gen Bach, blauen Lotos sich zu pflücken.
Mein Gewissen erwacht‘, es hat fort mich getrieben.
ELLEN.
Ich will dafür Sie noch mehr lieben.
Wie stimmt dieser Tag mich so froh!
MISTREß BENTSON.
Gehen wir nun nach Haus!
ELLEN.
Ich möchte, daß wir blieben.
ROSA.
Sie weiß noch nicht, daß Sie morgen weiter ziehen,
Sie und er.
FRIEDRICH.
Wie, 's geht fort?
ROSA.
Die Sache wird verschwiegen;
Noch heute Abend sammelt sich Ihr Regiment.
FRIEDRICH.
Eine Parade?
ROSA.
Um die Rebellen zu besiegen.
's ist gut, daß Ellen den Befehl nicht kennt;
Ihr Gemüth, so empfänglich, umdüsterte der Gram,
Doch – ich, ich bin viel stärker und – habe keinen Bräutigam.
FRIEDRICH.
Doch die Angst in Ihren Blicken?
ROSA.
Für die Schwester bebe ich.
FRIEDRICH.
Sie ist zum Entzücken.
ROSA.
Ach, dort ist der Greis schon wieder, ich fürchte mich!

Nr. 9. Scene und Lied.

NILAKANTHA.
's ist ein armer Mann, der bettelt,
Ein Kind, das singet hier sein Lied.
Diese lärmende Menge
Entfernt sich, wenn sie uns sieht.
Dieses Kleid verbirgt wohl den Rächer,
Wohl Niemand wähnt den Richter, der sucht den Verbrecher.
O, den Engländern stockte vielleicht das Blut,
Merkten sie an meinem Beben,
Was mich führte hierher.
LAKME.
Verbietet Brahma uns, einen Schimpf zu vergeben?
NILAKANTHA.
Dem Fremdling? Nein, nimmermehr!

I.

Lakme, was schweift Dein Blick zur Ferne?
Ach, das Lächeln, es meidet Dich;
Wie erbleichen oft leuchtende Sterne,
Verbirgt Deine Schönheit sich.
Gottes Gnade mußte entschwinden,
Verlanget blut'ge That, sie mag gescheh'n!
Doch Dein Lächeln soll wieder sich finden,
In Deinem Aug‘ werd‘ ich den Himmel seh'n!

II.

Dein Herz ist schwer von Sorg‘ und Bangen,
Selbst der Schlaf kündet Deine Noth,
Ein Traumbild belebte die Wangen,
Auf Deine Stirn zog flücht'ges Roth.
Gottes Gnade mußte entschwinden etc.
LAKME.
Ach, es ist nur Dein Gram, der so mich beugt danieder,
Heiterkeit kehrt zurück; sieh‘, da ist sie schon wieder.
NILAKANTHA.
Brach der Verruchte in meine Wohnung ein,
Und trotzt‘ dem Tode selbst, um bei Dir nur zu sein,
Dann hat die Schmach er verübet,
Weil er Dich liebet!
Dich, theures Kind, Dich, die Tochter der Götter.
Nun geht er siegbewußt im Gedränge,
Doch wir prüfen genau diese fröhliche Menge,
Und, Lakme, kennt er Dich, o mir sagt es sein Aug‘,
Dann wanke nicht im Ton, daß es gelinge,
Lächelnd, mein Kind, singe;
Dann ist's Zeit zur That!
Wie durch göttliche Spende
Singt dies Kind hier sogleich die geweihte Legende
Von der Tochter des Paria.

Nr. 10. Legende.

LAKME.
Seht Ihr des Paria Tochter,
Eilend, wo ist ihr Ziel?
Wenn der Mond mit seinen Strahlen
Treibt in den Blumen sein Spiel.
Seht, sie läuft mit scheuem Blicke,
Daß sie sich kaum entsinnt,
Wie üb'rall man stößt zurücke
Des Paria armes Kind.
Zwischen Lorbeerbäumen
Mag von Märchen sie träumen,
Und so schreitet sie sacht,
Lacht hinein in die Nacht.
Und dort, im tiefen Wald, im Dunkeln
Ein Wand'rer einsam sich bewegt,
Von sich nicht weit sieht er Augen funkeln,
Doch treibt's ihn weiter ruhelos, aufgeregt.
Die wilden Thiere, sie brüllen
Vor Lust, ihre Blutgier zu stillen.
Das Mädchen fürchtet nicht, daß Untergang ihm winkt,
Sie hält in der Hand das Stöckchen,
Mit dem das Zauberglöckchen
Hell erklingt.
Wie der Fremde sie betrachtet, vor dem Glanze sie wanket,
Der schönste Mann steht vor ihr da;
Wohl fühlt‘ er Scham, wüßt‘ er, daß er verdanket
Nur sein Leben dem Kind des Paria.
Er senkt einen Traum auf sie nieder,
Erst im Himmel seh'n sie sich wieder,
Er spricht zu ihr: Hier ist Dein Lohn!
Denn Wischnu war's, des Brahma Sohn.
Seit diesem Tag, im dunklen Wald
Dem Wandersmann manchmal erschallt
Das leichte Geräusch vom Stöckchen,
Mit dem das Zauberglöckchen
Hell erklingt.

Nr. 11. Scene.

NILAKANTHA.
Verdammt! Er mied die Schlinge;
Wenn er hier sich fand,
Ich hätt‘ ihn gleich erkannt.
Singe, mehr noch singe!
LAKME.
Mein Vater!
CHOR.
Ja, mehr noch singe!
NILAKANTHA.
Singe, singe!
LAKME.
Seht Ihr des Paria Tochter
Eilend, wo ist ihr Ziel?
Wenn der Mond mit seinen Strahlen
In den Blumen treibt sein Spiel.
NILAKANTHA.
Noch mehr!
LAKME.
Seht, sie läuft mit scheuem Blicke,
Daß sie sich kaum entsinnt –
NILAKANTHA.
Nur fort!
GERALD.
Lakme!
NILAKANTHA.
Ha, Der!
CHOR.
Wirr ist sie, woher?
LAKME.
Konnt‘ den Schmerz nicht bezwingen –
Es ist nichts! 's ist vorbei! Ich will – nun weiter singen.
Ah – ah!
GERALD.
Die Tochter des Brahmanen!
FRIEDRICH.
Sie hier!
NILAKANTHA.
Das gab Brahma Dir ein; verrathen hat er sich mir!
GERALD.
Lakme ist's, ja, Lakme!
FRIEDRICH.
Hab‘ wohl Acht!
GERALD.
Lasse mich! Ich muß wieder sie seh'n!
FRIEDRICH.
Wir müssen geh'n!
GERALD.
Man ruft!
CHOR.
Die Soldaten! Die Soldaten!
FRIEDRICH.
Also dies Kind hielt Dich hier festgebannt?
GERALD.
Nein, nein!
NILAKANTHA.
Jetzt kenn‘ ich ihn! Ihn hat Gott hergesandt!

Nr. 12. Scene und Chor.

NILAKANTHA.
Wenn das Volk bei frohen Gesängen
Wird an uns vorüberzieh'n,
Um den Zug der Göttin sich drängen,
Paßt wohl auf, mein Aug‘ bezeichnet ihn.
Damit wir erreichen ihn können,
Folgt ihm Schritt um Schritt und ganz leis,
Ihr müßt von den Seinen ihn trennen,
Schließt um ihn einen dichten Kreis.
CHOR.
Damit wir erreichen ihn können u.s.w.
NILAKANTHA.
Dann geht, daß es nicht Aufseh'n mache;
Ich bin ja da! Gestählt hab‘ ich
Den Arm für diese heil'ge Sache,
Dieser Arm trifft ihn sicherlich.
LAKME.
O, mein Vater, ich folge Dir.
NILAKANTHA.
Nein! Mein Herz, das Schwäche nie gekannt,
Verwirrte sich, bist Du bei mir.
Nein! Bleib‘ mit Hadji hier.

Nr. 12bis. Recitativ.

HADJI.
Der Herr denkt an nichts, als an seine Rache,
Er sah nicht fließen Deine Thränen;
Doch, o Herrin, Hadji lernte gut im Gesicht zu lesen,
Er ist Dein und Hadji's Leben hat keinen Werth.
Als Du klein noch warst, bin ich im tiefsten Walde gewesen,
Brachte Dir die Lieblingsblume heim;
Taucht‘ auf den Meeresgrund, zu suchen Dir die schönste aller Perlen.
Aber heut‘, wo Du erwachsen, hat Dein Herz auch andere Wünsche;
Willst Du bestrafen einen Feind – sprich!
Hast Du zu retten einen Freund,
Gebiete!

Nr. 13. Duo.

GERALD.
Lakme, Lakme! Du hier!
Und Du, Du kommst zu mir!
Von dem zaub'rischen Leben,
Das mir ein Traumbild gab,
Der Traum, er sollt‘ verschweben,
Doch das Bild steigt herab.
Macht Dein Reiz mich so selig,
Daß ich selbst mich verlor,
Zieht es unwiderstehlich
Zu dem Himmel empor.
LAKME.
Mein Himmel ist nicht der Deine. Ich kenne nicht Deinen Glauben,
Und nicht den Gott, den Du verehrst;
Der meine, wenn Du zu ihm schwörst,
Gebietet allen Brüdern, Dich zu schützen immerdar,
Dann drohet Dir keine Gefahr.
GERALD.
Nichts lenkt mich ab von meinem Ziele!
In dem trunk'nen Gefühle,
Das einzig strebt nach Dir,
Säh‘ ich auf meinem Pfad einen Abgrund vor mir,
Wenn mich Dein Haar berührt, trotz‘ ich selbst dem Verderben!
LAKME.
Doch ich will: Du sollst nicht sterben!
GERALD.
Jetzt spricht die Liebe, die schlief,
Um die ich schmerzlich mußte werben,
Das ist Dein Herz, welches rief.
Du willst ja nicht, ich soll sterben.
LAKME.
Ob auch der Feind drinnen tief,
Dessen Hauch mich will verderben,
Furchtbar meinem Herzen rief,
Doch will ich: er soll nicht sterben!
LAKME.
Nah‘ bei uns, im tiefen Wald,
Ein Hüttchen klein sich verstecket,
Bambus nur, davor ein Baum,
Der's mit dichtem Laub bedecket.
Wie ein Vöglein, das sich scheut,
Erbaut sein Nest in Lianen;
Blumenteppich läßt es ahnen,
Daß dort wohnt Glückseligkeit.
Nichts verräth den Aufenthalt,
Wenn je die Blicke sich mühten,
Auch der große, stille Wald
Will voll Eifersucht ihn behüten,
Dahin führe ich Dich fort;
Wenn Morgenroth erglommen,
Will ich lächelnd täglich kommen
Zu der treuen Liebe Ort.
GERALD.
Zaub'rin, die holden Worte!
Selig, wer sie gehört!
LAKME.
Ach, komm‘, komm‘, laß uns eilen,
Nicht Zeit ist uns gewährt.
GERALD.
Ich soll mich feig verbergen,
Lakme, Du weißt ja nicht,
Daß mich die Ehre bindet,
Die Ehre und die Pflicht.
LAKME.
O, hör‘ mein Bitten, sieh‘ mein Bangen!
GERALD.
Du kannst mein Leben eh'r verlangen!
LAKME.
Weh! Mein Herz vor Jammer bricht!
GERALD.
Lakme, Du willst mein Verderben?
LAKME.
Ich will ja nur: Du sollst nicht sterben!

Beide wiederholen das Ensemble.

LAKME.
's ist vorbei, die Unsren sind da;
Schon nahet die Göttin Durga!

Nr. 14. Finale.

BRAHMANEN.
O Durga, die uns ersteht
Aus des Ganges Wellen,
Komm‘, daß Dich mein Aug‘ erspäht,
Zu dem Tag, dem hellen.

Göttin im Glanz, laß‘ Deinen Arm,
Deinen Schutz uns umschließen;
Du lächelst uns gnädig und warm,
Wenn den Zug wir begrüßen.
ELLEN.
Seht nur die Stadt, zur Freud‘ erkoren!
ROSA.
Dieser Lärm! Sie schrei'n sich müd‘ und matt.
MISTREß BENTSON.
Allen ging der Kopf verloren
Für Durga, die zehn Arme hat.
FRIEDRICH.
Wohl der Göttin nur zu Ehren
Kam's, daß man schleunig uns verläßt?
GERALD.
Ich – wollt‘ nicht das Fest entbehren.
FRIEDRICH.
Die Tochter des Brahmanen zog Dich mehr als das Fest.
GERALD.
Ob's ein Wahn, der kommt und zündet,
Der schnell dem Geist entschwindet,
Doch ward mir zum Schrecken klar:
Mein Herz bei dem Gedanken bebet,
Daß nur Lakme darin lebet,
Ihre Schönheit immerdar!
FRIEDRICH.
Ich würd‘ Dich schelten ganz offen und ehrlich,
Doch da wir morgen weiter geh'n,
Auch sein Gutes hat der Krieg, das Mädchen, so gefährlich,
Wird Dir nicht mehr im Wege steh'n.
CHOR.
O Durga, die uns ersteht etc.
GERALD.
Ob's ein Wahn, der kommt und zündet,
Der schnell dem Geist entschwindet,
Doch ward mir zum Schrecken klar:
Mein Herz bei dem Gedanken bebet,
Daß nur Lakme darin lebet,
Ihre Schönheit immerdar!
LAKME.
Hadji! – Still!
Ihr glaubt, es gelang Euer Streben!
Du bist nun mein, auf ewig mein.
Ich lebte einzig Deinem Leben,
Wolle Gott nun mit uns sein!

Dritter Aufzug.

Ein Theil des indischen Waldes.

Nr. 15. Schlummerlied.

LAKME.
Unter'm Himmel sternenklar
Der weiße Tauber weit geflogen war.
Ach, hör‘ meine Stimme klagen,
Laß von den Flügeln Dein Dich heimwärts tragen!
Unter'm Himmel sternenklar
Der weiße Tauber weit geflogen war.
Er schläft! Daß der Schmerz entflieht,
Könnt‘ doch sanft ihn wiegen mein einfaches Lied!
Unter'm Himmel sternenklar
Der weiße Tauber weit geflogen war.
Mag sein Weibchen angstvoll klagen,
Es hört sein Flügelpaar doch nie mehr schlagen.
Unter'm Himmel sternenklar
Der weiße Tauber weit geflogen war.
Kehr‘ wieder!
GERALD.
Erinnr‘ ich mich doch kaum – ach, mein Geist ist benommen –
Und auf meine Brust, tief beklommen,
Welch‘ Zauber übt seine Macht,
Ueberwältigt den Sinn, hüllt ihn in holde Nacht?
Das weiß ich noch – die Stadt in voller Feier,
Ich ging wie halb im Traum, nur erfüllt von meinem Glück,
Als der Blitz eines Dolches blendet‘ den Blick,
Dann sank ein schwarzer Schleier.
LAKME.
Hadji, im Schatten eilte er behend‘,
Bis er mit Dir dieses Laubdach gefunden.
Ich sorgte, daß sich belebt‘ Deine Stirn bleich und kalt;
Die Töchter unsrer Kaste lernen früh und bald,
Wie durch den Saft der Blumen heilen die Wunden.
GERALD.
Nun erinnr‘ ich mich: Leblos, kein Laut entrinnt,
Dann fühlt‘ ich nah‘ meinem Munde Dich beben,
Ich sah Dich, ach, an Deinem Aug‘ hing mein ganzes Leben,
Ich genas von Deinem Hauche, Lakme, Du mein süßes Kind!

Nr. 16. Cantilene.

Ach, komm‘ zu des Waldes Frieden,
Einzig unsrer Lieb‘ bewußt,
Hier, von der Welt abgeschieden,
Ward uns des Himmels Lust.
Die fremden Blumen ringsum lauschen,
Ihr Duft, voll Wollust, muß berauschen;
Dem seligen Herzen so weit
Liegt die Vergangenheit.
Ach, komm‘ zu des Waldes Frieden u.s.w.

Nr. 17. Scene und Chor.

LAKME.
Hier dürft‘ ich Dich erhören,
Ein neues Dasein beginnt,
Dann würd‘ ich Dich belehren,
Wer uns're Götter sind.
Unser Lied sollt‘ erheben
Die 's so gütig gemeint,
Vor denen Alles muß beben,
Die uns Beide vereint.
Und Dein Herz im Entzücken
Vor der göttlichen Pracht,
Wird zur Erde gern blicken,
Die beschützt durch Brahma's Macht.
GERALD.
Horch‘ auf!
Das kommt von dem Wege, der läuft den Wald entlang.
LAKME.
Uns fände Niemand, sei deshalb nicht bang‘.
CHOR.
Laßt ertönen helle
Unser Lied
Drunten, wo die Quelle
Murmelnd zieht.
Lagert, wie es üblich,
Euch zu Zwei'n,
Schmeckt der Trunk doch lieblich
Nur im Frei'n.
GERALD.
Was für ein Sang, der zu uns dringet,
Der zart und fröhlich erklinget?
LAKME.
Manch‘ Liebespaar ist's, das sich naht
Auf jenem schattig dunklen Pfad,
Zu schöpfen aus der heil'gen Quelle;
Ihr Wasser klar und helle
Ist Liebenden geweiht.
Haben sie nur berührt mit den heißen Lippen
Dieselbe Schale, sind sie vereint auf immerdar,
Und gnädig jede Göttin schützet
Ihre Liebe vor Gefahr.

Chor wiederholt.

LAKME.
Es hätte sein Bedenken, gingen wir zu dieser Zeit
Alle Beid‘,
Doch zur geweihten Quelle nur allein eile ich,
Erwarte mich.
GERALD.
Es sei nach Deinem Willen;
Ach, Alles möcht‘ ich erfüllen,
Ja, so lieb‘ ich Dich!

Nr. 18. Scene.

FRIEDRICH.
Er lebt!
GERALD.
Ach!
FRIEDRICH.
Ich durchdrang die dicht'sten Gesträuche,
Schont‘ nicht Händ‘ und Gesicht. Da sah ich auf den Wiesen
Und auf dem hell schimmernden Rasen Spuren von Blut.
Ich glaubte Dich todt. Was thust Du hier?
GERALD.
Ich träume!
FRIEDRICH.
Wenn die Unsren weiter gehn?
GERALD.
Laß mich erinnern, was gescheh'n.
FRIEDRICH.
Das ganze Land hat sich gegen uns erhoben.
GERALD.
Ein Dolchstoß traf mich schwer, Lakme hat mich gerettet.
FRIEDRICH.
Die Tochter des Brahmanen?
GERALD.
Sie gab mich zurück dem Leben.
Hier am Ort, wo die Sinne mir floh'n, lieg‘ ich kraftlos,
Trunken von dem Zauber, den nur die Lieb‘ verleiht.
FRIEDRICH.
O, dieser Zauber, der währt nur kurze Zeit.
Dies Gefühl scheint groß und erhebend,
Es naht Dir feenhaft flüchtig, so wie es hier Brauch,
Dieses indische Kind so glühend vor Dir bebend,
Wie süßer schmeichelnder Frühlingshauch.
GERALD.
Nein, 's ist ein Herz, dessen Keim will erblüh'n,
Das voll Vertrau'n sich giebt und schamhaft möcht‘ entflieh'n.
FRIEDRICH.
Nun, dann verlasse sie, verlasse sie noch heut‘;
Spare Dir Gewissensbisse, wenn Du glaubst, daß sie Dich liebt;
Ein Kind der Art erträgt kein Seelenleid.
GERALD.
Ich will durch Zärtlichkeit im Wahne sie erhalten.
FRIEDRICH.
Und Deine Braut?
GERALD.
O, ich liege im Bann dämonischer Gewalten!
FRIEDRICH.
Und Deine Pflicht?
GERALD.
Meine Pflicht?
FRIEDRICH.
Und unser höchstes Gut: die Soldaten-Ehre,
Hast Du an sie nicht gedacht?
Morgen geht's in die Schlacht.
GERALD.
Schon morgen?!
FRIEDRICH.
In einer Stunde mußt Du folgen dem Heere.
GERALD.
Ich bin da!
FRIEDRICH.
Ich kannte Dich ja!
GERALD.
Lakme kommt, sie wird das geweihte Wasser bringen.
FRIEDRICH.
Magst Du sie seh'n! Nicht zweifl‘ ich mehr an dem Gelingen.
Ich harre Dein! Er ist gerettet!

Nr. 19. Duo und Chor.

LAKME.
Da geschlossen das Band,
All‘ die jungen Liebespaare, sie gingen Hand in Hand.
Daneben ich allein, doch mein Sinn war so trübe;
Ich ging, ach, mein Herz fand keine Ruh‘,
Bewegt von dem Sehnen nach Liebe.
Nun merke wohl und hör‘ mir zu:
Wenn aus derselben Schale man trank geweihtes Wasser,
Ist man vereint auf ewiglich –
Das bist nicht Du! Ach, bist nicht mehr Du!
Sonst war es Deine Seele,
Die aus jedem Worte sprach;
Nicht blickt Dein Aug‘ – was Dich auch quäle –
Wie sonst so heiß;
Auf Dein Gesicht senkte sich eine Wolke,
Es ward zu Eis!
GERALD.
Kannst Du, Kind, so grausam scherzen,
Für das ich Alles vergaß,
Trägst mich nicht mehr in Deinem Herzen?
LAKME.
Willst Du, daß Dein Geschick sei dem meinen vereint?
GERALD.
Was Du willst, will auch ich; will, Alles soll geschehen
Nach Deiner Laune; ich will Dein Lächeln wieder sehen!
LAKME.
Wer auch Dein Gott für allezeit,
Dess‘ Macht Du preisest im Staube,
Wie auch sich nennt Dein Glaube,
Du weißt, was bedeutet ein Eid!
So trink‘ aus dieser Schale – mag Dich Wahrheit erheben –
Trink‘! 's ist der Schwur, mich zu lieben für's Leben!
GERALD.
Himmel! Die Kam'raden!
LAKME.
Trink‘, und mir gehörst Du zu.
GERALD.
Lakme! –
LAKME.
Was zauderst Du?
Ach, er wendet sich zurücke,
Die Seele fliegt nach Haus,
Nur nach der Heimath lenkt er die Blicke.
's ist Alles aus!
GERALD.
Lakme, Lakme! Was ist Dir?
LAKME.
Den schönsten Traum hast Du gespendet,
Wie ihn der Himmel kann verleih'n,
Bleibe noch, bis er geendet,
Bleib‘ hier, fern der Welt, hier allein.
Hast süße Worte mich gelehret,
Wie ich bisher sie nicht gekannt,
Du hast mir Seligkeit gewähret
Durch die Lieb‘, die Dein Mund gestand.
GERALD.
Lakme, verscheuche Deine Klagen,
Nur der Freude sollst Du Dich weih'n.
Von Allem will ich los mich sagen,
Will leben nur für Dich allein!
LAKME.
Jetzt glaub‘ ich Dir! Daß Glück uns winke,
Sieh‘ hier die Schale, daraus ich trinke.
Nimm!
GERALD.
Für Dich, Lakme, in Ewigkeit!
LAKME.
Dies die Feier für alle Zeit!
GERALD.
Mag Alles untergehen,
Ich will allein nur sehen,
Daß Lakme an mich glaubt;
Daß uns're Lieb‘ sich kröne,
Und nimmer eine Thräne
Mir Deine Schönheit raubt.
LAKME.
Dies die Feier für alle Zeit!
Holder Traum, du sollst vergehen!
Welch‘ dunkler Schatten senkt sich auf mein Haupt!
Dies meine erste Thräne;
Daß Alle mein Tod versöhne,
Dein Herz ewig an mich glaubt.

Nr. 20. Finale.

NILAKANTHA.
Er ist's! Er mit Lakme hier!
LAKME.
Himmel! Mein Vater!
GERALD.
Stoßt zu!
NILAKANTHA.
Ha, Du stirbst!
GERALD.
Stoßt zu! Unbewaffnet steh‘ ich!
LAKME.
O, höret mich!
Wir Beide tranken heut aus geweihter Schale,
Geheiligt ist er Euch!
NILAKANTHA UND DIE BRAHMANEN.
Er!
LAKME.
Verlanget Ihr, Götter,
Daß sich ein Opfer beut,
So nehmt mich an, ich bin bereit.
GERALD.
Welch‘ ein Blitz in ihren Augen leuchtet!
NILAKANTHA.
Lakme! Meine Tochter!
LAKME.
Ihr ruft! Gern folge ich!
GERALD.
Großer Gott! Sie stirbt um mich!
LAKME.
Den schönsten Traum hast Du gespendet,
Wie ihn der Himmel kann verleih'n,
Bleibe noch, bis er geendet,
Bleib‘ hier, fern der Welt, hier allein,
Fern der Welt – –
GERALD.
Ach! Todt!!
NILAKANTHA.
Befreit von Qual und Beschwerde
Verläßt sie die Schmach dieser Erde,
Und sie trägt uns'ren Schmerz, unser Fleh'n
Hinauf zum Glanz der Himmelshöh'n!