Daniel-François-Esprit Auber

Gustav oder Der Maskenball

Große historische Oper in fünf Aufzügen

Personen
Gustav III., König von Schweden (Tenor)
Graf Ankarström, sein Vertrauter (Bariton)
Melanie, dessen Gattin (Sopran)
Graf Horn (Tenor),
Graf Ribbing (Baß), Verschworene
Der Kriegsminister (Baß)
Der Justizminister (Baß)
Oskar, des Königs Page (Sopran)
Arvedson, eine Wahrsagerin (Mezzosopran)
Christian, ein alter Matrose (Tenor)
Ein Bildhauer
Ein Maler
Ein Diener, des Grafen Ankarström (Bariton)
Ein Diener, der Gräfin Ankarström (Bariton)
Hofleute. Gesandte. Minister. Generale. Offiziere. Künstler. Gelehrte. Verschworene. Pagen. Lakaien. Personen der Pantomime. Masken. Tänzer. Tänzerinnen. Königsgarden. Königsgrenadiere. Matro sen. Landleute. Volk

Ort der Handlung: In und bei Stockholm.

Zeit: Am 15. und 16. März des Jahres 1792

Ouvertüre

Erster Aufzug

Nr. 1. Introduktion.

Audienzsaal im königlichen Schlosse zu Stockholm.

Ein großer Tisch mit Schreibzeug, Armstühle. Es ist früh am Morgen und Audienzzeit.

Erster Auftritt

Graf Horn. Graf Ribbing. Der Kriegsminister. Der Justizminister. Gesandte. Generale. Hofherren. Offiziere. Garden. Künstler. Gelehrte. Lakaien. Verschworene. Bürger. Bauern.

CHOR.
Erwache sanft zu einem heitern Morgen,
Geliebter König, des Volkes Freund;
Ein süßer Schlaf verscheuche deine Sorgen,
Denn für dein Wohl wachen wir vereint!
HORN, RIBBING UND DIE VERSCHWORENEN für sich.
Ha, tagte endlich ein blutiger Morgen,
Für dich, Tyrann, der Schweden Feind!
Noch bleibt der Plan unsrer Rache verborgen,
Zu deinem Sturz er uns vereint!
CHOR.
Erwache sanft zu einem heitern Morgen usw.
HORN leise zu Ribbing.
Uns warten läßt er hier, uns, die ersten im Reiche,
Ohne Rücksicht vermengt mit jedem andern Stand.
Bürgertroß, Militär, selbst Tänzer, kaum gekannt.
RIBBING leise entgegnend.
Damit er selbst sich uns als Künstler zeige,
Nach törichtem Ruhm er unablässig ringt;
Auch als Dichter die Schönen er fleißig besingt.
HORN UND RIBBING.
Ha, tagte endlich ein blutiger Morgen,
Für dich, Tyrann, der Schweden Feind!
Zu blutiger Tat sind wir vereint!
CHOR.
Zu deinem Wohl sind wir vereint,
Du unser Vater, unser Freund!

Zweiter Auftritt

Die Vorigen. Gustav. Oskar.

OSKAR.
Der König kommt.
CHOR.
Ja, er ist's, ja, er ist's!

Nr. 2. Rezitativ und Arie.

GUSTAV zu den Offizieren.
Ihr, mein Stolz, meine Freunde, getreue Waffenbrüder!

Zu den Abgeordneten des Bürger- und Bauernstandes, die ihm Bittschriften überreichen.

Meine Kinder, naht! Gebt, o gebt! Vaterpflicht!
Ist's, zu wehren der Not, zu trocknen eure Tränen!
Es ist mein seligster Beruf!

Zu dem Bildhauer.

Willkommen! Apollo bleibe immer dir gewogen,
Mein junger Künstler.

Zu dem Maler.

Und du, trefflicher Bildner,
Stolz des Vaterlandes, dein neues Meisterwerk
Führt zur Unsterblichkeit! – Kunstschätze,
Die eure Hand für mich geschaffen,
Bewahret mein Palast als seinen schönsten Schmuck;
Vom Lorbeerkranz, den euch die holden Musen winden,
Entwend‘ ich einen Zweig als meiner Krone schönste Zierde.

Arie.

Ihr, die ihr stets mein Leben
Beglückend nur umgeben,
Ihr Künste, all mein Streben
Zielt auf Vollendung hin.
Der Heimat euch erziehen
Will ich, und reich erblühen
Sollt ihr durch mein Bemühen,
Denn Kunst war meine Bildnerin.

Für sich.

Und du, die ich im Herzen trage,
Der auf ewig es gehört!
Weh mir! – Melanie, weh mir!
Dich fliehen Ehr‘ und Pflicht begehrt.
Mein ganzes Glück seh‘ ich zerstört!
Ihr, die ihr stets mein Leben usw.
KRIEGSMINISTER.
Mein König!
GUSTAV.
Was wünschen Sie?
KRIEGSMINISTER.
Der Bedarf unseres Heeres –
JUSTIZMINISTER.
Die Prüfung der Gesetze –
OSKAR.
Und der morgende Ball –
GUSTAV.
Ist für dich, junges Herrchen, wohl eine wicht'ge Sache?
Was noch mehr?
JUSTIZMINISTER überreicht eine offene Schrift.
Ihr Befehl ward überall vollstreckt.
GUSTAV liest.
Hiermit erneuern wir das Privilegium,
Das Gustav Wasa unserm Volke gab.

Er unterschreibt.

Meiner Untertanen Liebe
Sichert mich vor Hochverrat.
Was noch?
KRIEGSMINISTER überreicht ihm gleichfalls eine Schrift.
GUSTAV sie schnell überblickend.
Unsrer Schiffe Rüstung ist beschafft,
Auch der Bedarf für die Armee.
Das Glück wird, minder eifersüchtig,
An den Ufern der Newa rächen
Karls des Zwölften Geschick
Und die Schlacht bei Pultawa.
Gut so, ich unterschreibe.

Er unterschreibt.

OSKAR reicht dem König eine Liste.
Die Liste unsrer Damen;
Der schönsten von Stockholm.
GUSTAV.
Das ist, was ich verlange.

Er sieht die Liste durch.

Die Herzogin von Gothland und Holbergs schöne Tochter.
Die Gräfin Ankarström: Melanie!

Er steht auf.

OSKAR für sich.
Sonderbar,
Ich glaub‘ seit ein'ger Zeit ganz deutlich zu bemerken,
Daß bei diesem Namen der König errötet.
GUSTAV.
Ein auserlesner Maskenball!
Trachten, Glanz und Pracht aller Art.
Vortrefflich! Vortrefflich!

Für sich.

Dort werd‘ ich die Geliebte finden,
Sie verherrlicht das Fest allein!
O möchte schnell die Zeit entschwinden,
Ich bald in ihrer Nähe sein.
HORN UND RIBBING für sich.
Bald tagt für dich der letzte heitre Morgen,
Tyrann, des Vaterlandes ärgster Feind!
Noch bleibt der Plan zur Rache dir verborgen,
Der uns zu deinem Sturz vereint.
CHOR unter sich.
Des Reiches Wohl und die Regentensorgen
Beschäft'gen jetzt sein Herz allein;
Wir wollen gehn, damit den schönen Morgen
Er dem Glück des Volkes möge weihn.
Wir gehn und lassen ihn allein!
Stören ihn nicht, lassen ihn allein!
KÖNIG.
Man lasse mich allein!

Alle gehen ab.

Dritter Auftritt

Gustav. Oskar. Ankarström.

OSKAR erblickt Ankarström, geht auf ihn zu.
Der König will zwar niemand sehen,
Doch dem Grafen Ankarström, dem königlichen Freund,
Gilt der Befehl wohl nicht.

Er geht ab.

Vierter Auftritt

Gustav. Ankarström.

ANKARSTRÖM für sich.
Düster blickt er vor sich hin.
GUSTAV in Träumereien versunken.
Nur du bist all mein Glück,
Melanie! Melanie!

Er sieht Ankarström.

O Gott! Ihr Gatte hier?
ANKARSTRÖM.
Welchen Wunsch kann mein König noch im stillen hegen,
Wenn des Zaren Reich, das mit Krieg er bedrohet,
Wenn ganz Europa staunt ob seinem Heldenmut?
GUSTAV.
Für den Ruhm allzuviel, doch zu wenig für das Glück.

Nr. 3. Duett.

ANKARSTRÖM.
Hoher Herr, mein erhabner König!
Der mir Vertraun so oft gezeigt,
Darf ich nicht auch den Kummer teilen,
Der insgeheim Ihr Herz beschleicht.
GUSTAV.
Ja, befangen von trüber Ahnung,
Von geheimem, nagendem Schmerz,
Verzehrt ein schleichend Gift mein Leben
Und seine Bürde bricht mir das Herz.
ANKARSTRÖM.
Ich flehe, vertrauen Sie mir!
GUSTAV.
Nein, ich darf nicht, erröten müßt‘ ich vor dir.
ANKARSTRÖM.
Wohlan, obgleich ich zu viel wage,
Es meinem König zu gestehn,
Des Schmerzes Grund glaub‘ ich zu kennen.
GUSTAV.
Du kennst -?
ANKARSTRÖM.
Ja, ich kenne –
GUSTAV.
Mein Vergehn?

Für sich.

Muß nicht ein Herz erbeben,
Das heil'ge Bande brach?
Ihn, der mir treu ergeben,
Lohnt Undank nun und Schmach!
ANKARSTRÖM für sich.
Wohl ist mir zu vergeben,
Wenn ich das Schweigen brach;
Nicht achtend mehr das Leben.
Straf‘ ich Verrat und Schmach. –
So erfahren Sie denn, was mir bekannt geworden:
Es haben Ihre Freunde, Ihre Schmeichler,
Sich durch meutrische Schwüre verbunden, Sie zu morden.
GUSTAV.
Immerhin, mögen sie.
ANKARSTRÖM.
Ich erfuhr ihren Plan,
Kenn‘ der Verschwornen Häupter.
GUSTAV für sich.
Freier atme ich wieder!
ANKARSTRÖM.
Zu meines Königs Heil schrieb ich die Namen nieder.

Er reicht dem König eine Schrift.

GUSTAV weist sie zurück.
Verschweig sie mir.
ANKARSTRÖM.
Ich habe meine Pflicht getan.
GUSTAV.
Unbekannt bleibe mir, was ich nur strafen kann.

Für sich.

Meiner Liebe entsagen,
Erheischt der Freundschaft Pflicht;
Ach, daß die Qual zu tragen
Mir noch der Mut gebricht!
ANKARSTRÖM.
Nein, wer verletzt der Ehre Pflicht,
Verdient der Edlen Mitleid nicht!
Wer solch Vergehn mag wagen,
Verdienet Mitleid nicht!
GUSTAV.
Laß ungestraft ein Verbrechen,
Welches dunkle Nacht umhüllt!
GUSTAV UND ANKARSTRÖM zusammen.
Auf, zu glänzenden Siegen!
Auf, den Zar zu bekriegen!
Gegen ihn streite meines / Ihres Heeres ganze Macht,
Sterbe ich, / Sterben wir, so sei es ruhmgekrönt in heißer Schlacht!
Nur als Sieger finde mich / uns des Todes ew'ge Nacht!
ANKARSTRÖM.
Doch diese Meuterer, deren Dolch Sie bedrohet,
Wie, ohne sie zu strafen, zerstört man ihren Plan?
GUSTAV.
Daß ich ihn kenne, sag man ihnen,
So geben sie ihn auf.
ANKARSTRÖM.
Und begehn neue Frevel!
GUSTAV.
Ich weiß, es ist mein Tod der Verbündeten Ziel,
Doch vor des Mörders Dolch der Furcht zu geben Raum,
Ist doppelte Qual; deshalb trotz‘ ich den Meutrern,
Scheue keine Gefahr und geh‘ dreist ihr entgegen.
Vielleicht bereuen sie; denn es zittert die Hand
Des Verbrechers beim Mord seines Königs und Herrn.

Fünfter Auftritt

Die Vorigen. Oskar.

OSKAR.
Der Intendant erwartet Befehle und bittet um Gehör.
GUSTAV.
Mein Gustav Wasa ist wohl in der Probe verunglückt?
OSKAR.
Auch bittet der Ballettmeister um die höchste Gegenwart,
Die ihm vor allem nötig.
GUSTAV.
Auszugehn untersagt für jetzt mir mein Beruf,
Doch soll sich das Ballett sogleich hierher begeben;
Der große Opernsaal, den ich erst neu erbaut,
Schließt dem Palast sich an, daher läßt sich's vereinen.
Mit Langerweile sei der Kunstgenuß gepaart.
OSKAR ist bei den letzten Worten abgegangen und führt einige Hofherren, den Intendanten und den Ballettmeister ein.
DAS CORPS DE BALLETT als dalekarlische Bauern und Bäuerinnen gekleidet, folgt ihnen.

Sechster Auftritt

Die Vorigen. Hofherren. Intendant. Ballettmeister. Corps de Ballett. Dann der Darsteller des Gustav Wasa. Dann die dalekarlische Hochzeit. Dann Bergleute.

GUSTAV.
Versammelt sind die Tänzer.
Die Probe mag beginnen.

Zu Ankarström.

Ich öffne unbedingt der Kritik freies Feld,
Des Königs Macht erlischt, wo schöne Künste herrschen.
In Dalekarlien befinden wir uns jetzt,
Wo Gustav Wasa einst, dem Tode kaum entronnen,
Eine Freistatt gefunden.
ANKARSTRÖM.
Sein Vaterland zu retten,
Wie mein König.
GUSTAV.
Genug. Nun beginnet, ich bitte.

Pantomime: Der Traum.

GUSTAV WASA erscheint in der Kleidung eines dalekarlischen Landmanns; von Müdigkeit über mannt, vermag er sich kaum aufrecht zu erhalten; er sinkt auf die Rasenbank und entschlummert.
GUSTAV.
Er sinkt ermattet nieder – und entschlummert –
Beglückende Träume und Schwedens Genius
Verkünden seinem Reiche in Zukunft Glanz und Heil.
WASA wird während einer sanften Musik von mimischen Gruppen glücklicher Träume umringt, welche auf den eben erscheinenden Genius Schwedens hindeuten, der ihm den Sieg über seine Feinde verspricht.
GUSTAV steht auf und wendet sich an den Ballettmeister.
Nein, ich hatte diese Szene ganz anders mir gedacht.

Er gibt andere Stellungen an, läßt andere Gruppen bilden usw.

Die Träume verschwinden.

Tanz der dalekarlischen Bauern.

GUSTAV. Eine dalekarlische Hochzeit!
WASA erwacht.
DIE LANDLEUTE laden ihn ein, teil an ihrem Mahle zu nehmen.
WASA setzt sich mit ihnen zu Tische.

Tanz.

DIE BERGLEUTE treten auf.
EINER erkennt Gustav Wasa; er macht seine Kameraden mit dieser Entdeckung bekannt, welche im Ausbruche der Freude vor Wasa auf die Knie sinken, ihn für ihr Oberhaupt erkennen, und ihm zu folgen und zu verteidigen schwören.
ANKARSTRÖM steht auf und bezeigt laut seinen Beifall.
LAKAIEN öffnen die Türen und nehmen dort Aufstellung.
DIE GARDEN sind wie vorher draußen im Gange sichtbar.
GUSTAV gibt einen Wink. Befehle zu vollziehen! Die Tänzer sind entlassen!
DER INTENDANT, DER BALLETTMEISTER, DAS CORPS DE BALLETT gehen rasch ab. Der ganze Hofstaat tritt wieder ein.

Siebenter Auftritt

Gustav. Oskar. Ankarström. Der Hofstaat.

JUSTIZMINISTER unterbreitet dem König einige Schriftstücke zur Unterschrift.
GUSTAV unterzeichnet; beim dritten Schriftstück.
Doch was seh‘ ich! Ein Verbannungsakt?
Was hat die arme Frau verbrochen?
Ist sie dem Staat gefährlich?
JUSTIZMINISTER.
Sie mehrt als Wahrsagerin
Noch des Volkes Aberglauben und heißt Arvedson.
OSKAR.
Arvedson sagen Sie! die berühmte Sibylle?
Die alle hier am Hof, gleich den Bürgern, besuchen?
JUSTIZMINISTER.
Am Strande von Stockholm gelegen ist ihr Haus,
Lang mir schon bekannt als Zufluchtsort verdächtiger Personen.
Ich verbanne Arvedson.
OSKAR.
Und ich verteid'ge sie.

Nr. 4. Ariette und Finale.

Sie weissagt aus den Sternen
Das menschliche Geschick,
Aus ihren Karten lernen
Wir deuten Leid und Glück.
Was Mädchen heimlich schreiben
Und holde Damen treiben,
Weiß alles sie aufs Haar;
Im stillen zwar, doch aufs Haar.
Man muß die Zauberin befragen;
Sie weiß uns wahrzusagen,
Und dient für Geld sogleich der ganzen Welt.
O kein Wunder mehr! Ihr hilft Luzifer!
GUSTAV, HORN, RIBBING UND CHOR.
Fürwahr, rätselhaft! Woher diese Kraft?
Man fragt noch: woher? Ihr hilft Luzifer!
OSKAR.
Bei ihr ist auch zu finden
Der seltne Trank fortan,
Der Herzen ewig binden,
Sie ewig trennen kann.
Verliebten, die verzweifeln,
Gehaßten Eheteufeln verleiht sie ihren Schutz,
Zarten Herzen zum Trutz.
Drum eile man, die Hexe zu befragen,
Sie weiß uns wahrzusagen
Und dient für Geld sogleich der ganzen Welt.
O kein Wunder mehr! Ihr hilft Luzifer!
GUSTAV, HORN, RIBBING UND CHOR.
Fürwahr, rätselhaft! Woher diese Kraft?
Man fragt noch: woher? Ihr hilft Luzifer!
JUSTIZMINISTER.
Verbannen muß man sie.
OSKAR.
Ei, nicht doch, ihr verzeihen.
GUSTAV.
Hier ist es schwierig zu entscheiden;
Doch um gerecht und mild zu sein,
Hab‘ ein Mittel ich erdacht,
Der Klugheit angemessen.
ALLE.
Welches denn?
GUSTAV.
Unter fremder Kleidung finden heute noch wir alle
Uns bei der Sibylle ein.
ANKARSTRÖM.
Sie wollten selbst -?
GUSTAV.
Und weshalb nicht? Nach meiner Überzeugung
Muß ein König stets mit eignen Augen sehen.
OSKAR.
Ha, der Gedanke ist des Monarchen wert!
GUSTAV.
Ein wahres Wort, Erfahrung hat's bewährt.

Finale.

ALLE ohne Ankarström.
Torheit wird fröhlich uns vereinen,
Niemand darf sich zu kennen scheinen;
Zwangloser Scherz erfreut das Herz,
Rang und Stand bleiben unbekannt.
ANKARSTRÖM für sich.
Ha, die so unbefangen scheinen,
Wird Verrat nur allzubald vereinen.
Tödlicher Schmerz erfüllt mein Herz,
Fremdes Gewand birgt Mörderhand!
HORN heimlich zu Ribbing.
Ha, könnte dies Ereignis zum Ziele uns führen,
Der Zufall scheint mir günstig!
RIBBING ebenso zu Horn.
Schnell vollbracht ist die Tat.
ANKARSTRÖM leise zum König.
Nicht zu gehen ist mein Rat.
GUSTAV. leise.
Mich belustigt der Scherz.
ANKARSTRÖM.
Er kann zum Unheil führen.
HORN UND RIBBING halblaut zueinander.
Ankarström wittert stets Verrat.
ANKARSTRÖM der es gehört, zu beiden.
Wobei Empörer nur verlieren.

Für sich.

Sie insgeheim zu bewachen, zähl‘ ich mir zur Pflicht,
Von Soldaten umringt, glückt ihre Greu'ltat nicht.
GUSTAV zu den Hofherren.
Auf! daß wir ungesehn Dame und Ort erreichen,
Muß durch die Stadt behutsam schleichen
Ein jeder allein.

Zu Oskar.

Du sorgst für alles; tummle dich,
Kauf zuerst, wo du willst, ein Matrosenkleid für mich.
OSKAR.
Darf ich kommen?
GUSTAV.
Allerdings. – Genug, was auch mag geschehen,
Schlag zwei Uhr finden wir uns ein.
OSKAR.
Sie werden pünktlich sein.
GUSTAV.
Wer mir getreu, läßt bei der Zauberin sich sehen.
ALLE außer Ankarström.
Torheit wird fröhlich uns vereinen,
Jeder muß verkappt dort erscheinen!
Heitrer Scherz erfreut das Herz,
Kein Rang und Stand wird dort bekannt!
ANKARSTRÖM der die Verschworenen unausgesetzt beobachtet hat, für sich.
Falschheit läßt fröhlich sie erscheinen,
Doch wird Verrat sie bald vereinen!
Tödlicher Schmerz erfüllt mein Herz,
Ein fremd Gewand birgt Mörderhand!
Ach, welch ein Schmerz erfüllt mein Herz,
Mörderhand bedroht dies Land!
ALLE wenden sich zum Abgang, woher sie kamen.
Zweiter Aufzug

Nr. 5. Zwischenakt. Strophengesang. Chor und Szene.

Der ärmliche Wohnraum der Wahrsagerin Arvedson.

Ein breites Fenster mit Vorhängen, mit Aussicht nach dem Hafen von Stockholm. Die Eingangstür mit einem Riegel. Zwischen dem Fenster und dem Eingang eine Lade. Eine kleine Geheimtür nach der Straße. Ein großer Kamin mit Rauchfang und einem Herd, worauf über brennendem Feuer ein Dreifuß mit einem dampfenden Kessel; Gläser, Kugeln, Löffel, Büchsen, Flaschen, Pflanzen- und Kräuterbüschel usw. Ein Seitenraum mit Vorhängen an der Tür; daneben ein Schrank. Es ist Tag.

Erster Auftritt

Die Wahrsagerin Arvedson. Der Matrose Christian. Volk. Matrosen. Landleute.

ARVEDSON wirft Pflanzen und Kräuter in den Kessel, streckt die Rechte gegen das dampfende Gefäß aus.
O Belzebub! Beherrscher finstrer Mächte,
Sei heute doch ein treuer Helfer mir.

Sie wirft während der Zwischensätze des Chores Kräuter, Kugeln usw. in den Kessel, rührt mit dem Löffel um, beschreibt Kreise mit dem Zauberstab.

VOLKSCHOR leise unter sich.
Nur still, nur still, wir müssen schweigen,
Bescheiden uns und folgsam zeigen.
Bleibt ruhig stehn und stört sie nicht,
Denn Belzebub jetzt zu ihr spricht.
ARVEDSON beschwörend wie vorher.
Vor deinem Anblick bebt selbst der Gerechte,
Nur ich allein erbebe nicht vor dir!
Mein Gebieter! Furchtbarer Meister,
Dessen Macht ich zum Heil nie beschwor,
Aus dem Kreis finstrer Geister
Steige flammend empor!

Dämpfe entsteigen dem Kessel.

GUSTAV in unscheinbarer Matrosenkleidung.

Zweiter Auftritt

Die Vorigen. Gustav.

GUSTAV für sich.
Pünktlich stell‘ ich mich ein,
Scheine der erste zu sein. – Laßt sehn!
ARVEDSON.
Fürst ew'ger Nacht, geheimnisvolles Wesen,
Dir zugetan vertrau‘ ich deiner Macht.
VOLKSCHOR.
Nur still, nur still, wir müssen schweigen usw.
ARVEDSON.
Sprich: weshalb hast zur Qual du mich erlesen,
All meiner wicht'gen Dienste nicht gedacht?
Mein Gebieter! Furchtbarer Meister,
Dessen Macht ich zum Heil nie beschwor,
Aus dem Kreis finstrer Geister
Steige flammend empor!
Er gibt Antwort – hat's vernommen,
Belzebub zürnet nicht;
Er verleiht mir neue Kraft!

Sie schöpft mit einem Löffel, reibt sich die Hände und Stirne mit dem Dekokt, den sie im Kessel bereitet.

VOLKSCHOR.
Ehret ihre seltnen Gaben,
Schaut, welche Wunder sie schafft;
Alles ist durch sie zu haben,
Reichtum, Glück und Jugendkraft.
ARVEDSON gebieterisch.
Stille!
CHOR.
Geld und Gut und Jugendkraft!
ARVEDSON.
Still, sag‘ ich, Ruh‘ geschafft!
CHRISTIAN UND DER VOLKSCHOR treten nahe heran, der Wahrsagerin Geld und die Hände hinhaltend.
Jetzt komm‘ ich an die Reih‘!
VOLKSCHOR.
Hier hast du Geld, prophezei!
CHRISTIAN.
Platz da, ihr Herren! Wißt, der erste bin ich!
Ich, Christian, Matrose des Königs,
Will kennen mein Geschick und den Lohn meiner Treue,
Denn wie oft wagte ich für den König mein Leben!
Nunmehr sind's achtzehn Jahre, daß ich für ihn focht,
Nichts ward mir zum Lohn –
ARVEDSON.
Nichts?
CHRISTIAN.
Als schlechtgeheilte Wunden!
Wird's besser einst mit mir?
ARVEDSON.
Reiche mir deine Hand.
CHRISTIAN.
Ich zahle gut, wenn's besser mit mir wird.

Er reicht ihr die Rechte.

GUSTAV für sich.
Braver Mann.
ARVEDSON Christians Hand untersuchend.
Durch des Monarchen Huld erwirbst du großen Lohn,
Eine höhre Stelle, eine Summe Gold.
GUSTAV für sich.
Die Wahrheit spreche sie!

Er zieht aus der Tasche eine Rolle Gold, worauf er mit Bleistift einige Worte schreibt; dann drängt er sich durch die Menge an Christian heran, steckt ihm die Rolle heimlich in die Tasche und begibt sich unauffällig wieder an seinen früheren Platz.

CHRISTIAN.
Frau Hexe, danke schön!

Für sich.

Für mich, für Frau und Kind welche fröhliche Nachricht!

Zur Arvedson.

Der Preis!
ARVEDSON.
Zwei Reichstaler.
CHRISTIAN.
Sehr teuer!

Er sucht in seinen Taschen nach Geld.

Dazu wird meine Löhnung wohl nicht reichen.

Er zieht die Goldrolle hervor und betrachtet sie mit Erstaunen.

Oho! Was find‘ ich da?

Er liest.

»Der König Gustav an seinen Kamraden,
Den Offizier Christian.« Wie, Offizier – und Gold?
O Wunder! welch ein Glück! Die Sibylle hat recht.
Nun preis‘ ich überall ihre Macht, ihr Geschlecht!
ARVEDSON.
Ja, ehret hoch meine Gaben,
Die Macht, welche alles schafft;
Was ihr wollt, ist hier zu haben,
Reichtum, Glück und Jugendkraft!
GUSTAV.
Ja, ja, ehrt nur ihre Gaben,
Und preist ihre Wunderkraft;
Leicht ist so das Gold zu haben,
Wenn es euch ein Dritter schafft.
CHRISTIAN UND VOLKSCHOR.
Ehret, ehret ihre seltnen Gaben,
Schaut, welche Wunder sie schafft;
Alles ist durch sie zu haben,
Reichtum, Glück und Jugendkraft!

Klopfen von außen an der geheimen Tür.

GUSTAV.
Man hat geklopft!
ARVEDSON für sich.
Gar oft durch die geheime Türe,
Durch welche ich nur hohe Gäste führe,
Erscheinen sonst bekannt,
Personen ungenannt.

Sie öffnet.

Dritter Auftritt

Die Vorigen. Diener Melanies.

GUSTAV für sich.
Was seh‘ ich, ein Diener Ankarströms,
Der sich sorgsam verhüllt.
DIENER leise zur Arvedson.
Mich sendet meine gnäd'ge Frau zu Ihnen.
GUSTAV.
Es sendet ihn die Gräfin.
DIENER.
Ihr Wagen hält vor der Tür.
ARVEDSON.
Weshalb?
DIENER.
Sie wünscht zu Rate Sie zu ziehn,
Doch ganz allein.
GUSTAV.
Gott!
ARVEDSON.
Sonder Angst
Und Furcht darf sie zu mir sich wagen,
Sorgen werd‘ ich dafür, daß uns niemand belauscht.
DIENER geht ab.
GUSTAV für sich.
Sanft und gut, schenkt oft sie ihr Vertrauen
Unwürd'gen; ach, ich kenne sie! Doch was
Kann sie vermögen zu solch einem Schritt?

Vierter Auftritt

Die Vorigen ohne den Diener.

ARVEDSON.
Euch allen hier der Zukunft Dunkel zu enthüllen,
Muß ich Geister der Unterwelt zu Rate ziehn;
Kehrt späterhin zurück, denn allein will ich bleiben.
CHRISTIAN UND VOLKSCHOR.
Ehret, ehret ihre seltnen Gaben usw.

Alle gehen ab.

GUSTAV folgt anfangs, schleicht sich aber hinter Arvedson weg in den Seitenraum, wo er durch die halb geöffnete Tür und einem hinter derselben befindlichen Vorhang versteckt bleibt.
ARVEDSON hat die Tür verriegelt, die Fenstervorhänge geschlossen und öffnet gleich darauf die kleine Geheimtür, um Melanie einzulassen.

Fünfter Auftritt

Melanie. Arvedson. Gustav versteckt. Dann Chor außerhalb.

ARVEDSON.
Nur Herz gefaßt. Was kann zu mir dich führen?
MELANIE.
Da deiner Wunderkraft, wie man sagt, nichts verborgen,
So weißt du sicherlich, was zu kommen mich bewog.

Nr. 6. Terzett.

ARVEDSON.
Nun, es gilt den Versuch, ob mein Ruf sich bewährt.
Deutlich les‘ ich in deinen Zügen,
Daß längst zum Hofe du gehört,
Und der Schmerz, dem du mußt erliegen,
Liebe heißt, die heimlich du genährt.
MELANIE.
O schweig! sonst bin ich entehrt!
ARVEDSON.
Mich kann nichts trügen.
GUSTAV öffnet den Vorhang, leise.
Ob sie mich liebt?
ARVEDSON.
Genug, ende jetzt.
GUSTAV.
Zugehört.
MELANIE.
Durch Stand und Würde hoch erhoben
Ist der Mann, der mir mein Herz geraubt,
Doch hab‘ ich heilig mir gelobet,
Ihn zu fliehn, weil's unerlaubt.
ARVEDSON.
So liebst du ihn?
MELANIE.
Ja, willenlos;
Ihn zu vergessen ich beschloß.
Will nicht untergehn, treu bestehn.

Für sich.

O Herr der Welt, der du geprüft mein Herz!
Leihe mir Kraft und lindre meinen Schmerz!
Daß wiederkehret mein frommer Mut,
Denn sonst verzehret mich innre Glut.
Mit dieser Liebe verbanne ich
Strafbare Triebe, sie töten mich.
ARVEDSON für sich.
Weh, Arme, dir! wenn du geprüft dein Herz!
Nicht wird dir Kraft, zu lindern deinen Schmerz!
Nicht wiederkehret dein frommer Mut,
Denn schon verzehret dich innre Glut!
Solch eine Liebe ergießet sich
In Flammentriebe, die töten dich.
GUSTAV.
O Herr der Welt, der du geprüft ihr Herz!
Leihe ihr Kraft, zu lindern ihren Schmerz!
Daß wiederkehret der Liebe Glut,
Ach, sie gewähret das höchste Gut!
Verbotne Triebe umgarnen mich;
Glühende Liebe, ach, tötet mich!
ARVEDSON.
Ich weiß einen Trank zu bereiten von unschätzbarer Kraft.
MELANIE gibt der Sibylle eine Börse.
Mit Gold wieg‘ ich ihn auf, wenn er mir Ruh‘ und Frieden schafft.
ARVEDSON.
Doch Mut gehört dazu, den Schatz zu erbeuten.
MELANIE.
Ich habe Mut genug!
ARVEDSON.
Außerhalb unsrer Mauern, an einem Schreckensorte
Voll gräßlicher Gestalten und dem Volke ein Greu'l,
Wo die Strafen des Todes, nach richterlichem Worte,
Trifft des Verbrechers Haupt durchs Beil,
Und wo in Sturmesbrausen die schlotternden Gebeine
Der Sünder sich berühren in grausigem Vereine,
Ergrünt der Heilung Kraut, das du allein um Mitternacht –
MELANIE.
Ha, nimmer wag‘ ich es!
ARVEDSON.
Erzittre nicht, mein Auge wacht.
MELANIE.
Wohlan! und was beginnen?
ARVEDSON.
Ganz allein, meiner Macht ergeben,
Pflückst du zu jener Stunde dies magische Kraut,
Das nur am Hochgericht auf Felsen blüht.
MELANIE.
O Gott!
ARVEDSON.
Du bebst vor Furcht und Schrecken?
MELANIE.
Ja, doch der Gattin Pflicht wird ihren Mut erwecken.
Genug!
GUSTAV.
Ich folge ihr dahin!
MELANIE.
Es sei gewagt!
GUSTAV.
Der Liebe Wonne tagt!
MELANIE.
O Herr der Welt, der du geprüft mein Herz usw.
Den Gang des Schreckens wagen,
Nicht achtend die Gefahr,
Will ich mutvoll – ertragen,
Was auferlegt mir war.
ARVEDSON.
Weh, Arme, dir! wenn du geprüft dein Herz usw.
Den Gang des Schreckens wagen,
Nicht achtend die Gefahr;
Ja, mutvoll mußt du tragen,
Was auferlegt dir war.
GUSTAV.
O Herr der Welt, der du geprüft ihr Herz usw.
Wie kann ich dir entsagen,
Die längst mein Alles war?
Nein, ich kann den Schmerz nicht tragen,
Nicht achten die Gefahr!

Starke Schläge an der Tür.

Nr. 7. Chor und Rondo.

CHOR DER VERSCHWORENEN UND HOFHERREN außerhalb.
Tochter der Nacht, finstre Tochter der Nacht,
Hallo, aufgemacht, deine Wunder vollbracht!
ARVEDSON.
Jetzt fort! jetzt fort!
MELANIE.
Leb wohl und halte dein Versprechen!

Sie verschwindet in der Geheimtür.

ARVEDSON eilt nach der Eingangstür, schiebt den Riegel zurück und öffnet.

Sechster Auftritt

Arvedson. Gustav. Oskar. Horn. Ribbing. Verschworene. Hofherren, alle verkleidet.

CHOR.
Fürstin der Nacht, halt dein Versprechen,
Sage wahr einem jeden hier.
Täusche uns nicht, fürchterlich rächen
Erwiesnen Betrug wir an dir!
OSKAR.
Doch wo mag wohl der König so lange verweilen?

Er bemerkt ihn, leise und freudig.

Er ist's!
GUSTAV.
Sei still! Niemand soll mich erkennen!

Er mischt sich unter die andern und wendet sich zur Arvedson.

Alte Sibylle,
Schnell mir enthülle
Durch Luzifer, welch Geschick harret mein.
Rede mir stehe,
Was auch geschehe,
Will es verlachen bei schäumendem Wein!
Sage mir an,
Ob denn mein Liebchen auch herzlich mich liebt?
Treu sich mir ergibt?
Der Ozean,
Samt meinem Liebchen, eh's Ziel ich erreicht,
Täuschet mich vielleicht.
Doch acht‘ ich nicht der wilden Flut,
Der Hölle selbst trotzt mein Mut!
Antworte, sprich, erfahren hier
Des Schicksals Schluß wollen wir!
CHOR.
Ja, beim Satan, sprich!
Erforschen hier
Des Geschickes Tücke wollen wir
Und achten nicht der wilden Flut,
Der Hölle selbst trotzt unser Mut!
Antworte, sprich, erfahren hier
Des Schicksals Schluß wollen wir!
GUSTAV.
Wenn Wetter stürmen,
Wellen sich türmen,
Rollender Donner die Wolken durchkracht,
Wird uns nicht bange,
Und beim Gesange
Fröhlicher Lieder entweichet die Nacht.
Kein Vaterland tilgt in der Ferne
Des Seefahrers Not,
Wählt er nicht den Tod.
Zum Grabe leuchten ihm die Sterne;
Sein Liebchen, o weh!
Folgt ihm nicht zur See!
Drum schreckt ihn nicht die wilde Flut,
Der Hölle selbst trotzt sein Mut!
Antworte, sprich, erfahren hier
Des Schicksals Schluß wollen wir.
CHOR.
Ja, beim Satan, sprich! usw.
Kannst du gewähren,
Was wir begehren,
Nun, so bekunde sofort deine Macht;
Bannst du die Zweifel,
Ist dir beim Teufel
Auch noch ein Küßchen als Lohn zugedacht.
Liebe gebeut, sei ihr ergeben,
Verdiene den Lohn,
Sieh, er winkt dir schon;
Den Seemann schreckt kein Widerstreben,
Er kennt Satans List,
Der dein Buhle ist.
Drum lacht er auch der wilden Flut,
Der Hölle selbst trotzt sein Mut!
Antworte, sprich, erfahren hier
Des Schicksals Schluß wollen wir!

Nr. 8. Szene und Ensemble.

ARVEDSON.
Schweigt! denn wer es auch sei, der kühn und unverschämt
In dies Heiligtum sich drängt, meiner Macht frevelnd spottet,
Das Schicksal, welches ihr mich zu enthüllen zwingt,
Zeigt euch vielleicht hier Dinge, vor denen ihr erbebt!
HORN.
Wer will zuerst sein Heil versuchen?
OSKAR.
Ich.
MEHRERE.
Nein, ich! Nein, ich!
GUSTAV.
Diese Ehre gönnt mir.
OSKAR für sich.
Dem König sie gebühr‘.
ARVEDSON nimmt Gustavs rechte Hand und betrachtet aufmerksam deren Linien.
Wenn meine Wissenschaft nicht trüget,
Hat die Hand oft den Degen in der Schlacht geführt.
OSKAR.
Sie trüget nicht.
GUSTAV.
Wer spricht?

Zur Arvedson.

Nur weiter.
ARVEDSON.
Weh uns! Entferne dich und frage mehr mich nicht.
GUSTAV.
Ich bestehe darauf. Fahre fort, ich bitte!
CHOR.
So sprich, so sprich!
ARVEDSON.
Wohlan! nahe ist dir der Tod.
GUSTAV.
Wenn auf der Siegesbahn, so ist er mir willkommen!
ARVEDSON.
Mein Held! ein solches Glück hofft dein Ehrgeiz umsonst.
Denn du stirbst durch Meuchelmord!
ALLE.
O Gott!

Allgemeine Bestürzung.

GUSTAV.
Keine üble Erfindung!
HORN UND RIBBING.
Unerhört!
ARVEDSON.
Und weshalb erbebt ihr alle mehr
Vor diesem furchtbaren Worte als er?
Ja, hört die Schreckenskunde, hört sie aus meinem Munde!
Verräter erbebt! Der Hölle Meister lebt!
GUSTAV.
Lächerlich ist die Kunde aus verdächtigem Munde!
Von Gefahren umschwebt, fühl‘ ich neu mich belebt!
OSKAR.
Welche schreckliche Kunde aus prophetischem Munde!
Wer hat Gleiches erlebt? Wie das Herz mir erbebt?
HOFHERREN.
Ha! welch schreckliche Kunde aus prophetischem Munde!
Wer hat solch Greu'l erlebt, dem das Herz widerstrebt!
HORN UND RIBBING.
Weh dem höllischen Bunde, der ihm gab diese Kunde!
Ha, so lange er lebt, wird nicht Ruhe erstrebt!
VERSCHWORENE.
Wehe dem Höllenbunde, der ihm gab diese Kunde!
So lange er lebt, Furcht im Herzen mir bebt!
GUSTAV.
Vollende deine Prophezeiung,
Und nenne allen hier den frechen Meuchelmörder.
ARVEDSON.
Der erste ist es, welchem du noch heut die Hand
Vertraulich reichen wirst.
GUSTAV.
Fürwahr, ein neues Wunder!

Er geht im Kreise umher und bietet ihnen die Hand.

ALLE ziehen sich ehrfurchtsvoll zurück.
GUSTAV.
Laßt sehn, ihr Herrn, laßt sehn, wer wird von euch,
Wer wird das Orakel wohl Lügen strafen?
GRAF ANKARSTRÖM kommt in Verkleidung wie die andern durch die Eingangstür.

Siebenter Auftritt

Die Vorigen. Ankarström.

GUSTAV eilt auf ihn zu und reicht ihm freundlich die Hand.
Da bist du ja! O komm, du bist der letzte hier!
ALLE.
Ankarström!
RIBBING aufatmend.
Neues Leben –
HORN.
Hat der Zufall dir gegeben.
ARVEDSON.
Ihr glaubt noch nicht, was ihr erfahren,
Und wähnet euch getäuscht durch mich.
Doch wollt ihr großes Leid euch sparen,
So weih der Hölle keiner sich!
GUSTAV.
Obgleich in ihrer Kunst erfahren,
Täuscht dennoch die Sibylle sich.
Die Mühe konnte sie sich sparen,
Nicht schrecken solche Dinge mich.
OSKAR UND HOFHERREN.
Obgleich in ihrer Kunst erfahren,
Täuscht dennoch die Sibylle sich.
Vor solcher Freveltat bewahren
Wird uns der Himmel hoffentlich.
HORN, RIBBING UND DIE VERSCHWORENEN.
Obgleich in ihrer Kunst erfahren,
Betrog doch die Sibylle sich,
Doch laßt die Rache uns versparen,
Bald zeigt ein günst'ger Zeitpunkt sich!
GUSTAV.
Ja, diese Hand, die ich so innig drücke,
Ist eines Freundes Hand.
ANKARSTRÖM.
Mein König!
ARVEDSON.
Der Monarch?
GUSTAV.
Ja, deine Kunst, zu meinem Glücke,
Verriet mich diesmal nicht, auch hast du wohl kein Arg,
Daß man versucht, dich aus der Stadt heut zu vertreiben.
Ohne mich wär's geschehn.
ARVEDSON.
Ist's möglich!
GUSTAV.
Du kannst bleiben,
Sei unbesorgt, ich gestatte es dir.
ARVEDSON.
So große Huld, mein Herr und König!
Dir jetzt zu danken, mangelt die Kraft leider mir!
Nur prophezeie trauernd ich:
Morden wird von jenen einer dich!
HORN UND RIBBING erschrocken zueinander.
O Gott!
ARVEDSON.
Vertraue keinem.
GUSTAV.
Wie, noch immer Verdacht? Ich hör‘ ihn nicht;
Gustav verschweigt dem König, was Wahnsinn aus dir spricht.
ARVEDSON.
Ihr glaubt noch nicht, was ihr erfahren usw.
GUSTAV.
Obgleich in ihrer Kunst erfahren usw.
OSKAR UND HOFHERREN.
Obgleich in ihrer Kunst erfahren usw.
ANKARSTRÖM.
Die Wahrheit hat er hier erfahren,
Ha, nicht betrog die Zaubrin sich!
Nun werden sie die Tat versparen,
Doch ihr zu wehren, rüst‘ ich mich!
HORN, RIBBING UND DIE VERSCHWORENEN.
Ich zittre, daß er es erfahren!
Ha, nicht betrog die Zaubrin sich!
Drum laßt die Rache uns versparen,
Fallen wird er sicherlich!
ANKARSTRÖM.
Jetzt kommt, ihr Herrn, die Rückkehr des Königs zu schützen!

Er eilt ab, die Hofherren folgen ihm.

HORN leise zu den Verschworenen.
Nur Mut! – Säumt länger nicht – günstig ist der Augenblick!
Laßt uns schnell ihn benützen!
Er muß als Opfer fallen! – Auf, vollbringt das Wagestück!
HORN UND RIBBING haben sich ganz nahe an den König herangeschlichen, um ihn niederzustoßen. In diesem Augenblick hört man von außen den freudigen Ruf des Volkes. Die Verschworenen verbergen schnell ihre Dolche und ziehen sich zurück.

Nr. 9. Finale.

VOLKSCHOR außerhalb.
Heil unserm König und Vater!
Seines Volkes Freund und Rater!
Ihm, der stets durch Wort und Tat
Leidenden geholfen hat!
Der in Kummer, Angst und Not
Jedem Armen Hilfe bot!
Noch lang zier er den Thron,
Gott schenk ihm verdienten Lohn!
GUSTAV zu Arvedson und Oskar.
Ihr verlangt, daß in mir sich jetzt noch Mißtraun rege?
Dies ist der ehrne Schild, der mir decket die Brust.
Ein glücklich Volk, zu dem volles Zutraun ich hege,
Schützt vor Dolch und Verrat mich nunmehr unbewußt!
HORN, RIBBING UND DIE VERSCHWORENEN leise unter sich.
Verdammt! dieser Lästigen Nähe
Den Vollzug der Tat uns verwehrt;
Folgt ihm nach, denn nimmer entgehe
Der Stolze unserm Racheschwert!
Kommt, folgt ihm nach, in der Stille
Treffe ihn unser Racheschwert!
HOFHERREN UND VOLKSCHOR außerhalb.
Heil unserm König und Vater usw.

Achter Auftritt

Arvedson. Oskar. Gustav. Christian. Ankarström. Horn. Ribbing. Verschworene. Hofherren. Soldaten. Matrosen. Männer. Frauen. Kinder.

CHRISTIAN mit dem Volke hereinstürmend.
Kamraden! Kamraden! eilt alle herein!
Er ist in unsrer Mitte,
Vergißt des Hofes Sitte.
Unser Freund, unser Vater! stimmet mit mir ein:
Es leb der König! Er lebe!
VOLKSCHOR.
Unser Freund, unser König lebe!
Lebe hoch, lebe lange noch! Hoch leb er, hoch!
ARVEDSON UND ANKARSTRÖM für sich.
Ihn, der alle glücklich macht,
Bedroht finstre Nacht!
OSKAR, CHRISTIAN UND HOFHERREN unter sich.
Über ihn, der alle glücklich macht,
Die Vorsehung wacht!
GUSTAV.
Ach, wenn mein glücklich Volk sich traulich an mich schließt,
Dann fühle ich, wie selig doch ein König ist!
HORN, RIBBING UND DIE VERSCHWORENEN unter sich.
Ha, umsonst! er sinkt, wenngleich bewacht,
In ew'ge Nacht!
VOLKSCHOR.
Heil unserm König und Vater!
Seines Volkes Freund und Rater!
Ihm, der stets durch Wort und Tat
Hilfe für Leidende hat!
HOFHERREN UND VOLK.
Hoch leb der König, hoch der König, hoch!
ARVEDSON.
Durch seine Vaterhuld weiß er euch zu beglücken,
Drum schwöret alle hier Gehorsam ihm und Treu‘;
Preisend wird einst die Nachwelt auf den Helden blicken,

Für sich.

Doch ist die Zeit des Ruhmes und des Glücks vorbei!
OSKAR, CHRISTIAN, ANKARSTRÖM, HOFHERREN UND VOLK unter sich.
Durch seine Vaterhuld weiß er uns zu beglücken!
Drum schwören alle wir Gehorsam ihm und Treu‘!
Preisend wird einst die Nachwelt auf den Helden blicken,
Betet zu Gott, daß er ihm Glück und Sieg verleih!
HORN, RIBBING UND DIE VERSCHWORENEN leise unter sich.
Ha, des Volkes störende Nähe
Den Vollzug der Tat heute wehrt!
GUSTAV.
Wenn mein treues Volk sich treulich an mich schließt,
Fühle ich, wie beglückt ein König ist!
ARVEDSON.
Laß mich, o König, wiederholen
Meine treue Warnung hier!
Hochverrat drohet dir!
HORN, RIBBING UND DIE VERSCHWORENEN leise unter sich.
Folgt ihm nach, kommt, folgt ihm nach, denn nimmer entgehe
Der Stolze unserm Racheschwert!
OSKAR, ANKARSTRÖM, HOFHERREN, CHRISTIAN UND VOLKSCHOR.
Durch seine Vaterhuld weiß er uns zu beglücken usw.
Unser Schutz, unser König lebe lange noch!
Ja, Gustav lebe hoch! er lebe hoch!
ARVEDSON.
Durch seine Vaterhuld weiß er euch zu beglücken usw.
GUSTAV.
Ihr wollt, daß in mir immer noch sich Mißtraun rege usw.
HORN, RIBBING UND DIE VERSCHWORENEN unter sich.
Welch blinde Liebe hat für ihn sie eingenommen,
Fast beten die ihn an, die er tyrannisiert!
Doch soll er unsrer Rache künftig nicht entkommen,
Denn jede gute Sache endlich triumphiert!
Wirkt auch alles uns hier entgegen,
Siegen Rache und Klugheit doch!
Wenn auch des Volkes läst'ge Nähe
Jetzt den Vollzug der Tat uns wehrt,
So folgt ihm nach, denn nicht entgehe
Der Stolze unserm Racheschwert!

Dritter Aufzug

Nr. 10. Zwischenaktsmusik, Rezitativ und Arie.

Öde schauerliche Felsenschneelandschaft mit Aussicht über das Meer hinweg auf das entfernte Stockholm, dessen erleuchtete Fenster herüberschimmern. Auf den Felsen einzelne schneebelastete Tannen und Fichten. Zur Seite auf einer Erhebung das Hochgericht; drei steinerne Pfeiler, durch starke eiserne Stäbe verbunden; zu beiden Seiten des Hochgerichts führen Pfade herab. – Es ist dunkel und schneit in dichten Flocken; Sturm und Pfeifen des Windes; der Mond tritt einige Male aus dem Schneegewölk hervor. – Fernher von Stockholm schlägt es zwölf Uhr. – Das Schneegestöber hört auf, der Sturmwind ist nur noch in einzelnen Stößen hörbar. – Mondschein verbreitet sich über die Landschaft und wirft einen zitternden Schimmer über das Meer.

Erster Auftritt

Melanie. Dann Gustav.

MELANIE kommt, in einen Pelz gehüllt, mit dem zwölften Schlage langsam herab; mit jedem Schritte mehrt sich ihre Angst; als sie das Hochgericht erblickt, schaudert sie zusammen und sinkt wie leblos auf die Bank nieder.

Rezitativ.

O Gott, erbarm dich mein! Es schwinden meine Kräfte!
An diesem Schreckensort bestrafter Lastertat
Füllt Entsetzen und Graus mein beängstetes Herz. –
Ich bin allein. Mut gefaßt!
Ja, noch weiß ich genau, was sie mir auferlegt:
Hier im grauen Gestein, jenem Gerüste nah,
Soll ich mit eigner Hand das Wunderkraut ihr pflücken,
Das die strafbare Glut, die ich nähre, erstickt!

Sie tritt zögernd dem Hochgericht näher, hält schaudernd inne.

Arie.

Und wenn mit martervollem Beben
Gepflückt ich diesen Talisman,
Wenn es der Sibylle Bestreben
Auch gelingt, zu tilgen den Wahn
Eines Glückes, das mich vernichtet,
Wird die Erinnrung nicht bestehn?
Auch auf sie habe ich verzichtet!
Denn ach! nimmer darf ich dich wiedersehn! –
Wie Ruhe erlangen?
Ach, soll mir nicht bangen?
Denn von Lieb‘ befangen
Fühlt sich noch mein Herz!
Kann Liebe verschwinden?
Wer mag es ergründen?
Wer kann überwinden
Der Entsagung Schmerz?
Ihn soll ich hassen, den ich liebe?
Straflos sein, wenn ich Undank übe?
Nein, ach, nein, das darf nicht sein!
Wie Ruhe erlangen? usw.
Kann mein Entschluß noch schwanken,
Wenn mich Schande bedräut,
Wenn die Ehre gebeut?
Laß, mein Gott, mich nicht wanken,
Ach, höre auf mein Flehn,
Laß mich nicht untergehn,
Laß mich im Kampfe bestehn!

Sie geht entschlossen auf das Hochgericht zu.

Zweiter Auftritt

Gustav. Melanie.

MELANIE stößt einen Schrei aus und will entfliehen.
GUSTAV hält sie zurück.
Es naht kein Frevler sich. Ihr königlicher Freund
Ist's, der Sie hier bewacht.
MELANIE.
O Himmel, fliehn Sie mich!

Nr. 11. Duett.

GUSTAV.
Wie, Sie brauchen der Hölle Kräfte,
Um mich zu hassen ewiglich?
Zu hassen mich, der freudig brächte
Zum Opfer treuer Liebe sich?
MELANIE für sich.
Ha, ich selbst verriet meine Qualen!
Nicht mehr erträgt mein Herz seinen Blick!
GUSTAV.
Vernichtet auch die letzten Strahlen
Süßer Hoffnung das Mißgeschick?!
Doch wenn Sie Liebe noch empfinden –
MELANIE flehend.
Mitleid! Darf je Ihr Freund mich strafbar finden?
Er, mein Gemahl?
GUSTAV für sich.
Schweige, mein Herz!
MELANIE.
Der liebend und treu mir ergeben,
Nicht achtend Tod und Gefahr,
Seinem König widmet das Leben.
GUSTAV.
Genug, genug! Fort von hier!
Du trachtest, den Tod mir zu geben,
Ich nenn‘ ihn willkommen von dir!
MELANIE.
Welche Qual, welches Leiden!
Die Pflicht heischt, ihn zu meiden;
Mein Gatte, ach, verzeih!
Nicht werd‘ ich's überleben,
Ja, umsonst ist mein Streben,
Dahin, dahin ist die Treu‘!
GUSTAV.
Welche Qual, welches Leiden!
Sichern Tod bringt mir dies Scheiden!
O Freund, verzeih, verzeih!
Nicht kann ich's überleben,
Ja, umsonst ist mein Streben,
Dahin der Freundschaft Treu‘!
Und weißt du, daß trotz meinem Kämpfen,
Trotz allen Zwanges, den ich mir angetan,
Der Liebe Flammen noch zu dämpfen,
Ich ohne sie nicht leben kann!
MELANIE.
Fort, fort muß ich!
GUSTAV hält sie zurück.
Du tötest mich!
Sprich nur ein Wort, und ich entsage
Dem Reiche, der Herrschaft, dem Thron;
Das härteste Los ich ertrage,
Wird deine Liebe mir zum Lohn!
MELANIE.
Dieser Angst, dieser Qual werde ich erliegen!
Fort, fort, ach, retten muß ich mich!
Dies Gefühl besiegen kann ich nicht!
Gustav, ja, ich liebe dich!
Doch sei edel, ach, beschütze mich
Vor meinem Herzen!
GUSTAV.
Melanie! Ha, welch Glück!
MELANIE flehend.
Mitleid!
GUSTAV.
Begehre nie solch Mitleid mehr!
Es weicht der Schmerz, und licht und hehr
Umgibt, erfreut uns reine Seligkeit! –
Süßes Glück, sel'ge Freuden,
Schnell entflohen sind alle Leiden!
MELANIE.
Es war ein Schreckenstraum,
Ich kann's nicht überleben!
Ha, vor Angst atm‘ ich kaum,
Ja, umsonst war all mein Streben!
Es war ein Schreckenstraum,
Nicht kann ich's überleben!
GUSTAV.
Ohne dich kann ich nicht leben,
Ha, mein Glück fass‘ ich kaum!
Liebe lohnt mein heißes Streben,
Die Wonne fass‘ ich kaum!
Ist auch mein Glück kein Traum,
Der Liebe darf ich leben?
Süßes Glück, sel'ge Freuden,
Schnell entflohn sind alle Leiden!
MELANIE.
Es war ein Schreckenstraum,
Nicht kann ich's überleben!
Ha, vor Angst atm‘ ich kaum,
Ja, umsonst war all mein Streben!
Schenke mir Erbarmen, meine Kraft erliegt!
Fort aus seinen Armen, ehe Liebe siegt!
GUSTAV.
Ohne dich kann ich nicht leben!
Ist mein Glück auch kein Traum?
Liebe lohnt mein heißes Streben!
Fleh nicht um Erbarmen, wenn Liebe siegt,
Wenn in meinen Armen der Himmel liegt!
O fleh nicht um Erbarmen, wenn die Liebe siegt!
MELANIE.
Doch man kommt! o Himmel!
GUSTAV.
Wer kann hierher sich wagen?
MELANIE.
Es eilt mit starkem Schritt die Gestalt auf uns zu.
GUSTAV.
Um diese Stunde sollt mir zu folgen jemand sich erdreisten?
ANKARSTRÖM kommt, in einen Mantel gehüllt, eilig von hinten.

Dritter Auftritt

Die Vorigen. Ankarström.

GUSTAV für sich.
O Gott! Ankarström!
MELANIE bebend, für sich.
Mein Gemahl!
ANKARSTRÖM.
Ist's möglich? Sie, mein König, an solch einem Orte? –
Um diese Zeit ein zärtlich Stelldichein!
Wenn Sie Verrat umgibt und gefährdet Ihr Leben?
Ein Leben, das so teuer uns! Und ich, der stets bedacht,
Vor Gefahr Sie zu schützen, muß hören,
Daß allein, unbewehrt, in der Nacht Sie sich hierher gewagt!
GUSTAV.
Und weshalb folgst du mir?
ANKARSTRÖM.
Ich bin der einz'ge nicht.
Der Meutrer blut'ge Rache
Ist gleich der Freundschaft Ihnen nah,
Man verfolgt Ihre Spur; rings besetzt hält den Felsen
Die mördrische Schar.
MELANIE für sich.
Mich faßt ein Todesschauer!
ANKARSTRÖM.
Banditen ähnlich harren sie auf ihren Raub.
Durch dieses Mantels Hülle unkenntlich geworden,
Erschien den Frevlern ich als ihres Bundes Glied.

Nr. 12. Terzett.

ANKARSTRÖM.
»Ja«, sagten sie, »Gustav ist's, wir sahn ihn dort
Traulich am Arme einer Schönen;
Doch wenn er geht, so mag sein Blut uns versöhnen
Mit Schwedens Thron.«
MELANIE für sich.
Ha, Schreckenswort!
GUSTAV leise zu Melanie.
Fürchte nicht dies Schreckenswort.
ANKARSTRÖM zeigt auf einen schmalen Fußweg, indem er Gustav seinen eignen Mantel umlegt.
Noch können Sie, verhüllt, vielleicht auch ungesehen,
Durch diese Schlucht spähenden Blicken entgehen.
MELANIE leise zu Gustav.
Um Gott, entfliehen Sie!
GUSTAV ebenso zu Melanie.
Dein Führer werd‘ ich sein.
Komm, Teure, folge mir, o komm!

Er will mit Melanie abgehen.

ANKARSTRÖM.
Nein, nein!
Den König würde dann der Mörder Dolch erreichen,
Denn zum untrüglichen Zeichen
Dient die Dame; man weiß, daß Sie mit ihr allein –
MELANIE leise.
Ja, er hat recht, entfliehen Sie allein, ohne mich!
GUSTAV leise.
Nimmermehr! Mag ihr Dolch mich erreichen,
Ich weiche nicht von dir.
MELANIE.
Nur fort, sie sind nicht weit.
GUSTAV.
Ich trotze ihrer Wut!
In deinen Armen zu sterben ist Seligkeit!
MELANIE.
Mein Blut erstarrt vor Angst und Zagen!
ANKARSTRÖM für sich.
Ha, könnt‘ ich ihn gerettet sehn!
Das Leben wollt‘ ich wagen,
Könnt‘ ich gerettet nur ihn sehn!
Allmächt'ger Gott! wie sollt‘ ich's tragen,
Säh‘ ich den Teuren untergehn!
MELANIE für sich.
Ich fühl's, es ist um mich geschehn!
Mein Blut erstarrt vor Angst und Zagen!
Ich fühl's, es ist um mich geschehn!
Allmächt'ger Gott! ich kann's nicht tragen,
Gerettet, ach, muß ich ihn sehn!
GUSTAV für sich.
Ich würde nicht zu zaudern wagen,
Könnt‘ ich nur sie gerettet sehn!
Allmächt'ger Gott! wie sollt‘ ich's tragen,
Säh‘ ich die Teure untergehn!
MELANIE leise.
Wohlan, wenn für sich selbst Sie nichts zu tun beschlossen,
So zittern Sie für mich.
Denn zerreißen will ich diesen Schleier,
Vom Gatten auf immer verstoßen,
Von Schande dann bedeckt –
GUSTAV leise.
O Gott, du tötest mich!
MELANIE.
Wählen Sie. Soll das Opfer der Rache ich sein?
GUSTAV.
Ha, nimmermehr!
MELANIE.
Dann fort von hier, ich bleibe, ich allein!
GUSTAV für sich.
Wie gern würd‘ ich mein Leben wagen,
Könnt‘ ich nur sie gerettet sehn!
ANKARSTRÖM für sich.
Wie kann gerettet ich ihn sehn!
MELANIE für sich.
Mein Blut erstarrt vor Angst und Zagen usw.
GUSTAV für sich.
Wie gern würd‘ ich mein Leben wagen usw.
ANKARSTRÖM für sich.
Mein Leben wollt‘ ich wagen usw.
GUSTAV.
Ankarström, jetzt höre mich!
Die Treu‘ für deinen König bewährte immer sich,
Dein eigen ward mein unumschränkt Vertraun.
ANKARSTRÖM.
Mein König!
GUSTAV.
Zum Tore von Stockholm schwöre sie zu geleiten.
ANKARSTRÖM.
Ich schwöre es!
GUSTAV.
Ohne zu sprechen
Und den Versuch zu wagen, sie zu sehn.
ANKARSTRÖM.
Ich schwöre es, werde nimmer brechen
Den Schwur, und treu bestehn.
GUSTAV.
Nimm den Schwur nie zurück!
Bei Ehre und Pflicht!
ANKARSTRÖM.
Bei meiner Gattin Glück!
GUSTAV für sich.
Pflicht gebeut, daß ich gehe,
Hindre der Mörder Plan!
Was mit mir auch geschehe,
Ihr nur gehör‘ ich an!
Dem Leiden hingegeben,
O Gott, ist nun mein Leben!

Laut zu Ankarström.

Ja, ich fliehe, meine Spur verschwindet schnell,
Doch halte nur getreu und redlich deinen Schwur!
Ich eile fort, erfüll ihn nur!
ANKARSTRÖM.
Am Rand der Felsenhöhe
Hör‘ ich sie leise nahn!
Weh unserm Reiche, wehe,
Gelingt der Mörder Plan!
Ja, sie nahn! hingegeben
Dem Verrat ist sein Leben!

Zu Gustav.

Fort nur, fort, denn durch Eile nur
Bleibt verborgen Ihre Spur!
Treu erfüll‘ ich meinen Schwur,
Ich halte redlich und treu meinen Schwur!
Man kommt, entfliehn Sie nur!
MELANIE für sich.
Am Rand der Felsenhöhe
Hör‘ ich sie leise nahn!
Weh mir Strafbaren, wehe!
Ach, was hab‘ ich getan!
Ja, sie nahn! hingegeben
Ew'ger Qual ist mein Leben!

Leise zu Gustav.

O fliehen Sie! durch Eile nur
Bleibt noch verborgen Ihre Spur!
Vertrauen Sie der Freundschaft Schwur,
Entfliehen Sie, ach, entfliehen Sie nur!
Durch Eile nur bleibt noch verborgen
Ihre Spur! entfliehn Sie nur!
GUSTAV geht ab.

Vierter Auftritt

Melanie. Ankarström.

ANKARSTRÖM.
Eilen wir, zu verlassen den Ort finstern Schreckens.
Bis ans Tor von Stockholm geleit‘ ich Sie;
Erfüllt ist dann mein Schwur!
MELANIE für sich.
Die Sinne schwinden mir, ich erliege!
ANKARSTRÖM.
Wir müssen gehen!
O Gott! Sie zittern? Und warum?
Vertrauen Sie dem Mann, der bereit, seinem König
Zu dienen, nicht achtet Vermögen und Leben!
MELANIE für sich.
Ich vergehe!
ANKARSTRÖM.
Bei Gottes Zorn, der den Meineid bestrafte,
Wiederhol‘ ich den Schwur, den mein König empfing.

Nr. 13. Finale.

ANKARSTRÖM.
Fort, fort, wir müssen eilen,
Gehorchen seinem Willen;
Dem Späheraug‘ verhüllen
Wird Sie die Dunkelheit.
Meinem Schutz übergeben,
Hafte ich mit meinem Leben
Hier für Ihre Sicherheit.
MELANIE für sich.
Darf ich schweigend den Willen
Meines Königs erfüllen,
Da er glücklich befreit?
Kann's mir nimmer vergeben!
Ach, es kostet mein Leben,
Meine Seligkeit!
ANKARSTRÖM.
Fort, fort!
MELANIE.
O Himmel, sie nahn!

Fünfter Auftritt

Die Vorigen. Horn. Ribbing. Die Verschworenen.

HORN, RIBBING UND DIE VERSCHWORENEN unter sich.
Die Pflicht, die wir erfüllen,
Mag dunkle Nacht umhüllen –
Wir üben hier im stillen
An ihm Gerechtigkeit.
Er büße mit dem Leben
Sein frevelhaftes Streben,
Das laut um Rache schreit!
HORN.
Ja, uns zur Seite steht Mut und Kühnheit, die größre Zahl,
Drum laßt uns leise nahn.
MELANIE für sich.
Armes Herz! Welche Qual!
ANKARSTRÖM geht mit Melanie langsam einige Schritte.
HORN leise zu Ribbing.
Siehst du den weißen Schleier dort im Dunkeln leuchten?
RIBBING.
An einer Schönen Seite
Sah man soeben den König hier weilen.
HORN.
Um den Tod hier zu finden!
Wohlan!
ALLE VERSCHWORENEN dringen auf Ankarström ein.
ANKARSTRÖM ihnen entgegen, vor Melanie tretend.
Wer da?
DIE VERSCHWORENEN gewahren ihren Irrtum, weichen zurück und verbergen ihre Waffen.
HORN UND RIBBING zueinander.
Mein Gott, er ist es nicht!
ANKARSTRÖM.
Nein. Kennen solltet ihr mich!
HORN, RIBBING UND DIE VERSCHWORENEN.
Ha, wir sind betrogen, 's ist Ankarström!
ANKARSTRÖM.
Ja, er selbst, ohne Zweifel,
Und weiß der Reihe nach, ihr Herrn, zu nennen euch.
Hier Graf von Horn, Ribbing. Sagt, was führt euch hierher?

Für sich.

Nach dem göttlichen Willen
Mußt‘ ihr Plan sich enthüllen,
Ward der König befreit.
Der Verräter mag beben,
Der bedrohet sein Leben,
Dem Tod ist er geweiht!
MELANIE für sich.
Nein, ich darf nicht erfüllen
Diesen strafbaren Willen,
Muß tragen all dies Leid!
Reuevoll ist mein Leben
Steter Qual nun hingegeben,
Ach, mich fliehn Ruh‘ und Seligkeit!
HORN, RIBBING UND DIE VERSCHWORENEN für sich.
Nicht dürfen wir enthüllen
Den Plan, der uns im stillen
Vom Joche hätt‘ befreit.
Noch rettete sein Leben,
Trotzdem wir ihn umgeben,
Des Freundes Wachsamkeit.
ANKARSTRÖM.
Steht endlich Rede mir! Was bewog euch, zu kommen?
RIBBING.
Ein süßes Stelldichein rief gleich Ihnen uns hierher.
HORN.
Doch unsre Hoffnung ward vereitelt,
Wir fanden leider nicht, was wir wie Sie gesucht.
RIBBING.
Auch zählen wir darauf, näher kennenzulernen
Ihr seltnes Glück und die Schöne zu sehn,
Welche mutig sich hierher gewagt.
ANKARSTRÖM.
Ha, wenn sich einer hier des Frevels schuldig machte -!
Bei Gott, er sollte schmerzlich die Neugier bereun!
RIBBING.
Selbst dieses Widerstreben vermehrt die Begierde,
Zu wissen, welch Kleinod der Schleier verbirgt.
ANKARSTRÖM zieht den Degen.
Ha, wagt es nicht, zu weit zu gehn,
Wer naht, um den ist es geschehn!
RIBBING ebenso.
Um eine schöne Frau zu sehn,
Läßt sich wohl ein Zweikampf bestehn.
HORN UND VERSCHWORENE ebenso.
Eine Art Abenteuer,
Wie wir sie noch nie erlebt;
Mit wildem Jugendfeuer
Sie zu schützen er strebt!

Sie stürzen auf ihn zu.

MELANIE stürzt sich zwischen die gezogenen Degen, ihr Schleier ist vom Haupte gefallen, und das Licht der Fackeln fällt auf ihr Gesicht.
Ach! haltet ein! haltet ein! schont des Gatten Leben!
RIBBING UND DIE VERSCHWORENEN im höchsten Erstaunen.
Seine Gattin!
ANKARSTRÖM für sich.
Melanie!
HORN, RIBBING UND DIE VERSCHWORENEN.
Solche Art von Abenteuer
Erlebt man nimmermehr!
Hier, wo es nicht geheuer,
Führt er seine Gattin her!
ANKARSTRÖM.
Ich opfert‘ ihm – mein Leben –
Die Ehre raubt – er mir!
Selbst die Hölle – soll erbeben
Vor meiner Rachbegier! –
Ja, Verrat, Schmach und Schande
Tilgt allein schuldig Blut!
DIE VERSCHWORENEN lachend.
Hahaha! hahaha! hahaha!
ANKARSTRÖM.
Aufgelöst sind die Bande der Natur,
Jetzt in Wut aufgelöst.
HORN, RIBBING UND VERSCHWORENE unter sich.
Sie, die schöne Unbekannte!
Der Gemahl voller Wut!
Welche zarten Ehebande,
Welcher Strom heißer Glut!
Ja, der Scherz ist wahrlich gut!
Hahaha! hahaha! hahaha! hahaha!
O welche zarten Ehebande,
Ja, der Scherz ist wahrlich gut!
MELANIE für sich.
Ja, Verrat, Schmach und Schande
Tilgt allein schuldig Blut!
Gelöst sind nun die Bande
Der Natur in Wut!
ANKARSTRÖM für sich.
Ja, Verrat, Schmach und Schande
Tilgt allein schuldig Blut!
Aufgelöst sind die Bande
Der Natur jetzt in Wut!
Ja, die Hölle, ja, die Hölle,
Sie tobt in meinem Blut!
HORN zu den übrigen Verschworenen.
Jetzt laßt, eh‘ wir entdeckt, eilig uns von hier gehen!
RIBBING.
Sag an, was könnte uns geschehen?
Ist nicht des Königs Freund in unsrer Mitte hier?
ANKARSTRÖM.
Nunmehr sein ärgster Feind!
Sei's bei euch – sei's bei mir –
Wir müssen morgen uns sprechen.
RIBBING.
Mit Vergnügen, und wäre
Es nur, um zu erfahren, was heut um Mitternacht
In solcher Begleitung hierher Sie gebracht.
ANKARSTRÖM.
Gleichviel zu welchem Zweck. Bürgt Ihr Wort, Ihre Ehre
Erfüllung mir?
RIBBING.
Unbedingt.
ANKARSTRÖM.
Welcher Ort?
RIBBING.
Ihre Wohnung.
ANKARSTRÖM.
Und die Zeit?
RIBBING.
Vormittags. Doch Wahrheit, keine Schonung!
ANKARSTRÖM.
Sie kommen hoffentlich beide?
RIBBING.
Bedarf es unsrer zwei?
ANKARSTRÖM.
Allerdings.
HORN UND RIBBING.
Herzlich gern.
ANKARSTRÖM.
Auf morgen denn?
HORN UND RIBBING.
Es sei!
ANKARSTRÖM kehrt zu Melanie zurück, leise.
Jetzt fort von hier, uns dem Spott zu entziehen!
Sie kennen meinen Schwur;
Bis ans Tor von Stockholm geleite ich Sie nur.
MELANIE.
Die letzten Kräfte schwinden! O Gott!
ANKARSTRÖM mit gedämpfter Stimme.
Eitles Mühen,
Mich zu täuschen. Nicht Bitten, nicht Tränen rühren mich;
Der Tod erwartet, Falsche, dich!
HORN, RIBBING UND DIE VERSCHWORENEN unter sich.
Sie, die schöne Unbekannte!
Der Gemahl voller Wut!
Welche zarten Ehebande,
Welcher Strom heißer Glut!
Ja, der Scherz ist wahrlich gut!
Hahaha! hahaha! hahaha! hahaha!
Ja, auf Ehre, der ist gut!
MELANIE für sich.
Ja, Verrat, Schmach und Schande
Tilgt allein schuldig Blut!
Gelöst sind nun die Bande
Der Natur in Wut!
ANKARSTRÖM für sich.
Ja, Verrat, Schmach und Schande
Tilgt allein schuldig Blut!
Aufgelöst sind die Bande
Der Natur jetzt in Wut!
Ja, die Hölle, ja, die Hölle,
Sie tobt in meinem Blut!
Aufgelöst sind die Bande
Der Natur jetzt in Wut!

Er ergreift Melanies Hand und reißt sie mit sich fort. Die Verschworenen sehen beiden lachend und höhnisch nach.

Vierter Aufzug

Nr. 14. Zwischenaktsmusik, Duett und Kavatine.

Ankarströms Arbeitszimmer.

Mittel- und Seitentüren. Vorn ein Kamin, auf welchem eine Uhr und zwei Vasen von Bronze mit Blumen gefüllt stehen; neben dem Kamin ein Tisch mit Papieren und ein Stuhl. Im Hintergrunde Bücherschränke. Es ist Vormittag.

Erster Auftritt

Ankarström. Melanie.

Duett.

ANKARSTRÖM zieht Melanie herein, legt seinen Degen ab und verschließt die Tür.
Kannst du Ungetreue wähnen,
Daß dein Flehen, deine Tränen
Mildern, was dein Herz verbrach?
Zum Tode dich bereite,
Ich duld‘ an meiner Seite
Dich nicht, bedeckt mit Schmach!
MELANIE.
Laß ab, sieh meine Tränen,
Darfst mich nicht schuldig wähnen,
Ach! dein Weib nichts verbrach!
Muß ich vom Leben scheiden,
Schaffst du dir neue Leiden –
ANKARSTRÖM.
Willst dein Verbrechen, Treulose, du bekennen,
Kannst du entwaffnen die dräuende Wut!
MELANIE.
Wie kann ich mich der Untreu‘ schuldig nennen,
Da nur der Schein einer Schuld auf mir ruht.
ANKARSTRÖM.
Doch deine Angst, die Furcht, dein tödliches Erblassen
An Trug und an Verrat mich nimmer zweifeln lassen.
MELANIE.
Vielleicht – ja – unbewußt – und sorglos liebt‘ ich ihn;
Doch nicht strafbar darfst du mich wähnen,
Denn nie riß mein Gefühl zur Schuld mich hin!
ANKARSTRÖM.
Wie magst du Falsche wähnen,
Mich rührten deine Tränen?
Zuviel dein Herz verbrach!
Zum Tode dich bereite,
Ich duld‘ an meiner Seite
Dich nicht bedeckt mit Schmach!

Kavatine.

MELANIE.
Ach! – Ach! noch einen Augenblick! –
Gönne mir, zu flehen
Um mein letztes Glück!
Laß mein Kind mich sehen!
Mein Kind gib mir zurück!
Um es ans Herz zu drücken,
Nur einen Augenblick, vergönne mir
Zu flehen um dies einz'ge Glück.
An meines Lebens Ende,
Den letzten Trost mir spende!
O versag ihn der Sterbenden nicht!
Daß mich sein Arm umschließe,
Den Schmerz es mir versüße,
Wenn mein Auge bricht!
Ach! – Erhör das Flehen usw.
O laß es mich erflehen
Hier in ew'ger Trennung bangem Augenblick!
ANKARSTRÖM für sich.
Diese Stimme, dieses Flehen
Ruft mein Mitleid zurück.
Wie soll ich widerstehen?
Ihr dankt‘ ich all mein Glück!
Ja, Mitleid hab‘ ich mit der Armen!
Könnt‘ ich nur ihrer mich erbarmen!
Doch nein, ich darf es nicht!
Sie hat Ruf und Ehre entweihet,
Und wenn auch mein Herz ihr verzeihet,
Macht Ehre mir Strafe zur Pflicht!
MELANIE.
O schenke der trostlosen Armen,
Der Mutterliebe noch Erbarmen,
Schenke ihr Erbarmen,
Töte deine Gattin nicht!
Ein Gott der Gnade stets verzeihet,
Wenn unsre Seele tief bereuet
Und geht mit uns nicht ins Gericht!
Nein, Gott zürnt ewig nicht!

Es klopft.

Rezitativ.

ANKARSTRÖM.
Man kommt, weg mit den Tränen!
Ich will's und befehl's!
Dein herber Schmerz bleib jedem unbekannt.
Entferne dich. Nicht ahnen
Darf man je die Schande,
Die durch dich mein Name erfährt.
MELANIE entfernt sich.
ANKARSTRÖM öffnet die Eingangstür.

Zweiter Auftritt

Ankarström. Diener.

Nr. 15. Terzett, Szene und Ensemblestück.

DIENER meldend.
Zwei Herren vom Hof.
ANKARSTRÖM gibt dem Diener einen Wink.
DIENER öffnet die Tür, läßt eintreten und geht ab.

Dritter Auftritt

Ankarström. Horn. Ribbing.

ANKARSTRÖM verschließt die Tür und ladet zum Sitzen ein.
Wir sind allein. Hören Sie mich an –
Meuchelmord soll des Königs teures Leben enden.
Ich weiß, wer Mörder warb – kenne genau den Plan.
HORN UND RIBBING.
Verleumdung ist's!
ANKARSTRÖM.
Beweise sind in meinen Händen.
RIBBING mit Ironie.
So wird Ihr Einfluß wohl, Ihr mächtiges Genie
Unsre Absicht vereiteln.
ANKARSTRÖM.
Befördern will ich sie!
RIBBING hohnlächelnd.
Wie, so schnell glaubt uns Ankarström zu überlisten?
HORN.
Als ob uns vorzusehen wir nicht besser wüßten!
ANKARSTRÖM.
Ha! Ihr traut mir nicht? Ahnet bei mir Verrat?
Wohlan, mißtraut dem Eid, für mich bürge die Tat.
Treulich euch beizustehn ist jetzt mein fester Wille;
Als sichres Unterpfand, daß mein Wort ich erfülle,
Geb‘ ich in eure Hand mein Kind, mein höchstes Gut!
Begehe ich Verrat, so räche euch sein Blut!
HORN UND RIBBING für sich.
Noch kann ich mir nicht denken,
Was ihn bewogen hat,
Sein Vertraun uns zu schenken,
Zu teilen den Verrat.
Er teilet unsre Rache,
Nährt mit uns gleiche Wut,
Weiht der gerechten Sache
Gleich uns sein Hab und Gut. –

Zu Ankarström.

Wir wollen auf dich bauen,
Auf dein Wort, deine Treu‘,
Der Rache anvertrauen
Den Tod der Tyranei!
ANKARSTRÖM.
Noch könnt ihr euch nicht denken,
Was bewogen mich hat,
Mein Vertraun euch zu schenken,
Zu begehn den Verrat.
Ich dürste nur nach Rache,
Lechze nur nach seinem Blut!
Weihe nun eurer Sache
All mein Glück, Hab und Gut!
Ja, ihr könnt auf mich bauen,
Auf mein Wort, meine Treu‘,
Der Rache anvertrauen
Den Tod der Tyrannei!
Einer Schmach ward preis ich gegeben,
Die ein Geheimnis bleibt, sogar für euch. Doch ich –
Ich kenne sie und setze dran mein Leben!
Hier sei's gelobt: der König fällt durch mich!
HORN.
Nein, durch mich muß das Opfer fallen!
RIBBING.
Nur mir gehört die Tat, sie sei durch mich vollbracht!
HORN.
Mir hat die Ehrenstellen zu rauben er gewagt.
RIBBING.
Wohlan, allen Streit zu vermeiden,
Laßt ruhig unter uns das Los entscheiden.
HORN.
Ja, es sei, zeichne selbst unsre Namen hier auf.
ANKARSTRÖM.
Allem füg‘ ich mich, zählet sicher darauf!
ALLE DREI.
Den Sieg laß mich erringen,
O Himmel! und vollbringen
Der Rache Richteramt!
Vor dem Tod nicht erbebe
Mein Herz, mutig erhebe
Rache sich, die es entflammt!
RIBBING schreibt die drei Namen auf drei Papierstücke.
HORN ergreift eine Vase vom Kamin, nimmt die Blumen heraus und stellt die Vase auf den Tisch.

Vierter Auftritt

Die Vorigen. Melanie. Dann ein Diener.

ANKARSTRÖM.
Was suchst du hier? Wir sind nicht gern gestört.
MELANIE.
O verzeihe, daß zu erscheinen ich gewagt.
Der König sendet einen seiner Pagen,
Dem er mit dir –
ANKARSTRÖM.
Wie? Der König?
MELANIE.
Zu reden aufgetragen.
ANKARSTRÖM.
Er mag warten!
MELANIE will sich zurückziehen.
ANKARSTRÖM.
Du mußt bleiben.
MELANIE.
Was forderst du von mir?
ANKARSTRÖM leise zu ihr.
Gottes strafende Hand
Hat umsonst eben jetzt nicht hierher dich geführt!

Für sich.

Ich will, daß die Verbrecherin selbst hier erwähle
Durchs Los den Rächerarm, der bestraft ihren Buhlen!
RIBBING faltet die drei Papiere zusammen und wirft sie in die Vase.
ANKARSTRÖM.
Ziehe dort aus der Vase nach Gefallen
Ein Los.
MELANIE leise zu ihm.
Und warum wählst du mich?
ANKARSTRÖM.
Du tust, was ich gebot.
MELANIE für sich.
O Gott!
Was bezweckt dies Geheimnis? Schauder füllt meine Brust!

Sie zieht auf Ankarströms wiederholtes Zeichen eines der Papiere aus der Vase und überreicht es ihm, der es an Ribbing gibt.

ANKARSTRÖM.
Lesen Sie.
RIBBING.
»Ankarström!«
ANKARSTRÖM.
Ha, gerecht
Ist des Himmels Beschluß!
MELANIE für sich.
Welch ein Verdacht!
Ha, wie soll ich durchschauen,
Ob auf Verräterei
Ihre Pläne sie bauen?
Wär‘ ich Arme doch frei!
Wie soll ich hier durchschauen,
Ob Rache, Meuterei
Sie vermocht zum Vertrauen,
Wär‘ ich Arme nur frei!
Mich umgibt Meuterei!
ANKARSTRÖM leise zu Horn und Ribbing.
Ja, ihr könnt auf mich bauen,
Auf mein Wort, meine Treu‘!
Der Rache anvertrauen
Den Tod der Tyrannei.
Ich schwöre Rache hier
Und Tod der Tyrannei!
HORN UND RIBBING leise zu Ankarström.
Ja, ich will auf dich bauen,
Auf dein Wort, deine Treu‘!
Der Rache anvertrauen
Den Tod der Tyrannei!
Und schwören Rache hier
Und Tod der Tyrannei!
MELANIE für sich.
Sie sinnen Königsmord!
Ankarström!
ANKARSTRÖM.
Was willst du noch?
MELANIE.
Nichts.

Für sich.

Wie kann ich ihn retten und schonen den Gatten?
Ha – Unglücksel'ge!
ANKARSTRÖM schließt die Tür auf.

Fünfter Auftritt

Die Vorigen. Oskar.

Nr. 16. Quintett.

OSKAR zu Melanie.
Ich bringe, gnäd'ge Gräfin, für heute frohe Botschaft
Vom König, meinem Herrn.
ANKARSTRÖM für sich.
Von ihm? Ich könnte rasend werden!
OSKAR.
Er hofft Sie auf dem prächt'gen Ball, den er heut abend gibt,
Nebst dem Gemahl zu sehn.
Sie schlagen's hoffentlich nicht aus?
MELANIE.
Doch. – Nicht erscheinen werde ich.
OSKAR.
Oh, mein Herr läßt keine Ausflucht gelten,
Alle Schönen vom Hofe zieren dieses Fest.
Ein wundervoller Ball, im Opernhaus gegeben,
An Pracht und Freude reich; genug, ein Maskenball.
ANKARSTRÖM.
Sag an, ist das gewiß?
OSKAR.
Ei freilich, außer Zweifel;
Ein Bal paré, verlarvt, kostümiert, wie's beliebt.

Zu Melanie.

Niemand soll mich erkennen.
ANKARSTRÖM, HORN UND RIBBING leise zueinander.
Wie erwünscht! es ersann
Unverhofft der Tyrann
Mittel für unsre Rache!
ANKARSTRÖM laut zu Oskar.
Wir kommen auf den Ball, die Gräfin so wie ich.
MELANIE.
Wie könnt‘ ich wohl –
ANKARSTRÖM.
Mein Wille ist's!

Zu Oskar.

Dem König melde es.
OSKAR.
Die Nachricht wird ihn hoch erfreuen.
ANKARSTRÖM.
Auch er erscheint?
OSKAR.
Versteht sich.
ANKARSTRÖM, HORN UND RIBBING.
Und wir mit ihm.
OSKAR.
Freude, Lust und Scherz
Beleben aufs neue das Herz!
Dort findet sich gar schmuck und fein
Die Menge schöner Damen ein.
Bunter Glanz,
Muntrer Tanz,
Was sich regt
Und bewegt,
Fühlt sich begeistert durch die Pracht
Des Festes und der Schönheit Macht.
Überall Sinnenrausch,
Heiße Glut, Liebestausch!
ANKARSTRÖM, HORN UND RIBBING für sich.
Von Freude trunken, liefert er,
In unsre Hände sich nunmehr;
Der Unvorsicht'ge ahnet nicht
Entflammter Rache Strafgericht!
Gewiß unsrer Beute,
Empfängt er noch heute,
Im Rausch eitler Freude,
Den Lohn (meiner) unsrer Schmach.
Bei Tanz und Genüssen,
Bei Scherz, unter Küssen
Soll schmerzlich er büßen,
Was er längst verbrach!
OSKAR.
Bunter Glanz, muntrer Tanz usw.
MELANIE für sich.
Mein Herz, von Angst durchbebet,
Zu Gott sich erhebet,
Denn ach, schon umschwebet
Der Tod rächend mich!
Auch du wirst noch heute
Der Rache sichre Beute,
Kein Freund steht zur Seite
Dir, noch rettend dich!
OSKAR.
Ein Maskenzug erscheint, wie bei Hof ich vernommen.
ANKARSTRÖM leise zu Horn und Ribbing.
Das Gedränge im Saal wird der Tat günstig sein.
OSKAR.
Aus London und Paris sind Moden angekommen.
RIBBING leise.
Vom Tode soll nunmehr ihn keine Macht befrein.
ANKARSTRÖM leise.
Mir ward das schöne Los, den Todesstreich zu führen.
OSKAR zu Melanie.
Ihr Erscheinen zumal wird große Freude gewähren,
Und wenn ich's wagen darf, mir die Gunst zu erflehn –

Er fordert sie stumm für den Abend zum Tanze auf.

MELANIE nimmt es an, verstohlen und ängstlich nach Ankarström und den beiden andern hinüberblickend.
ANKARSTRÖM leise, wie vorher.
Heute noch –
HORN UND RIBBING.
Heute noch –
ANKARSTRÖM.
Auf dem Ball soll's geschehn!
Ein schwarzer Domino –
RIBBING.
Wie dann uns selbst erkennen?
ANKARSTRÖM.
Ein weißes Band am Arm wecket keinen Verdacht.
HORN UND RIBBING.
Und welches Losungswort?
ANKARSTRÖM.
»Der Schweden Freiheit naht.«
ANKARSTRÖM, HORN UND RIBBING.
Heute noch, um Mitternacht,
Sei, treu dem Eid, die Tat vollbracht!
OSKAR.
Freude, Lust und Scherz
Beleben aufs neue das Herz!
MELANIE für sich.
So wirst du noch heute
Der Rache sichre Beute,
Kein Freund steht zur Seite
Dir, noch rettend dich!
Mein Herz angstvoll bebet,
Zu Gott sich erhebet,
Denn ach, schon umschwebet
Der Tod rächend mich!
Gustav selbst wird heute
Noch der Rache Beute.
Ach, ins Verderben stürzt er sich!
Ich schaudre, es erbebet mein Herz,
Nicht trage ich ihn länger,
Diesen tödlichen Schmerz.
OSKAR.
Dort findet sich gar schmuck und fein
Die Menge schöner Damen ein.
Bunter Glanz,
Muntrer Tanz;
Was sich regt
Und bewegt,
Fühlt sich begeistert durch die Pracht
Des Festes, durch der Schönheit Macht!
Überall Sinnenrausch,
Heiße Glut, Liebestausch!
ANKARSTRÖM, HORN UND RIBBING unter sich.
Gewiß unsrer Beute usw.
Von Freude trunken, liefert er
In unsre Hände sich nunmehr;
Der Unvorsicht'ge ahnet nicht
Entflammter Rache Strafgericht!
Ja, ich will auf dich bauen,
Auf dein Wort, deine Treu‘,
Und schwören Rache hier
Und Tod der Tyrannei!

Fünfter Aufzug

Kurze Galerie in der Nähe des Opernhaussaales.

Seitentür. Tisch mit Schreibgerät und Armleuchter mit brennenden Kerzen. Es ist Abend.

Erster Auftritt

Gustav allein.

Nr. 17. Rezitativ und Arie.

Rezitativ.

GUSTAV.
So hat Gott es gefügt, daß sie noch unentdeckt
Ihre Wohnung erreichte und geheim alles blieb.
Doch Ehr‘ und Freundschaft fordern von nun an zu meiden
Die Ewiggeliebte! Beiden sei es gelobt!
Zum Gouverneur von Finnland ist Ankarström ernannt,
Und morgen schon reist er mit ihr dahin.

Arie.

Dich, heil'ge Freundschaft, entweihte
Dieses Herz zu eigner Qual!
Melanie, dich seh‘ ich heute,
Aber ach, zum letztenmal!
Trübe Ahnung füllt meine Seele,
Schreckensbilder der Phantasie,
Deren Deutung ich mir verhehle,
Gräßlich stehn sie vor mir, weichen nie!

Man hört aus der Entfernung die Tanzmusik.

Freudebringende Klänge
Tönen dort. Im Gedränge
Sammeln Masken die Menge
Sich zu rauschender Lust.
Alles huldigt der Freude,
Nur ich dies Treiben meide,
Und verberge, was ich leide,
In bewegter Brust!
Doch auch sie schmückt den Ball! und ich selbst, ich weile hier?
Ha, hinweg, geliebtes Bild! Hinweg von mir,
O du mein Glück!
Muß nun von dir lassen,
Heißgeliebte mein!
Den Entschluß zu fassen,
Welche Todespein!
Allzuherbes Leiden,
Das ich tragen soll,
Von dir muß ich scheiden!
Leb wohl, leb wohl, auf ewig lebe wohl!

Er naht sich der Tür, welche zum Ballsaal führt.

Ach, sie ist mir so nah – noch kann ich sie sehn!
Ihr dieses Leiden klagen!
Nein! fort! der Gefahr zu entgehn!
Muß nun von dir lassen usw.
Leb wohl, auf ewig lebe wohl!
Pflicht und Ehre entscheiden;
Ich muß sie meiden,
Darf nie sie wiedersehn!
Ich muß sie meiden!

Zweiter Auftritt

Oskar. Gustav.

OSKAR.
An des Palastes Pforte ist eine Unbekannte,
In undurchsicht'ge Schleier gehüllt, mir begegnet.
In aller Eil‘ gab sie mir dies Billett,
Sprach sodann leis zu mir: »Dem König, doch geheim.«
GUSTAV öffnet den Brief und durchliest ihn schnell; für sich.
Man warnt mich, auf den Ball zu gehn, weil mein Leben
Mörderhand dort bedroht. – Wie fein!
Wär‘ ich den Rat zu befolgen geneigt,
Glaubte man, daß der König – daß ich mich fürchte.
OSKAR.
Es scheint dies Schreiben -?
GUSTAV.
Still! folge mir!

Er geht mit Oskar ab.

Verwandlung.

Nr. 18. Chor und Ballett.

Der große, glänzend erleuchtete Ballsaal im Opernhause zu Stockholm; im Hintergrunde eine große Freitreppe zu einem dahinterliegenden zweiten erleuchteten Saal.

Dritter Auftritt

Ballgäste. Masken aller Art. Pagen. Diener.

Das bunteste Bild eines glänzenden Maskenfestes.

BALLGÄSTE UND MASKEN ALLER ART verlarvt, aufs reichste und geschmackvollste kostümiert, drängen sich in den beiden Sälen; unter Dominos und Charaktermasken bewegen sich Personen vom Hofe in reichgestickten Kleidern; man verfolgt, wird verfolgt und geneckt von allen Seiten.
ALLGEMEINER CHOR.
Bezauberndes Gepränge
Und Hochgenuß die Menge
Findet man hier lieblich vereint
Zu losem Scherz.
Bis zum Morgen erklinget
Tanzmelodie und bringet,
Hoffen wir, hoffen wir,
Hüpfend uns Liebchens Herz!
EIN ÄLTLICHER HERR sinkt vor einer jungen Dame auf die Knie, macht ihr eine komische Liebeserklärung und bietet ihr einen Blumenstrauß an. Die junge Dame wirft ihm den Strauß neckend vor die Füße und entflieht nach dem Hintergrun de. Der Herr eilt ihr nach.
EINIGE MASKEN.
Seht den ältlichen Herrn,
Der so zärtlich sich stellt.
ANDRE MASKEN.
Er verschaffte sich gern,
Was der Jugend gefällt.
EIN ANDERER ÄLTLICHER HERR verfolgt seine junge Gattin, die von einem maskierten jungen Herrn geführt wird. Die Dame, besorgt, von ihrem Gemahl erkannt zu werden, findet eine ihr anGestalt und Kleidung ähnliche Freundin und läßt sie unvermerkt im Gedränge ihre Stelle einnehmen. Der ältliche Herr hält das Pärchen an und nötigt seine vermeintliche Frau, die Larve abzunehmen, worauf er seinen Irrtum erkennt und sich beschämt zurückzieht.
DIE UMSTEHENDEN verlachen ihn.
O welch häßlicher Mann,
Der sein Weibchen blamiert!
DIE ERSTEN.
Jener ist ihr Galan,
Der zum Tanz sie geführt!

Sie lachen.

ALLGEMEINER CHOR.
Bezauberndes Gepränge usw.
EINE ALTE, SEHR GROßE DAME promeniert mit einem jungen, sehr kleinen Kavalier im Saal. Ein älterer Herr redet die Dame an. Die Dame spricht mit ihm. Der junger Kavalier benutzt diesen Augenblick, einer jungen schönen Bajadere seine Liebe zu gestehen, kniet vor ihr nieder und küßt ihre Hand. Die alte Dame sieht, was vorgeht; sie hebt den kleinen Kavalier auf und verschwindet mit ihm wutentbrannt in der Menge.
DIE UMSTEHENDEN.
Dort die Eifersucht tobt
Und zwei Liebende trennt.
ANDERE.
Hier wird Treue gelobt,
Ehe der Name sich nennt.
EIN JUNGES ZIGEUNERPAAR wird im vertrautesten Gespräch von einem andern jungen Zigeuner verfolgt. Der junge Zigeuner vertritt ihnen den Weg, in heftigster Eifersucht gestikulierend. Das junge Paar schiebt ihn beiseite und verliert sich im Maskengewühl. Der junge Zigeuner folgt.
DIE EINEN.
Dort gibt's Hader und Streit,
Durch Zigeuner erregt.
EINE ALTE DAME winkt heimlich einem Pagen und übergibt ihm ein zierliches Briefchen, vorsichtig eine junge schöne Italienerin am Arme eines Spaniers bezeichnend. Der Page steckt der jungen Italienerin unauffällig das Briefchen zu. Die junge Italienerin liest es, mißt den Spanier mit stolzen Blicken und bricht endlich in Tränen aus.
DIE ANDERN.
Hier wird Liebenden heut
Eine Schlinge gelegt!
Seht nur an, jedermann
Treibt sein Wesen jetzt hier
Ganz nach eigner Manier!

Sie lachen.

ALLGEMEINER CHOR.
Bezauberndes Gepränge
Und Hochgenuß die Menge
Findet man hier lieblich vereint
Zu losem Scherz.

Großes Ballett.

Allemande. Pas des folies. Marsch. Galopp.

Nach dem Ballett fortwährende Bewegung der einzelnen Gruppen.

Vierter Auftritt

Die Vorigen. Horn. Ribbing. Ankarström. Oskar. Die Verschworenen. Dann Melanie.

ANKARSTRÖM sieht sich vorsichtig um, indem er sich Horn und Ribbing nähert.
OSKAR verlarvt, erblickt die Gruppe der Verschworenen und tritt langsam beobachtend näher.

Nr. 19. Szene, Ariette, Chor, Duett und Finale.

HORN Ankarström bemerkend, leise zu Ribbing.
Einer unsrer Vertrauten, der getreu dem Eide,
Scheint verstohlen sich uns zu nahn!

Er geht auf Ankarström zu, leise.

»Der Schweden –
ANKARSTRÖM leise.
Freiheit naht.«
RIBBING UND DIE VERSCHWORENEN leise zueinander.
's ist Ankarström!
HORN.
's ist Ankarström! O sprich, was bringst du Neues?
ANKARSTRÖM.
Der König bleibt daheim; soeben ich vernahm,
Was ihn dazu bewog.
RIBBING.
Nun schlägt die Absicht fehl!
HORN.
Wer sagt es dir?
ANKARSTRÖM.
Der Mann, dem alles er vertrauet,
Sein erster Kämmerer; ich erfuhr's aus seinem Mund,
Wie der König im Augenblick, als er hierher
Zu gehen beschloß, durch ein Schreiben von fremder Hand
Gewarnt, sich hierher zu begeben, wo der Tod harre sein!
HORN, RIBBING U. DIE VERSCHWORENEN unter sich.
O Gott!
RIBBING.
Wir sind entlarvt.
HORN.
So kommt der König nicht?
ANKARSTRÖM.
Nein, niemand darf ihm nahen.
HORN.
Ich späh‘ den Schreiber aus, der schändlich uns verraten.
ANKARSTRÖM.
Sprich nur leiser, man hört dich sonst.
Ja, ja, dort lauscht schon ein Späher.
HORN.
Und wer?
ANKARSTRÖM.
Ich kenn‘ ihn nicht, doch verfolgt uns sein Blick.
DIE VERSCHWORENEN verlieren sich unter den übrigen Masken.
ANKARSTRÖM.
Ich bin es müde!

Er will den anderen folgen.

OSKAR.
Du strebst umsonst, dich zu verbergen,
Ich weiche nicht von dir und kenne dich.
ANKARSTRÖM.
Wohl möglich.
OSKAR.
Graf Ankarström. Wo ist deine schöne Gemahlin,
Die mit dir erschienen?
ANKARSTRÖM.
Sie ging zur Königin.
Sicher machst du, schöne Maske, der Dame den Hof?
OSKAR.
Davor hüt‘ ich mich wohl.
ANKARSTRÖM.
Und warum?
OSKAR.
Weil lebend
Am Hof, ich großen Herrn von jeher Platz gemacht.
ANKARSTRÖM nimmt Oskar die Larve vom Gesicht.
Der Page ist's!
OSKAR.
Ich bin erkannt! O wie schade!
ANKARSTRÖM.
So kommt man auf den Ball, mein ehrenwerter Page,
Lose Scherze zu treiben, da Gustav nicht hier.
OSKAR.
Gustav nicht hier? Und doch.
ANKARSTRÖM.
Er wäre hier?
OSKAR.
Nur stille!
ANKARSTRÖM.
Weißt du's gewiß?
OSKAR.
Ei freilich!
ANKARSTRÖM.
Und seit wann? Sage mir, sage mir!

Ariette.

OSKAR.
Durch mich erfahren Sie es nicht.
Denn ich bin nur zum Tanzen da. Trala!
Begleitet hab‘ ich ihn allein,
Er will gekannt von niemand sein.
Sie sehn, man muß geheim es halten,
Denn Schweigen macht‘ er mir zur Pflicht.
Mag jeder hier sein Amt verwalten,
Den König, den König verrate ich nicht! Tralala!
Welche Maske er sich gewählt?
Das ist's, was Ihre Neugier quält,
Obgleich Page, weiß ich zu schweigen,
Auch sprech‘ ich keine Silbe mehr.
Gern würd‘ ich mich gefällig zeigen
Und Ihnen vertraun, daß er – tralala! – Nein, nein!
Ein Schelm, der etwas sagt!
Ich geh‘ zum Tanz, ja, ich geh‘ zum Tanz,
Da wird nach mir gefragt.
Lalala!

Er will fort.

ANKARSTRÖM.
Erst sprich: wie kann ich ihn erkennen?
OSKAR.
Ich muß schweigen.
Um recht vergnügt zu sein, will er unkenntlich bleiben,
Und zwar für jedermann.
ANKARSTRÖM.
Auch für mich,
Dem er alles anvertraut?
OSKAR.
Auch für Sie glaub‘ ich fast.
ANKARSTRÖM.
Weshalb?
OSKAR.
Vielleicht auch nicht, und versprechen Sie mir,
Daß es kein Dritter erfährt –
ANKARSTRÖM.
Ja. Doch beschreib mir die Maske.
EINE DAME (MELANIE) im weißen Domino geht ganz nahe vorbei und hört die Beschreibung von des Königs Maske.
OSKAR.
Ein schwarzer Domino und auf der Brust
Ein Kreuz, das dunkelrot von Farbe.
Nun wünsch‘ ich wohl zu leben!
ANKARSTRÖM.
Ein Wort!
OSKAR.
Nein, ich schweige nunmehr, denn zu tanzen wird's geben.
Schon schweben die reizendsten Masken um mich her!

Er verlarvt sich und läuft davon.

ANKARSTRÖM bemerkt einige Verschworene, gesellt sich zu ihnen und scheint ihnen Mitteilungen zu machen, worauf sie unter der Menge verschwinden, jeden Domino scharf fixierend.
ALLGEMEINER CHOR.
Bezauberndes Gepränge usw.

Fünfter Auftritt

Die Vorigen. Gustav, Melanie (beide verlarvt).

MELANIE heimlich und halblaut.
Wie kannst du hier zu bleiben wagen? Sprich, welch ein Dämon
Macht dich taub für die Warnung, die man dir gab?
GUSTAV.
Kommt von dir die schriftliche Kunde:
Dieses Fest bereite mein Grab?
MELANIE.
Vielleicht! Drum schenke der Warnung Glauben.

Sie reißt Gustav das rote Kreuz weg.

GUSTAV.
Wer sah je mich erzittern? Mein Vertraun mir rauben
Soll man nicht! Gehen wollt‘ ich,
Doch nun bleibe ich!
Und was fürchtest, schöne Maske, was fürchtest du für mich?
MELANIE.
Hinweg, großer König, hinweg von hier, es gilt dein Leben!
GUSTAV.
Oft genug ich es wagte in blutiger Schlacht!
MELANIE.
Dir drohet Meuchelmord!
GUSTAV.
Nimmer wird er vollbracht!

Duett.

MELANIE.
Dem Vaterland erhalte dies ihm so teure Leben!
Bereit bin ich, für dich das meine hinzugeben!
GUSTAV.
Was hör‘ ich, welche Stimme? Melanie! Melanie!
MELANIE.
Ja, ich bin's! Fliehen Sie!
GUSTAV.
Mildre, Teure, meine Leiden!
Muß ja ewig von dir scheiden!
Höre mich zum letztenmal!
MELANIE.
Mich erfaßt Todesschrecken!
Leicht kann man uns entdecken!
Ha, ich zittre, kommt mein Gemahl!
GUSTAV.
Dir, ach, dir muß ich entsagen,
Die mein Herz erwählet hat!
Kann ich noch das Leben tragen,
Fürchten eine Freveltat?
MELANIE.
Wie dies Leiden, dies Leiden ertragen!
Fort, entfliehn Sie dem Verrat!
Ehr‘ und Leben wird man wagen
Für die unerhörte Tat!
Fliehen Sie, Ankarström wird sogleich hier erscheinen.
GUSTAV.
Ja, es sei! Ich will fort, fort von hier! Doch zugleich
Auch du und dein Gemahl.
MELANIE.
Gott! Wie läßt sich's vereinen?
ANKARSTRÖM, HORN, RIBBING UND DIE VERSCHWORENEN tauchen verlarvt im Gewühl wieder auf, suchend umherblickend.
GUSTAV.
Ich statt‘ euch glänzend aus und ihr verlaßt mein Reich!

Er zieht ein zusammengefaltetes Papier aus der Brusttasche.

Diese Schrift, die auf immer uns trennt, gib deinem Gatten.
Ja, ich unterschrieb – ich, dein Geliebter – nein, nein, dein Herr!
Mein Vergehn wird Vergessenheit nunmehr umschatten.
Fühlst du, daß nur der Liebe solch Opfer nicht zu schwer?
MELANIE.
Unglücksel'ge!
ANKARSTRÖM.
Er ist's – kein Zweifel mehr!
GUSTAV übergibt Melanie das Papier.
Hier, lies!
MELANIE nimmt es und liest.
»Gouverneur von Finnland!«
Ach, dann darf ich nicht mehr klagen!
Nur fern von hier erring‘ ich Ruh‘!
Werde still mein Leiden tragen,
O Himmel, gib mir Kraft dazu!
GUSTAV.
Wie soll ich mein Leiden tragen?
Ach, dahin ist meine Ruh‘!
Muß nun still und einsam klagen,
O Himmel, gib mir Kraft dazu!
ANKARSTRÖM leise zu den Verschworenen.
Ha, nun darf ich es wagen!
Fort mit ihm, fort zur Ruh‘!
Er falle, falle! ohne Zagen
Send‘ ich ihn der Hölle zu!
HORN, RIBBING UND DIE VERSCHWORENEN leise zu Ankarström.
Ha, nun darfst du es wagen!
Fort mit ihm, fort zur Ruh‘!
Er falle, er falle! ohne Zagen
Sende ihn der Hölle zu!
MELANIE legt das Papier zusammen und steckt es zu sich.
Mein König, ich gehorche mit dankerfülltem Sinn!
GUSTAV.
Es ist die letzte Gabe!
ANKARSTRÖM tritt rasch auf Gustav zu, setzt ihm ein Pistol, das er unter dem Domino hervorzieht, auf die Brust.
Nimm auch die meine hin!

Sein Schuß fällt.

Ein Augenblick allgemeiner Erstarrung.

GUSTAV im Niedersinken.
Ach! Ich sterbe!
MELANIE.
Zu Hilfe!

Sie sinkt neben dem König hin.

ALLE stürzen erschrocken herbei. Oskar kniet neben Gustav, um ihn zu unterstützen. Ankarström reißt seine Larve ab und steht hochaufgerichtet unbeweglich. Kavaliere ergreifen ihn. Horn, Ribbing und die Verschworenen suchen zu entkommen. Die Kavaliere und Königsgrenadiere verhindern sie daran, reißen ihnen die Larven vom Gesicht, entwaffnen sie, nehmen sie fest und führen sie unauffällig hinweg.
OSKAR.
Meuterei!
Schreckensstunde! Königsmord! Eilt herbei!
Blut entströmt seiner Wunde!
CHOR.
Ankarström!
O unerhört Verbrechen!
Blutig lasset uns rächen
Diese schändliche Tat!
Gott! schenk des Teuren Leben
Dem Volk, das treu ergeben,
Ihn angebetet hat!
GUSTAV.
Wo bin ich?
Was geschah? – Leb wohl, mein Vaterland!
So glaubt‘ ich nicht zu sterben! – Teure Freunde! Waffenbrüder –

Zu Melanie.

Und du – mein höchstes Gut auf Erden -!
Weinet nicht! Laßt, umringt von euch – mich enden!
CHOR.
Gott, schenk‘ des Teuren Leben
Dem Volk, das treu ergeben
Ihn angebetet hat!
GUSTAV.
Dem Mörder verzeiht!

Er stirbt.

ALLGEMEINER SCHRECKENSRUF.
Ah!