François-Adrien Boieldieu

Die weiße Dame

Komische Oper in drei Aufzügen

Personen
Gaveston, Verwalter der ehemaligen Grafen von Avenel (Baß)
Anna, seine Mündel (Sopran)
Georg, ein junger englischer Offizier (Tenor)
Dikson, Pächter der Grafen von Avenel (Tenor)
Jenny, seine Frau (Sopran)
Margarethe, eine alte Dienerin der Grafen von Avenel (Sopran)
Mac-Irton, Friedensrichter (Baß)
Gabriel, Knecht des Pächter Dikson (Baß)
Gerichtsbeamte. Gerichtsdiener. Pächter und Pächterinnen. Bauern und Bäuerinnen

Ort der Handlung: Schottland, auf dem Gute und Stammschloß der Grafen von Avenel.
Zeit: Im Jahre 1759.
Rechts und links vom Darsteller.
Spielzeit: Zweiunddreiviertel Stunde.
Erste Aufführung: Paris, 10. Dezember 1825.

Ouvertüre.

Erster Aufzug.

Vor dem Pachthofe des schottischen Pächters Dikson, mit der Aussicht auf eine majestätische Gebirgslandschaft, von der gangbare Wege nach unten führen. Zur Rechten auf Stufen das Haus, die Thür mit Guirlanden geschmückt. Entfernt im Hintergrunde links erblickt man die Türme des Schlosses Avenel. Links Bäume und Gebüsch, Steintisch und Bank.

Es ist Nachmittag.

Rechts und links vom Darsteller.

Erster Auftritt.

Schottische Bauern und Bäuerinnen mit Blumensträußen geschmückt. Patenführer. Musikanten. Anfänglich stehen auf den Felsvorsprüngen einzelne Männer und geben auf ihren sonst am Gürtel hängenden kleinen Hörnern den Gefährten Zurufe. Männer und Frauen eilen darauf von oben und von allen Seiten herbei, andere folgen; man begrüßt einander, mit den Baretts winkend, die Hände schüttelnd und kommt in Gruppen allmählich vor.

Nr. 1. Introduktion und Chor.

CHOR DER BERGBEWOHNER.
Erklinget, erklinget, ihr Hörner und Schalmeien!
Die Bergbewohner sind vereint,
Festlich der Taufe ein Kind zu weihen.
Das ist ein Tag voll hoher Wonne,
Für Anverwandte, für Eltern und Freund‘!
Erklinget, erklinget, ihr Hörner und Schalmeien!
Die Bergbewohner sind vereint,
Sind all‘ vereint, sind all‘ vereint!

Sie tanzen.

Jenny und Dikson kommen festlich geschmückt mit verdrießlicher Miene von rechts aus dem Hause.

Zweiter Auftritt.

Die Vorigen. Jenny, Dikson zu ihrer Linken.

EIN SCHOTTE geht Dikson entgegen.
Was, Vetter, giebt’s? Eilt es zu sagen!

Der Tanz wird unterbrochen.

DIKSON.
Freunde, ach! kaum kann ich den Verdruß ertragen,
Daß mein Sohn heute nicht getaufet werden kann.
CHOR sich um Dikson und Jenny sammelnd, erstaunt.
Und weshalb denn? Schnell sag es an!
DIKSON.
Zu einer Taufe –
CHOR einfallend, bedauernd.
Nur der Pate gebricht?
DIKSON.
Ja, da sitzt’s! den Paten hab ich nicht!
Ja, ja, der Pate fehlt!
JENNY.
Welch ein Los trifft uns!
Der Pate fehlt!
CHOR.
Welch ein Los trifft uns!
Alles ist bestellt und der Pate fehlt!
DIKSON.
Den Paten wählt ich von hohem Stande,
Unser Richter sollte es sein;
Doch grad heut recht krank zu werden, heute,
Fällt dem alten Herren ein.
CHOR.
Wie wird der Richter hier ersetzt?

Mißmutig zu einander.

Muntre Tänze, frohe Spiele,
Ach, alles ist zu Ende jetzt!
Welche Trauer füllet alle Herzen an!
JENNY zu ihren Gefährtinnen.
Der Pate, ja, der muß vornehm sein!
Das bringt meinem Sohn Glück allein.
Muntre Tänze, frohe Spiele,
Ach, alles ist zu Ende jetzt!
Welche Trauer füllet alle Herzen an!
DIKSON zu seinen Gefährten.
Der Pate, ja, der muß vornehm sein!
Das bringt meinem Sohn Glück allein.
Ach, keine Tänze! ach, keine Spiele!
Denkt nicht mehr dran!
Freunde, denkt nicht dran!

Beschwichtigend.

Nein, nein! Denkt nicht daran! Nein, denkt nicht daran!
Glaubt mir, denkt nicht mehr dran!

Die Schotten wenden sich zum Abgang.

Georg Brown in der einfachen Uniform eines Unterlieutenants, ein kleines Päckchen an seinen Degengriff geknüpft, seinen Mantel mit dem Degen selbst auf der Schulter tragend, zwei Pistolen im Gürtel, eine Börse in der Tasche, kommt von links den Berg herab.

Dritter Auftritt.

Jenny und Dikson. Georg Brown. Schottische Bauern und Bäuerinnen.

DIKSON der Georg zuerst erblickt; erstaunt.
Seht ihr diesen Fremden nahn?
CHOR neugierig.
Seht ihr diesen Fremden nahn?
DIKSON.
Seht einen Fremden sich hier nahn!
CHOR.
Seht ihr diesen Fremden nahn?
JENNY, DIKSON, CHOR sich gegenseitig befragend.
Wer ist wohl der junge Mann?
GEORG ist inzwischen nach vorn gekommen und nimmt zwischen Jenny und Dikson die Mitte.
Wollt ihr, o Freunde, sprecht,
Mir Herberg‘ wohl verleihn?

Er zieht seine Börse und hält sie ihnen entgegen.

Seht hier – dies Geld! – Nehmt es,
Mich quält der Hunger sehr!
DIKSON das Geld zurückweisend.
Was soll’s?
GEORG.
Nehmet doch!
DIKSON.
Was soll’s?
GEORG dringlicher.
Nehmet doch!
DIKSON mit Edelmut.
Schottlands Bergbewohner nehmen hier
Jeden Fremdling gerne auf;
Doch Gastfreundschaft geben wir
Nie für schnödes Gold zum Kauf!
Nennet uns Euren Stand!
GEORG.
Früh dient‘ ich dem Vaterlande,

Stolz.

Und bin jetzt des Königs Offizier.
ALLE ANDERN mit Zeichen des Erstaunens.
Des Königs Offizier! des Königs Offizier!
DIKSON.
Der Titel g’nügt, er macht Euch Ehre,
Seid doppelt nun willkommen mir.
GEORG.
O Freunde, nehmt den besten Dank
Für eure Güte im voraus an,
Für eure Güte an!

Dikson nimmt Georg den Mantel, den Degen und das Bündel ab, trägt die Gegenstände in das Haus zur Rechten, kommt sogleich zurück und tritt Jenny zur Linken.

Nr. 2. Arie mit Chor.

GEORG.
Ach, welche Lust, Soldat zu sein!
Man dient mit tapf’rem Mute
Dem Fürsten, dem Staate allein,
Und verläßt mit leichtem Blute
Die Geliebte, eilt in der Helden Reihn;
Ach, ach, welche Lust, Soldat zu sein! –
Er eilt beim Schalle der Trompeten,
Beim Wirbel der Trommel ins Feld!
Des Vaterlands Ehre zu retten,
Opfert freudig sein Leben der Held.
Höret ihr, wie dort ertönt
Tapfrer Brüder Kriegsgesang?
Jubelnd ehren sie unsre Sieger,
Mit Ruhm gekrönt, beim Becherklang!
So trinkt aufs Wohl unserer Krieger all,
Hoch leb‘ ihr Mut und unser General!
Hoch ehret ihren Mut und unsern General!
Ach, ach, welche Lust, Soldat zu sein!
Man dient mit tapf’rem Mute
Dem Fürsten, dem Staate allein,
Und verläßt mit leichtem Blute
Die Geliebte, eilt in der Helden Reihn;
Ach, ach, welche Lust, Soldat zu sein!
Seiner harrt nun bald der Lohn.
Friede führt zum Glücke,
Führt zur Heimat freundlich ihn zurücke.
Welch Schauspiel erwartet ihn nun!
Hier ein Vater, dort ein Freund,
Die voll Wonn‘, ihn umarmend, am Herzen ruhn.
Erfreut ruft jeder: Er ist’s, ja, er ist’s, er ist hier!
Ihn begrüßend, herzlich küssend,
Rufen sie: seht des Dorfs schönste Zier!
Ja, selbst der Greis, der ihn erblicket,

Er legt die Hand an den Hut.

Ehrend den Mut, zieht schnell den Hut.
Ja, Soldat zu sein, ist in jedem Land stets der herrlichste Stand.
Seiner harrt nun bald der Lohn.
Friede führt zum Glücke,
Führt zur Heimat freundlich ihn zurücke.
Welch Schauspiel erwartet ihn nun!
Hier ein Vater, dort ein Freund,
Die voll Wonn‘, ihn umarmend, am Herzen ruhn.
Erfreut ruft jeder: Er ist’s, ja, er ist’s, er ist hier!
Und die Mutter eilt voll Entzücken,
In die Arme den Sohn zu drücken!

Er ahmt die Mutter in Ton und Gebärden nach.

»Ist es wahr, was ich seh?
Ja, er ist’s! er ist da!

Er thut, als ob er küsse.

Du bist da? Ja, du bist’s!
Ja, du bist’s, teurer Sohn!« –
ALLE ANDERN Freude und Teilnahme bezeigend.
Ach, ja! so ist es wahrlich, ja! –
GEORG fast gesprochen.
Doch es suchen meine Blicke
Umsonst mein Liebchen,
Das ich einst ließ hier zurücke.
Wo mag sie weilen? –

Nach einer kleinen Pause, in der er sie vergebens zu suchen scheint; gesprochen.

Ei, ei!
Ich versteh! – Ich versteh! – Ich versteh! –

Wehmütig.

Ach, welche Lust, Soldat zu sein!

Sich die Gedanken aus dem Kopf schlagend.

Ach, welche Lust, Soldat zu sein!
ALLE ANDERN.
Ach, welch ein schöner Stand,
Dem Staate sich zu weihn!
Ach, welche Lust, Soldat zu sein!

Nr. 3. Recitativ und Duett mit Chor.

JENNY für sich.
Welch ein herrlich Gemüte!
Welch ein freundlich Gesicht!

Beiseite zu Dikson.

Wir bitten zu Gevatter ihn.
DIKSON erschrocken, leise.
Wo denkst du hin? Das schickt sich nicht!
JENNY leise.
Laß mich gewähren!
DIKSON leise.
Wo denkst du hin?
JENNY leise.
Laß mich gewähren!
DIKSON leise.
Wo denkst du hin?
Fürwahr, fürwahr, das schickt sich nicht! –
JENNY schiebt ihn zurück, tritt an ihm vorüber, Georg näher und verneigt sich tief vor Letzterem.
Mit Dank erkennend des Himmels Güte,
Der uns durch einen teuren Sohn erfreut,
Und soll einst Mut und sanft Gemüte
Das Geschick ihm verleihen,
So schenken Sie dem Wunsch Gedeihn,
Und werden Sie des Kindes Pate heut.
GEORG.
Pate ich?
JENNY.
O schenken Sie dem Wunsch Gedeihn,
Und werden Sie des Kindes Pate heut!
GEORG.
Wie? Ich soll des Kindes Pate sein?
ALLE ANDERN dringend.
Williget ein, ihm Pate heut zu sein!
GEORG zu Jenny.
O könnt ich einst, um meine Schuld zu lösen,
Dem holden Sohn ein heit’res Los verleihn!

Jenny wohlgefällig betrachtend.

Doch so viel Reiz muß wohl Reu einflößen,
Ja, Reu einflößen – des Kindes Pate nur zu sein,
Nur des Kindes Pate zu sein!
DIKSON tritt hinter beiden weg, Georg zur Linken.
Wie gut er ist!
JENNY UND CHOR.
Ach, welch Gemüte!
GEORG.
Des Kindes Pate nur zu sein;
Ja, Pate ihm, Pate ihm nur zu sein!
Ich will’ge ein, ihm Pate heut zu sein!
ALLE ANDERN.
Williget ein, ihm Pate heut zu sein!
DIKSON erfreut.
Ihr willigt ein?
GEORG tritt an Jenny vorüber nach rechts vorn.
Recht gerne!
DIKSON gesteigert.
Ihr willigt ein?
JENNY entzückt.
Welch ein Glück!
DIKSON UND CHOR mit Gebärden der Freude.
Welch ein Glück!
DIKSON geschäftig zu Jenny.
Nun schnell, eile denn zum Priester hin!

Zu den ihm zunächststehenden Freunden und Frauen.

Und ihr besorget die Mahlzeit, ich bitte!

Zu Georg.

Denn bei uns, so will’s die Sitte,
Ißt und trinkt man stets zuvor.
GEORG.
Herrlich, herrlich ist diese Sitte
Und im voraus lad‘ ich mich ein! –
Mit Lust füll ich den Becher dann,
Und stimm‘ ein heitres Lied, ein heitres Liedchen an!
Mit Lust füll‘ ich den Becher dann,
Und stimm‘ ein heitres Lied, ein heitres Liedchen an!
ALLE ANDERN.
Mit Lust füllt er den Becher dann
Und stimmt ein heitres Lied, ein heitres Liedchen an!
JENNY.
Ach, welch ein lieber Herr!
DIKSON.
Ach, welch ein lieber Herr!
Ach, welch ein freundlicher Herr!
CHOR.
Ach, welch ein freundlicher Herr!
GEORG.
Ach, ich wünsche nichts mehr!

Er geht von Jenny begleitet, nach rechts in das Haus, um das Kind zu begrüßen.

DIKSON.
Freunde, nun stimmet an!
Erklingt! erklingt! erklingt!
DIKSON UND CHOR.
Erklinget, erklinget, ihr Hörner und Schalmeien!
Die Bergbewohner sind vereint,
Festlich der Taufe ein Kind zu weihen.
Das ist ein Tag voll hoher Wonne,
Für Anverwandte, für Eltern und Freund‘!
Erklinget, erklinget, ihr Hörner und Schalmeien!
Die Bergbewohner sind vereint,
Sind all vereint, sind all vereint!

Georg und Jenny kommen von rechts aus dem Hause zurück.

Jenny eilt mit einigen Gefährtinnen nach rechts hinter dem Hause ab, um den Priester zu holen.

Die Bauern und Bäuerinnen zerstreuen sich nach allen Seiten hin; einige gehen nach rechts ins Haus, andere verschwinden langsam nach rechts und links.

Eine kleine Gruppe verweilt im Hintergrunde.

Vierter Auftritt.

Georg, Dikson zu seiner Linken. Eine kleine Gruppe Bauern im Hintergrunde.

GEORG spricht. Nun wohl, so bleibe ich denn hier, im Kreise dieser guten Leute, als ein Mitglied der Familie! Wahrhaftig, diesen Morgen hätt‘ ich nicht gedacht, daß mir heute noch ein solches Ehrenamt zu teil werden sollte.
DIKSON. Ihr beehrt durch Eure Güte einen armen Landmann umsomehr, da, wie unsere Väter sagen, ein neugebornes Kind stets von der Einwirkung böser Wesen bedroht ist – und besonders hier in Schottland.
GEORG. Wirklich?
DIKSON. Ja, es ist ein böses Land! Doch nun von dem Kinde zu reden – Ihr thut es doch nicht ungern?
GEORG. O sehr gern. Was kann ein Offizier auf Urlaub Besseres thun! Man muß seine Zeit nützlich anwenden. Und leiste ich nicht, indem ich Gevatter stehe, zugleich dem Staate einen wesentlichen Dienst?
DIKSON. Ihr erweist einem armen Pächter eine große Ehre. Aber mein Herr, Ihr habt mir Euren Namen noch nicht gesagt.
GEORG. Richtig. Ehe ich dem Kinde meinen Namen geben kann, muß ich ihn doch vorher nennen. Ich heiße Georg.
DIKSON. Georg? Das ist doch wohl nur Euer Taufname?
GEORG. Für heute braucht ihr ja keinen andern. Indessen – wenn euch daran liegt: Georg Brown. Im übrigen weiß ich euch nicht mehr zu sagen. Außer einigen dunkeln Erinnerungen habe ich sonst keine Kenntnis mehr von meiner Familie. Ich besinne mich wohl noch auf einige Bediente, die mich auf ihren Armen trugen und an deren glänzenden Livreen ich mich ergötzte, auf ein junges Mädchen, mit dem ich erzogen wurde, auf eine alte Frau, die mir immer schottische Romanzen sang und schauerliche Märchen zu erzählen wußte. Doch mit einemmale, ich weiß nicht wie und warum, wurde ich auf ein Schiff gebracht und den Befehlen eines Mannes Namens Dunkan übergeben, der Hochbootsmann auf dem Schiffe war und sich meinen Oheim nannte. Er behandelte mich sehr rauh und lehrte mich den Seedienst. Nach einigen Jahren übler Behandlung gelang es mir, zu entkommen und ich entfloh, nicht einen Schilling in der Tasche.
DIKSON. Armer junger Mann!
GEORG. O ich war nicht zu beklagen. Ich war ja frei und mein eigener Herr! Ich wurde Soldat des Kö nigs. Seit jenem Augenblick bin ich der glücklichste Mensch auf Erden. Es sind jetzt sechs Monate her – ich war eben zum Unterlieutenant ernannt worden – stand ich an der Seite meines Obersten vor einer Batterie. »Georg,« rief er mir zu, »geh zurück,« indem er sich vor mich stellte. Ihr könnt wohl denken, daß ich diesem Befehl nicht Folge leistete und mich im Gegenteil dem Schusse entgegen warf. Vergebens! Wir fielen beide – er, um nie wieder zu erwachen.
DIKSON. So starb er?
GEORG. Auf dem Felde der Ehre! Er lüftet den Hut. Er starb den Tod des Helden! Den Blick nach oben gerichtet. Möge er dort für mich ein gleiches Los erbitten. Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in einer mir unbekannten Hütte, an meiner Seite ein junges hübsches Mädchen, das mich mit unendlicher Sorgfalt pflegte und dem ich ohne Zweifel die Erhaltung meines Lebens verdankte. Sie hatte mir verboten zu sprechen, ich konnte daher nur durch Gebärden dem holden Wesen meine Dankbarkeit zu erkennen geben – und das Verlangen, zu wissen, wer meine Wohlthäterin sei – doch sie vertröstete mich auf meine Genesung. Eines Tages erwartete ich sie vergebens zur gewohnten Stunde, sie kam nicht wieder. Unruhig und betrübt verließ ich schnell die Hütte, denn von meinen Wunden war nur eine – hier Er zeigt nach dem Herzen. ungeheilt geblieben: es war die Liebe zu meiner schönen Pflegerin. Ach und seitdem suche ich vergebens der holden Unbekannten auf die Spur zu kommen.
DIKSON. Das war gewiß Euer Schutzengel, ein guter menschenfreundlicher Geist, deren es hier im Hochlande so viele giebt!
GEORG. Daran erkennt man sogleich den Schotten wieder. Indes leicht möglich! Statt der Geliebten traf ich in London meinen alten Freund und Lehrer Dunkan wieder. Er war sehr erstaunt, mich in meinem jetzigen Stande zu sehen und ich hatte große Lust, trotz unserer Verwandtschaft ihn für die frühere Ironisch. gute Behandlung Gleiches mit Gleichem zu vergelten, doch er war alt und schwach und wird nicht lange mehr leben. Ich teilte meine nicht eben große Habe mit ihm und verlangte von ihm nichts, nicht einmal seine Erbschaft.
DIKSON. Das war gewiß großmütig; aber das wird Euch auch Glück bringen.
GEORG. Das sagte er mir beim Abschiede auch.

Jenny kehrt mit ihren Gefährtinnen von rechts hinter dem Hause zurück.

Die Letzteren gehen nach rechts ins Haus, kommen aber später auf Jennys Wink mit Speisen und Getränken wieder heraus, wobei von den Männern zugleich Tische, Bänke und Stühle herbeigetragen werden.

Fünfter Auftritt.

Die Vorigen. Jenny. Auf Winke der Männer im Hintergrunde kommen die Andern von allen Seiten herbei.

Nr. 4. Terzett und Chor.

DIKSON geht Jenny entgegen.
Doch mein Weibchen seh‘ ich eilig kommen.
JENNY die Mitte nehmend, verlegen zu Georg.
Ach, mein Herr! Sie verzeihen,
Kaum wag‘ ich’s, doch ist die Schuld nicht mein!
GEORG UND DIKSON.
Nun, was giebt’s?
JENNY.
Ach, die Taufe, wie ich vernommen,
Kann erst spät –
GEORG UND DIKSON.
Kann erst spät ?
JENNY.
Am Abend sein.
Und gewiß wollt Ihr hier nicht weilen.
Ihr wollt fort?
GEORG heiter.
Gern bleib‘ ich hier am Ort.
Weshalb auch eilen? Weshalb auch eilen?
Da, wo mir Freude lacht,
Weil‘ ich gern – will nicht fort!
JENNY UND DIKSON.
Hier in dürft’ger Hütte –
DIKSON erfreut.
Weilet Ihr?
JENNY ebenso.
Verweilet Ihr?
GEORG.
Gern bleib‘ ich hier!
DIKSON gesteigert.
Bis morgen früh?
JENNY ebenso.
Bis morgen früh?
GEORG.
Ich lüge nie!
DIKSON wie oben.
Mit uns eßt Ihr?
JENNY ebenso.
Mit uns eßt Ihr?
GEORG.
Gern eß ich hier!
DIKSON.
Ja, mit uns?
GEORG.
Ja, recht gern!
JENNY UND DIKSON.
Mit uns eßt Ihr?
GEORG.
Ja, recht gern!
JENNY UND DIKSON.
Ach, nie sah ich solchen art’gen Herrn,
Ja, alles, alles thut er gern.
GEORG.
Bei wackern Leuten bleib ich gern.
DIKSON zu Jenny.
Was nur Keller und Küch‘ vermag,
Bring‘, lieb‘ Weibchen, mich hungert sehr.

Jenny ordnet an, daß von rechts aus dem Hause ein gedeckter Tisch mit Speisen, Flaschen und Gläsern versehen, herbeigebracht und von drei Stühlen umgeben, rechts vorn aufgestellt wird; ebenso im Hintergrunde eine lange Tafel.

DIKSON.
Eure Hand, lieber Herr!

Er reicht Georg die Hand.

Für uns, welch festlicher Tag!

Tanz.

DIKSON zu seinen Gefährten.
Freunde, trinkt! Fröhlich besingt
Die Gastfreundschaft heut!
GEORG zu Jenny.
Minnelob, Schönheit und Ehre besing‘ ich heut.
JENNY zu Georg.
Fröhlich trinkt, stimmt ein Lied der Gastfreundschaft an!
GEORG zu Jenny.
Seh‘ ich Euch, Schönheit nur besing‘ ich dann.

Er wendet sich mit Jenny zum Tisch rechts.

CHOR.
Freunde, trinkt! Froh besingt
Die Gastfreundschaft heut!

Die Bauern mit ihren Frauen nehmen an der Mitteltafel, am Steinsitz links vorn und auf Felsvorsprüngen Platz, lachen, scherzen, essen, trinken und tanzen.

DIKSON zeigt nach dem Mittelplatz am Tisch rechts.
Hier uns’rem liebenswürd’gen Krieger
Sei der Ehrenplatz geweiht.

Er tritt dem Tisch zur Rechten.

GEORG tritt hinter den Tisch auf den angewiesenen Platz und zeigt zu seiner Linken.
Die Gevatt’rin sitzt mir zur Seite,
Wie ihr Anblick mich erfreut!

Dikson, Georg und Jenny nehmen Platz, essen und trinken.

DIKSON, JENNY, CHOR.
Freunde, trinkt! Froh besingt
Die Gastfreundschaft heut!
Minnelob, Schönheit, Ehr‘ besinge ich heut!
GEORG.
Minnelob, Schönheit, Ehr‘ besinge ich heut.
Freunde, trinkt! Froh besingt
Nur Schönheit, Ehre heut!

Alle ergreifen die Becher.

Die Frauen schenken ein.

GEORG spricht. Und nun sagt mir, lieben Freunde, was giebt es hier in der Gegend für Merkwürdigkeiten für einen Fremden?
DIKSON. Fürs erste das Schloß Avenel, ein prachtvolles Gebäude, Er zeigt nach links hinten. dessen Türme man von hier aus erblicken kann.
JENNY. Das neue prächtige Schloß ist schon seit längerer Zeit gesperrt und niemand darf hinein. Aber die Ruinen und Gewölbe des alten Schlosses sind sehr schön; alle fremden Maler gehen auch sogleich hin, es zu besehen.
GEORG. Dahin führt ihr mich morgen auch, nicht wahr?
DIKSON. Recht gern. Aber Ihr kommt gerade zu einer ungelegenen Zeit. Das Schloß wird gewöhnlich von einer alten Haushälterin bewohnt, doch gestern ist der Verwalter Gaveston hier angekommen und man sagt, daß er erst nach dem Verkaufe des Schlosses wieder abreisen werde.
GEORG. Wie? Das schöne Schloß soll verkauft werden?
DIKSON. So ist’s! An den Meistbietenden! Es gehörte ehemals den Grafen von Avenel, braven biedern Herren, die bei allen Bewohnern der Umgegend noch immer im freundlichen Andenken stehen. Aber sie waren Anhänger der Stuarts und der verbannte geächtete Graf flüchtete nach der Schlacht bei Culloden mit einem Teil seiner Familie nach Frankreich, wo er gestorben sein soll.
JENNY. Seitdem hat dieser Herr Gaveston, der den Geschäften des Grafen vorstehen sollte, dieselben so zerrüttet, daß zur Befriedigung der Gläubiger morgen diese schöne Herrschaft meistbietend verkauft werden muß.
DIKSON. Ja noch mehr. Man sagt, daß der jetzige Verwalter Gaveston sich dabei so bereichert hat, daß er bei der morgenden Versteigerung das Gut an sich bringen will, um dadurch Graf von Avenel zu werden. Die Bauern zum Widerspruch aufreizend. Ist es nicht arg, daß so ein Gauner von Haushof meister unser Herr werden soll? Alle Wetter, nein, das leiden wir nicht!
DIE BAUERN erregt. Nein, das leiden wir nicht!
JENNY zu Dikson. Sei ruhig! Ich glaube, es steht ihm ein Unglück mit dem Kauf des Schlosses bevor, denn unser Knecht Gabriel will gestern Abend auf den Zinnen des Schlosses die weiße Frau von Avenel gesehen haben.
DIKSON zusammenschreckend. Ach, du lieber Himmel! Ist das gewiß?
JENNY. Freilich. Er sah sie so deutlich, wie ich dich jetzt vor mir sehe!
GEORG. Die weiße Frau von Avenel? Wer ist diese Dame? Ist sie jung und schön, dann soll es mich freuen, ihre Bekanntschaft zu machen.
DIKSON. Wo denkt Ihr hin!? Wie kann sie denn schön sein?
GEORG. Warum – wenn es ein junges hübsches Weibchen ist?
DIKSON. Seit drei- bis vierhundert Jahren ist sie die Beschützerin des Hauses Avenel.
GEORG. Seit drei- bis vierhundert Jahren? Nein, da ist sie mir zu alt! Er steht auf und wendet sich nach links.

Die Andern erheben sich ebenfalls; die Tafel im Hintergrunde wird unauffällig nach rechts hinein entfernt, nachdem die Bauern davor getreten sind und sie dadurch verdeckt haben; man unterhält sich in Gruppen weiter zurück.

JENNY zwischen Dikson und Georg. Wenn diesem Hause ein Glück oder Unglück bevorsteht, so kann man sicher sein, daß sie erscheint. Sie schreitet langsam auf den Ruinen umher, in einem langen weißen Gewande, mit der Harfe im Arm, der sie himmlische Töne entlockt. Und wie ein Lied von ihr sagt –
GEORG Jenny zur Linken. Man hat auch ein Lied von ihr?
DIKSON. Und ein recht schauerliches, das man in der ganzen Umgegend singt; aber nur, wenn mehrere beisammen sind, denn allein macht es zuviel Furcht. Meine Fran kann es auch.
GEORG zu Jenny. So singt es uns, liebes Kind. Mich dünkt, wir können es schon wagen. Unsere Anzahl ist ja stark genug.
JENNY. Sehr gern.

Die Bauern und Bäuerinnen treten näher.

Der kleine Tisch rechts und die drei Stühle werden unauffällig nach rechts entfernt.

Nr. 5. Ballade mit Chor.

JENNY.
Still!
DIKSON, JENNY UND CHOR.
Still! – Höret zu!
JENNY.
Seht jenes Schloß mit seinen Zinnen,
Das dort so stolz bis zum Himmel ragt!
Unsichtbar haust‘ ein Fräulein drinnen,
Das Tag und Nacht die Burg bewacht.
Ritter, die ihr falsch und grausam
Schmiedet manchen Frevler-Plan,
Laßt vom Bösen euch nicht bethören,
Gebt wohl acht! gebt wohl acht!
Die weiße Dame kann euch hören,
Die weiße Dame sieht euch an.
DIKSON.
Die weiße Dame kann uns hören,
Die weiße Dame sieht uns an!
CHOR DER MÄNNER.
Die weiße Dame sieht uns an!
DIKSON, JENNY, FRAUEN.
Gebt wohl acht! gebt wohl acht!
Die weiße Dame kann Euch hören!
Gebt wohl acht! gebt wohl acht!
Die weiße Dame sieht Euch an!
JENNY.
Jene Kreuzgewölbe laden
Die müden Hirten oft zur Ruh.
Manch Pärchen flüstert dort im Schatten
Sich leis‘ ein Wort von Liebe zu.
Seid, junge Mädchen, stets auf der Hut!
Hört nicht das süße Kosen an.
Laßt euch Liebe nicht bethören,
Gebt wohl acht! gebt wohl acht!
Die weiße Dame kann euch hören.
Die weiße Dame sieht euch an.
DIKSON.
Die weiße Dame kann uns hören,
Die weiße Dame sieht uns an.
CHOR DER MÄNNER.
Die weiße Dame sieht uns an!
DIKSON, JENNY UND FRAUEN.
Gebt wohl acht! gebt wohl acht!
Die weiße Dame kann Euch hören!
Gebt wohl acht! gebt wohl acht!
Die weiße Dame sieht Euch an!
JENNY.
Jede Unbill der Frau’n zu rächen,
Find’t man die Dame stets bereit;
Wenn Männer Schwur und Treue brechen,
Sagt sie der Frau es jederzeit:
Treulose Gatten, kehrt zurück!
Nur euren Pflichten folgt fortan,
Laßt nicht Leichtsinn euch bethören,
Gebt wohl acht! gebt wohl acht!
Die weiße Dame kann euch hören,
Die weiße Dame sieht euch an!
DIKSON zu den Frauen.
Die weiße Dame kann uns hören!
FRAUEN.
Ist es wahr?
DIKSON mit Bedeutung.
Glaubet mir, ja, sie sieht uns an!
CHOR DER MÄNNER.
Die weiße Dame sieht uns an!
DIKSON UND JENNY.
Gebt wohl acht! gebt wohl acht!
Die weiße Dame kann uns hören!
Gebt wohl acht! gebt wohl acht!
DIKSON, JENNY UND FRAUEN.
Die weiße Dame sieht uns an!
GEORG zu Jenny.
Meinen Dank, liebes Kind,
Ich muß gestehn, ja, ich muß es gestehn,
Ja, dies Märchen ist schön!
DIKSON, JENNY, CHOR.
Ein Märchen?
JENNY Georg mit dem Finger drohend.
Die weiße Dame sieht Euch an!
GEORG.
Die weiße Dame sieht mich an?

Mit Humor.

Mich?
JENNY ernsthaft.
Ja, sie sieht uns an.
GEORG.
Sieht uns an?
JENNY.
Ja, sie kann uns hören!
GEORG.
Die weiße Dame?
DIKSON UND JENNY.
Hört uns an!
GEORG.
Hört uns an?
Hahahaha!
DIKSON UND JENNY.
Hört uns an!
DIKSON, JENNY, CHOR.
Nur stille!

Alle haben sich während der Ballade furchtsam immer näher zusammengedrängt.

Gabriel eine Mißgestalt, schleicht während der letzten Worte von links herbei und hinter den Anwesenden weg nach rechts an Dikson heran.

Sechster Auftritt.

Die Vorigen. Gabriel.

GABRIEL schlägt Dikson unvermutet und derb auf die Schulter; sprechend. Herr!
DIKSON erschreckt aufschreiend. Ha! Fast zugleich.
ALLE ebenso. Ha!
GABRIEL selbst darüber heftig erschreckend. Ha!
DIKSON. Was giebt’s? Er wendet sich furchtsam um. Du bist’s, Gabriel? Ärgerlich. Was willst du denn?
GABRIEL stotternd. Herr, die Pächter sind im Wirtshaus versammelt und erwarten Euch!
JENNY. Gewiß wegen der morgenden Versteigerung. Geh, lieber Mann!
GEORG. Wegen des Verkaufs der Herrschaft Avenel?
JENNY. Ja. Die Pächter der Umgegend wollen sie an sich bringen.
GEORG. Und welchen Grund haben sie, auf eigene Rechnung einen solchen Kauf abzuschließen?
JENNY. Damit es dem verhaßten Gaveston nicht in die Hände falle und so der Familie Avenel erhalten werde und um es dem Grafen ungeschmälert als sein Eigentum zurückzustellen, wenn er einst un vermutet zurückkehren sollte.
GEORG. Eine solche Anhänglichkeit, ohne den Grafen zu kennen, verdient die höchste Anerkennung. Wer so allgemein geliebt wird, muß gut und edel sein!
DIKSON zu seinen Genossen. Geht, Freunde, um mit ihnen zu beratschlagen. Ich folge euch gleich nach.

Die Bauern verabschieden sich und entfernen sich nach links hinten.

Die Bäuerinnen gehen teilweise nach rechts ins Haus und folgen nach links.

Gabriel verliert sich in der Menge nach links.

Es wird langsam dunkel.

Siebenter Auftritt.

Dikson rechts. Jenny Mitte. Georg links.

JENNY. Warum gehst du denn nicht gleich mit?
DIKSON. Ich wollte vorher noch mit dem Herrn da von der Sache sprechen. Und dann ist mir bei deinem Liede allerlei eingefallen. Sie sind hier alle viel zu furchtsam, um einen guten Rat geben zu können. Zu Georg, indem er die Mitte nimmt. Aber Ihr – Ihr seid Soldat! Ihr habt Mut! Ihr müßt ja welchen haben – Ihr werdet dafür ja auch bezahlt!

Von hier ab ist der ganze Auftritt, besonders von Diksons Seite, sehr geheimnisvoll zu spielen und zu sprechen.

GEORG. Wovon ist denn die Rede?
DIKSON. Zuerst sagt mir aufrichtig – glaubt Ihr an die weiße Dame?
GEORG. Warum nicht! Es muß ein süßer Gedanke sein, immer eine hübsche Frau bei sich zu haben, eine wohlthätige Fee, die im Augenblicke der Gefahr uns zu Hilfe eilt. Ich gäbe viel darum, sie einmal zu sehen.
DIKSON zitternd, mit einem tiefen Seufzer. Ich war so glücklich!
GEORG frappiert. Ihr habt sie also gesehen? Zusammen.
JENNY erstaunt. Du hast die weiße Dame gesehen?
DIKSON. Noch mehr – ich habe auch mit ihr gesprochen und ihr dabei ein Versprechen gegeben, das mich jetzt sehr beunruhigt.
JENNY. Und das verschwiegst du mir?
GEORG. Erklärt Euch deutlicher!
DIKSON. Ohne den morgenden Verkauf hätte ich in meinem Leben nicht wieder davon gesprochen; nun sie mir aber noch obendrein erschienen ist, fährt mir die Angst in alle Glieder.
JENNY. Erzähle!
DIKSON. Vor mehreren Jahren, kurz nach dem Tode meines Vaters, schien alles Unglück über mich hereinzubrechen. Meine Felder waren verhagelt, das Feuer hatte meine Scheune verzehrt, all mein Vieh war gefallen – nur ich allein war davon übrig geblieben. Verzweiflungsvoll irrte ich eines Abends in der Gegend umher und befand mich plötzlich am Eingang der Ruine des alten Schlosses. Ich trat hinein und rief, mich auf einen Stein niederwerfend, aus: »Da mich alles verläßt, so komme du mir, weiße Dame, zu Hilfe! Ich verschreibe mich dir mit Leib und Seele, wenn du mir nur auf der Stelle zweitausend schottische Pfund verschaffst.« Nachahmend. Eine feine zarte melodische Geisterstim me antwortete mir: Im tiefsten Baß. »Wohlan, es sei! Erinnere dich deines Versprechens, wenn die Zeit gekommen sein wird!« Mit natürlicher Stimme. Und zu meinen Füßen fiel ein schwerer Beutel mit Geld nieder. Ich drückte die Augen fest zu und hob ihn auf. Es waren schöne blanke Goldstücke, mit denen ich meine Schulden bezahlte und mich wieder neu einrichtete. Seitdem begleitete das Glück alle meine Unternehmungen, ich wurde der reichste Pächter der Umgegend und heiratete bald darauf meine Jenny, die ich schon lange zuvor lieb hatte.
JENNY. Wenn ich das gewußt hätte, würde ich mich wohl gehütet haben, dich zu nehmen. Einen solchen Vertrag zu schließen! Und wenn ich bedenke, daß du dich ihr mit allem, was dir gehört, verschrieben hast –
DIKSON. So ist es!
JENNY. Und ich, deine Frau, auch dabei bin – und unser Kind –
GEORG. Wie? Mein kleiner Pate?

Gabriel schleicht zaghaft von links heran.

Achter Auftritt.

Die Vorigen. Gabriel.

JENNY. Und wenn sie nun eines Nachts kommt und ihre lange weiße Hand nach dir ausstreckt –

Gabriel tritt zwischen Dikson und Georg und legt seine Hand schwer auf Diksons Schulter.

DIKSON erschreckt aufschreiend. Ha! Fast zugleich.
JENNY ebenso. Ha!
GABRIEL selbst darüber heftig erschreckend. Ha!
DIKSON sich umsehend. Du bist’s wieder – Gabriel. Heftig. Ich glaube, der Dummkopf kommt absichtlich, um mich zu erschrecken, wenn ich mich fürchte!
GABRIEL weinerlich. Ihr fürchtet Euch aber auch immer, wenn ich komme.
DIKSON heftig. Was willst du denn schon wieder?
GABRIEL noch weinerlicher. Herr, die Pächter erwarten Euch – Sie müssen heute noch nach Hause zurück – und es fängt schon an – Abend zu werden –
DIKSON. Ich komme gleich!

Gabriel entfernt sich scheu und ängstlich nach links.

Neunter Auftritt.

Die Vorigen ohne Gabriel.

DIKSON zu Jenny. Sei ruhig, mein Herzchen. Weshalb sollte die weiße Dame denn dich holen wollen? Da würde sie doch eher mich nehmen – einen Mann! Ich bitte Euch, Herr Lieutenant, bleibt hier bei meiner Frau – flößt ihr ein wenig Mut ein, sie fürchtet sich sonst gar zu sehr. Für sich, sich entfernend. Ach, wie ist ein Ehemann doch glücklich, wenn er seine Frau unter dem Schutze eines Lieutenants weiß! Er eilt nach links ab.

Zehnter Auftritt.

Jenny. Georg zu ihrer Linken.

Nr. 6. Duett.

GEORG.
Wie, er gehet, läßt uns hier allein!?
Doch trügt mich nicht ein böser Schein,
So sah ich eben
Ihn ängstlich beben.
JENNY.
Ja, wahrlich, wahrlich, ich bin übel dran;
Stets zittern seh‘ ich meinen guten Mann;
Der kleinste Lärm kann ihn erschüttern,
Ihm wird bang!
GEORG.
Ihm wird bang?
JENNY.
Ach, wie so bang!
Hört er von Sturm und von Gewittern,
Wird ihm bang!
GEORG.
Ihm wird bang?
JENNY.
Ach, wie so bang!
Selbst im Schlafe, in stiller Nacht
Wird ihm bang!
GEORG.
Ihm wird bang?
JENNY.
Und wenn bisweilen er erwacht –
GEORG.
Und wenn bisweilen er erwachet?
JENNY.
Sieht in jeder Ecke er nur Räuber,
Hört sie auf dem Gang.
Ihm wird bang!
Kein freundlich Wort darf ich verlieren,
Und will ein anderer zum Tanz mich führen,
Wird ihm bang!
GEORG.
Ihm wird bang?
JENNY.
Ach, wie so bang!
GEORG.
Ei, ei? Ihm wird bang?
JENNY.
Zum Sterben bang!
Saget, habt Ihr je so was gesehen?
GEORG.
Ja, die Angst zu erhöh’n,
Hat man ein Weibchen schön, wie Ihr,
Vor jedem Mann wird einem bang! Doch –

Er will sie umfassen und küssen.

Jenny eilt an ihm vorüber nach links.

GEORG.
Ihr seid bei einem Krieger, der schützen
Und tapfer Euch verteid’gen kann.
JENNY.
Ach, der wackre Krieger!
Nichts fürcht‘ ich mehr für meinen Mann.
Ich bin bei einem Krieger,
Der tapfer uns verteid’gen kann. –

Sie faßt seine Hand.

Dank dem Geschicke, das uns vereinet.
Doch was seh‘ ich? Eure Hand, ei, ei, sie zittert,
Wie es mir scheinet!
GEORG.
Ja, manchmal, manchmal bin ich übel dran.
JENNY.
Ach, eben so geht’s meinem guten Mann.
GEORG.
Oft in der Nähe schöner Frauen
Wird mir bang!
JENNY.
Ihm wird bang?
GEORG.
Ach, wie so bang!
Will ich ins Feueraug‘ ihr schauen,
Wird mir bang!
JENNY.
Ihm wird bang!
GEORG.
Ach, wie so bang!
Mir wird, bewundr‘ ich ihre Züge, schon bang!
JENNY.
Ihm wird bang!
GEORG.
Stets fürchte ich, daß ich erliege!
JENNY.
Stets fürchtet er, daß er erliege!
GEORG.
Für meinen Kopf und für mein Herz
Wird mir bang.
JENNY.
Ihm wird bang!
GEORG.
Ja, sehr bang!
Wollt aller Angst Ihr mich entheben,
Dürft Ihr ein Küßchen nur mir geben.
JENNY.
Nein, mein Herr, für mich selbst wäre mir bang!
GEORG.
Ein Küßchen nur!
JENNY.
Nein, nein, mir wäre bang!
GEORG.
Ach, schnell ein Küßchen nur, zög’ret nicht lang.
JENNY.
Ei, ei, ist dem Herrn nicht mehr bang?
GEORG.
Ja wohl, doch bin ich auf der Hut,
Die Angst verdoppelt meinen Mut! –

Er umarmt und küßt sie.

JENNY eilt an ihm vorüber nach rechts.
Ach, der wack’re Krieger!
Nichts fürcht‘ ich mehr für meinen Mann.
Ich bin bei einem Krieger!
Der tapfer uns verteid’gen kann.
GEORG.
Ihr seid bei einem Krieger, der schützen
Und tapfer Euch verteid’gen kann.

Es ist noch nicht völlig dunkel.

Dikson kommt eilig von links, ein Papier in der Hand.

Elfter Auftritt.

Die Vorigen. Dikson.

DIKSON erregt und zitternd die Mitte nehmend, sprechend. Gottlob, da seid ihr ja. Ich bitte euch um alles in der Welt verlaßt mich nicht!
JENNY erschrocken. Was giebt es denn? Sollten etwa die Pächter –
DIKSON. Sie haben mich beauftragt, bis zu einer gewissen Summe zu gehen, dann gingen sie wieder. Ich begleitete sie bis an die Ecke des Waldes, etwa zweihundert Schritte von hier. Auf dem Rückwege steht plötzlich ein kleiner, dicker, schmaler, magerer, riesengroßer Zwerg vor mir, der mir dies Papier übergab und dann plötzlich in die Erde hineinfuhr, denn ich konnte nicht sehen, wo er geblieben war.
JENNY. Ach, du meine Güte!
DIKSON zu Jenny. Da ist das Papier – lies! Er reicht es ihr.
JENNY abwehrend. Lies es nur selbst!
DIKSON. Hol die Laterne! Es ist schon zu dunkel!

Jenny eilt nach rechts in das Haus ab.

GEORG inzwischen für sich. Sonderbar! Der Mann ist ganz verwirrt und vermag es nicht, sich zu fassen! Was mag das Papier enthalten?

Jenny kehrt mit einer brennenden Laterne zurück, die sie hochhält, damit Dickson lesen kann.

DIKSON mit zitternder Stimme lesend. »Du hast mir Gehorsam zugeschworen, die Stunde ist gekommen, ich bedarf deiner!« Zu Jenny. Hörst du, sie bedarf meiner!
JENNY. Sie bedarf deiner?
GEORG für sich. Seiner? O arme Frau?
DIKSON weiter lesend. »Begieb dich heute Abend an die Pforte des alten Schlosses und fordre Einlaß im Namen Julius von Avenel. Die weiße Dame!«
JENNY stellt die Laterne rechts vorn auf den Boden, entsetzt die Hände zusammenschlagend. Die weiße Dame!?
DIKSON in die Knie sinkend. Witwe!

Nr. 7. Finale Terzett.

Ein Gewitter ist im Anzuge; leiser Donner.

JENNY UND DIKSON für sich.
O Gott, o Gott! was muß ich Arme / Armer hören?
Ach, ihm drohet, ihm droht Gefahr!
Ach, vor Angst sträubt sich mein Haar!
Welch Geheimnis, welch Geheimnis!
Ein böser Geist ist’s wohl gar!
GEORG für sich.
Fürwahr, fürwahr, dies muß die Neugier mehren,
Ja, die Sache ist sonderbar!
Welch Geheimnis, welch Geheimnis!
Ja, die Sache ist sonderbar!
JENNY UND DIKSON für sich.
Welch Geheimnis! weh mir!
Ein böser Geist ist’s wohl gar!
GEORG für sich.
Ja, die Sache ist sonderbar!
JENNY für sich.
Ach, es droht ihm Gefahr!
Ja, ihm droht Gefahr!
DIKSON für sich.
Ach, es sträubt sich mein Haar!
Ja, mir droht Gefahr!
GEORG für sich.
Ich kann es nicht verstehen,
Doch möcht‘ ich sie wohl sehen,
Die dies Briefchen hat verfaßt!
DIKSON für sich.
Ich kann es nicht verstehen,
Vor Angst möcht ich vergehen,
Welch Zittern mich erfaßt!
GEORG für sich.
Er will es nicht gestehen,
Daß Angst und Furcht ihn faßt,
Doch sein Gesicht erblaßt!
JENNY für sich.
Ich kann es nicht verstehen,
Ich will es nur gestehen,
Daß Angst und Furcht mich faßt!
DIKSON für sich.
Vor Angst möcht ich vergehen,
Welch Zittern mich erfaßt!
Ich kann es nicht verstehen,
Welch Zittern mich erfaßt!
GEORG für sich.
Er will es nicht gestehen,
Er bebt, ja, und erblaßt!
Ha, seht, wie sein Gesicht erblaßt!
DIKSON zu Jenny.
Diese Nacht bleibt mir zu wählen!
JENNY.
Nein, nein, du gehest nicht!
DIKSON auf das Blatt zeigend.
Muß ich nicht gehorchen den Befehlen?
JENNY.
Nein, nein, zu bleiben ist hier Pflicht!
DIKSON.
Soll ihrem Zorn ich widerstreben?
JENNY.
Du gehest nicht, nein!
DIKSON.
Welch Los wird dann das unsre sein!
JENNY.
Du gehest nicht, nein! zu bleiben ist hier Pflicht!
DIKSON.
Sie trübt durch Kummer unser Leben,
Zerstört die Ernte und den Wein!
GEORG für sich.
Welch sonderbar Geheimnis!
DIKSON.
Und bei Nacht, glaubet mir, erscheinen alle Geister,
Die ihr treulich dienen; ja, ja, bei Nacht,
Mit Ketten schwer beladen,
Nahen sie mit Geräusch meinem Bett,
Ziehen mich bald am Ohr, bald am Fuß,
Zwicken mich in die Waden!
JENNY.
Ach, du gehest nicht!
Zu bleiben ist hier Pflicht!
Nein, nein, nein, nein, du gehest nicht!

Für sich.

Er will es nicht gestehen,
Ach, ihm drohet Gefahr.
Diese Nacht bringt ihm Gefahr!
DIKSON.
Nein, nein, die Schritte hemme nicht!

Für sich.

Vor Angst möcht ich vergehen.
Ach, es sträubt sich mein Haar,
Diese Nacht bringet mir Gefahr!
GEORG für sich.
Doch was ist das?
Wer giebt mir hier wohl Licht?
Ha, fürwahr! nein, ich versteh es nicht!
Nein, ich kann nicht verstehen,
Ja, das ist sonderbar!
Weshalb fürchten sie Gefahr?
Ich kann es nicht verstehen,
Doch möcht‘ ich sie wohl sehen,
Die dies Briefchen hat verfaßt!
DIKSON.
Ja, ja, bei Nacht, glaubt mir, erscheinen
Die Geister alle, die ihr dienen!
Bei Nacht, mit Ketten schwer beladen;
Ziehen mich bald am Ohr, bald am Fuß,
Zwicken mich in die Waden!
JENNY für sich.
Ich kann es nicht verstehen,
Doch will ich nur gestehen,
Daß Angst und Furcht mich faßt! –
DIKSON für sich.
Vor Angst möcht‘ ich vergehen,
Welch Zittern mich erfaßt! –
GEORG für sich.
Er will es nicht gestehen,
Daß Angst und Furcht ihn faßt!
JENNY.
Zu dir, Schutzpatronin, vor allem
Soll heut mein Gebet erschallen.
O blicke gnädig nieder,
O sieh meine Angst und Qualen,
Zeige heut milden Sinn.
Ach, sicher droht ihm Gefahr!
Ja, ihm droht, ja, ihm droht Gefahr!
DIKSON.
O laß, Schutzpatronin, doch vor allem
Den Blick auf mich Armen heut fallen.
O blicke gnädig nieder,
Ach, sieh meine Angst und Qualen,
Gieb mich dem Geiste nicht hin.
Ach, welche Angst, schon sträubt sich mein Haar!
Sicher drohet mir Gefahr!
Ach, vor Angst sträubt sich das Haar!
GEORG.
O laß deiner Augen Strahlen
Voll Huld auf den Flehenden fallen,
Du, der Geister Herrscherin!
Gnädig blick her auf der Armen Qualen,
Zeige heut milden Sinn.
Ja, ja, die Sache ist sonderbar!
Ja, der Fall ist sehr sonderbar!

Er tritt in die Mitte zwischen Jenny und Dikson.

Auf, Freunde, hört, trocknet die Thränen,
Länger sollt ihr trostlos nicht sein.
Mit dem Schicksal euch zu versöhnen,
Stell ich mich heut statt seiner ein.
DIKSON UND JENNY mit freudigem Schreck.
O Gott! das Leben wagtet Ihr?
GEORG.
Wer sieht je die Gefahr mich scheuen,
Kann Hilfe ich dem Freunde verleihn?

Nach und nach verfinstert sich der Himmel immer mehr; es wird Halbnacht.

DIKSON.
Fürchtet Ihr nicht den Zorn der Geister?
GEORG.
Ich fürchte nichts, ich bin Soldat.

Mehrmaliges Blitzen und Donnern.

DIKSON.
Sie töten Euch.
GEORG.
Ich bleibe Meister.
DIKSON.
Das Leben gilt’s.
GEORG.
Frisch auf zur That!

Zu Dikson.

Nun kommt, mich zu geleiten;
Ja, ich will’s, nichts hält mich zurück!
DIKSON mit Entschlossenheit.
Wohlan, wohlan! ich will Euch begleiten
Bis zum Thor, bis zum Thor!

Beiseite.

Dann kehr‘ ich um im Augenblick!

Er eilt nach rechts ins Haus.

JENNY.
Wo bleibt nun die Taufe? Ach, unsre Taufe?
GEORG.
Morgen früh werde sie ohne Säumen vollzogen dann.
DIKSON kommt mit Mantel, Degen und Bündel Georgs zurück und tritt Jenny zur Rechten.
Ei, ei, wenn der Böse Euch holte, würde nichts aus der Taufe;
Denn uns fehlte ja der Gevattermann.
DIKSON.
Deine Huld, Schutzpatron, laß mich verdienen,
Komm, komm, von Geistern uns zu befrei’n.
O lasse nicht die Zeit verrinnen;
Ja, dir will ich im Gebet mich weihn,
Wirst du nur mir Schutz verleihn!
JENNY.
Deine Huld, weiße Dame, zu verdienen,
Magst du Geist oder Kobold nun sein;
In jenem Schloß, auf jenen Zinnen
Woll‘ diesem Held doch Schutz verleihn.
GEORG.
Deine Huld, weiße Dame, zu verdienen,
Magst du Geist oder Kobold nun sein;
In jenem Schloß, auf jenen Zinnen
Wirst, Holde, dem Jünglinge heut‘ Schutz verleihn.

Blitz, Donner, Regen mit Hagelschauer.

GEORG.
Nun kommt!
JENNY.
Ach, höret Ihr?
DIKSON.
Was hör‘ ich?
GEORG.
Nun kommt!
JENNY.
Ach, höret Ihr?
DIKSON.
Was hör‘ ich?
JENNY.
Donner rollt, Hagel wütet!
DIKSON.
Die Blitze durchkreuzen die Luft,
Ja, der Himmel selbst grollt,
Ach, die Hölle tobt schon genug.
JENNY.
Gegen uns ist entfesselt alles Unheil der Welt, wie ich nun seh‘!
GEORG.
Der Hölle Macht soll mich nicht schrecken, ich gab mein Wort!
DIKSON UND JENNY erschrecken.
Alles Unheil drohet uns, wie ich nun seh‘!
GEORG.
Ich gab mein Wort, ich geh‘ an jenen Ort!

Fortwährend Blitz, schwacher Donner.

DIKSON.
Deine Huld, Schutzpatron, laß mich verdienen,
Komm, von Geistern uns zu befrei’n.
O lasse nicht die Zeit verrinnen;
Ja, dir will ich im Gebet mich weihn.
JENNY.
Deine Huld, weiße Dame, zu verdienen,
Magst du Geist oder Kobold nun sein;
In jenem Schloß, auf jenen Zinnen
Woll‘ diesem Held doch Schutz verleihn.
GEORG.
Deine Huld, schönste Dame, zu verdienen,
Magst du Geist oder Kobold nun sein;
In jenem Schloß, auf jenen Zinnen
Wirst, Holde, dem Jünglinge heut‘ Schutz verleihn.

Blitz und Donner.

DIKSON UND JENNY.
Ach, höret doch, der Donner rollt!
GEORG.
Folgt mir, vergebens widerstrebt Ihr! Auf, folget mir! nun folgt!
DIKSON UND JENNY.
Näher kommt uns das Wetter!

Es wird noch dunkler.

GEORG.
Auf, folget, folgt mir!

Blitz und Donner werden stärker.

DIKSON.
Zu dir, Schutzpatron, doch vor allem!
O lasse nicht die Zeit verrinnen!
Ja, dir will ich im Gebet mich weihn,
Wirst du nur mir Schutz verleihn!
O sieh meine Angst und Qualen!
Zu dir soll mein Flehen, Schutzpatron, heut
erschallen,
Zeige heut milden Sinn,
O gieb mich nicht dem Geiste hin!
JENNY.
Zu dir, Schutzpatronin vor allem!
In jenem Schloß, auf jenen Zinnen
Woll‘ diesem Held doch Schutz verleihn.
O sieh meine Angst und Qualen!
Zu dir soll mein Flehen, Schutzpatronin erschallen,
Zeige heut‘ uns milden Sinn!
GEORG.
Zu dir, ach, erhöre mein Flehen!
In jenem Schloß, auf jenen Zinnen
Wirst, Holde, dem Jünglinge heut‘ Schutz verleihn!
O sieh auf der Armen Qualen!
In jenem Schlosse, in jenen Helden seh‘ ich dich,
Nimm mich heut zum Ritter hin!

Heftiger Blitz und Donnerschlag.

Dikson läßt vor Schreck Georgs Sachen fallen und hebt sie, Jenny und Georg den Rücken zuwendend, wieder auf.

Georg benützt diesen Moment, um Jenny einen Kuß zu rauben.

Blitz und Donner.

Georg tritt an Jenny vorüber zu Dikson, ihn zum Gehen ermunternd.

Dikson hilft Georg mit Mantel und Degen bekleiden, nimmt dann die Laterne rechts vorn auf und geht den Bergpfad nach links oben voran.

Georg umarmt Jenny nochmals zärtlich.

Dikson wendet sich und leuchtet zurück.

Einschlag unter stärkstem Blitz und Donner.

Georg eilt Dikson nach.

Jenny wendet sich ängstlich nachschauend nach dem Hause rechts.

Nr. 8. Zwischenaktsmusik.

Zweiter Aufzug.

Gotischer Saal im Schlosse zu Avenel.

Der Haupteingang mit Riegel ist in der Mitte, mehr nach der rechten Seite hin. Zur Rechten vorn ein Kamin mit schwachem Feuer, Blasebalg und Holzstücken, ein Lehnstuhl davor; an der Wand etwas mehr nach hinten eine Bank. Zur Linken vorn ein halbgeöffnetes Fenster, zur Linken hinten eine geheime Thür mit Riegel, durch ein lebensgroßes Familienporträt Drehbild verdeckt; an der Wand zwischen Fenster und Thür eine Bank. An der Hinterwand, mehr nach links hin ein grünbedeckter Tisch mit einem Holzhammer, einer Pergamentrolle, Akten, dicken Büchern Folianten, einem Licht, Feuerzeug, Tintenfaß, Federn; an der Wand zwischen der Eingangsthür und diesem Tisch eine Bank. Rechts vorn ein Tisch mit einer brennenden Lampe; zur Linken des Tisches ein Lehnstuhl mit einem Spinnrad davor. Links vorn ein Lehnstuhl. Sechs Stühle sind im Saale passend verteilt. Es sind nur die zur Handlung gehörigen Möbel angegeben; die sonstige Ausstattung bleibt unbenommen.

Es ist Abend und der Saal halbhell.

Erster Auftritt.

Margarethe allein, sitzt rechts am Spinnrocken und spinnt.

Nr. 9. Romanze.

MARGARETHE.
Spinne, arme Margarethe,
Bald naht deiner Tage Ziel;
Und das Rädchen, das ich drehte,
Stehet dann für immer still.

Sie hört auf zu spinnen.

Laß mich sehen die Gebieter
In dem Schloß der Ahnen wieder;
Nur dieses, o Gott, erflehe ich von dir,
Eh‘ ich sterbe.

Sie beginnt wieder zu spinnen.

Nur so lang drehe dich
Mein Rädchen, schnell und leicht;
Nur so lang drehe dich,
Dann ist mein Ziel erreicht.
Auf, dreh‘ dich schnell und leicht,
Dann ist mein Ziel erreicht!
Nur bei deinem Angedenken
Wird das Mutterauge hell,
Deine Kindheit durft‘ ich lenken,
Armer Julius Avenel.

Sie hört auf zu spinnen.

Einmal nur, mich zu beglücken,
Möchte ich aus Herz dich drücken!
Nur dieses, o Gott, erflehe ich von dir,
Eh‘ ich sterbe.

Sie beginnt wieder zu spinnen.

Nur so lang drehe dich
Mein Rädchen, schnell und leicht;
Nur so lang drehe dich,
Dann ist mein Ziel erreicht.
Auf, dreh‘ dich schnell und leicht,
Dann ist mein Ziel erreicht.

Sie steht auf, stellt das Spinnrad nach rechts hinten beiseite und spricht.

Genug für heute der Arbeit und der traurigen Erinnerungen. Miß Anna wird gewiß bald aus ihren Zimmern herunterkommen. Die arme liebe Waise, von der ehemaligen Gebieterin dieses Schlosses erzogen! Als ich sie gestern mit Gaveston, den sie ihr zum Vormund gaben, ankommen sah, war es mir, als seien alle meine Wünsche erhört und der Erfüllung nahe, als würde auch mein guter Julius zurückkommen, denn ehemals waren sie immer beisammen. Ach, und sie waren immer so artig, besonders wenn ich sie beide auf den Armen hielt und die Gräfin mir zurief: »Gebt ja wohl acht auf die Kinder, Margarethe!« Nun, ich will meinen, daß ich acht gab! Mein teurer Julius, Sohn meiner unvergeßlichen Herrschaft! Da haben wir’s! Da bin ich schon wieder bei diesen Gedanken. Es geht mir damit, wie mit dem Turm der alten Ruine inmitten des Parks: wohin man den Blick auch wendet, man sieht ihn überall. Doch ich will das Fenster schließen, die Abendluft zieht kühl herein. Sie erhebt sich, wendet sich nach links vorn und sieht durch das halboffene Fenster. Aber was ist das? Erschrocken. Ich sehe Licht in den unbewohnten Räumen? Jaja, ich unterscheide es deutlich! Wär es vielleicht die »weiße Frau«, die Beschützerin dieses Schlosses? Zeigt mir ihr Erscheinen die Rückkehr oder den Tod meines teuren Julius an?

Anna in einem schottischen Mantel gehüllt, eine verlöschte Laterne tragend, kommt durch den Haupteingang.

Zweiter Auftritt.

Anna, Margarethe zu ihrer Linken.

MARGARETHE wendet sich vom Fenster ab und dem Haupteingang zu. Wer kommt da?

Anna tritt ihr einige Schritte entgegen.

MARGARETHE erstaunt. Miß Anna – bleich und zitternd! Was fehlt Euch, liebe Miß?
ANNA legt den Mantel ab, übergiebt ihn Margarethe und stellt die Laterne auf den Kamin rechts. Nichts, gute Margarethe.
MARGARETHE. Ich glaubte Euch in Eurem Zimmer. Wo kommt Ihr her?
ANNA. Aus den alten Ruinen.
MARGARETHE. Gott sei gelobt, so wart Ihr es, die ich soeben sah. Und Ihr getraut Euch ganz allein – in der Nacht?
ANNA. Wahrhaftig, ich zittre auch noch. Doch Gaveston hatte sich entfernt und ich wollte jenes prächtige Gebäude in der Mitte des Parkes besichtigen. Ich kam glücklich dort an, leider konnte ich nicht hinein.
MARGARETHE. Das glaube ich. Sobald man die Nachricht von dem Tode des Grafen erhielt, wurde alles verschlossen und gerichtlich versiegelt. Erst morgen, nach dem Verkauf des Gutes, werden die Siegel gelöst.
ANNA beiseite. O welch ein unglückseliger Zufall!
MARGARETHE. Aber was fiel Euch ein, zu dieser Stunde in den Park zu gehen? Warum kommt Ihr nicht lieber zu mir? Ich bin so erfreut, so glücklich, Euch wieder zu sehen! Und seit Eurer Ankunft habe ich in Gavestons Nähe kaum ein Wort mit Euch reden können.
ANNA. Du hast recht. Andere Gedanken, die meine ganze Seele beschäftigten, verhinderten daß – vergieb mir, liebe gute Margarethe!
MARGARETHE. Doch erzählt: wie ist es Euch ergangen, seit die edle Familie Avenel dies Schloß verließ? Was ist aus Euch geworden, nachdem Ihr der Gräfin gefolgt, als ihr Gemahl zur Armee abging und mein guter kleiner Julius mit dem häßlichen Manne nach Frankreich eingeschifft wurde.
ANNA. Ach, der Gefährte meiner Kindheit, er ist verschwunden, man hörte nichts mehr von ihm. Sein Vater starb in der Verbannung, seine Mutter war lange Zeit hindurch in einem Staatsgefängnisse eingeschlossen.
MARGARETHE. O Himmel!
ANNA. Ich verließ meine Wohlthäterin nicht; acht Jahre war ich durch thätige Sorgfalt bemüht, den Namen ihrer Tochter, wie sie mich nannte, zu ver dienen. Doch nun, nach ihrem Tode, welch ein Unterschied. Dieser Gaveston, den man mir zum Vormund gab – Vor drei Monaten begleitete ich ihn auf einer Reise aufs feste Land; dort ließ er mich auf einem Landsitze bei einer seiner Anverwandten und da –
MARGARETHE. Nun?
ANNA. Ich weiß nicht, ob ich dir das übrige vertrauen soll.
MARGARETHE. Wer verdient wohl Euer Zutrauen mehr als ich?
ANNA. Der Krieg war ausgebrochen, man schlug sich dicht vor den Pforten unseres Parks. So geschah es, daß ich eines Tages nicht weit von unserm Wohnsitz einen jungen verwundeten Offizier, einen der unsrigen, einen Landsmann fand. Konnte ich ihn ohne Hilfe lassen? Und dann – soll ich es dir gestehen, dachte ich bei seinem Anblick lebhaft an Julius.
MARGARETHE. Wie, wenn dieser junge Mann – ?
ANNA. Beruhige dich, er war es nicht, denn ich weiß seinen Namen. Aber Gavestons Rückkehr veranlaßte, daß wir schleunigst abreisen mußten und seitdem sah ich den jungen Mann nicht wieder, der vermutlich meine Erscheinung für einen Traum gehalten und mich schon längst vergessen haben wird.
MARGARETHE. O ich errate – während Ihr recht oft an ihn denkt, ihn vielleicht gar liebt. Ach, das macht mir vielen Kummer.
ANNA. Warum?
MARGARETHE. Ich hoffte, Ihr würdet nie einen andern als Julius lieben – und hundertmal habe ich an Eure Verbindung mit ihm gedacht.
ANNA. Welch ein Gedanke! Wie, der Erbe der Grafen von Avenel und ich, eine arme Waise ohne Geburt und Vermögen! Sollte ich so die Güte meiner Wohlthäterin vergelten? Nein, Margarethe! Julius, ehemals mein Freund, mein Bruder, wäre nun mein Herr und mein Gebieter; als solchen ziemt es uns, ihn zu ehren, ihm treu zu dienen und wenn es sein muß, alles aufzuopfern, ihm sein Erbe zu erhalten.
MARGARETHE. Wie wäre das möglich! Wird nicht morgen sein Gut verkauft? Ein anderer wird sich die Rechte und den Titel der Grafen von Avenel anmaßen und kehrt Julius auch zurück, so wird er nur ein Fremdling in dem Hause seiner Väter sein.
ANNA. Wer weiß! Warum den Mut verlieren? Noch hoffe ich!
MARGARETHE. Wie könnt Ihr das?

Man vernimmt einen entfernten Hornruf.

ANNA. Du sollst alles erfahren. Doch hörst du – Gaveston ist zurückgekehrt, man verschließt die Thore. Sie zieht Margarethe etwas beiseite und sagt ihr vertraulich und schnell. Vernimm also geschwind. In wenig Augenblicken wird ein junger Mann aus der Nachbarschaft erscheinen und im Namen Julius von Avenel Einlaß begehren. Du wirst ihn hierher führen und dafür sorgen, daß man ihm dieses Zimmer für diese Nacht überläßt.
MARGARETHE. Es soll geschehen, verlaßt Euch ganz auf mich! Und sollte ich die ganze Nacht über auf ihn warten müssen. Ach, was würde ich nicht für Euch und Julius thun!
ANNA. Geh nun, ich höre Gaveston. Sie wendet sich mit einigen Schritten nach links.
MARGARETHE. Gute Nacht, liebe Miß! Sie entfernt sich mit Annas Mantel durch den Haupteingang, nachdem sie sich vor dem eintretenden Gaveston verneigt hat.

Gaveston kommt durch den Haupteingang.

Dritter Auftritt.

Gaveston. Anna zu seiner Linken.

GAVESTON sieht Margarethe mißtrauisch nach. Wie, Miß? Ihr seid noch nicht in Eurem Schlafgemach?
ANNA. Wie Ihr seht. Ich unterhielt mich noch mit Margarethe.
GAVESTON. Die Euch ohne Zweifel wie gestern wieder allerlei Albernheiten und Märchen von der weißen Frau erzählt hat. Ist es möglich, Miß, daß Ihr solchen Thorheiten Glauben beimessen könnt.
ANNA. Ich?
GAVESTON. Ja, Ihr! Ich bemerkte es gestern wohl, wie aufmerksam und bewegt Ihr wart bei der Erzählung von dem Pächter Dikson und dessen Goldstücken und daß Ihr in allem Ernst an diese wunderbare Begebenheit zu glauben scheint.
ANNA lächelnd. Wunderbar? O nein! Niemand weiß besser als ich, daß sie wahr ist.
GAVESTON. Ihr scherzt.
ANNA. Oft erzählte mir die Gräfin, daß ihr Gemahl von seinen Feinden verfolgt, in der letzten Nacht vor seiner Abreise in den Ruinen umherirrte, wo er die lauten Klagen eines unglücklichen Pächters vernahm. Um nicht erkannt zu werden, warf der Graf ihm seine Geldbörse im Namen der weißen Frau zu und wenn nicht jeder Funken von Dankbarkeit im Herzen Diksons erloschen ist -Für sich. auf welche ich meine ganze Hoffnung zur Verwirklichung meines Planes setze –
GAVESTON. Seid außer Sorgen. Dikson ist ein treuer Anhänger der weißen Frau. In Verbindung mit sämtlichen alten Weibern der Umgegend verbreitet er das Gerücht, es werde mir Unglück bringen, dies Schloß öffentlich feilbieten zu lassen. Doch wir wollen sehen. Ich komme soeben von dem Friedensrichter Mac-Irton; wir haben alle Anstalten getroffen, daß morgen mit dem Frühesten der Verkauf des Gutes vor sich gehen kann.
ANNA beiseite. O Himmel! Laut. So werdet Ihr denn, ehemals Haushofmeister dieses Schlosses, nun unumschränkter Besitzer desselben.
GAVESTON. Hört mich an, Miß Anna. Spart Euch die empfindsamen Reden, sie rühren mich nicht. Haltet Euch an das Wesentliche. Noch bin ich Gaveston, der Verwalter, das ist wahr. Aber wenn der Verwalter das Gut gekauft und durch diesen Kauf den Titel eines Lords und einen Sitz im Parlament erworben haben wird, so werden alle, die jetzt noch höhnisch auf mich herabsehen, mich als Grafen von Avenel anerkennen und sich tief vor mir, ihrem Herrn, in den Staub beugen. Doch nun zu anderen Dingen. Ihr wißt, daß der Graf vor seiner Abreise seine ansehnlichen Güter in England verkauft hat. Was hat er mit dem vielen Gelde angefangen?
ANNA. Er hat es, wie Ihr wißt, im Dienste des Kronprätendenten zugesetzt.
GAVESTON. Daran zweifle ich sehr. Lauernd. Oder es müßte etwa sein, daß Ihr darüber in der Urkunde, die Euch die Gräfin übergeben, einige Auskunft gefunden hättet.
ANNA. Eine Urkunde? Mir?
GAVESTON. Ja doch. Leugnet es nicht. In ihrer Todesstunde übergab sie Euch ein geheimnisvolles Schreiben.
ANNA. So ist es allerdings!
GAVESTON in höchster Spannung. Was habt Ihr damit begonnen?
ANNA. Ihrem Befehle gemäß habe ich es gelesen und dann sogleich vernichtet.
GAVESTON. Und ich, Euer Vormund, darf nicht um dieses Geheimnis wissen – ich darf Euch nicht um den Inhalt fragen?
ANNA bestimmt. Nein.
GAVESTON. Und warum nicht?
ANNA. Weil ich es Euch doch niemals enthüllen werde.
GAVESTON. Sehr wohl, Miß Anna. Ihr verbergt unter Eurem sanften Wesen mehr Festigkeit und Stärke, als man Euch zutrauen sollte. Doch von nun an werde ich meine Maßregeln zu treffen wissen.

Man hört von außerhalb die Hausglocke ziehen.

GAVESTON. Was bedeutet der Lärm? Er geht an Anna vorüber nach links zum Fenster.

Nr. 10. Terzett.

ANNA.
Horch, man läutet noch an der Pforte,
Vom Turme hallt der Glocke Ton. –

Für sich, während Gaveston aus dem Fenster sieht.

Er blieb getreu dem Ehrenworte,
Wär‘ er nur hier im Schlosse schon!
GAVESTON tritt wieder vor, zu Anna.
Um Mitternacht, wer darf es wagen,
An meiner Wohnung anzufragen?
ANNA.
Ach, ein armer Pilger kann’s sein.
GAVESTON spottend.
Ach, ein armer Pilger könnts sein?
Schnell fort mit ihm, ich lasse niemand ein.
ANNA.
Laßt Euer Mitleid mich erflehen.
GAVESTON.
Nein! nein! nein! nein! nein!
Niemals wird es geschehn.
ANNA.
Ihr sitzt an der Edlen Stelle,
Denen dies Schloß einst angehört;
Ahmt ihnen nach! Wenn man hier
Allgemein die Hohen verehret,
Ist es, weil sie der Armut
Eintritt niemals verwehret.
Ja, glaubet mir, es ist, weil sie
Der Armut Eintritt niemals verwehret!
Ja, glaubet mir!
GAVESTON.
Thät‘ ich, was Ihr begehret,
Es würde sicher mich gereu’n.
Nein! nein! nein! nein! nein! nein!

Für sich.

Ich muß mit Klugheit handeln,
Vorsicht ist hier Gewinn.
ANNA.
Ahmt ihnen nach! ahmt ihnen nach!
Es wird gewiß Euch nicht gereu’n.

Für sich.

Ach umsonst, er beharrt,
Nichts erweicht seinen Sinn,
Jede Hoffnung ist verschwunden,
Jede Hoffnung ist dahin!
Ach, dahin ist die Hoffnung,
Nichts beugt den starren Sinn!

Zu Gaveston.

Ach, wenn man hier die Hohen ehret,
Glaubet mir, es ist, weil sie
Der Armut Eintritt niemals verwehret.
Ja, glaubet mir, es ist, weil sie
Der Armut Eintritt niemals verwehret.
Ja glaubet mir, ahmt ihnen nach
Ihr Beispiel laßt Euch Vorbild sein!

Beiseite.

Ach umsonst, er beharrt!
Nichts erweicht seinen Sinn!

Zu Gaveston.

Ihr Beispiel laßt Euch Vorbild sein!
GAVESTON.
Nein! nein! nein! nein! nein!
Nein, nein! ich würde es bereu’n!
Nein! nein! nein! nein! es kann nicht sein!

Margarethe kommt eilig durch den Haupteingang.

Vierter Auftritt.

Die Vorigen. Margarethe nimmt die Mitte.

MARGARETHE.
Ein junger schöner Mann, und von adligen Sitten
Kam bei dem Sturme hier, um Einlaß zu bitten!
»O nehmt mich auf in dem Kastell«
So flehte er, »im Namen Julius Avenel!«
ANNA für sich.
Ha, er ist’s! Es ist Dikson!
MARGARETHE.
Und schnell ließ ich ihn ein:
Im Saale harrt er schon.
GAVESTON.
Ohne meinen Befehl wagtet Ihr solch Beginnen!
Gleich muß er fort, schafft ihn von hinnen.
ANNA nimmt die Mitte und zieht ihn beiseite.
Denkt, was Ihr thut, o seid doch klug!
In diesem Land habt Ihr Feinde nicht schon genug?
Ich bitte, laßt den Fremdling ein.

Geheimnisvoll.

So soll auch jenes Blatt, das mir die Gräfin übergab,
Morgen schon kein Geheimnis für Euch mehr sein.
GAVESTON überrascht.
Ihr schwört es mir.
ANNA.
Ja, ich darf es versprechen.
GAVESTON.
Wohlan, der Wunsch, der Wunsch –
ANNA für sich.
Endlich atm‘ ich wieder!
GAVESTON.
Sei Euch gewährt.
Mit Freuden will ich Euch gefällig sein.

Zu Margarethe.

Drum laßt ihn ein!
MARGARETHE beiseite, nach rechts gewendet.
O welche frohe Hoffnung!
ANNA für sich.
O süße Hoffnung!
GAVESTON die Mitte nehmend.
Doch welch‘ Gemach räumt man ihm ein?
MARGARETHE UND ANNA.
Hier dieses soll es sein!
GAVESTON befriedigt.
Gut! –
Doch ihr andern begebet
Sogleich euch zur Ruhe dann.
MARGARETHE sehr leise, beiseite.
Frohe Hoffnung belebet ihre Brust,
Bald gelinget ihr Plan;
Sanft bricht die Morgenröte
Durch Nacht und Dunkel an.
Ihr Streben laß gelingen,
Den Sieg heut sie erringen,
Und leite aus Ziel den Plan.
ANNA ebenso.
Süße Hoffnung belebet meine Brust,
Bald gelinget mein Plan;
Sanft bricht die Morgenröte
Durch Nacht und Dunkel an.
Mein Streben laß gelingen,
Den Sieg heut‘ mich erringen,
Und leite aus Ziel den Plan.
GAVESTON erfreut für sich.
Frohe Hoffnung belebt mich, endlich doch
Fügt sie sich meinem Plan;
Frohe Hoffnung belebt mich!
Bald erreich‘ ich das Glück auf sich’rer fester Bahn!
Ja, mein Streben laß gelingen,
Den Sieg heut mich erringen,
Und leite aus Ziel schnell den Plan.

Anna entfernt sich unauffällig nach links durch die geheime Thür.

Margarethe eilt durch den Haupteingang hinaus, um Georg eintreten zu lassen.

Gaveston sieht gespannt Georg entgegen.

Margarethe kommt mit Georg durch den Haupteingang.

Fünfter Auftritt.

Margarethe rechts. Georg Mitte, Gaveston zu seiner Linken.

MARGARETHE spricht. Nur hier herein, mein Herr! Verzeiht, daß ich Euch so lange warten ließ.
GEORG. Ei, das hat gar nichts zu bedeuten, gute Frau. Ich habe mir indessen dieses alte prachtvolle Gebäude genau besehen – soweit es sich bei Nacht thun ließ. Dieses Schloß ist ja ein wahres Meisterstück der Baukunst. Er bemerkt Gaveston. Ah, verzeiht, mein Herr! Ihr seid es ohne Zweifel, dem ich diese gastfreie Aufnahme verdanke?
GAVESTON. So ist es, mein Herr! Beiseite. Doch mir fällt ein – wenn dies ein Fremder wäre, der mich bei der morgenden Versteigerung zu überbieten gekommen ist?

Margarethe fixiert fortwährend Georg, als ob er ihr bekannt vorkäme und sie ihn schon früher gesehen haben müsse.

GAVESTON. Und wen hab ich die Ehre, bei mir aufzunehmen?
GEORG. Einen Offizier des Königs, Unterlieutenant im fünfzehnten Infanterieregiment.
GAVESTON für sich. Ein Unterlieutenant? Da kann ich ruhig sein! Laut. Wie es scheint, seid Ihr kein Schotte?
GEORG. Nein, ich bin zum erstenmale in diesem Laude. Doch fühle ich mich von allem, was ich sehe und höre, wunderbar angezogen.
GAVESTON. Und welcher Zufall führte Euch zu solch ungewöhnlicher Stunde in die Nähe dieses Schlosses?
GEORG. Das weiß ich selbst nicht recht, doch glaube ich beinahe, es geschah, um Euch einen Dienst zu leisten.
GAVESTON. Mir?
GEORG. Ja, Euch. Ein anderer würde Euch sagen, die Nacht, das schlimme Wetter habe ihn hierhergeführt – ich als Soldat sage immer die Wahrheit.
GAVESTON. Immer?
GEORG. Ja, mein Herr! Selbst in der Liebe bin ich von einer seltenen Aufrichtigkeit. Beim Regiment behaupten zwar alle, es hindere meine Beförderung. Doch das ist meine Sache. Reden wir von Euren Angelegenheiten. Ich hörte in der Gegend von nichts anderem, als von Geistern, vom Erscheinen einer weißen Frau sprechen und bin gekommen, eine Nacht auf diesem Schlosse zuzubringen, um ihre Bekanntschaft zu machen.
GAVESTON. Ich zweifle sehr, daß Ihr sie zu sehen bekommt, denn soviel ich weiß, hat sie sich vor Beherzten noch nie blicken lassen.
GEORG. Da mögt Ihr Euch doch wohl irren, denn sie selbst hat mich hierher bestellt.
GAVESTON. Ei, was Ihr mir sagt. Beiseite. Das ist ein Original, in dessen Kopf es etwas verworren auszusehen scheint. Laut. So lebt denn wohl, Herr Offizier, Mitternacht ist bald vorüber. Man soll Euch ein Lager in diesem Zimmer bereiten.

Margarethe nimmt vom Tisch rechts die Lampe und fixiert fortwährend Georg mit großer Aufmerksamkeit.

GEORG. Wo denkt Ihr hin! Ein Lehnstuhl thut dieselben Dienste. Ich schlafe da immer noch besser als auf freiem Felde. Übrigens könnten Eure Geister leicht Bergschotten aus der Bande Rob-Roys sein und es ist geratener, wenn ich sie stehenden Fußes erwarte.
GAVESTON. Nun, wie Ihr wollt! So gehabt Euch wohl! Gute Nacht! Und wenn die weiße Frau Euch zu besuchen kommt, so sagt Ihr von mir – Nun, Margarethe, was starrt Ihr den Herrn so an?
MARGARETHE. Weil er ganz das Aussehen eines wackeren jungen Mannes hat – und weil seine Züge Erinnerungen in mir erwecken – Erinnerungen, die –
GAVESTON. Schon gut. Legt Euch mit Euern Erin nerungen zu Bett. Geht! Es ist spät! Zu Georg. Gute Nacht!
MARGARETHE. Nun ja, ich gehe schon! Zu Georg. Soll ich Euch das Licht dalassen?
GEORG. Nicht doch! Geister scheuen ja das Licht. Zu Gaveston. Gute Nacht, mein Herr! Morgen sollt Ihr von mir Neuigkeiten erfahren, kämen sie auch aus der andern Welt!
GAVESTON UND MARGARETHE letztere die Lampe mit sich nehmend, entfernen sich durch den Haupteingang. Gute Nacht!

Georg begleitet beide bis zur Thür.

Es wird völlig dunkel.

Man hört Gaveston nach Vorschrift der Partitur von außen die Thür verriegeln und verschließen.

Sechster Auftritt.

Georg allein.

Nr. 11. Ravatine.

GEORG untersucht das Gemach, sieht das Feuer im Kamin erlöschen, setzt sich, nimmt den Blasebalg und bläst das Feuer an; dann legt er den Blasebalg wieder zum Kamin, zieht zwei Pistolen aus der Tasche und legt sie auf den Tisch rechts, alles nach Vorschrift der Partitur.
Alles still – alles still – nun komm –
Die weiße Dame – wann sie will! – –
Komm, o holde Dame,
Sag‘ an, wie ist dein Name?
Ich bau‘ auf deinen Schwur! –
Treu deinen Willen werd‘ ich erfüllen;
Verlangend harr‘ ich dein!
Ach erschein! ach erschein!
Komm, o holde Dame,
Komm, ach erscheine!
Komm, o holde Dame
Komm, ach, verlangend harr ich dein!
Komm, ach, erschein!
Ja, dieses Ortes Stille,
Die rätselhafte Hülle
Haben Reize selbst für mich.
Ja, ich fühle, wie mein Herz
Deinem Anblick schlägt entgegen;
Doch niemals kannst du Furcht,
Nein – nein, niemals Furcht erregen!
Nein – nein – nein, nein, nein, nein, nein, nein!
Komm, o holde Dame,
Sag an, wie ist dein Name?
Ja, ich trau deinem Schwur! –
Treu deinen Willen werd‘ ich erfüllen;
Verlangend harr‘ ich dein!
Ach, erschein! ach, erschein! –
Schon deckt die Nacht uns mit dunklem Schleier,
Natur schon ruhet still in hehrer Feier;
Mich erfüllet süßes Regen,
O komm, wie lange willst du zögern,
Mein Herz schlägt dir entgegen.
Schon deckt die Nacht uns mit dunklem Schleier,
Natur schon ruhet still in hehrer Feier;
Mich erfüllt ein süßes Regen,
Mein Herz schlägt dir entgegen;
Ein süßes Regen füllt das Herz.
Holde, erscheine! Ja, dir entgegen
Schlägt das Herz, Holde, erschein‘!
Mich erfüllt ein sanftes Regen,
Komm doch, Holde, zögre nicht!
Ja, mein Herz schlägt dir entgegen,
O komm, o zögre nicht!
Ach, erschein! ach, erschein!
Ja, mit Lust harre ich dein! – –

Gesprochen.

Was hör ich? –

Er horcht aufmerksam.

Komm, o holde Dame! komm, o holde Dame!
Komm, o holde Dame! mit Lust harr‘ ich dein! –

Anna kommt, ganz weiß gekleidet und mit einem weißen langen Schleier verhüllt, bei den Harfentönen von links durch die geheime Thür (Drehbild); sie schließt die Thür schnell hinter sich.

Siebenter Auftritt.

Georg, Anna zu seiner Linken.

GEORG gefaßt, die Erscheinung anschauend, für sich, spricht. Nein, es ist keine Täuschung. Sie ist es! Ich unterscheide trotz der Dunkelheit der Nacht ihren leichten Gang und ihre weiße Kleidung.
ANNA für sich. Er ist es! Ob er mir aber folgen wird? O gewiß! Wenn auch nicht aus Dankbarkeit für die weiße Frau, so doch gewiß aus Furcht vor ihr. Sie tritt näher.
GEORG. Sie naht!
ANNA halblaut. Dikson! Dikson! – Bist du es?
GEORG. Nein, er ist es nicht! Ich bin es und komme statt seiner.
ANNA für sich mit leisem Ausruf. O Himmel! Laut im vorigen Ton. Und wer seid Ihr?
GEORG. Wie, allwissende Zauberin, du weißt nicht, wer ich bin?
ANNA für sich. Gott, welche Stimme?
GEORG. Muß ich dir erst sagen, daß ich mich Georg Brown nenne?
ANNA beiseite. Georg an diesem Ort? Ist es kein Traum? Ach, wenn ich -Sie geht ihm einen Schritt entgegen. Nein, ich darf selbst gegen ihn meines Schwurs nicht vergessen! Laut. Du thatest wohl daran, mir nichts verbergen zu wollen, denn ich, die Alles weiß, kenne dich sehr wohl. Du dientest in der englischen Armee und wurdest an der Seite deines Obersten verwundet. Eine dir unbekannte Hand rief dich ins Leben zurück und pflegte dich mit Sorgfalt.
GEORG. Das ist zuviel! Wer bist du, geheimnisvolles Wesen? Er geht auf sie zu.
ANNA streckt abwehrend die Hand aus. Zurück – oder ich entschwinde deinen Blicken und du siehst mich niemals wieder!
GEORG zieht sich zurück. Ich gehorche. Doch bemitleide die Verwirrung, in der ich mich befinde. Sprich, wo ist die schützende Gottheit, der ich das Leben danke? Seit drei Monaten suche ich sie vergebens; überall wähne ich sie zu hören, zu sehen – selbst jetzt glaube ich ihre Stimme zu erkennen.
ANNA. Könnte ich sie nicht angenommen haben, um dich zu gewinnen?
GEORG. Wenn du es nicht selbst bist, so beschwöre ich dich, gieb mir die Mittel an die Hand, sie wiederzusehen!
ANNA. Das wird von dir abhängen!
GEORG. Was soll ich thun?
ANNA. Mir gehorchen! Beiseite. Nein, ich darf es nicht wagen, ich muß meinen Plan ändern! Laut. Morgen wirst du meine Befehle empfangen – und welche es auch sein mögen –
GEORG. Ich schwöre, sie zu vollziehen! Ich gehorche!
ANNA. So höre mich an!

Nr. 12. Duett.

Es donnert leise ab und zu.

ANNA.
Dieses Gut gehört den Grafen Avenel mit Recht.
Der es bisher verwaltet, ist falsch, grausam und schlecht;
Er – will es ihnen rauben. –
Mir ward durch Gott die Macht,
Der Waise Schutz zu leih’n;
Laster sei schnell bestraft!
O sprich, willigst du ein,
Hier Beistand mir zu sein?
Täusch‘ die Hoffende nicht.
GEORG.
Dem Unglück Rächer sein,
Ist meine heiligste Pflicht.
ANNA.
Stets mein Gebot treu zu erfüllen,
Ford’re ich von dir!
GEORG.
Wie, ich?
ANNA.
Das schwöre mir!
GEORG.
Soll schwören dir?
ANNA.
Das schwöre mir!
GEORG.
Den Schwur –
ANNA.
Ford’r ich von dir, ja mein Gebot,
Stets zu erfüllen, schwöre,
Das schwöre, schwöre mir!
GEORG.
Ja, ich gelobe, stets deinen Willen
Mit frohem Herzen gern zu erfüllen,
Wenn auch Gefahr mir drohet hier,
Ich scheue nichts, das schwör‘ ich dir.
ANNA.
Du schwörest mir –
GEORG.
Ja, ja!
ANNA.
Daß meinen Willen –
GEORG.
Ja, dein Gebot stets zu erfüllen,
Das schwöre, das schwör‘ ich dir!
ANNA.
Von deinem Schwur, von deinem Mute
Giebst du mir wohl ein sichres Pfand?
GEORG.
Rede!
ANNA.
So wag‘ es kühn, reiche mir nun deine Hand,
Ja, wag‘ es kühn, reiche mir die Hand!
GEORG.
Die Hand? Nimm sie, da! –

Er reicht ihr beherzt die Hand, wendet aber das Gesicht von ihr ab.

Für sich.

Diese Hand, diese Hand, so weich, ach, so zart,
Sie erfüllt mich mit Lust und mit Schmerz!
Ach, welch‘ ein süßer Traum,
Nein, mein Glück findet hier nicht Raum.
Diese Hand, diese Hand, so weich, ach, so zart,
Sie erfüllt mich mit Lust und mit Schmerz!
ANNA für sich.
Ach, ich fühls, vor der Liebe Zauber,
Bewahrt keine Macht ein zärtliches Herz!
Ach, mein Glück verberg‘ ich kaum,
Nein, ich stör‘ nicht den süßen Traum.
Ja, ich fühls, vor der Liebe Zauber
Bewahrt keine Macht ein zärtliches Herz!
Schnell fort!
GEORG.
Ach, bleibe!
ANNA.
O Gott, welche Angst mich durchbebet!
Was forderst du?
GEORG.
Hast du nicht gelobt, daß mir bald
Die Heißgeliebte erscheinen werde?
Wo find‘ ich sie?
ANNA.
An diesem Ort.
GEORG.
Doch wie?
ANNA.
Merk‘ auf! Meine Befehle soll morgen sie dir bringen;
Doch meine Gunst dir zu erringen,
Sei bereit, sobald sie dir erscheint, mir zu gehorchen.
GEORG.
Ich werd‘ gehorchen.
Doch du gelobst, daß sie erscheint?
ANNA.
Ja, ich gelob‘, daß sie erscheint.
GEORG.
Ich trau‘ dem Schwur, der dich bindet;
Doch giebst du mir wohl noch ein Pfand?
Ja, du giebst mir noch ein Pfand,
Jeder Zweifel dann verschwindet.
ANNA.
So sprich!
GEORG.
Reiche mir die Hand!
ANNA.
Die Hand?
GEORG.
Die Hand!
ANNA.
Die Hand? – Nimm sie, da!

Sie reicht ihm die Hand.

GEORG für sich.
Diese Hand, so weich, ach, so zart,
Sie erfüllt mich mit Lust und mit Schmerz!
Ach, welch‘ ein süßer Traum,
Nein, mein Glück findet hier nicht Raum.
Diese Hand, so weich, ach, so zart,
Sie erfüllt mich mit Lust und mit Schmerz!
Das wär‘ ein Geist? Ach, ich glaub‘ es kaum!
Ach, welch ein Traum! mein Glück find’t hier nicht Raum!
Ach, welch ein Traum! o welch ein süßer Traum!
ANNA für sich.
Ach, ich fühl’s, vor der Liebe Zauber
Bewahrt keine Macht ein gefühlvolles Herz!
Ach, mein Glück verberg ich kaum,
Nein, ich stör nicht den süßen Traum.
Ja, ich fühl’s, vor der Liebe Zauber
Bewahrt keine Macht ein gefühlvolles Herz!
Ach, welch ein süßer schöner Traum, welch ein Traum!
Ach, mein Glück verberge ich kaum,
Nichts stör den süßen Traum!
GEORG.
Fliehe nicht!
ANNA.
Schnell fort!
GEORG.
Fliehe nicht!
ANNA.
Schnell fort!
GEORG.
Fliehe nicht!

Für sich.

Ach, welch ein süßer Traum!
Ach, mein Glück findet hier nicht Raum!
ANNA für sich.
Welch ein süßer Traum!
Mein Glück verberg‘ ich kaum!
Ach, welch ein süßer Traum!

Anna entfernt sich leise durch die geheime Thür (Drehbild) ohne daß Georg es bemerkt.

GEORG spricht. Sie entfernt sich, sie ist verschwunden und ich wagt es nicht, ihr zu folgen.

Es wird allmählich Tag.

Man hört an den Haupteingang klopfen, ihn aufriegeln und aufschließen.

Gaveston tritt durch denselben ein.

Achter Auftritt.

Gaveston, Georg zu seiner Linken.

GAVESTON spricht im Eintreten. Mein Herr, der Tag bricht an!
GEORG. Schon?
GAVESTON. Ich hab‘ Euch wohl aus einem süßen Traum geweckt?
GEORG. O ja – aber es war mehr als ein Traum.
GAVESTON. Nun, wie habt Ihr diese Nacht zugebracht?
GEORG. Recht gut, nur ein wenig unruhig, denn die Wahrheit zu gestehen, ich hatte gar keine Zeit zum Schlafen.
GAVESTON. Natürlich! Die Gedanken an die weiße Frau haben Euch nicht ruhen lassen.
GEORG. Gedanken? Mehr als das!
GAVESTON. Ihr hättet sie wohl gar gesehen?
GEORG. Gesehen? Nein, das eben nicht! Aber mich die ganze Nacht mit ihr unterhalten und bin von ihrer holden Stimme jetzt noch ganz entzückt!
GAVESTON. Was wollt Ihr damit sagen?
GEORG. Indessen, mein werter Herr, muß ich Euch sagen, daß Ihr nicht sonderlich bei ihr in Gunst steht.
GAVESTON. So!
GEORG. Ja. Sie behauptet – verzeiht mir, es sind ihre eigenen Worte – Ihr wäret ein geiziger, ungerechter, habsüchtiger Mann. Ihr wolltet diese Herrschaft an Euch bringen und Eure ehemaligen Herren so berauben.
GAVESTON schnell einfallend. Wer darf es wagen, so etwas zu vermuten?
GEORG achselzuckend. Es sind ihre eigenen Worte! Sie sagte weiter, daß Eure Hoffnung zu Schanden werden solle, daß sie das Erbe der Grafen von Avenel niemals in Eure Hände kommen lassen würde.
GAVESTON mit heimlichem Ingrimm. Und das alles sagte Euch die weiße Dame?
GEORG. Ja, ungefähr mit denselben Worten.
GAVESTON indem er an Georg vorüber nach links tritt. Nun wohlan, der Erfolg wird ja lehren, wer von uns beiden am meisten vermag. Er sieht durch das Fenster links. Da tritt der Friedensrichter Mac- Irton in den Hof, mit allen aus der Umgegend, welche der Versteigerung beiwohnen wollen. Wenn Ihr wollt, so könnt Ihr Euch gleich selbst überzeugen. Habt Ihr einer Versteigerung schon beigewohnt?
GEORG. Nein.
GAVESTON. Warum?
GEORG mit der Gebärde des Geldzählens. Aus sehr triftigen Gründen.
GAVESTON für sich. Ah, ich verstehe! ein Unter lieutenant! Laut. Nun, so bleibt und nehmt einen der ersten Plätze ein.

Der Haupteingang wird geöffnet.

Schottische Pächter, Pächterinnen, Bauern und Bäuerinnen treten durch denselben ein.

Vier Diener folgen, schließen die Thür, setzen den grünbedeckten Tisch von links hinten nach der Mitte hin vor, öffnen den Haupteingang wieder und halten dann die fünf Stühle bereit.

Gaveston geht durch den Haupteingang ab und Mac-Irton entgegen.

Margarethe kommt nach einer kleinen Weile durch den Haupteingang und tritt auf die rechte Ecke vor.

Neunter Auftritt.

Margarethe auf der rechten Ecke. Georg auf der linken Ecke. Vier Diener die Stühle bereit haltend. Schottische Pächter, Pächterinnen, Bauern und Bäuerinnen.

Nr. 13. Finale.

CHOR DER PÄCHTER, BAUERN UND IHRER FRAUEN.
Froh verlassen wir Feld und Wiesen,
Wir sammeln uns in dem Kastell,
Um den zu sehn, den das Schicksal wird erkiesen
Wen das Geschick heut‘ zum Herren wird erkiesen
Des schönen Gutes Avenel!
MARGARETHE für sich.
Weh mir, weh mir! ach, dieses Herz, es bricht!
Ja, ich fühl’s, diesen Schmerz, ich ertrag‘ ihn nicht!

Dikson und Jenny kommen durch den Haupteingang und treten vor, Georg zur Rechten und Linken.

Zehnter Auftritt.

Die Vorigen. Dikson und Jenny links vorn um Georg, ihn begrüßend.

JENNY zu Georg.
Wie, Euch, mein Herr, sind‘ ich hier wieder?
DIKSON zu Georg.
Wie, Euch seh‘ ich hier wieder?
GEORG zu Jenny.
Wie, Euch seh‘ ich hier wieder?
JENNY.
Wie ist’s?

Geheimnisvoll.

Welch Geheimnis ruht hier?
DIKSON ebenso.
Wie ist’s? Welch Geheimnis ruht hier?
JENNY.
Was sahet Ihr?
DIKSON.
Was sahet Ihr?
GEORG.
Bald sag‘ ich’s euch!
JENNY.
So sprecht, ich bitte!
DIKSON.
So sprecht, ich bitte!
GEORG.
Bald sag‘ ich’s euch!
GEORG.
Auf Ehre, glaubt, es war recht gut,
Daß ich ging statt seiner hierher,
Denn nicht wär‘ er am Leben mehr –
JENNY.
Was sagt Ihr?
GEORG lachend.
Vor Schrecken wär‘ er längst tot!
DIKSON.
Glaubet Ihr?
GEORG.
Vor Schrecken wär‘ er längst tot!
DIKSON.
Sieh, Jenny nun, was mir gedroht!
GEORG.
Vor Schrecken wär‘ er längst tot!

Der Haupteingang wird geöffnet.

DIKSON, JENNY.
Doch seid nun still! –
Laßt uns alle stille sein!
DIKSON.
Seht, dort tritt Herr Mac-Irton,
Der Friedensrichter schon ein! –

Jenny und Dikson gehen nach rechts hinüber und treten Margarethe zur Linken.

Zwei Gerichtsdiener mit langen weißen Stäben treten durch den Haupteingang auf und nehmen rechts und links an der Thür Aufstellung.

Mac-Irton, der Gerichtsschreiber, zwei Beisitzer, Gaveston folgen durch den Haupteingang.

Elfter Auftritt.

Die Vorigen. Zwei Gerichtsdiener. Mac-Irton. Gaveston. Der Gerichtsschreiber. Zwei Beisitzer.

Die Gerichtspersonen begeben sich hinter den Mitteltisch.

Die vier Diener stellen sofort die fünf Stühle an den Mitteltisch und ziehen sich dann nach hinten zurück.

Die Gerichtspersonen und Gaveston nehmen am Mitteltisch Platz.

Georg setzt sich links vorn.

Die zwei Gerichtsdiener schließen den Haupteingang, verlassen den Platz an der Thür und nehmen hinter Mac-Irton Aufstellung.

DIKSON zu den Pächtern.
Seid nun stille! – Seid nun stille!
MARGARETHE, JENNY UND FRAUEN unter sich.
Ich zitt’re! ich bebe!
DIE PÄCHTER leise zu Dikson.
Deine Pflicht wirst du treu erfüllen,
Als ein kluger Mann zeigen dich.
DIKSON leise zu den Pächtern.
Vertraut auf mich, vertraut auf mich!
Getreu befolg‘ ich euren Willen,
Eure Vollmacht ehre ich.
MAC-IRTON erhebt sich.
Ihr Herrn, die Sitzung beginnet.

Alle Sitzenden stehen auf.

ALLE.
Was nimmt das für ein Ende hier!? –

Mac-Irton nimmt die Kopfbedeckung ab.

Alle folgen seinem Beispiel.

MAC-IRTON nimmt die Pergamentrolle vom Tisch und liest.
Auf den Befehl des Königs und des
Obergerichts – thun wir euch kund –

Er setzt die Kopfbedeckung wieder auf.

Alle folgen seinem Beispiel.

MAC-IRTON.
Daß heut‘ dieses Gut nach Gesetz
Und Gewissen, Recht und nach Pflicht
Öffentlich wird verkauft,
Und dem zu eigen bleibt,
Der zuletzt am meisten bot.
Einer bietet dafür zehntausend Thaler!

Gerichtsschreiber zündet in diesem Augenblick das auf dem Tisch stehende Licht an.

Mac-Irton legt die Pergamentrolle auf den Tisch und nimmt wieder wie vorher Platz.

Gaveston, Beisitzer, Schreiber, Georg setzen sich ebenfalls wieder.

ALLE ausrufend.
Zehntausend nur!?

Erstaunt.

Abscheulich!
Unerhört! Unglaublich! Ist’s denkbar!

Sie gruppieren sich mit möglichster Lebendigkeit um den Tisch.

DIE PÄCHTER zu Dikson.
Wohlan, jetzt erfüll‘ deine Pflicht.
DIKSON.
Ich – fünfzehntausend!
GAVESTON.
Zwanzig!
DIKSON.
Fünfundzwanzig!
GAVESTON.
Dreißig.
DIKSON.
Fünfunddreißig! –
GAVESTON.
Ich vierzig!
MAC-IRTON das Gebot ausrufend.
Vierzigtausend Thaler! –
DIKSON.
Wohlan! – Fünfundvierzig!
GAVESTON.
Nun denn! Ich fünfzig!
DIKSON.
Fünfundfünfzig!
GAVESTON steht auf.
Ich gebe sechzig!
MAC-IRTON wie oben.
Sechzigtausend Thaler!
GAVESTON für sich, die Pächter beobachtend.
Seht, wie sie unschlüssig sind.
DIE PÄCHTER leise zu Dikson.
Wohlan, nur Mut, du mußt höher streben!
DIKSON leise.
Wie, Ihr wollt mehr noch als dieses geben?
DIE PÄCHTER.
Jawohl, nur Mut, du mußt höher streben!
DIKSON.
Nun gut, fünfundsechzig!
GAVESTON.
Siebzig geb ich!
DIKSON.
Achtzig geb‘ ich!
GAVESTON.
Neunzig geb‘ ich.
ALLE außer Gaveston und Irton.
Gott! welch‘ Geschick;
GAVESTON geheimnisvoll für sich.
Wie sie sich sträuben, doch das Schloß

Sehr bestimmt.

bleibet mein,
Bald werd‘ ich Eigentümer sein,
Mir gehört es nun ganz allein! –
Wie verlegen sie nun sind!
ALLE außer Gaveston und Irton.
Alle Hoffnung seh‘ ich nun verschwinden.
MARGARETHE, JENNY.
Ach, ich hoff‘ nicht mehr!
DIE PÄCHTER zu Dikson.
Wohlan, wohlan! so bietet doch noch mehr!
DIKSON.
Wie, ihr gebt mehr?
DIE PÄCHTER.
Wohlan!
DIKSON.
Ihr gebt noch mehr?
DIE PÄCHTER.
Wohlan, so bietet mehr! so bietet mehr!
DIE FRAUEN.
Welch Geschick! welch Geschick!
MARGARETHE, JENNY.
Welch Geschick! welch Geschick!
DIKSON.
Wohlan! Fünfundneunzig!
GAVESTON.
Und ich – hunderttausend Thaler!
ALLE.
Gott! Nun ist’s aus! Verloren sind wir!
DIE PÄCHTER.
Nun können wir wahrlich nicht überbieten!
Nun ist’s aus, verloren sind wir!

Sie treten zurück.

MAC-IRTON das Gebot ausrufend.
Hunderttausend Thaler!
Wie, niemand bietet mehr?
MARGARETHE, JENNY, DIKSON, GEORG.
Das Schicksal beugt mich sehr!
GAVESTON lauernd.
Wie, niemand bietet mehr?
DIE PÄCHTER.
Wie, niemand bietet mehr?
GAVESTON zu Georg.
Wohlan, mein junger Freund,
Ihr seht, die weiße Dame
Gleicht allen andern Frau’n.
Wer wird den glatten Worten auch
Der schönen Mädchen trau’n!
Ihr seht, das Schloß wird noch heute mein.
GEORG für sich.
Ja, er hat recht, ich war ein Thor,
Auf der Dame Worte zu bau’n.
MARGARETHE, JENNY, DIKSON, DIE PÄCHTER.
Nun ist’s aus, wir sind verloren!
GAVESTON.
Seht, zu End‘ ist nun bald das Licht,
Ja, das Schloß, es entgeht mir nicht.

Anna kommt umgekleidet und ungesehen von links aus der geheimen Thür und stellt sich unbemerkt hinter Georgs Stuhl.

Zwölfter Auftritt.

Die Vorigen. Anna.

GEORG.
Verwünscht, ich zürne dem Schicksal.
Wer wagt es wohl, zu bieten mehr?
ANNA leise.
Du?
GEORG aufstehend und sich unauffällig zu ihr wendend; leise.
Was seh‘ ich! Welche Himmelslust!
Ja, sie ist’s, wohnt ihr Bild nicht in dieser Brust?
Ist’s kein Traum?
ANNA leise.
Wer sendet mich zu dir?
GEORG leise.
Ich sollte hier?
ANNA ebenso.
Auf, gehorch‘!
MAC-IRTON ausrufend.
So bietet niemand mehr? –
So bietet niemand mehr! –
GEORG kraftvoll.
Haltet ein! –

Er tritt zum Tische vor.

Tausend Thaler noch biet‘ ich mehr.
ALLE außer Georg.
Gott! – –

Allgemeine Überraschung.

Die Pächter und ihr Anhang zeigen sich bei Georgs Gebot hocherfreut.

Gaveston und Mac-Irton fassen Georg scharf ins Auge.

GAVESTON.
Mir ahnt, hier liegt ein Geheimnis verborgen,
Wer mag wohl jener sein, der als Käufer sich zeigt?
Was will er hier im Ort? Es macht mir Sorgen.
Ha, meinem Zorn vermag ich kaum zu gebieten,
Doch Vorsicht erheischet, daß mit Klugheit ich ihm berge meine Wut!

Mac-Irton steht auf und tritt vor den Tisch.

Die Gerichtspersonen erheben sich.

Alle treten etwas vor.

MARGARETHE UND JENNY für sich.
Wer kann mir wohl erklären, was hier verborgen liegt?
Der das Gut heut‘ will kaufen, man kennt ihn hier nicht.
Wer kann mir erklären, was verborgen hier liegt?
Blicke du, guter Gott, gnädig hernieder,
Schenke du dem Fremdling Glück, schenk‘ ihm Glück!
DIKSON.
Wer kann mir wohl erklären, was verborgen hier liegt?
Der das Gut heut‘ will kaufen, man kennt ihn hier nicht.
Wer kann mir erklären, was verborgen hier liegt!
Blicke du, guter Gott, gnädig hernieder!
Ha, welch‘ ein froher Augenblick, welch‘ Glück!
Ach, welch‘ froher Augenblick!
GAVESTON für sich.
Wer kann mir wohl erklären, ach, wer giebt mir hier wohl Licht?
Nein, nein, auf Ehre, den fremden Käufer begreife ich nicht.
O Gott, wer sagt mir, was noch hier liegt verborgen?
Wahrlich, nein! wahrlich, nein! ich begreife es nicht!
Hier im Schloß ließ als Herr er sich wohl nieder.
Ha, meinem Zorn vermag ich kaum zu gebieten,
Doch Vorsicht erheischet, daß mit Klugheit ich ihm berge meine Wut!
MAC-IRTON für sich.
Wer kann mir wohl erklären, ach, wer giebt mir hier wohl Licht!
Wer kann dies uns erklären, was uns verborgen hier liegt?
Hier im Schloß ließ als Herr er sich wohl nieder.

Auf Gaveston.

Ha, seinem Zorn vermag er kaum zu gebieten,
Doch Vorsicht erheischet hier, seine Wut klug zu bergen,
Bergen seine Wut, ja seine Wut!
GEORG für sich.
O güt’ger Gott, sei du hier meiner Liebe Beschützer!
Ach, meinen Wunsch gewähre, laß mich einst werden ihres Herzens Besitzer!
O Himmelsglück! sie ist hier, sie seh‘ ich hier wieder,
Nichts fehlet mehr zu meinem Glück, zu meinem Glück.
Ach, sie seh‘ ich, sie seh‘ ich wieder,
Nichts fehlet mehr zu meinem Glück!
ANNA für sich.
O güt’ger Gott, sei du hier des Rechts Beschützer,
O rette heut‘ Gut und Ehre dieses Schlosses rechtmäßigem Besitzer.

Zu Georg.

Gehorche mir! Stets zu schweigen gelobtest du;
Mir gefällt nur der allein, der mir erscheint brav und bieder,
Sein harret schöner Lohn und Glück.
Mir gefällt allein, der sich zeigt stets brav und bieder,
Ja, sein harrt, ja, seiner harrt das Glück!
CHOR unter sich.
Wer giebt hier nur Licht? Wer kann dies uns erklären?
Wer kann’s erklären, was uns verborgen hier liegt?
Würde er unser Herr, für das Land welch‘ ein Glück!
Welch‘ ein Glück! Welch‘ froher Augenblick!

Mac-Irton nimmt seinen Sitz wieder ein.

Die Gerichtspersonen ebenso.

Die Pächter und Bauern tragen von rechts und von hinten die Bänke herbei und stellen sich darauf.

Lebhaftes Gruppenbild.

Georg am Lehnstuhl links.

Anna von den Andern unbemerkt hinter demselben.

Gaveston an der rechten Seite des Tisches stehend.

Die Pächter und ihr Anhang während der weitergehenden Steigerung in großer Aufregung und Spannung.

GAVESTON.
Wohlan! so muß es sein!
DIE PÄCHTER UND IHR ANHANG.
Ich zitt’re!
GAVESTON.
Ich gebe mehr, tausend Thaler!
GEORG mit Kraft.
Zweitausend!
GAVESTON.
Drei!
GEORG.
Vier!
GAVESTON.
Fünf!
GEORG.
Sechs!
ANNA leise zu Georg.
Biete mehr, nur Mut! biet‘ mehr, nur Mut! biet‘ mehr!
GAVESTON.
Sieben!
GEORG.
Acht!
GAVESTON.
Neun!
GEORG.
Zehn!
ANNA leise zu Georg.
Biete mehr, nur Mut! biet‘ mehr und mehr, nur mutig!
GAVESTON.
Kaum zähm‘ ich, kaum zähm‘ ich die Wut!
DIE PÄCHTER UND IHR ANHANG.
O seht, er zähmet kaum die Wut!
GAVESTON.
Kaum zähm‘ ich, kaum zähm‘ ich die Wut!

Wütend.

Nun fünfundzwanzig!
ANNA leise.
Biete mehr, nur Mut, biet‘ mehr, nur mutig!
GEORG.
Dreißig!
GAVESTON.
Vierzig!
ANNA leise.
Biete mehr, nur Mut! biet‘ mehr, nur mutig!
GEORG.
Fünfzig!
GAVESTON.
Sechzig!
ANNA leise.
Nur mehr und mehr, nur mehr und mehr!
GEORG.
Achtzig denn!
GAVESTON.
Neunzig denn!
ANNA leise.
Nur mehr und mehr, nur mehr und mehr!
GEORG.
Viermalhunderttausend Thaler!
GAVESTON.
Ha, verdammt!
ANNA.
Recht gut, recht gut, ich bin zufrieden, fasse Mut!
DIE PÄCHTER UND IHR ANHANG unter sich.
O seht, er zähmet kaum die Wut!
Ja, kaum zähmet er die Wut!
GAVESTON für sich.
Kaum bezähm‘ ich die Wut!
Kaum bezähm‘ ich meine Wut!
MARGARETHE, JENNY UND ANNA für sich.
Kaum bezähmt er seine Wut!
GAVESTON.
Viermalhundertundfünfzig!
GEORG übermütig.
Nun wohl – wenn es muß sein!
GAVESTON.
Haltet ein! –
Raten will ich diesem jungen Mann,
Der, von Leichtsinn bethöret,
Hier so tollkühn heut‘ handeln kann!

Zu Mac-Irton.

Mein Herr, leset das Gesetz! –
MAC-IRTON steht auf und liest aus einem dicken Buche.
Wer am Tag des Verkaufs nicht um die zwölfte Stunde
Bezahlet blank und bar uns das schuldige Geld,
Oder uns einen tüchtigen Bürgen hier stellt –
GAVESTON zu Georg.
Habt Ihr gehört?
MAC-IRTON.
Der wird schnell ohne Gnad‘ in den Kerker gebracht.
GEORG.
In den Kerker?
ANNA leise.
Sei ruhig!
GEORG munter und leise zu ihr.
Nun, ich gehorch‘, wenn’s Freude, Freude Euch nur macht.

Laut.

Fünfmalhunderttausend Thaler!
MARGARETHE, JENNY, GAVESTON, MAC- IRTON, PÄCHTER UND IHR ANHANG erstaunt.
Fünfmalhunderttausend!
ANNA leise zu Georg.
Recht gut, recht gut, ich bin zufrieden!
MAC-IRTON ausrufend.
Fünfmalhunderttausend Thaler!
Fünfmalhunderttausend Thaler!
GAVESTON vernichtet für sich.
Nun ist’s aus!
MAC-IRTON.
So bietet niemand mehr?
GEORG spöttelnd zu Gaveston.
Was sagt Ihr nun, mein Freund,
Ihr seht, die weiße Dame ist nicht wie alle Frau’n,
Und ihrem Ehrenwort darf man vertrau’n.
Ja, Frauenwort darf man vertrau’n,
Darf man vertrau’n!
GAVESTON.
Ich rase! Ich rase!
MAC-IRTON zu Georg.
Euer Name
GEORG mit Kraft.
Georg Brown.
MAC-IRTON.
Euer Stand?
GEORG.
Bin Unterlieutenant, mit dreihundert Thaler Gage!
MAC-IRTON.
Ist das wahr?
GEORG.
Und sagen soll man nicht, daß ich Verschwender bin!

Lustig.

Ich laß mir’s nach und nach von meiner Gag‘ abziehen!

Das Licht ist dem Verlöschen nahe.

ALLE das Licht beobachtend.
Ha, das Licht ist nun bald zu End‘!
MAC-IRTON leise zu Gaveston.
Ihr seht, ich muß hier nun thun meine Pflicht!

Das Licht verlischt mit dem Paukenschlag.

MAC-IRTON mit Kraft.
Zugeschlagen!

Er ergreift den vor ihm liegenden Hammer und schlägt gleichzeitig auf den Tisch.

Große und freudige Bewegung unter den Pächtern und ihrem Anhang.

ALLE.
Gott, welch‘ ein Glück für uns! (mich!) welch‘ ein Glück!
GAVESTON UND MAC-IRTON.
Ha, welch‘ ein finstrer Augenblick!

Mac-Irton tritt mit den Gerichtspersonen vom Tisch fort, nach rechts vor.

Die vier Diener bringen den Tisch und die fünf Stühle an ihre früheren Stellen zurück.

Margarethe, Jenny, Dikson eilen nach links zu Georg hinüber.

Alle treten vor.

GAVESTON für sich.
Kaum zähm‘ ich die Wut!
Ja, kaum bezähm‘ ich meine Wut!
MAC-IRTON UND GAVESTON.
Ha, kaum zähmt er seine (ich meine) Wut!
Ihn soll ich hier sehen als unsern Herrn.
Ha, Fluch dem Mißgeschick!
Doch alles ist mir hier deutlich noch nicht!
Manches liegt hier noch verborgen!
Ach, wer giebt mir hier wohl Licht?
Wer ist er? Und woher?
Kaum bezähmt er seine / ich meine Wut!
Ha, er fürchte seine / meine Wut!
MARGARETHE, JENNY, DIKSON.
Ach, welch‘ Glück das Los uns heut‘ gewähret!
Ja, es schenkt uns einen gütigen Herrn;
Ja, wir sehn in ihm den Herrn!
Welch‘ ein Glück! Welch‘ ein Glück!
Wie dank‘ ich heut‘ dem Geschick.
Doch alles ist mir hier deutlich noch nicht,
Was hier verborgen! Ach, wer giebt mir hier wohl Licht?
Doch gleichviel, ein frohes Los wird uns heut‘;
Verkündet uns Glück, dieser Tag verkündet uns Glück!
Kaum bezähmt er die Wut, ja die Wut!
Ach, seht doch seine Wut, die ergreifet ganz sein Herz!
Doch lach‘ ich seiner Wut! Doch lach‘ ich seiner Wut!
GEORG.
Ach, ich seh‘ sie hier, die ich verehre.
Mir lacht das Glück, ich weile hier gern.
Ja, Ihr seht in mir den künft’gen Herrn!

Er sieht Anna an.

Welch‘ ein Glück! Welch‘ ein Glück!
Wie dank‘ ich heut‘ dem Geschick!
Doch alles ist mir hier deutlich noch nicht,
Was hier verborgen! Ach, wer giebt mir hier wohl Licht!
Doch gleichviel, ein frohes Los wird uns heut‘;
Verkündet uns Glück, dieser Tag verkündet uns Glück!
Doch seht, er zähmt kaum die Wut!
Ach, seht doch seine Wut, die ergreifet ganz sein Herz!
Doch lach‘ ich seiner Wut! Doch lach‘ ich seiner Wut!
ANNA.
O mein Gott, meine Bitte erhöre,
Rette Gut und Ehre dem Herrn,
Ja, das Glück ist nicht mehr fern,
Leuchtend naht mir der Hoffnung schöner Stern!
Welch‘ ein Glück! welch‘ ein Glück!
Wie dank‘ ich heut‘ dem Geschick!

Zu Georg.

Folge, traue mir!
Du hast’s gelobt, Wonne fühlt dieses Herz. –
O mein Gott, mich erhöre! –
Hör unser Flehn, ach, rett‘ Ehr‘ und Gut!
Ach, seht doch seine Wut, die ergreifet ganz sein Herz!
Doch lach‘ ich seiner Wut, doch lach‘ ich seiner Wut!
CHOR.
Wir sehn in ihm den künft’gen Herrn!
Welch‘ ein Glück! welch‘ ein Glück!
Wie dank ich heut‘ dem Geschick!
Manches wohl ist, was hier verborgen,
Ja, ach, wer giebt mir hier wohl Licht!
Doch gleichviel, ein frohes Los ward uns heut‘;
Verkündet uns Glück, verkündet uns Glück!
Doch seht, o seht: er zähmt kaum die Wut!
Ach, seht doch seine Wut, die ergreifet ganz sein Herz!
JENNY.
Wie gütig und wie liebenswert ist unser gnäd’ger Herr!
MAC-IRTON, GAVESTON.
Kaum kann er / ich noch sich / mich bezähmen!
Wer ist er? Und woher? Nur Rache füllt dieses Herz!
Ha, er fürchte seine / meine Rache!
Kaum kann er / ich noch sich / mich bezähmen!
MARGARETHE.
Kaum kann er noch sich bezähmen!
Hoch soll leben unser Herr!
Ja, uns schenket heut‘ das Los
Einen gütigen Herrn!

Auf Gaveston hin.

Kaum kann er noch sich bezähmen!
JENNY UND DIKSON.
Kaum kann er noch sich bezähmen!
Ich lache seiner Wut, ich lache seiner Wut!
Hoch soll leben unser Herr!
Ja, uns schenket heut‘ das Los
Einen gütigen Herrn!

Auf Gaveston hin.

Kaum kann er noch sich bezähmen!
GEORG.
Kaum kann er noch sich bezähmen!
Ich lache seiner Wut, ich lache seiner Wut!
Wonne fühlt heut‘ dieses Herz!
Ja, ich seh‘ sie, mir scheint noch heut‘
Der Hoffnung schöner Stern.
Ja, nichts gleichet meinem Glücke!
ANNA.
Kaum kann er noch sich bezähmen!
Ich lache seiner Wut, ich lache seiner Wut!
Wonne fühlt heut‘ dieses Herz!
Ja, uns schenket heut‘ das Los
Einen gütigen Herrn!

Auf Gaveston hin.

Kaum kann er noch sich bezähmen!
CHOR.
Kaum kann er noch sich bezähmen!
DIE JUNGEN MÄDCHEN begrüßen Georg.
Hoch soll leben unser Herr!
CHOR.
Ja, uns schenket heut‘ das Los
Einen gütigen Herr!

Auf Gaveston hin.

Kaum kann er noch sich bezähmen!
MAC-IRTON, GAVESTON.
Kaum noch bezähmt er seine / bezähm‘ ich meine Wut!
MAC-IRTON.
Ja, kaum bezähmt er die Wut!
Ja, er fluchet dem Geschick!
GAVESTON.
Ja, kaum bezähm‘ ich die Wut!
Ja, ich fluche dem Geschick!
GEORG.
Ich seh‘ die Teure heute wieder!
Welch ein Glück, für mich welch ein Glück!
Ach, welch ein Glück.
MARGARETHE, JENNY, DIKSON, ANNA, CHOR.
Uns schenket heut‘ das Los den gütigsten Herrn!
Für uns welch ein Glück! für uns welch ein Glück!

Die Pächter umringen Georg, jubelnd die Hüte schwenkend.

Zwei Pächter heben Georg auf die Schulter und tragen ihn dem Ausgang zu.

Mac-Irton und Gaveston stehen ergrimmt rechts vorn.

Margarethe tritt zu Anna.

Anna sieht beglückt Georg nach.

Alle Übrigen wenden sich in lebhafter Bewegung dem Ausgang zu.

Dritter Aufzug.

Ein gotischer Rittersaal im Schlosse zu Avenel, reich mit Emblemen, Fahnen und Rüstungen verziert. Im Hintergrunde eine Thür. Über derselben eine Galerie, welche die ganze Breite des Saales einnimmt und zu welcher man auf der rechten und auf der linken Seite über praktikable Treppen gelangt, an deren Fuße sich vier Marmor-Postamente befinden, wovon aber nur drei Postamente marmorne Bildsäulen tragen; das Postament zur Linken der Treppe rechts ist leer. Zur Rechten vorn eine geheime Thür. Rechts und links vorn ein Tisch und ein hoher gotischer Lehnstuhl.

Es ist Tag.

Erster Auftritt.

Anna allein Anna kommt in demselben Anzug, wie im zweiten Auftritt des zweiten Aufzugs eilig von rechts, freudig überrascht von dem Saal, in welchem sie sich befindet; dann richtet sie dankend ihre Blicke gen Himmel.

Nr. 14. Arie.

ANNA.
Wohl mir!
Mit Freudigkeit betritt mein Fuß
Den Ort der Kindheit wieder,
Himmelslust sinkt auf mich hernieder!
Und ihr, die längst erreicht das schöne Ziel,
Ihr blickt herab von dort, wo Engel thronen!
Ihr Edlen duldet nicht, daß die Bosheit zu lohnen,
Euer Erbe in die Hand der Räuber fällt! –
Wie in meinen frühen Tagen,
O wollt mir Schutz verleihn;
Wie in meinen frühen Tagen
Mir Helfer und Berater sein!
Den edlen Wohnsitz seh‘ ich wieder,
Wo Seligkeit ich fand!
Ach, gedenk ich, wie ich hier
So oft den Namen Julius genannt,
Deinen Namen, mein Julius genannt!
Das Echo weckt sanfte Gefühle,
Es vergaß ihn nicht!
Ja, Zeuge war es der Spiele,
Die hier uns in Eintracht erfreut!
Ja, ich seh‘ den Wohnsitz wieder,
Wo Seligkeit ich fand!
Ach, wie in meinen frühen Tagen,
O wollt mir Schutz verleihn;
Wie in meinen frühen Tagen,
O wollt mir Helfer und Berater sein!
Ich seh‘ den Wohnsitz wieder,
Wo Seligkeit ich fand!
O Himmelslust sinkt auf mich nieder,
Gedenk‘ ich dein, ach, Julius!
Das Echo weckt sanfte Gefühle,
Das treue Echo, es vergaß ihn nicht;
Es war ein Zeuge oft unserer Spiele,
Die uns in Eintracht erfreut!
Ja, ein Zeuge unsrer Eintracht, ja unsrer Seligkeit!

Sie wendet sich nach hinten.

Margarethe kommt von links.

Zweiter Auftritt.

Anna, Margarethe zu ihrer Linken.

ANNA spricht. Ach, Margarethe, ich erwarte dich mit Ungeduld!
MARGARETHE. Ich komme, neugierig wie du, liebes Kind, mir einmal wieder dies schöne neue Gebäude zu besehen, von dessen Thüren der Friedensrichter die Siegel soeben genommen hat. Dies sind die prächtigen Gemächer, die Ihr so gern sehen wolltet, hier hab ich Euch mit meinem armen Julius erzogen. Aber ich darf mich doch darauf verlassen, daß Herr Georg diese Besitzung nicht für seine Rechnung gekauft hat?
ANNA. Nein, nur um sie ihrem rechtmäßigen Besitzer zurück zu stellen. Da ich unter der Vormundschaft Gavestons stehe, durfte ich ja nicht mitbieten und war daher sehr glücklich, als Herr Georg Brown uns zu Hilfe kam.
MARGARETHE. Er muß sehr reich sein, dieser Herr Lieutenant, denn wenn er heute Mittag die 500000 Thaler nicht bezahlt, so ist der Kauf null und nichtig.
ANNA. Im Vertrauen kann ich dir sagen, daß er nichts besitzt und daß er in dieser Hinsicht bloß auf meine Hilfe rechnet.
MARGARETHE. Auf Eure Hilfe?
ANNA. So ist’s. Doch sage mir, Margarethe, an welcher Stelle befindet sich die Statue der weißen Frau? In allen Zimmern, durch die ich bis jetzt kam, sah ich sie nicht und deshalb wartete ich auf dich.
MARGARETHE. Sie stand in diesem Saale und zwar auf der linken Seite der Treppe rechts -Sie blickt nach rechts hinten nach dem leeren Postament. Himmel! sie ist verschwunden!
ANNA. O Gott, so ist auch meine letzte Hoffnung dahin! So ist alles verloren! Dann scheitert mein ganzes Vorhaben!
MARGARETHE. Was sagt Ihr? Welches?
ANNA. Im Innern dieser Bildsäule befand sich das ganze Vermögen der Grafen von Avenel, der Ertrag jener Güter, die in England verkauft und auf mehrere Millionen geschätzt wurden.
MARGARETHE. Barmherziger Himmel! Dann sind wir verloren!
ANNA. Das ist das Geheimnis, welches mir die selige Gräfin anvertraute. »Wenn jemals,« sagte sie in jener Niederschrift, Julius wieder nach Schottland zurückkehren sollte, so unterrichte ihn, daß im Schlosse Avenel, im Innern der Statue der weißen Frau ein elfenbeinernes Kästchen verborgen ist, welches in Banknoten das Vermögen seiner Väter enthält.«
MARGARETHE. Und die Bildsäule ist verschwunden!
ANNA. Doch wie konnte dies geschehen, da keinem Menschen der Zutritt in dies Gebäude gestattet war? Margarethe, besinne dich wohl! Hast du keine Vermutung, die uns auf die Spur leiten könnte?
MARGARETHE nachsinnend. Doch – doch – wartet nur! Da erinnere ich mich, daß die Nacht vor der Abreise des Grafen –
ANNA. O sprich – geschwind!
MARGARETHE. Ich noch ganz spät über die Galerie ging, leise Tritte hörte, die weiße Frau von ihrem Fußgestell steigen und in der Mauer neben dem verborgenen Gang verschwinden sah.
ANNA. Es war ein Spiel deiner Einbildung.
MARGARETHE. Nein, ich sah sie wirklich und der alte Jäger, dem ich es am andern Morgen erzählte, sagte mir: »das ist natürlich, sie verläßt das Schloß, weil die Grafen von Avenel es verlassen und wird nicht eher wieder kommen, bis diese in dasselbe zurückkehren.«
ANNA. Ach, ich fürchte nur, daß die Dunkelheit dich nicht erkennen ließ, wie die Statue von einem Menschen in Bewegung gesetzt wurde, der sich der Schätze bemächtigen wollte, welche sie in sich schloß.
MARGARETHE. Nein, sie ist neben dem geheimen Gang in den Boden versunken!
ANNA. Und diesen Gang – könntest du ihn wohl wiederfinden?
MARGARETHE. Was könnte das helfen? Die Bildsäule kehrt doch nicht eher zurück, bis Julius kommt!
ANNA. Immerhin! Sage mir nur, wo der geheime Gang sich befindet?
MARGARETHE. Mit Gewißheit kann ich es Euch nicht versprechen. Alles, dessen ich mich erinnere, ist, daß man durch ihn in diesen Saal kommen kann. Aber um keinen Preis der Welt ging ich dahin!
ANNA. So werde ich es thun! Sie zieht sie mit sich fort. Komm, zeige mir den Weg! führe mich, das ist alles, was ich von dir verlange!
MARGARETHE. Aber Miß, wartet doch! ich kann Euch ja kaum folgen!
ANNA. Ich höre kommen. Laß uns eilen, denn niemand darf uns hier finden! Sie eilt mit Margarethe nach rechts ab.

Die Mittelthür öffnet sich.

Pächter und Bauern mit ihren Frauen ziehen durch die Mitte ein; es folgt ihnen:

Der Zug.

Sechs Paar schottische Bursche mit Fahnen und Mädchen.

Vier Diener des Schlosses.

Zwei Gerichtsdiener mit langen weißen Stäben.

Drei junge Mädchen mit Polstern, worauf eine Grafenkrone, eine Pergamentrolle und drei große Schlüssel.

Sechs schottische Harfner Minstrels.

Man hört schon von außen die Schotten auf ihren Hörnern blasen und dadurch ihre Ankunft verkünden.

Dritter Auftritt.

Pächter und Bauern mit ihren Frauen. Schottische Bursche und Mädchen. Vier Diener. Zwei Gerichtsdiener. Drei junge Mädchen. Sechs Harfner.

Nr. 15. Chor.

CHOR.
Es lebe hoch, hoch unser neuer Herr!
Es lebe hoch! es lebe hoch! es lebe hoch,
Hoch unser neuer Herr!
Es lebe hoch, hoch unser neuer Herr!
Die Bergbewohner (Uns) zu beglücken,
Führt ihn das Schicksal her.
Ja, gründen wird er unser Glück,
Gründen wird er das Glück!
Es lebe hoch, hoch unser neuer Herr!
Hoch unser neuer Herr!
Es lebe hoch, es lebe hoch,
Hoch lebe unser Herr!

Georg tritt durch die Mitte auf

Vierter Auftritt.

Die Vorigen. Georg.

GEORG für sich.
Nun denn, mit Freuden nehm‘ ich
Die Huldigungen des neuen Standes an;
Heiter stets zeig‘ ich mich.

Zu seiner Umgebung, indem er sie begrüßt.

Den edlen Herrn, deren Gut ich besitze,
Dereinst zu gleichen, dies Freunde, wünsche ich.

Er sieht sich unter lebhaftestem Erstaunen um.

Gott! Ha, was sehe ich!
CHOR unter sich.
Er scheint bewegt!
GEORG.
Dieser prachtvolle Ort, die Ritter dort,
Wie den Saal hier so herrlich jene Rüstungen schmücken!

Zweifelnd.

Nein, wie kann das sein?
Dennoch ja, ganz gewiß, ja ja,
Ich sah sie schon! ja, ja, ja, ich sah sie schon!
Was kann den Gedanken erwecken?
Meinen Sinnen trau‘ ich kaum!
Weiße Dame, willst du mich necken?
Geb‘ ich der süßen Täuschung Raum?
CHOR unter sich.
Er bewundert den Reichtum hier,
Und des Schlosses köstliche Zier!

Georg tritt mit einigen Schritten gedankenvoll zu dem Stuhl rechts vorn und nimmt dort Platz.

Die drei Mädchen mit den Kissen treten während des folgenden Nationaltanzes und Gesangs mit einem Knix an Georg heran.

Georg nimmt die Grafenkrone und die Schlüssel entgegen und legt sie auf die Polster zurück; in derselben Weise prüft er den Inhalt der Pergamentrolle und spricht einige freundliche Worte mit den Mädchen.

Die drei Mädchen knicksen dann und nehmen nach vorn an seiner rechten Seite Aufstellung.

Nr. 16. Schottischer Nationalgesang und Tanz.

CHOR.
Stimmt an, ihr Sänger, stimmt an!
Jubelklang, Jubelklang,
Ertöne laut und hell!
Froher Sang, froher Sang
Soll Mut und Liebe erheben!
Seht hoch die Fahnen dort schweben
Der tapfern Schar Avenel.
GEORG erstaunt über den Gesang.
Was ist das für Gesang? Was ist das für Gesang?

Er erhebt sich und tritt in die Mitte.

CHOR.
Der Gesang ist’s der Tapfern vom Heldenstamm Avenel.
GEORG.
Ach, wiederholt, ich bitte drum,
Ach, wiederholt doch den Gesang.
CHOR.
Jubelklang, Jubelklang,
Ertöne laut und hell!
Froher Sang, froher Sang
Soll Mut und Liebe erheben!
Seht hoch die Fahnen dort schweben
Der tapfern Schar Avenel.
Laut ertön‘ das Siegeslied,
Ja, laut und hell!
GEORG.
Haltet ein! Haltet ein! So wirds sein!
Das Ende fällt mir ein! –
La, la la la, la la;
La, la, la, la, la, la, la, la, la, la, la!
CHOR.
Freude belebt heut‘ seine Brust,
Ja, des Vaterlands Gesänge
Füllen ihn mit Sehnsucht und Lust!
GEORG.
In dieses Schloß tretet ein,
Meine Freunde, dies Gut gehört nicht mir allein,
Unser sei’s im Verein!
Es werd‘ in grüner Laube
Nun die Tafel schnell geschmückt,
Dann beginnt Spiel und Tanz,
Bei Spiel und bei Tanz sei alles entzückt! –
Ihr Mädchen mögt dem Liebsten euch verbinden,
Ihr reicht noch heute dem Liebsten eure Hand!
CHOR.
Ei, wir danken! ei, wir danken!
Welch ein gütiger Herr! –
Auf, schmückt in grüner Laube nun die Tafel! –
Bei Spiel und Tanz und bei Tanz, ja, sei alles entzückt!
Die Mädchen soll’n dem Liebsten sich verbinden! –
GEORG beiseite.
Wie bald seh‘ ich den Traum entschwinden,
Doch bevor ich erwache,
Will ich der Menschen Glück begründen,
Die ich so bieder fand. –
CHOR geht langsam durch die Mitte ab, dabei stets auf Georg blickend, um den in seine Träumereien Versunkenen nicht zu stören.
Jubelklang, Jubelklang,
Ertöne laut und hell!
Froher Sang, froher Sang
Soll Mut und Liebe erheben!
Seht hoch die Fahnen dort schweben
Der tapfern Schar Avenel.
GEORG.
Diesen Tag zu versüßen,
Laßt das Glück uns genießen!
Doch hört ich einst schon den Gesang!
Bekannt ist mir der Töne Klang,
Und willenlos muß ich Thränen vergießen!

Das Ballett, die Harfner und die Übrigen decken den abgehenden Chor und entfernen sich alsdann ebenfalls durch die Mitte, sodaß Georg am Schluß der Musik allein ist.

GEORG.
La, la, la, la, la, la, la, la –

Sich irrend.

Nein! La, la, la, la –
La, la, la, la, la, la, la, la, la, la –
La, la, la, la, la.
Ich hörte einst schon den Gesang!

Sehr sanft, wie träumend.

La, la, la, la, la, la, la, la, la, la –

Fünfter Auftritt.

Georg allein.

GEORG spricht. Alles ist mir unbegreiflich! Wie oft hat sich meine Phantasie ein Schloß wie dieses, eine Galerie wie diese vorgestellt. Je mehr ich darüber nachdenke, je rätselhafter scheint mir alles. Doch weg mit diesen Träumereien! Meine Unterthanen scheinen mir wackre Leute; sie haben mich schon liebgewonnen und ich will alles aufbieten, sie glücklich zu machen. Nur das Kapitel der Geschenke setzt mich einigermaßen in Verlegenheit; es ist traurig, ein großer Herr zu sein und als Unterlieutenant zu bezahlen. Wie es scheint, so hält die weiße Dame nicht viel auf gemünztes Geld, denn seit ich ihr Schützling bin, hat sie sich von der Seite nicht ausgezeichnet.

Gaveston nähert sich in gemessener Haltung von links.

Sechster Auftritt.

Georg, Gaveston zu seiner Linken.

GEORG für sich. Ah, da kommt Herr Gaveston, der wie ein geprellter Fuchs aussieht. Laut. Nun, mein lieber Herr Wirt, was sagt ich Euch gestern? Nun ist die Reihe an mir, Euch gastfreundlich aufzunehmen und ich thue es mit Freuden.
GAVESTON. Ihr könnt Euch wohl denken, was mich herführt. Ich komme mein Herr, mir Aufklärung Eures sonderbaren Benehmens zu erbitten.
GEORG. Mein lieber Freund, verlangt von mir, was Ihr wollt – nur keine Aufklärungen und kein Geld, denn damit kann ich nicht dienen!
GAVESTON finster. Ich hätte nicht geglaubt, daß ein Offizier der Verheimlichung, der List sich bedienen würde, um seine versteckten Absichten zu erreichen.
GEORG. Halt, mein Herr! Noch nie hinterging ich jemand. Ich erkläre Euch also, daß ich, wie so viele Leute, von einem Augenblick zum andern und ohne zu wissen wie, zum Besitz dieses Schlosses gelangt bin. Doch beteure ich auch, daß, als ich gestern Abend hier ankam, ich so wenig Absichten hatte als Geld. Darüber gebe ich Euch so gut mein Ehrenwort, als auch die Proben! Er kehrt die Taschen um. Seht her, da sind sie!
GAVESTON. Was hör‘ ich! Ihr habt kein Geld? Wovon wollt Ihr denn aber das Schloß bezahlen?
GEORG. Ich? Das geht mich nichts an! Dafür mag die weiße Dame sorgen. Es scheint, ich bin in dieser Sache nur ihr Geschäftsträger und Vertrauter, denn ich schloß den Kauf für ihre Rechnung.
GAVESTON. Ihr scherzt wohl!
GEORG. Nein, wahrlich nicht. Ich sehe wohl, daß wir ganz entgegengesetzter Meinung sind. Ich glaube alles – und Ihr glaubt nichts. Das ist ein Unglück. Der Weise wählt immer die Mittelstraße. Laßt uns beide nachgeben und eingestehen, daß hier etwas vorgeht, was wir nicht begreifen. Doch das ist ja nicht nötig, um glücklich zu sein.
GAVESTON. Wie? Dies reiche Gut –
GEORG. Aufrichtig gesprochen, mir liegt nicht viel daran, und ich erwarte von Minute zu Minute, daß es auf den Schlag einer Zauberrute verschwindet. Mein Verlangen ist die weiße Dame, oder meine schöne Unbekannte wiederzusehen und nur in dieser Hoffnung bitte ich Euch um die Erlaubnis, nun meine neuen Besitzungen besehen zu dürfen. Er will gehen.
GAVESTON ihn zurückhaltend. Nur noch ein Wort! Wenn Ihr bis Mittag keine Bürgschaft leisten oder nicht bezahlen könnt –
GEORG. Das Schloß bleibt da, ich trage es nicht fort. Ich kann es ja wieder verkaufen! Freilich, wenn ich nicht mehr dafür bekomme, als was ich gegeben habe, so werde ich nicht reich bei dem Handel.
GAVESTON. Ihr habt doch gehört, daß der Friedensrichter Mac-Irton von Gefängnis sprach.
GEORG. Gefängnis? Desto besser. Dann muß mich die weiße Dame daraus befreien und ich bekomme sie bei der Gelegenheit zu sehen!

Mac-Irton erscheint in der Mittelthür, die er offen läßt.

GEORG. Doch seht, dort kommt Mac-Irton, der vermutlich mit Euch sprechen will. Ich gehe, um mir mein Schloß zu besehen und mich noch schnell als Herrn darin zu zeigen! Er geht, die zuletzt gehörte Melodie vor sich hinsummend, über die Treppe rechts auf die Galerie und verschwindet nach links.

Mac-Irton kommt vor.

Siebenter Auftritt.

Gaveston, Mac-Irton zu seiner Linken.

GAVESTON für sich. Ich begreife den Menschen nicht. Durch seinen Leichtsinn zerstört er alle meine Pläne! Laut. Ah, Ihr seid es, Mac-Irton?
MAC-IRTON geheimnisvoll. Seid Ihr allein?
GAVESTON. Wie Ihr seht!
MAC-IRTON halblaut. Ich habe Wichtiges mit Euch zu reden! Doch laßt uns vorher die Thür schließen – zur Vorsicht, daß man uns nicht belauscht! Er wendet sich nach hinten und macht die Mittelthür zu.

Gaveston steigt auf die Treppe zur Rechten, um zu sehen, ob sich Georg entfernt habe.

Anna tritt inzwischen, dadurch ungesehen, in die geheime Thür rechts vorn.

Achter Auftritt.

Gaveston auf der Treppe. Mac-Irton an der Mittelthür. Anna in der geheimen Thür rechts vorn.

ANNA halblaut für sich. Das ist also der verborgene Ausgang, der in diesen Saal führt. Leider war mein Suchen fruchtlos! Sie tritt einen Schritt vor und bemerkt Gaveston und Mac-Irton. Was seh‘ ich? Gaveston und der Friedensrichter! Eine gute Gelegenheit, ihre Absichten zu erfahren. Ich will sie belauschen! Sie tritt wieder in die Füllung und verschwindet.

Gaveston und Mac-Irton kommen nach vorn.

Neunter Auftritt.

Gaveston, Mac-Irton zu seiner Linken.

GAVESTON erwartungsvoll. Nun, was habt Ihr mir zu sagen?
MAC-IRTON halblaut durch den ganzen Auftritt. Wichtige Neuigkeiten. Nehmt Euch in acht, sonst seid Ihr verloren. Was Ihr thun wollt, muß schnell geschehen. Der Sohn Eures ehemaligen Herrn, Julius Graf von Avenel ist wieder in England erschienen!
GAVESTON ebenso. Woher wißt Ihr das?
MAC-IRTON. Durch Briefe aus London, die unleugbare Beweise enthalten. Euch ist bekannt, daß vor vierzehn oder fünfzehn Jahren Julius von Avenel einem getreuen Diener seiner Eltern Namens Duncan anvertraut wurde.
GAVESTON. Weiter, weiter!
MAC-IRTON. Es war ihm eine beträchtliche Summe zugestellt worden, um das Kind nach Frankreich zu bringen und es dort heimlich erziehen zu lassen. Duncan, weit entfernt, diesem Befehle Folge zu leisten, eignete sich diese Summe an und schiffte nach Amerika.
GAVESTON. Nun?
MAC-IRTON. Nach England zurückgekehrt, hat die ser Duncan, ein Schotte von Geburt, vor vierzehn Tagen im Hospital, wo er starb, gerichtlich die Aussage zu Protokoll nehmen lassen, daß Julius von Avenel noch lebe und im fünfzehnten Linienregiment diene.
GAVESTON. Was liegt daran!
MAC-IRTON. Was daran liegt? Er dient unter dem Namen »Georg Brown«.
GAVESTON betroffen. Was sagt Ihr?
MAC-IRTON. Begreift Ihr nun? Er war es, der Euch diesen Morgen überbot und Ihr könnt leicht erraten, in welcher Absicht!
GAVESTON. Nicht doch! Zum Glück ist noch nicht alles verloren, denn wißt: ihm selbst ist sein Name und seine Herkunft noch unbekannt.
MAC-IRTON. Wär‘ es möglich!?
GAVESTON. Auch wird er nicht bezahlen können, denn er selbst besitzt gar nichts und hat auch keine Aussicht, etwas zu erhalten. Er selbst hat es mir vertraut – und bin ich erst im Besitz des Schlosses und des Titels der Grafen von Avenel, was kümmert es mich dann, ob Georg Brown für einen Sprößling jener Familie erkannt wird. Ich selbst will es ihm dann sagen, wenn es sein muß. Kommt, laßt uns eilen, alles anordnen und die nötigen Vorsichtsmaßregeln treffen. Sie eilen nach der Mittelthür und gehen durch dieselbe ab.

Anna kommt in heftiger Bewegung von rechts vorn durch die geheime Thür.

Zehnter Auftritt.

Anna allein.

ANNA. Was hab‘ ich gehört! – Doch Julius sei reich, glücklich und erfahre nie, wem er es zu sein verdankt!

Nr. 17. Recitativ und Duett.

ANNA.
Unglücksel’ge! Was hör‘ ich?
Den ich wagte zu lieben, ist Julius Avenel?
Ja, uns trennt das Geschick!
Nicht Raum darf diese Brust
Geben den süßen Trieben,
Da Reichtum und Rang heut ihm schenket das Glück!
Ihm nur, o Gott, wollt‘ ich weihen mein Leben,
Ach, warum willst du nun Stand und Schätze ihm geben?
Wär er noch unbekannt und arm, nennt ich ihn mein,
Dann wär‘ Annette ihm gleich,
Liebe knüpfte das Band!

Margarethe kommt eilig und freudig von rechts.

Elfter Auftritt.

Margarethe, Anna zu ihrer Linken.

MARGARETHE.
Mein liebes Kind, mein liebes Kind!
Viel Neues hab‘ ich Euch zu sagen.
ANNA.
Nun, was ist’s?
MARGARETHE.
Welch‘ ein Glück, welch‘ ein Glück!
Denkt, Julius kehrt heut‘ zurück!
ANNA.
Wer sagt es dir?
MARGARETHE.
Ei, niemand sagt es mir;
Doch bald enden Leid und Klagen,
Nein, dies Zeichen, es täuschet nicht!
Was kann noch mein Glück erhöhen?
Die weiße Dame hab‘ ich gesehen!
ANNA.
O Gott, ist es wahr? Wie, du hast sie gesehen?!
MARGARETHE.
Ja, ich sah sie dort stehen.
Ja, ja, ich sah sie stehen!
ANNA.
Und wo?
MARGARETHE.
Dort in verborgener Kapelle
Hörte Gott für Julius mein Fleh’n.
ANNA nachdenkend.
Wohl hat der Graf in stiller Nacht,
Eh‘ das Schloß er verließ,
Das Bildnis der weißen Dame
Selbst dahin gebracht.
So ist mein Hoffen hin, ja, all mein Hoffen hin!
MARGARETHE.
Nun fliehet jeder Schmerz!
Ja, uns erwarten Freuden!
Ach, die Lust ist zu groß!
Mein Julius kehrt zurück,
Das glaubt mir auf mein Wort,
Ja, ich geb‘ Euch mein Wort!
ANNA.
Welch ein Schmerz, ach, welch Leiden!
O Gott, wäre Tod auch mein Los,
Verlassen muß ich diesen Ort,
Verlassen schnell diesen Ort!
MARGARETHE.
Ist Julius nur erst hier bekannt,
Dann legt er sicher Eure Hand
In die des braven Georg,
Des jungen Kriegers, der Euch liebet.

Erschrocken.

Doch was ist das? Ihr redet nicht,
Und Totenblässe deckt das Gesicht!
ANNA entschlossen.
Im Augenblicke, Margarethe
Laß schnell zur Flucht uns vorbereiten.
MARGARETHE.
Was saget Ihr?
ANNA.
Ja, ja, wir kehren nie, nie zurücke!
Insgeheim laß uns beide schnell flieh’n!
MARGARETHE.
Wo denkt Ihr hin!
ANNA.
Dies heischt –
MARGARETHE.
Wo denkt Ihr hin!
O Gott!
ANNA.
Das Wohl –
Von Avenel!
MARGARETHE gefühlvoll.
Was sagt Ihr?
Ach, nun folge ich gern, ja, gern und schnell!
Nun fliehet jeder Schmerz!
Ja, uns erwarten Freuden!
Ach, die Lust ist zu groß!
Mein Julius kehrt zurück,
Das glaubt mir auf mein Wort,
Ja, ich geb‘ Euch mein Wort!
ANNA.
Welch ein Schmerz, ach welch Leiden!
O Gott, wäre Tod auch mein Los,
Verlassen muß ich diesen Ort,
Verlassen schnell diesen Ort!
So geh‘!
MARGARETHE.
Ich geh‘!
ANNA.
Nur schnell!
MARGARETHE.
Ich geh‘!
ANNA.
So geh‘!
MARGARETHE.
Ich geh‘!
Ach, die Lust ist zu groß.
ANNA.
Und wäre Tod –
Auch mein Los!
Ja, ja, wir müssen fliehn!
MARGARETHE.
Die Lust ist zu groß!
ANNA.
So geh‘!
MARGARETHE.
Ich geh‘!
ANNA.
Nur schnell!
MARGARETHE.
Ich geh‘!
ANNA.
So geh‘!
MARGARETHE.
Die Lust, ja die Lust ist zu groß!
Ich folge gern und schnell!
ANNA.
Dies heischt das Wohl von Avenel!
Komm, komm, wir fliehen schnell! Auf, schnell!
Auf, schnell! Auf, fliehn ja laß uns schnell!

Margarethe eilt nach rechts ab.

Zwölfter Auftritt.

Anna allein.

ANNA spricht. Nein, ich will den Schleier des Geheimnisses, der mich seinen Augen verbirgt, nicht heben. Er sei reich, glücklich und nie soll er ahnen, welche Hand ihm sein Erbe zurückgab; nie soll er das Mädchen, das ihn so zärtlich liebt und ihm sein ganzes Lebensglück opfert, kennen lernen. Mit einem Blick gen Himmel. Und Ihr, mein ewig teurer, unvergeßlicher Wohlthäter blickt mild und segnend auf mich hernieder, meine Schuld ist abgetragen.

Jenny eilt ängstlich von links herbei.

Dreizehnter Auftritt.

Anna, Jenny zu ihrer Linken.

JENNY. Mein Gott, was hat das zu bedeuten?
ANNA. Was giebt es?
JENNY. Mac-Irton kommt mit Gerichtsdienern auf das Schloß zu!
ANNA. So darf ich keinen Augenblick mehr säumen. Geschwind in die Kapelle! Sie eilt zum raschen Umzug nach rechts ab.

Georg erscheint links oben auf der Galerie und wendet sich über die Treppe rechts nach unten.

Vierzehnter Auftritt.

Georg, Jenny zu seiner Linken.

JENNY für sich. Wie? Sie geht fort, ohne mir zu antworten? Das ist eben nicht sehr artig! Abgewandt, mit einigen Schritten nach links vorn. Aber wo ist denn unser neuer Gutsherr? Man sieht ihn gar nicht mehr. Sollte ihn sein neuer Stand hochmütig gemacht haben? Sie steht sinnend links vorn.
GEORG ist inzwischen am Fuß der Treppe angekommen; für sich. Ich habe keine Seele angetroffen. Immer hoffte ich auf Erscheinungen, die sich nicht zeigen wollen. Bei jedem weiblichen Wesen, das ich erblicke, glaube ich, sie sei es. Sieh, hier ist ja wieder eins. Er schleicht an Jenny heran und umfaßt sie von rückwärts.
JENNY aufschreiend. Ah! Sie macht sich los und eilt an Georg vorüber nach rechts.
GEORG. Nein, es ist meine hübsche kleine Pächterin!
JENNY beiseite. Seine hübsche kleine Pächterin? Ich habe mich geirrt, er ist doch nicht stolz geworden!
GEORG sie betrachtend. Oder vielleicht gar – wer kann der weißen Dame trauen – wieder eine andere Gestalt, die sie angenommen hat – denn sie erscheint mir immer nur als eine hübsche Frau.
JENNY. Was seht Ihr mich denn so an? Warum be trachtet Ihr mich denn so genau?
GEORG sie zärtlich anblickend. Sage mir aufrichtig: bist du fest überzeugt, die Frau des Pächters Dikson zu sein?
JENNY. Sonderbare Frage!
GEORG. Du zauderst? Du bist betroffen? Du bist es also nicht!

Dikson kommt von links.

Fünfzehnter Auftritt.

Die Vorigen. Dikson nimmt die Mitte.

DIKSON der die letzten Worte gehört hat. Doch, doch, sie ist es – ganz gewiß – so viel ich weiß und es ist nicht schön, mir darüber Zweifel einzuflößen nach all dem Leid, was Ihr mir ohnehin schon zugefügt habt.
JENNY. Leid? Er dir? Ei, wie denn das?
DIKSON. Alle Leute sagen, diese Nacht sei ihm die weiße Dame erschienen und habe ihm dieses Schloß nebst mehreren Millionen Geld verschafft. Dies alles gebührt aber offenbar mir, denn an meiner Stelle ging er ja hierher.
JENNY. Siehst du, das kommt davon, wenn man so furchtsam ist! Das sag‘ ich dir ja immer.
DIKSON. Im Gegenteil! Du warst es allein, die mich abhielt, ins Schloß zu gehen!
JENNY. Wer hieß dich denn mir nachgeben? Daß eine Frau sich fürchtet, das ist ganz in der Ordnung. Aber ein Mann, ja, das ist etwas anderes.
GEORG zwischen sie tretend. Ruhig, ruhig, Kinder, zankt euch nicht. Ich mache mir gar nicht so viel aus dem Schloß und wenn ihr so große Freude daran habt, so will ich es euch überlassen.
DIKSON freudig erstaunt. Wär es möglich?

Die Mittelthür öffnet sich, die Pächter und ihr Anhang werden sichtbar.

GEORG. Warum nicht? Und ihr könnt euch gleich hier vor allen diesen Herren als Besitzer desselben erklären. Er wendet sich nach hinten.

Dikson tritt zu Jenny. Gaveston, Mac-Irton, zwei Beisitzer, ein Gerichtsschreiber, acht Gerichtsdiener mit langen weißen Stäben, Margarethe erscheinen durch die Mitte und treten vor.

Sechszehnter Auftritt.

Die Vorigen. Mac-Irton. Gaveston. Margarethe. Zwei Beisitzer. Ein Gerichtsschreiber. Acht Gerichtsdiener. Pächter, Pächterinnen, Bauern und Bäuerinnen.

Nr. 18. Finale.

MAC-IRTON, DIE GERICHTSPERSONEN, GAVESTON zu Georg.
Wie ist’s, mein Herr? Schon naht die zwölfte Stunde!
Bezahlt, bezahlt, oder gebt Bürgschaft uns.
MAC-IRTON, DIE GERICHTSPERSONEN.
So hört: im Namen uns’res Königs –
MAC-IRTON, DIE GERICHTSPERSONEN, GAVESTON.
Die Zahlung her, oder folget uns gleich.
GEORG.
Hier an Dikson wendet euch!
DIKSON.
An mich, ihr Herren, nein, wahrlich nein!
GEORG.
Nahmst du nicht meine Stelle ein?
DIKSON.
Nein, wahrlich nein! nein, wahrlich nein!
Euer Schloß, das ihr mir geschenket,
Nehmet es, ich bitte, schnell zurück.
GEORG.
Doch wozu diese Eile? Harrt einen Augenblick,
Denn die Stunde schlug noch nicht.
Ihr wißt, ich hege groß Vertrauen –
GAVESTON.
Worauf könnt Ihr wohl noch bauen?
GEORG.
Die weiße Dame steht mir bei,
Hört ihr, sie bleibt mir treu!

Man hört Harfentöne.

ALLE außer Georg.
Gott!

Anna erscheint im Gewande der weißen Dame rechts oben auf der Galerie, unter dem Schleier ein Kästchen von Elfenbein tragend; sie wendet sich mit gemessenen Schritten über die Treppe rechts nach unten und nimmt, von den Anwesenden noch unbemerkt, die Stelle der Bildsäule auf dem leeren Postamente ein.

Siebzehnter Auftritt.

Die Vorigen. Anna noch ungesehen auf dem Postament.

ALLE außer Georg.
Welche Macht leiht verborgen
Diesem Fremdling heut‘ Schutz?
Wer ist’s wohl, der so freundlich
Sein Leben hier bewacht?
GEORG.
Ja, dir werd‘ ich stets gehorchen,
Leih‘ der Liebe Schutz!
Dieses Herz schlägt dir entgegen,
Die du mein Leben gnädig bewacht.
ALLE wenden sich nach hinten und geben furchtsam nach dem Postament hin die Mitte frei.
Sie ist es!
GEORG ebenso.
Was seh‘ ich!

Jenny und Dikson stehen auf der rechten Ecke.

Georg, Mac-Irton, Gaveston, Margarethe stehen auf der linken Seite.

ANNA.
In diesem Schloß ist der Sohn eures Herrn;
Seiner Ahnen wert blieb stets der edle Krieger,
Und der letzte vom Stamme der Grafen Avenel.
GEORG.
Wer ist es?
ANNA.
Du selbst!
ALLE außer Anna.
Gott! Wie, er wär‘ Graf Avenel?
GEORG.
Ich wär‘ der Graf von Avenel?
ANNA.
Julius, nimm heut‘ zurück
Dies Schloß und deine Rechte!
Herr bist du hier allein.

Das Kästchen vorzeigend.

Und dies Gold – es ist dein.

Sie steigt langsam herab, stellt das Kästchen auf das Postament und nimmt zwischen Dikson und Georg zurückstehend die Mitte.

MARGARETHE eilt an Gaveston und Mac-Irton vorüber zu Georg.
Julius ist’s, teurer Sohn, den ich als Kind geliebet!
GEORG.
Was sagt Ihr?
MARGARETHE.
Sieh mich an!
GEORG.
Ist es wahr?
MARGARETHE.
Kennst du mich nicht mehr?
GEORG.
Mein Herz schlägt laut!
MARGARETHE.
Margarethe ist’s, jaja, die die Arme ausbreitet!
JENNY, DIKSON, CHOR.
Wie, Julius ist’s, den ich seh?
Julius ist’s! Julius ist’s!
ANNA zu Georg.
Ich erscheine dir heute zum letztenmal,
Ja, zum letztenmal!

Zu den andern.

Sucht die Schritte nicht zu hemmen,
Zu folgen wag keiner im Saal!
Zu folgen wag keiner im Saal!

Sie wendet sich zum Gehen.

JENNY, DIKSON, MARGARETHE, CHOR.
Hütet euch, hemmt ihre Schritte nicht im Saal!
GAVESTON hat sich hinten herum, Anna zur Linken geschlichen und faßt sie, als sie sich entfernen will, bei der Hand.
Nein, sollte sich die Erde auch öffnen,
Wer du auch seist, du gehest nicht von hier, nein!
JENNY, DIKSON, MARGARETHE, MAC-IRTON, CHOR zu Gaveston.
Erbebt, sie wird Euch schnell bestrafen!
GAVESTON.
Mutig sei’s gewagt, den Betrug zu enthüllen,
GEORG für sich.
Doch was mag dies ja wohl für ein Geheimnis sein?
GAVESTON führt Anna vor.
Kennen will ich den Feind, wäre Tod auch mein Los!

Er reißt ihr den Schleier ab.

GEORG im höchsten Erstaunen.
Gott!
ALLE Anna erkennend.
Anna!
ANNA.
Ja, ich bin’s!

Sie will vor Georg niedersinken.

Georg hält sie und schließt sie in seine Arme.

Gaveston und Mac-Irton entfernen sich, sobald sie sehen, welche Wendung die Sache nimmt, mit den Gerichtspersonen eilig durch die Mitte.

Achtzehnter Auftritt.

Jenny und Dikson rechts, Anna und Georg in der Mitte, Margarethe links. Die Pächter und ihr Anhang in freudiger Bewegung zurückstehend.

Vier Pächter treten nach hinten auf die Treppe rechts und ergreifen die dort aufgestellten Fahnen.

Vier andere Pächter thun ebenso auf der Treppe links.

GEORG.
Du warst mein Schutz, nur du empfängst der Treue Schwur.
ANNA.
Früh verwaist, treu, doch arm, bleib‘ ich die Freundin nur.
GEORG.
Doch Gott hörte einst mein Versprechen,
Ich entsag‘ jedem Glück,
O nimm dein Gold zurück!
Was gelten Schätze mir,
Teil‘ ich sie nicht mit dir!
JENNY, MARGARETHE, DIKSON UND CHOR.
Erhört doch sein Fleh’n, lohnet heut‘ Treu‘ und Liebe.
ANNA.
Ich folg‘ dem Herzen!
GEORG.
Göttlich lohnest du die Triebe!
MARGARETHE.
Welch‘ ein Glück, meine Augen sehn ihr wieder, jeder Schmerz ist fern.
JENNY UND CHOR.
Und wir seh’n in ihm unsern gütigsten Herrn.
DIKSON jubelnd.
Pate ist er meinem Sohn!
JENNY.
Wie gnädig und wie liebenswert ist unser neue Herr!

Die Pächter treten vor und schwenken die Fahnen.

JENNY, DIKSON, ANNA, GEORG, MARGARETHE, CHOR.
Stimmt an! Auf Sänger, stimmet nun an!
Laßt Mut und Liebe euch beleben!
Jubelklang ertöne laut und hell,
Froher Sang soll Mut und Lieb‘ erheben!
Seht hoch die Fahnen dort schweben,
Der tapfern Schar Avenel!
Ach, für uns ein Tag der Freude.
Hoch leb‘ unser Herr! Hoch leb‘ unser Herr!
Auf Berg und Thal umgiebt uns das Glück!
Hoch leb‘ er stets, unser gütiger Herr!