Johann Adam Hiller
Die Jagd
Eine komische Oper in drey Aufzügen
Libretto von Christian Felix Weisse
Uraufführung: 29.01.1770, Großherzogliches Hofheater, Weimar
Personen
Der König
Michel, ein Dorfrichter
Marthe, dessen Frau
Christel, dessen Sohn
Röse, dessen Tochter
Töffel, Rösens Liebhaber
Hannchen, eine Pachters Tochter
Graf von Schmetterling
Von Treuwerth
Bauren
Zwey Wilddiebe
Der Schauplatz ist auf dem Lande.
Dieses Stück ist zum Theil aus dem Lustspiele: »La partie de chasse de Henri IV.« genommen.
Wenn unsre deutsche Schauspielkunst,
Nicht Eines Fürsten Schutz, nicht
Eines Höflings Gunst
Durch ganz Germanien sich kaum zu rühmen wußte;
Bald Gallien durch Witz, bald Welschland durch Gesang,
Wo sie kaum athmete, sie wiederum verdrang:
Wenn man das kleinste Lob der armen
Kunst versagte,
So bald sie sich nur zu gefallen wagte:
Was Wunder, daß sich nie ihr Lob
Zu jener Bühnen Stolz erhob?
Daß Deutschlands Dichter selbst Cothurn
und Soccus scheuten,
Und jeden Schritt, den sie darauf gethan, bereuten?
Allein, wenn dieser Kunst ein Thron
selbst Schatten giebt;
Wenn der, der diesen schmückt, sie schützt,
belohnt, und liebt,
Sich, als ein Patriot an ihrem Spiel ergötzet,
Und sie nicht nur nach dem, was sie bereits gethan,
Nein; nach der Hoffnung auch, was sie einst werden kann,
Nach ihrem Fleiß, nach ihren Kräften schätzet:
Nicht junge Dichter unsrer Bühnen
Mit Molieren und Racinen,
Mit Sophoklen und Shakspearn mißt,
Und keine Hinderniß vergißt,
Die ihren schweren Lauf noch hier und da verschließt:
Wie muß sich da Thalia freuen,
Sich auch auf unbetretner Bahn
Solch‘ einem Throne sich zu nahn,
Und Weihrauch ihm, so gut sie kann, zu streuen!
Durchlauchtge Herzoginn! wer
denkt, wer nennt nicht Dich,
Sobald man unser Schauspiel nennet?
Wer denkt nicht an den Schutz, den Deine Huld ihm gönnet?
Und wie erfreut die Muse sich,
Mit jenem sich freundschaftlich zu vereinen,
Und Hand in Hand vor Dir, o Fürstinn, zu erscheinen!
Die Huld Amaliens verschmäht die Blume nicht,
Die diese jetzt auf fremden Wiesen bricht,
Und in den Strauß einheimscher Kräuter flicht!
Wie könnte Sie ein Spiel verschmähen,
Wo wir der Einfalt edles Herz,
Bey einem ländlich freyen Scherz
In seiner ganzen Unschuld sehen,
Für seinen Fürsten es voll Liebe brennen sehen?
Denn sagt Ihr nicht Ihr Herz entzückt,
Was alle die, die Ihren Schutz genießen,
Die Sie umher durch weise Huld beglückt,
Für Sie bis in den Hütten fühlen müssen?
Sie kann kein Spiel verschmähn, wo sich ein König zeiget,
Der seiner Bürger Freund, Vertrauter, Vater ist,
Der Reichthum und Geburth vergißt,
Wann durch Gewalt, Verrätherey und
List
Ein Mächtiger der Unschuld Rechte beuget:
Denn sieht Amalia nicht hier Ihr göttlich Bild? –
Ja, Fürstinn, ja; der Ruf von Deiner Größ‘ erfüllt,
Bestätigt es: – Kann es die Muse wagen,
Zu Deinem Lobe mehr zu sagen?
Erster Aufzug.
Das Theater stellet eine ländliche Scene mit einer Bauerhütte im Hintergrunde vor.
Erster Auftritt.
RÖSCHEN vor ihrer Hütte; es steht ein Schemel mit einem Spinnrocken auf der einem Seite. Sie hat eine Garnwinde in der Hand, und sieht sich schüchtern um. Ha, die Mutter ist nicht da? geschwind will ich indessen einen Strauß für meinen Töffelpflücken. – Sie legt die Weife auf die Erde, und läuft an einen Rosenstrauch, der auf der Seite blüht. Mein Vater mag sagen, waser will: Töffel ist nicht reich; aber unter allen Reichen ist auch kein Töffel.
Mein Töffel ist ein Mann für mich.
Er ist so flink, und rasch als ich,
Wie eine junge Birke, schlank,
Hat Arbeit lieb und liebt Gesang.
Sein Angesicht ist voll und rund,
Die Wange glüht, es glüht der Mund,
Er hat ein großes Augenpaar,
Braun ist er selbst, schwarz ist sein Haar.
Ich kann ihm traun, er ist mir treu,
Von guter Laun‘ ist er dabey:
Er steht mir an: ich steh‘ ihm an:
Mein Töffel ist für mich ein Mann!
MARTHE die sie beschleicht. Ah, gleich von der Arbeit weg! die Mutter darf kaum den Rücken gewandt haben, so wird hier ein Röschen, und da ein Veilchen, und hier ein bischen Krausemünze, unddort ein Rosemaristengel gepflückt, und alles für Töffeln; nicht wahr, für Töffeln?
RÖSCHEN. Je, für wen sonst, als für Töffeln? freylich wohl. Ihr seyd ihm ja selber nicht feind, und ließt Euchs gefallen, wenn mich der Vater ihm geben wollte.
MARTHE. Aber, weil Er nun nicht will, so sollst Du auch nicht wollen! Du weißt, seit Dein armer Bruder Christel seine Braut verloren, will er von Deiner Heyrath nichts sehen und nichts hören: und da mußt Du auch nichts von ihm sehen und hören wollen, wenn Du ein gutes Mädchen bist.
RÖSCHEN. Ja, es hat sich wohl! ihn nicht hören und nicht sehen, wenn man sich nicht die Augen verbindet, und die Ohren verstopft. Undgewiß und wahrhaftig, wenn ich auch das thun wollte: so würde mir mein Herz doch immer sagen: »He: Röse, Töffel ist da! Toffel ist dir gar zu hübsch! Toffel ist dir gut, und du bist Töffeln gut!«
MARTHE. Aber, sage mir nur, wie bist Du dem Kerl so gut geworden? Ich glaube gar, er hat Dirs ge than?
RÖSCHEN. Ach, geht doch, Mutter! was gethan? so hab‘ ichs ihm auch gethan: denn es geht ihm nicht besser. Er sagt mirs, so oft er mich sieht Ich bin ihm immer gut gewesen: aber seit voriger Krumterndte sind wir vollends beständig einander nachgelaufen.
Da sah ich Töffeln an den Hecken;
Er fällte Holz und pfiff dazu;
Halt dacht‘ ich, loser Vogel du,
Du stehst mir recht, dich muß ich necken.
Gleich hatt‘ ich Aepfel in den Ficken:
Husch! zog ich einen Apfel vor:
Puff! hatt‘ er einen an das Ohr,
Puff! wieder einen auf den Rücken.
Er sah mich nicht denn ich versteckte
Mich hinterm Busch, so oft er schrie:
Bis ich zuletzt, hi hi hi hi,
So lachte, daß er mich entdeckte.
Ha! rief er, wart! ich will dirs geben!
Und haschte mich und küßre mich;
Ich schimpft‘ und schmälre jämmerlich:
Im Herzen hatt‘ ich ihm vergeben.
MARTHE. Ja, ja! das kömmt aus dem Genecke? Laß es nur dem Vater merken; Du wiests schon kriegen. – Ah! da kömmt er eben her! –
Zweyter Auftritt.
Die Vorigen, Michel.
MICHEL brummend und den Kopf schüttelnd. Hm! – es geht mir alles der Qucere.
MARTHE. Wie so, Michel? was hast Du?
MICHEL. Ganz ungelegen, ganz der Queere!
RÖSCHEN. Was denn Vater? habt ihr etwan vom Bruder Christel was gehört?
MICHEL. Was? was will ich gehört haben? nu ist er doch in die Stadt gelaufen. Es wird auch nichts draus werden; er wird gerade den König nicht zu sehen kriegen, und nu hätte ich ihn so gerne hier, so gerne –
MARTHE. Je warum denn das? wenn er gleichwohl sein Hannchen ausgattern könnte?
MICHEL. Es hat sich ausgattern: nichts wird er ausgattern, und wer weiß, hätt‘ ihm der König nicht hier in Wurf kommen können.
RÖSCHEN UND MARTHE zugleich. Der König? hier?
RÖSCHEN. Ihr vexirt uns, Vater.
MICHEL. Nicht anders.
MARTHE. Je, was will er denn hier?
MICHEL. Was die großen Herren immer aufm Lande wollen: Jagen. Da kommt eben der Oberforster zu mir, und sagt, ich sollte dieBauren zusammen nehmen, daß sies Wild aufjagten, und ein bischen aufs lüderliche Gesindel Achtung gäben, das immer bey der Gelegenheit hinter her ist, und todt schießen hilft. Wenn da unser Christel hier wäre! der ist mit allen Hunden gehetzt, weiß alle Schliche im Walde, und kennt das Lager von jedem Haasen; vielleicht würde er unserm Herrn ein Plaisirchen mehr machen können.
MARTHE. Ja, vielleicht hätt‘ er ihm auch seine Noth geklagt, und den verwetterten Grafen von Schmetterling beym König eins anhängen können. Er soll ja ein so gar lieber Herr seyn, und Christeln – ja dem steht das Maul auf dem rechten Flecke.
RÖSCHEN. Hannchen sagte immer: er redte noch besser als der Schulmeister, und das ist doch ein Gestudierter.
MICHEL. Wofür hätt‘ ich ihn denn vier Jahre in der Stadt in die lateinische Schule geschickt. Das wird einmal ein Richter werden, der sich gewaschen hat: Aber was hilft mir das itzt? Ich werde nur Töffeln müssen rufen lassen, daß er mit ein bischen an die Hand geht.
RÖSCHEN. Ja, Töffeln, Töffeln! Töffel ist auch wie ein Schießhund.
MICHEL. Ha! wenn ich nur von Töffeln rede, da bist Du gleich da. – Mädchen Du sollst mir nicht so hit zig auf Töffeln seyn, sonst –
RÖSCHEN. Vater, schmält doch nicht immer! der arme Töffel, wenn ers nu hörte – ha,dort kömmt er eben aus dem Busche: da! seht Ihr ihn?
Dritter Auftritt.
Die Vorigen. Töffel kömmt singend, ohne daß er sie gleich gewahr wird.
TÖFFEL.
Wenn mich nur mein Röschen liebt,
Bin ich schon geborgen:
Wem das Glücke Reichthum giebt,
Dem giebt es auch Sorgen.
Hätt‘ ich Silber auch wie Heu,
Gold in allen Säcken:
Arbeit hätt‘ ich nicht dabey,
Aber Furcht und Schrecken.
Hätt‘ ich täglich Bier und Wein,
Braten auch nicht minder:
Fetter könnt ich dann wohl seyn,
Aber nicht gesünder
Nein, wenn mich mein Röschen liebt,
Bin ich schon geborgen:
Wem das Glücke Reichthum giebt
Dem giebt es auch Sorgen.
MICHEL. Das hab‘ ich gedacht, daß der von Röschen schwatzen muß, wenn die von Töffeln redt. Das geht beständig Töffel und Röse, Röse und Töffel.
TÖFFEL. Nu Nu, Michel; Ihr seyd ein viel zu guter Mann, als daß Ihr darüber böse seyn könntet. Ihr gebt mir eure Tochter lange noch Er läuft zu Röschen, und drückt ihr die Hand, Michel zieht ihn weg, Röschen und Töffel suchen sich immer wieder einander zu nähern; Michel jagt sie aber stets wieder an ihren Ort.
MICHEL. Töffel, tretet Ihr auf die Seite, und Du Röse, auf jene! – Wir haben itzt wichtigere Dinge, als von solchen Narrenspöschen zu reden.
RÖSCHEN auf die Seite. Ich möchte wissen, obs mein Vater auch für Narrenspöschen gehalten hätte, als er bey meiner Mutter auf die Freyte gieng.
MARTHE. Nu, knorre nicht, wenn der Vater redt!
MICHEL. Röse, halts Maul! – Töffel, der König wird hier jagen.
TÖFFEL. Der König?
MICHEL. Ja, hört Ihrs nicht? der König; und da soll ich als Richter etliche Bauren zusammen nehmen, die das Wild ein bischen treiben, und auf die Wilddiebe Achtung geben – – Töffel sieht immer nach Röschen, und macht ihr Gesichter – – Nu, Töffel, ich rede itzt, ich, der Richter.
TÖFFEL. Ich hörs wohl.
MICHEL. Nu, was hab‘ ich geredt?
TÖFFEL. Daß – daß – daß – Ihr der Richter hier seyd, – daß – daß – daß – die Wilddiebe kommen werden, und – daß wir auf den König Achtung geben sollen, daß das –
MICHEL. Daß Ihr ein dummer Kerl seyd. Der König, sage ich, wird hier jagen, und Ihr sollt ein bischen das Wild treiben, und –
TÖFFEL. Ja, ja, ich weiß nun schon.
MICHEL. Nu habe ich Euch ausersehen – Röse, sieh mir nicht nach Töffeln! – daß Ihr ein bischen dabey sollt Achtung geben, ein bischen Anstalt machen, daß die Bauern an den Orten Lärmen machen, wo es was aufzutreiben giebt, das lüderliche Gesindel, das etwan ein Stück Wildpred dabey wegzuschnappen denkt, aufhaschen, und dergleichen. Ich will dabey seyn, ich und Ihr. Seht Ihrs? Es ist unsre Schuldigkeit, daß wir mit für unsers Herrn Vergnügen sorgen, da er für unsre Ruhe sorgt.
TÖFFEL. Das kann ich wohl thun, ich kenne ihn zwar nicht, er soll aber ein guter Mann seyn.
MICHEL. Nu, seht Ihrs; ich verhelfe euch vielleicht zu der Ehre, daß Ihr ihn zu sehenkriegt. Ich halt‘ Euch noch für den Klügsten nach mir und meinem Christel.
TÖFFEL. Und wollt mir doch Eure Tochter nicht geben?
MICHEL. Kommt mir nur itzt nicht, wenn man Staatsgeschäffte im Kopfe hat. Ja, Christel sollte hier seyn. Ich gäbe die beste Kuh im Stalle drum! Vielleicht könnt‘ er dem König einen Fußfall thun, daß er ihm zu seinem Hannchen verhülfe.
TÖFFEL. Geht mir doch mit Eurer Hanne. Wenn ich an Christels Stelle wäre; der Henker müßte mich plagen, daß ich des Mädchens wegen in die Stadt lief, und dem König einen Fußfall thäte.
MARTHE. Und warum denn nicht, Töffel? Hannchen, unsers verstorbenen Pachters Tochter, ist ein fein Mädchen; unser Christel hat sie lieb, und sie hat ihn lieb.
RÖSCHEN. Ja wohl, hat sie ihn lieb, so lieb – Heimlich zu ihm. wie ich dich! Wenn der verzweifelte Graf nicht wäre –
TÖFFEL. Ja freylich, wenn der verzweifelte Graf nicht wäre. Glaubt mir nur, dem Mädchen steckt der Junker im Kopfe: da ist sie immer bey ihrer Palhe seeliger, der verstorbnen Edelfrau gewesen; da ist Euch das Mädchen so galant, so vornehm geworden, – kein Bauer ist ihr gut genug.
MICHEL. O ho! Töffel, vermengt mir nur auch Christeln nicht mit den Bauren: er könnte alle Augenblick für einen Städter paßiren, wenn er einen vornehmen Rock anhätte.
MARTHE. Ja, er sollte nur einen Haarbeutel einmachen, und sich ein bischen pudern, wir wollten sehn, wir wollten sehen.
RÖSCHEN. Ja, Töffel, und einen Degen anstecken, und einen Tressenhut aufhaben, wir wollten sehen, ob er nicht eine so gute Figur machte, als Riepel der Furier.
TÖFFEL. Er ist deswegen doch noch kein Graf. Glaubt mir nur: es heißt, der Graf hat sie entführt? Ich behaupte, daß sie mit ihm entlaufen ist.
MICHEL. Das glaube ich nicht, Töffel!
MARTHE zu Töffeln. Ihr seyd nicht gescheut! das Mädchen war Christeln viel zu gut.
RÖSCHEN. Töffel, du redst dumm Zeug. Der Graf heurathet sie einmal nicht, und zur Schökerey dünkt sich unser einer zu gut.
Und käm ein Graf mit einem Band
Und Stern an seiner Seite,
Und spräch: da Rösel, ist die Hand,
Dich Mädchen nehm ich heute!
So spräch ich: nein, ich bin kein Schaaf:
Sie nehmen mich zum Spaße,
Und das taugt nichts; nein, nein, Herr Graf!
Gehn sie nur ihrer Straße!
TÖFFEL. Je nu, höre nur Röse: Du bist auch noch keine Hanne; die ist schon ein bischenvornehmer. Die Bauermädchen halten immer noch eher auf Ehre und Reputation: und im Vertraun, ich wollte doch nicht, daß ein Graf zu dir käme. So lange man keinen sieht, so denkt man immer: ich spräche das, ich spräche jenes: aber er mag immer wegbleiben.
Ich traue keinem Mädchen nicht,
Ein schönes Kleid, ein weiß Gesicht
Mit einer dreusten Stirne,
Verrückt leicht ihr Gehirne.
Der Teufel wird nicht aufgedeckt,
Der unterm schönen Kleide steckt.
Ist es von jungen Herrchen voll:
Wie leicht wird da das Köpfchen toll!
MICHEL. Ich glaube, meiner Treu, Töffel hat so gar Unrecht nicht. Und wenn Christel nur einmal wieder bey uns ist, so werde ich sagen: Christel ihn‘ dich nach einen andernMädchen um, es giebt ja mehr hübsche Mädchen.
MARTHE. Ach! das arme Hannchen!
TÖFFEL. Nein, nein Michel, Ihr habt Recht.
RÖSCHEN spottet ihm erbittert nach. Ihr habt Recht, ja Ihr habt Recht, Michel – Warte nur, du Dieb!
TÖFFEL. Sey nicht böse, Röse, ich sage nur so –
MICHEL. Haltets Maul! Ich bin ganz von meiner Historie abgekommen. – – Also Du, Töffel, wirst hier warten. Ich will noch etliche von unsern Bauren zusammen rufen, die Du mit kommandiren sollst. Daß wir aber doch ein bissel Figur und Respekt machen,so geh Du, Marthe, und hole die paar alten Pistolen, die ich oben in unsrer Kammer habe. Sie liegen unterm Bette; Du wirst sie schon finden.
TÖFFEL. Ja, habt Ihr denn auch Pulver?
MICHEL. Ach, wir brauchen keines. Es ist blos des Respekts wegen. Du, Röse, mache eine Laterne zurechte. Man weiß nicht, wie lange die Historie werden möchte, und ich sage immer: man muß ein bischen politisch seyn und sich in Zeiten vorsehen.
Beym schönsten Sonnenschein
Nimm deinen Mantel um,
Und laß die Narren schreyn:
Der Kerl ist roll und tumm!
Denn kömmt ein Wetter drein:
Was kümmerst du dich drum?
Du kannst gar ruhig seyn:
Du nimmst den Mantel um.
Geht ab.
Vierter Auftritt.
Marthe. Röschen. Töffel.
MARTHE. Nun Röse, komm, und suche die Laterne.
RÖSCHEN. Laßt mich immer noch ein bischen bey Töffeln. Wenn Ihr einmal die Pistolen suchet, so könnt Ihr ja die Laterne gleich mit suchen.
TÖFFEL. Ja, Mutter, laßt Röschen immer ein bischen bey mir.
MARTHE. Ihr habts aber gehört, daß der Vater nicht will.
RÖSCHEN. Laßt ihn immer nicht wollen, wenn Ihr nur wollet. Er ist ja nicht da, und er weiß viel davon.
TÖFFEL. Und er soll auch nichts davon erfahren; und wenn ich ihn von weiten merke, husch! will ich übern Zaun weg in meinen Garten seyn.
MARTHE. Ach ja! husch! ich weiß wohl, wenn ihr einmal im Schökern seyd, so denkt ihr weder an Vater, noch an Zaun, noch an husch, und hernach schmälet Michel, und ich kriege am Ende das beste davon.
TÖFFEL. Ich sag‘ Euch aber, daß wir nicht schökern wollen.
RÖSCHEN. Als wenn wir sonst nichts mit einander zu reden hätten.
Trio
MARTHE.
Nein, Nein, es könnte was geschehn,
Das wir nicht gerne sähen!
RÖSCHEN.
Drum, liebe Mutter, sollt Ihr gehn,
So könnt Ihr auch nichts sehen.
TÖFFEL.
Mein! sagt mir doch, was soll geschehn?
Da seht! Hier bleib ich stehen.
MARTHE.
Ich kenne schon die Schöckereyn.
TÖFFEL.
Topp! Mutter, ich will ruhig seyn.
RÖSCHEN.
Und ist ers nicht, so will ich schreyn.
MARTHE.
Je ja doch, hinter drein.
TÖFFEL UND RÖSCHEN.
Nein, liebe Mutter, nein!
MARTHE. Nu, so bleibe nur ein Augenblickchen; aber das sage ich dir; komme bald nach! Hörst Du?
RÖSCHEN. Ja ja, packt Euch nur einmal fort.
Marthe geht ab.
Fünfter Auftritt.
Töffel. Röschen. Hernach Marthe drinnen.
RÖSCHEN. Weißt Du was, Töffel, ich bin böse auf Dich.
TÖFFEL. Böse? geh doch! warum wärst Du denn hier geblieben?
ROSCHEN. Weil ich, weil ich mich mit Dir zanken will.
TÖFFEL. Je, so konntest Du immer mit der Mutter hinein gehen. – Aber warum bist Du denn böse?
RÖSCHEN. Weil, weil Du so dumm redst.
TÖFFEL. Nu, was hab ich denn geredt?
RÖSCHEN. Du hast geredt, daß Hannchen, das gute Hannchen, daß die nicht entführt, sondern dem Grafen nachgelaufen wäre: und mein Vater hatte sie lieb, und meine Mutter hatte sie lieb, und Christel hatte sie lieb, und sie hatte uns alle lieb.
TÖFFEL. Und der Graf hatte sie lieb, und sie hatte den Grafen lieb, und weil sie den Grafen lieb hatte, so gieng sie mit ihm durch: nicht wahr?
RÖSCHEN. Da kömmst Du schon wieder mit Deinem albernen Zeuge. Einmal für allemal: Du sollst nicht sagen, daß sie mit dem Grafen durchgegangen ist.
TÖFFEL. Wenns nun aber so ist: soll ich denn spre chen, der Schnee ist schwarz, und der Ruß weiß.
RÖSCHEN. Es ist aber nicht wahr.
TÖFFEL. Es ist aber wahr.
RÖSCHEN. Ich wills aber nun nicht haben.
TÖFFEL. Und deswegen ists nicht wahr? Ich will Dirs nur sagen: Du kennst Dir das Hofvolk nicht. Sie haben solche glatte Worte, als wenn sie mit Butter geschmiert wären: und die Mädchen, – die Mädchen verschlucken gar zu gerne solche Worte: das fährt wie Speck die Kehle hinunter. Ich habe einmal eine solche Historie erlebt, da ich beym Baron Rübsamen auf dem Edelhofe diente.
RÖSCHEN. Nu?
TÖFFEL. Da war Dir der eine Junker, Fritze hieß er, der war ein Officier. Ich war dazumal einer von Hofemädchen gut, und sie war mir auch gut.
RÖSCHEN. So? also bin ich nicht die erste, der Du gut bist?
TÖFFEL. Je nu! man kann ja wohl einem Mädchen gut seyn: genug, es ist Dir nichts daraus geworden. Ich merkte gleich, daß der Junker ein Auge auf sie hatte: ich schlich ihr also überall nach. Einmal sah ich sie gegen Abend auf der Wiese grasen. Mein Junker kam den Berg herunter geritten: Trap, Trap, Trap! – Huy, dacht‘ ich, sollt er sie nicht in Wurf kriegen? – Richtig! er kam; sie that, als wenn sie ihn nicht kommen sähe, und bückte sich und that, als grafte sie, und schielte immer übers Gras weg: da fuhr ich in einen Heuschober hinein, und guckte heraus, und dachte: Du mußt doch sehen, wo das Ding hinaus will.
RÖSCHEN. Nun?
TÖFFEL. So bald er an sie kam: so that er, als ob der Gurt am Pferde nicht fest wäre: Er stieg ab, rufte sie, daß sie ihm das Pferd halten sollte, und knaupelte ein bischen dran herum: es währete nicht lange, so gieng das Komplimentiren los.
TÖFFEL singt mit zweyerley Stimmen.
Mein Engelchen, was machst Du hier?
»Ich grase, wie sie sehen.«
Schmerzt nicht das arme Parschgen Dir?
»Was hilfts, es muß geschehen.«
Hier nahm er sie bey der Hand, und drückte sie, und drückte sie! Eh‘ man sichs versah, schob er ihr den Aermel bis an die Schulter hinauf; und zog ihr mit der andern Hand das Halstuch weg.
Wie weiß ist nicht der Arm, wie schön
Mag dieser Busen seyn!
»O pfuy doch! lassen sie mich gehn!«
»Gewiß ich werde schreyn!«
RÖSCHEN. Sie wird auch nicht ein klein bischen geschrien haben.
TÖFFEL.
Geschrien? Nicht ein laut Wörtchen.
Nu hieß es:
Komm liebes Mädchen, küsse mich!
»Ich bin nicht so erpicht.«
Ja, willst Du nicht, so küß‘ ich Dich!
»Nein, Nein, das thun Sie nicht!
Du meinest nun, er ließ sich abweisen. Je ja doch: er wurf ihr den Arm um den Hals.
Da hast Du eines auf den Mund,
Da eines auf den Arm!
»Pfuy! Pfuy Sie machen es zu bunt,
Es wird mir kalt und warm.«
RÖSCHEN. Nu? was wurde denn draus?
TÖFFEL. Je, was wurde draus? Mir wurde unter meinem Heuschober auch kalt und warm, denn ich sah, daß noch mehr draus werden würde: und rippelte mich, und schüttelte mich, daß der ganze Heuschober übern Haufen fiel. Ich purzelte heraus. Da hättst Dus Mädchen sollen schreyen hören! Zuvor hatte sie nicht geschrien. Der Junker fuhr zusammen, murmelte mir einen Schurken auf den Hals, stieg auf, und wackelte auf seiner Mähre fort.
RÖSCHEN. Je nu; wenns das alles war.
TÖFFEL. So? also meynst Du, das war nichts? – Röse, Röse! das ist mir nun so gar rechtnicht. Töffel steckt nicht allezeit in einem Heuschober, und es ist mir immer lieb, daß Du nicht Hannchen bist, die der Graf entführen will.
RÖSCHEN. Kömmst Du mir wieder mit Hannchen? ich weiß gewiß, wenn ihr der Graf so nahe auf den Hals gekommen wäre, sie hätte es gemacht, wie ichs dem Jäger Gabel an der Kirmse machte.
TÖFFEL. Laß doch hören, wie machst Du’s ihm denn?
RÖSCHEN.
Als da der Jäger Gabel kam,
Und freundlich mich beyn Händen nahm,
So – ließ ich es geschehn;
TÖFFEL.
So? und Du ließst es geschehn?
RÖSCHEN.
Er zog mich drauf in Winkel hin;
Und griff mir freundlich an das Kinn,
Da sprach ich: wollt Ihr gehn?
TOFFEL. Und er gieng auch? Nu da muß er noch Spaß verstanden haben.
RÖSCHEN.
Ja ja, er dacht es wär mein Spaß,
Und sprach: Du kleines Rabenaas,
Und – hub mich hoch empor.
TÖFFEL. Und Du littst das? Heh! Röse, Du darfst mir nicht viel –
RÖSCHEN.
Und sprach: Du bist und bleibst mein Schatz;
Und gab mir einen derben Schmatz:
Da – kriegt‘ er eins aus Ohr, –
Sie giebt Töffeln eine Ohrfeige.
daß er übern Haufen torkelte.
TÖFFEL. Je verflucht, Mädchen! das war auch kein Spaß. Dem Jäger konntst Du so eine geben, aber Töffel brauchte nicht zu wissen, wie Du’s gemacht hast.
RÖSCHEN. Du hättst mir doch nicht geglaubt, wenn ich Dir’s nicht gewiesen hätte.
TÖFFEL. Nu künftig, Röse, so weiß‘ es andern, und mir nicht.
MARTHE ruft drinnen. Röse! – Röse! – Röse! –
RÖSCHEN. Heh! die Mutter – – Ja!
MARTHE drinnen. Nu? wirst Du bald kommen und die Laterne suchen?
RÖSCHEN. Gleich, Mutter, gleich!
TÖFFEL. Siehst Du! das hast Du von Deinem Plaudern! Hätten wir nu nicht die Zeit über dafür von unserer Freyerey schwatzen konnen?
RÖSCHEN. Wer ist denn Schuld? hättst Du mir nichts vom Hannchen gesagt, so hätt‘ ich auch nichts gesagt, aber wer weiß, was drunter steckt, daß Du so böse auf sie bist.
TÖFFEL. Je ja, freylich mag wohl was drunter stecken. Der Graf und sie wirds wohl am besten wis sen.
MARTHE drinnen. Nu Röse? soll ich Dich holen?
RÖSCHEN. Siehst Du? wenn Du Dich hübsch aufgeführet hättest, – da hatte ich den Strauß für Dich gebunden; aber nun – nun – da hast Du was auf Dein loses Maul! Sie wirft ihm den Strauß ins Gesicht und läuft hinein.
Sechster Auftritt.
TÖFFEL allein. Heh! Halt Röschen! nur noch ein Wort! – weg war sie! – das ist ein kleiner Teufel! – aber ich merke doch den Spaß! geben wollte sie mir nicht den Strauß, aber daß ich doch nicht drum käme: so thut sie, als wenn sie mir ihn ins Gesicht würfe. – – Nu, sie mag so böse nicht seyn – Er steckt sich den Strauß ins Knopfloch: Hannchen kömmt von ferne in einem artigen Nachtkleide, aber Stadtmäßig angezogen. aber was Henker! – da kömmtja eine Stadtjungfer; ich muß doch ein wenig auf die Seite treten, und hören, was sie heraus giebt. – Je, der Henker! das ist Hannchen! Ha! sie trägt schon die Hofliverey.
Siebender Auftritt.
Hannchen. Töffel versteckt.
HANNCHEN.
Du süßer Wohnplatz stiller Freuden,
Du kleines Dörfchen wohl wohl mir!
So find ich unter deinen Weiden
Aufs neu der Liebe Glück in Dir.
Was ist die Pracht von goldnen Wänden
Wohl gegen eine grüne Flur?
Was alle Kunst von tausend Händen
Beym Reiz der lächelnden Natur?
Doch, wird mich noch mein Schäfer lieben,
So zärtlich, treu als vormals seyn?
Mir glauben, daß ich treu geblieben,
Und mir mein Unglück auch verzeihn?
O ja, hört er nur meine Klagen,
Steht er nur meiner Liebe Schmerz:
So wird sein Mund mir wieder sagen,
Sein Herz sey mein, wie sein mein Herz.
TÖFFEL der hervortritt. Man sollte drauf schworen, es wäre alles wahr, was sie sagt! – Ha! guten Tag, Mamsell Hannchen! denn in der Figur da heißt sie doch nicht mehr Hannchen schlecht weg?
HANNCHEN. Willkommen, mein lieber Töffel! o wie freue ich mich, daß ich Euch zuerst finde!
TÖFFEL. Also kennt sie mich doch noch? Ich dachte immer, daß sie in dem schönen Trarara, das sie um sich hat, nicht mehr wüßte, daß ich Töffel hieß.
HANNCHEN. Ich sollte meine alten lieben Freunde nicht mehr kennen? – O Töffel, wenn Ihr wüßtet – –
TÖFFEL. O ja, ich weiß alles. Sie kömmt vermuthlich aus der Stadt, oder gar vom Hofe, und ist eine große, große Madam geworden, die man da Maitressen titulirt? – – Pfuy! sie sollte sich zu Tode schämen, daß Sie sich wieder vor unser einem sehen läßt.
HANNCHEN. Ach! mein lieber Töffel, Ihr thut mir sehr unrecht! Wenn ich das wäre, was Ihr denkt, so würde ich mich freylich zu todte schamen. Aber – –
TÖFFEL. Aber nu, warum thut Sies denn nicht?
HANNCHEN. Weil ich unschuldig bin. Der verwünschte Graf von Schmetterling entführte mich zu einer Zeit, da ichs am wenigsten vermuthete, er schaffte mich nach der Stadt, und hat mich die ganze Zeit über eingesperrt gehabt. O! was habe ich nicht ausgestanden! endlich hat mir meine Unschuld Muth und Kräfte verschafft: ich bin entsprungen, so wie Ihr mich seht. In dem Augenblicke komm ich erst an. Noch habe ich nicht einmal meine gute Mutter gesehn, und so viel Zeit gehabt, diese Kleider abzulegen, welche Ankläger meiner verlornen Ehre zu seyn scheinen. –
TÖFFEL. Ankläger der verlornen Ehre? – Ha ha ha! Wie das redt, wie das schwatzt! freylich so schön lernt man nur auf den Edelhöfen reden!die großen Monsieurs müssen den Mädchen den Verstand öffnen: da lernen sie schön reden und schlecht thun. – – Aber denkt Sie denn, weil sie Verstand hat, daß wir deswegen Schöpse sind? Ja! sieht Sie, wenn Sie wie ein Buch redte, so glaube ich Ihr doch nicht so viel.
HANNCHEN. Ach! mein lieber Freund, wenn Ihr mich nur hören wolltet! –
TÖFFEL der sie unterbricht. Ich? Ihr lieber Freund? Ihr lieber Freund? nichts vom Freunde! denn Sie hat den armen Christel sitzen lassen, dem Sie doch zuvor weis machte, Sie wäre ihm gut. Sie ist einen großen Monsieur nachgelaufen, der Sie doch nicht nehmen kann. Sie hat ihre Ehrlichkeit um die hübschen Lumpen da verkauft, damit sie nicht wie unsereiner gehen darf! und ich, ich sollte der gute Freund von einer solchen Kreatur seyn? Nichts für mich? Nichts von Freundschaft, so wahr ich Töffel heiße. Versteht Sie mich?
HANNCHEN. Noch einmal, mein guter Töffel! Ihr seyd ganz falsch berichtet: wenn Ihr mich nur anhören wolltet.
TÖFFEL. Ganz falsch? je nicht doch! Ists nicht wahr, daß Sie das ganze Dorf aufrührisch gemacht hat? ists nicht wahr, daß Michel, der Richter und reichste Nachbar im Dorfe Ihr Christeln, seinen Sohn, zum Manne geben wollen? daß Sie davon gelaufen, oder sich entführen lassen; denn am Ende läufts doch auf eines hinaus? ists nicht wahr, daß Sie Schuld ist, daß Michel mir Rösen nichtgeben will? denn wenn Christel Sie geheurathet hätte, so hätte sich gewiß Michel nicht so gesperrt, mir Rösen zu geben: aber so ist er auf einmal rappelköpfisch geworden. – Und ist nicht Christel ein hübscher Kerl, der lateinisch lesen, und rechnen und schreiben kann, daß es eine Art hat? Ist das nicht alles wahr? – Heh! kann sie es läugnen? heh?
HANNCHEN. Ja, aber ich kann für alles nichts, doch weil Ihr mich nicht hören wollt, Töffel: so sagt mir wenigstens, ist Christel hier?
TÖFFEL. Christel hier? Ob ichs ihr denn sage? Je nun – er ist nicht hier. Er hat noch die Albernheit gehabt, in die Stadt zu laufen, und dem König einen Fußfall zu thun. Denn der, wie man sagt, hört Groß und Klein an: da kann Ihrs noch dazu schön bekommen!
HANNCHEN. Wie unglücklich! O! ich wollte selbst an meinen Verlust, und meine Liebe nicht denken, wenn ich Ihm nur wenigstens seinen ungerechten Verdacht benehmen könnte.
TÖFFEL. O! er wird ihn sich nicht nehmen lassen – – Grinze Sie, wie Sie will. Mein Herz ist wie Speck, und nimmt keine Weiberthränen an.
HANNCHEN. Ich kann Euchs nicht verdenken, Töffel, daß Ihr mir nicht glauben wollt: aber einen Gefallen könntet Ihr mir doch thun, wo nicht aus Liebe zu mir, wenigstens Christeln zu gefallen. Ich weiß gewiß, er wird Euch dafür danken.
TÖFFEL. Nu, laß Sie doch hören?
HANNCHEN sehr rührend. Ich möchte mich gern bey meinem guten Christel rechtfertigen. Thut mir nur den einzigen Gefallen, und gebt ihm diesen Brief. Sie giebt ihm einen Brief. Ich schrieb ihn, ohne zu wissen, wie ich ihn fortbringen wollte, und ehe ich noch damit fertig wurde, zeigte sich mir die Gelegenheit, zu entkommen. Ich bitte, bestellt ihn, schlagt mir es nicht ab! laßt Euch meine Thränen zu Herzen gehen Schluchzend. und – und – und –
TÖFFEL gerührt. Nu, gebe Sie ihn nur her. Sie hat mich ganz weichherzig gemacht. – Aber glaube Sie deswegen nicht, daß ich Ihr nun so gerade deswegen traue; denn das sage ich Ihr, ich werde allezeit wider Sie reden, wie ein Türke. Denn ich habe Ehre im Leibe,und der Schwager Christel muß auch welche haben. Hört Sie?
HANNCHEN. Ich verlange Euch nicht von meiner Unschuld zu überzeugen, sondern meinen Liebha ber, und seinen Vater. Thut mir nur die Liebe, und sagt mir, wenn Christel wieder kömmt! Ihr findet mich bey meiner Mutter: – – aber sagt ja niemanden, daß ich hier bin.
TÖFFEL. Je nun! das kann ich wohl thun. Geh Sie nur, geh Sie, eh jemand kömmt! Hannchen geht ab.
Achter Auftritt.
TÖFFEL ALLEIN. Ja das Weibsvolk! – beynahe hätte ich mit geheult: so ist mirs zur Kehle herauf gefahren.
Das weint und lachet, wenn es will,
Recht, wie der Himmel im April.
Und, was der Henker ist,
So bald man sich vergißt,
So dürfen sie nur Mine machen,
So muß man mir ihnen, bald weinen, bald lachen.
Wenns vollends so was Kützliches, wie ihre Ehre anbetrifft.
Da macht man die und die Geschicht,
Macht dieß Gesicht und das Gesicht:
Und widerspricht der Mann:
Da geht das Heulen an.
Er schmilzt, wie an der Sonne Butter,
Und glaubet den Teufel und seine Großmutter.
Damit hat das Lied ein Ende: Nu, wenns auf mich ankömmt, so soll mein Freund Christel dasmal so hart wie ein Eichenklotz seyn – ha Michel!
Neunter Auftritt.
Töffel. Michel. ihm folgt eine Heerde Bauern mit Pfählen.
MICHEL. Nu? seyd ihr alle beysammen?
ALLE. Ja.
TÖFFEL. Ist der König schon da?
MICHEL. Ja, so höre ich. Er hat schon auf der andern Seite des Waldes über zwey Stunden gesagt. Ich habe selber die Hörner von weitem gehört: nun wird er wohl näher kommen. Ich will gleich wieder bey euch seyn, und mir nur ein paar Handschuh holen, und mir Marthen eine weiße Krause umbinden lassen. Geht ab.
Zehnter Auftritt.
Töffel. Quaas. Gürge und andere Bauren.
TÖFFEL. Nu, ich werde doch den König auch zu sehen kriegen. Er soll ein Herzens guter Mann seyn, und ich gäbe mich nicht zufrieden, wenn ich ihn nicht sehen sollte.
GÜRGE. Ich habe ihn schon gesehen.
QUAAS. Wo hast Du ihn denn gesehen?
GÜRGE. Wo? ich kam eben von nächstem Dorfe: da kam er die Landstraße herauf unten beym Spitzberge.
TÖFFEL. Was hatte er denn an?
GÜRGE. Was er anhatte? einen Rock, einen Stiefel, und einen Hut.
TÖFFEL. Einen Stiefel? Einen Stiefel?
QUAAS. Nur einen Stiefel? Du bist ein dummer Kerl. Er wird wohl mit einem Stiefel und einem Strumpfe geritten seyn.
GÜRGE. Je nun, ich habe nur einen gesehen; der andre hieng über dem Pferde.
TÖFFEL. Und Gürge, was hatte er denn für ein Kleid an?
GÜRGE. Für ein Kleid? je nun ein Kleid, wie ein Kleid ist.
QUAAS. Die Farbe, Gürge?
GÜRGE. Grün, blau, roth, gelb – je, ich weiß selber nicht! Wer wird nun auf das Ding merken können? Ich sah nur nach seinem Pferde; das gieng, das gieng Euch so stolz, wie unsre seelige Edelfrau.
QUAAS. Ich wundre mich nur, daß er so späte jagt? wenn ich König wäre, so säß ich dafür hintern Ofen, und schmauchte eine Pfeife Tabak, oder ließ mir ein Stück Schweinebraten geben.
TÖFFEL. Narr, die Könige werden Tabak schmauchen, und Schweinebraten essen? Confelt essen sie, und trinken Sekt.
QUAAS. Gut, so äß ich Confekt und tränke Sekt; so bald es die Könige essen, so muß es wohl was Guts seyn. Je nu! sie könnens haben.
GÜRGE. Wißt Ihr was, ich fürchte daß das Gewitter dort herauf kömmt. Seht Ihrs? dort siehts gerade hinterm Walde: es darf ein kleiner Wind kommen, so jagt ers uns herauf.
TÖFFEL. Je nu! laß es kommen. Wenns nur den guten Herrn nicht trifft.
Eilfter Auftritt.
Die Vorigen, Michel. Marthe. Röschen.
RÖSCHEN. Da Vater, habt Ihr die Laterne!
MICHEL. Nu Marthe? wie ich Dir gesagt habe! der Tag, da unser lieber König hier jagt, ist so gut, als ein Feyertag. Das Ding ist nicht geschehen, weil ich zu denken weiß. Nur so viel kann ich mich noch besinnen – – ich war etwan ein Junge in der Höhe, – daß mir mein Vater erzählte, seine Mutter hätte ihm erzählt, daß der vorige Herr, oder sein Grosvater, einmal hier gejagt hätte, als sie etwan ein Ding so groß, wie Märtens Aennchen gewesen wäre. – – Der beste Schinken muß heute angeschnitten werden: Du kannst auch einen warmen Krautsalat mit Speck machen, und wenn Du auch sonst was gutes hast, so giebs. Es könnte noch darzu kommen, daß unser Christel wieder käme, da der König nicht in der Stadt ist: der muß was warmes finden. Hörst Du?
MARTHE. Gut, gut!
RÖSCHEN. Ach! Vater, darf ich nicht ein Eckchen mitgehen? Ich möchte gar zu gerne auch den König sehen.
MICHEL. So recht eben nicht. Es sind immer hinter den großen Herren so viel Schnapphähne her: und aufm Dorfe ist ihnen auch wohl ein Bauermädchen gut genug.
TÖFFEL. Ja, man hat der Exempel –
RÖSCHEN droht ihm. Willst Du! – –
MICHEL. Nu, nur in der Ferne! nicht in Wald, das sag‘ ich Dir! – da, stelle Dich auf den Hügel dort an die Ecke hin, und wenn Du Dir soeinen vornehmen Rock auf Dich loskommen siehst, so reiß‘ geschwind aus. Hörst Du, Mädchen?
RÖSCHEN. Ja, ja, Vater!
TÖFFEL. Folge hübsch: denn ich möchte Dir nicht so eine Historie, wie Christel haben.
RÖSCHEN. Halts Maul, oder –
Quatro.
Michel. Marthe. Töffel. Röschen.
MICHEL.
Nu! Marthe, lebe wohl!
MARTHE.
Nu Michel, lebe wohl!
TÖFFEL.
Nu! Röse, lebe wohl!
RÖSCHEN.
Nu! Töffel, lebe wohl!
MICHEL zu Marthe.
Nimm fein zu Hause Dich
Der Wirthschaft treulich an!
MARTHE.
Je! das verstehet sich,
Ich thue, was ich kann.
TÖFFEL.
Mein Röschen denk‘ an mich,
So, wie Du sonst gethan!
RÖSCHEN.
Du, Töffel, beßre Dich,
Sonst bist Du nicht mein Mann!
MICHEL.
Leb‘ wohl Marthe. Leb wohl!
TÖFFEL.
Leb wohl! Röschen Leb wohl!
MICHEL allein.
Der König lebe wohl!
So geht es, wie es soll.
ALLE.
Der König lebe wohl!
So geht es, wie es soll:
So gehts uns allen wohl!
Sie wollen abziehen: die Bauren laufen alle unter einander, und indem jeder zuerst hinaus will, stößt einer den andern übern Haufen, oder vertritt ihm den Weg.
MICHEL. Halt! das geht nicht an, daß Ihr so, wie die Schweine durch einander lauft. Wartet! wir wollen ein bischen in guter Ordnung ausziehn, daß es doch eine Arthat. Wenn wir am Wald kommen, so will ich schon jedem seinen Platz anweisen. Ich geh‘ voran. Dann Quaas und Gürge, dann Hans und Märten, dann Barthel und Andres, dann Muffs Fritze, und Tölpels Kasper: dann beschließt Töffel den Zug, mit der Pistole – Da, Töffel, greif zu! – – Er reicht ihm die Pistole, nach dem er sie gestellt hat. Nu so!
RÖSCHEN. Nun, Vater? ich darf doch noch ein Eckchen mitgehn?
MICHEL. Nu, es sey! aber, wie ich gesagt habe; bis ans Holz! Du kannst mir so weit die Laterne tragen. Die Mutter muß aber mitgehen, daß sie Dich wieder nach Hause bringt.
TÖFFEL. Ja, die Mutter muß mitgehn! Röschen spottet ihm nach.
MICHEL. Nu, wir wollen doch auch eines zu unserm Zuge anstimmen! Sie ziehen um das Theater umher, und singen folgendes Liedchen.
ALLE.
Der König jagt: der ganze Wald
Braust vom Getümmel schon:
Aus jedem Thal und Busche schallt
Der lauten Hörner Ton.
Tatrah! tatrah! tatrah!
Durch das Gesträuch reißt sich das Roß
Mit starkem Ungestüm:
Kein Spieß schreckt es, und kein Geschoß;
Die Freude schreyt aus ihm:
Hinni, hinni, hinni!
Die kühnen Hunde fürchten nicht
Des Ebers Mörderzahn:
Erhitzt und auf den Raub erpicht
Fliegt jeder, und schlägt an:
Hauhau, hauhau, hauhau!
Der Jäger Schwarm stürzt hinter her
Wild, wie sein Pferd, und Hund.
Piff, puff, paff, puff geht sein Gewehr.
Und dazu geht sein Mund:
Hußah, hußah, hußah!
Zweyter Aufzug.
Der Schauplatz stellet einen Wald vor.
Erster Auftritt.
Töffel, erst alleine. Röschen in der Folge.
TÖFFEL läuft an den Büschen umher, und klopft mit dem gewöhnlichen Geschrey dran: Halalala, hußah, halalala, hußah etc.
Ist das nicht eine liebe Noth,
Ein armes Thier zu jagen:
Da lob‘ ich mir in Ruh mein Brodt,
Und meinen guten Magen!
man stürzt sich über Stock und Stein,
Und bräche lieber Arm und Bein!
Ey, denkt doch einen Hirsch zu hetzen,
Um ihn – den Hunden vorzusetzen.
Halalala! Hußah! Halalala! etc. Röschen wirft mit Eicheln aus dem Gebüsche nach Töffeln. – – Was zum Henker fuhr mir denn da unter die Nase? – – Er hebt die Eichel auf. Sollte mans denken! eine Eichel! gut, daß es kein Kürbiß war: aber ich glaube, ich habe einen blauen Fleck? – Sie wirft ihm wieder eine ganze Hand voll am Kopf. nu? – das Ding kann nicht von rechten Dingen zugehen? – er tritt unter den Baum und sieht hinauf. Es ist ja sonst nicht Mode, daß die Eicheln den Leuten Handvoll auf die Nase fallen. – Röse springt hervor, und hält ihm die Augen zu. was für ein Schurke – Je! Du verzweifeltes Mädchen? wo führt Dich denn der Henker her? Huy! bist Du der Mutter entlaufen?
RÖSCHEN. Ja! und ich hatte große Lust, einen Schelm zu sehen.
TÖFFEL. Wie? Was? einen Schelm? – Du mußt gezüchtigt werden. Er kriegt sie beym Kopfe und küßt sie.
RÖSCHEN. Ich schreye! – Du darfst mir nicht viel, Du kriegt eines – wenn sich nur wenigstens noch der Bube den Bart geputzt hätte?
TÖFFEL. Röse! Du bist mir ganz wilde geworden, seit die Historie mit Hannchen vorgegangen. O die bösen Exempel! die bösen Exempel!
RÖSCHEN spottet ihm nach. Die bösen Exempel! die bösen Exempel! – Es fehlet blos daran, daß ich Deinem folge, und mit auf das arme Hannchen schmäle.
TÖFFEL. Ja, fange nur wieder an! – – Aber was willst Du hier? Dein Vater hat Dir gesagt, Du sollst der Mutter nicht von der Seite gehen, und Du folgst nicht? – – Warte, Du sollsts kriegen, und die Mutter dazu, daß sie Dich so umher laufen läßt!
RÖSCHEN. Ja, Du sollsts kriegen, Töffel, wo Du ein Wort sagst –
TÖFFEL. Nu, so sage, was willst Du hier? – – Willst Du etwan auch von einem galanten Jäger gehetzet seyn? Heh? – Ja, siehst Du, Röse, so wahr ich Töffel bin –
RÖSCHEN. Nu, so höre nur! Die Leute wollen Dich mit einer schönen Stadtjungfer haben reden sehen, und die soll Hannchen gewesen seyn. Ists wahr? Heh? –
TÖFFEL. Hannchen?
RÖSCHEN. Ja, Hannchen.
TÖFFEL. Wer hat Dirs gesagt?
RÖSCHEN. Krauskopfs Suschen: die hat übern Zaun geguckt, und die sagte es uns eben, da ich mit der Mutter auf dem Hügel stand. Ich wollte wissen, obs wahr wäre?
TÖFFEL. Nicht wahr? daß Du zu ihr laufen, und Dir etwas kannst vorgreinen lassen, damit Du wieder der Mutter etwas vorzugreinen hast? daß die und Du es wieder Christeln vorgreint? und der arme Christel alles glaubt, was sie ihm vorschwatzt? und das lüderliche Ding wieder zu Ehren kömmt? Heh?
RÖSCHEN. Und daß Du nicht gescheut bist, Heh? – Es ist schon gut, Töffel! Ich mag weiter nichts wissen. – Sie thut als ob sie weinte. Leb wohl, Töffel.
TÖFFEL. Nu! sey kein Närrchen! hab‘ ichs doch ge sagt, wenn sie nicht weiter können, so heulen sie, und hernach wird einem so weich ums Herz, und darnach fehlt nicht viel, man heulte auch mit. – – Höre nur Röschen –
RÖSCHEN.
Ach nein! was kann ich hören?
Ich wollte wohl drauf schwören,
Mein Töffel, Töffel – Schluchzend. der –
Liebt mich – liebt mich – nicht mehr! –
Weinend.
hihi, hihi, hihi! –
TÖFFEL. Wie das Mädchen einem das Herze bricht. Er weint auch mit
RÖSCHEN.
Doch sollt ich mich darum betrüben!
Kann ich doch auch anderswo lieben:
Es giebt der Töffel mehr,
Die besser sind als er,
Lachend.
haha, haha, haha!
Sie thut als ob sie fortlaufen wollte: Töffel kriegt sie beym Rocke, und zieht sie zurücke.
TÖFFEL. Das ist ein Wettermädchen! sie hält mich nur fürn Narren. Nun habe ich mir doch die Mühe genommen, zu weinen, da lacht sie mich obendrein aus. – Geh nur her, Du kleiner Affe; – was willst Du denn von Hannchen wissen? – – aber nur kurz, die Jagd möchte herauf kommen.
RÖSCHEN. Ha! kriegt man Dich so, Pursche? – Nu, ists wahr, daß Du Hannchen gesprochen hast?
TÖFFEL. Ja, es ist wahr.
RÖSCHEN. O Hannchen! Hannchen! mein liebes Hannchen ist wieder da? – Siehst Du, Töffel, wenn Du nun gleich so gescheut gewesen wärst, so hättest Du zweye für eins gekriegt: aber nu – nur eins! Sie giebt ihm ein Mäulchen.
TÖFFEL. Ey, ja doch, über das verlorne Schäfchen! es verlohnt sich der Mühe!
RÖSCHEN. Heh Töffel, willst Du auf den andern Backen eine Ohrfeige haben? – Nu, was hat sie Dir denn erzählt? – – geschwind! Geschwind!
TÖFFEL. Erzählt? Je nu, dies und das, das und jenes; aber Töffel –
RÖSCHEN. Nu, und der?
TÖFFEL. Und der – war kein Narr, und glaubte weder dieß noch das, weder das noch jenes. – –
RÖSCHEN. Du sollst aber glauben.
TÖFFEL. Sie grinzte auch ein bischen, aber Töffel –
RÖSCHEN. Ich rathe Dir Gutes. – –
TÖFFEL. Hätte beynahe mit gegrinzt – –
RÖSCHEN. Das verdiente wieder einen Schmatz. Sie küßt ihn.
TÖFFEL. Aber er grinzte doch nicht, und glaubte weder dieß noch das, weder das noch jenes.
RÖSCHEN. Du bist ein Schlingel, und ich werde gehen, und sie selber aufsuchen.
TÖFFEL. Nu! Du läßt mir ja nicht Zeit auszuerzählen. – – Da sagte sie, der Herr Graf hätte sie mit Gewalt entführet. –
RÖSCHEN. Das habe ich wohl gedacht, und immer gesagt. –
TÖFFEL. Er hätte sie eingesperrt. – –
RÖSCHEN. Das arme Kind!
TÖFFEL. Sie wäre entsprungen. –
RÖSCHEN. Das arme Hannchen!
TÖFFEL. Aber Töffel –
RÖSCHEN. War ein Rindvieh, und glaubte weder dieß noch das, weder das noch jenes? – – Wo ist sie?
TÖFFEL. Endlich zog sie das Briefchen vor –
RÖSCHEN. O! ein Briefchen! ein Briefchen! gieb her!
TÖFFEL. Es ist aber nicht für Dich, sondern für Christeln, wenn er aus der Stadt kömmt. Durch ihr Gegrinze hat sies doch so weit gebracht, daß ich ihr versprochen habe, wenn er kömmt –
RÖSCHEN. Es ihm zu geben? Nein, daraus wird nichts. Ich, ich wills ihm geben: her mit dem Brie fe!
TÖFFEL. Nichts! Nichts! Fürs erste, weiß ich noch nicht, ob ich ihm den Brief geben soll. Fürs zweyte, wenn ich ihn ja Christeln gebe, so muß ich ihn erst ein bischen wild machen, daß er sich nicht sogleich von den Thränchen, die wie die Regenbächelchen über die Backen rieseln, seinen Zorn vom Herzen wegspielen läßt. – Fürs dritte –
RÖSCHEN. Bist Du ein Maulaffe, der mir nicht wieder zu nahe kommen soll; dem ich nicht wieder zu nahe kommen will, der mich nicht lieb haben soll, den ich nicht mehr lieb haben will, der mich nicht heurathen soll, den ich nicht heurathen will, der, der – der – wenn er mir nicht den Brief geben will, mir ihn geben soll und muß: Sie fällt über ihn her, und reißt ihm den Brief aus der Hand.
TÖFFEL. Je, verflucht, Mädchen! Du bist ganz des Henkers. Nu, warte nur! bin ich nur einmal Dein Mann – – Es wird gepfiffen: er horcht. St! St! – Röse, Dein Vater pfeift! ich muß fort; wir habens mit einander verakkordirt, daß wir einander pfeifen wollen, wo einer den andern braucht. Es wird noch einmal gepfiffen. – Ich muß nur wieder pfeifen, daß er mich hört – Er pfeift. Röse, pack Dich fort!
RÖSCHEN. Ich will nun aber nicht: geh‘ Du immerfort!
TÖFFEL. Höre, Mädchen! wenn die Jagd hieher kömmt, und die Pferde, und die Hunde kriegen Dich in die Kloppe?
RÖSCHEN. O es hat keine Gefahr! durch das dicke Gebüsche kömmt kein Pferd.
TÖFFEL. Liebes Röschen, geh immer! siehst Du, wenn Du mich lieb hast –
RÖSCHEN. Nu, wenn Du mir sagst, wo Hannchen zugegangen ist?
TÖFFEL. Zu ihrer Mutter! da will sie heimlich warten, bis Christel wieder hier ist. – Nu geh aber! – höre Röschen, – – daß Du ja gehst! Töffel geht ab.
RÖSCHEN. Je ja doch; was sollte ich denn hier alleine machen?
Zweyter Auftritt.
RÖSCHEN allein. Ach! wenn doch nur Christel gleich da wäre! der wird sich freuen, der wird sich freuen! denn die Leute mögen sagen, was sie wollen: Hannchen, das arme Hannchen, ist gewiß unschuldig. – Ob ich denn zu ihr gehe, oder warte bis Christel wieder aus der Stadt kömmt? – Ich will nur gehn. – Indem sie hinausgehen will, begegnet ihr Hannchen, Röschen thut einen lauten Schrey.
Dritter Auftritt.
Röschen. Hannchen.
HANNCHEN.
Je! mein liebes Röschen!
RÖSCHEN.
Ach! mein liebes Hannchen!
HANNCHEN. Eben suchte ich Dich bey Deiner Mutter: sie sagte, Du wärst hieher ins Holz gegangen, und da ich herkam, traf ich Deinen Töffel an, der nach der andern Seite zulief.
RÖSCHEN. Und auch ich, wollte zu Dir gehen! O wie freue ich mich, daß Du wieder hier bist! wie hab‘ ich um Dich geweint! – Nu, wie ist Dirs denn gegangen?
HANNCHEN. Schlimm, sehr schlimm! – Aber vor allen Dingen; ich höre, mein Christel ist nicht hier: ach! liebt er mich noch?
O! daß mich noch sein Herze liebte,
So, wie mein Herz ihn liebt!
Ich war es nicht, die ihn betrübte,
So sehr ich ihn betrübt.
Die arme Turteltaube
Ward fremder List zum Raube:
Allem sie kömmt, zum Glück!
Noch ohne Schuld zurück.
RÖSCHEN. Ohne Schuld? gewiß, Hannchen? Sie wollens aber im Dorfe nicht glauben, und ich und meine Mutter, sind beynahe die einzigen –
HANNCHEN. Das habe ich gefürchtet. Freylich ist der Schein sehr wider mich. Bey einem vornehmen Herrn, wie der Graf von Schmetterling ist, vier Wochen eingesperrt zu seyn; bald den herrlichsten Versprechungen, bald den fürchterlichsten Drohungen ausgesetzt zu seyn, und doch seine Unschuld zu behaupten: das sieht freylich einem so armen Mädchen, wie ich bin, nicht ähnlich: unddoch ists wahr, mein liebes Röschen. Aber wird mir Christel glauben, wird er mich noch lieben?
RÖSCHEN. Je nu ja! das erste wird nun freylich ein bischen Mühe kosten: daß er Dich aber noch liebt: – O ja, bis zum Sterben! Er hat sich bald den Kopf um Dich weggerissen.
HANNCHEN. Der arme Christel! ich erkenne ihn an seiner Liebe. Zehnmal wollte ich das alles wieder leiden, was ich gelitten habe, wenn er nur nicht so gelitten hätte. Hassen sollte er mich, da ich ihm so viel Schmerzen gemacht habe!
RÖSCHEN. Ach geh‘ doch! hassen. Du sagst ja, daß Du unschuldig gewesen bist: nein, glaube mir, er muß Dich darum nur noch mehr lieben.
HANNCHEN. Ach! er liebe mich nur, wie vorher! ich weiß, er würde es thun, wenn er wüßte, was für Versuchungen ich überwinden müssen! Ich wundre mich nun gar nicht mehr, warum die Leute in der Stadt und am Hofe so verderbt sind.
Man liebt die Bosheit nur,
Im prächtigen Gewande,
Schilt Einfalt und Natur,
Hält Frömmigkeit für Schande.
Fein betrügen,
Künstlich lügen,
Listig quälen,
Schlau bestehlen,
Nur wer das am besten kann,
Das nur ist ein großer Mann:
O! wie habe ich da wieder unser Dörfchen so lieb gewonnen: da nennt man doch ein Verbrechen bey seinem rechten Nahmen, undkennt man den Thäter, so haßt man, und bestraft ihn.
RÖSCHEN. Ey, wenn das so zugeht, so mag ich nicht in die Stadt. Es gefiel mir sonst immer so wohl drinnen, wenn ich zum Jahrmarkte gieng, weil ich da so viele geputzte Leute sah: aber wenn in den geputzten Kleidern solche böse Leute stecken, so ist mir Töffel in seiner Baurenjacke lieber, als zehn gnädige Herren mit Golde verbrämt.
HANNCHEN. Ja wohl: Dein Töffel hat ein ehrliches Herz, und ich gönne Dir ihn, wenn er mir gleich vorhin ein bischen hart begegnet ist, da ich ihm meine Unschuld vorstellen, und um seine Vorbitte bey Christeln bitten wollte.
RÖSCHEN. Das ist ein Schlingel! nun warte Du! ich will Dich schon wieder kriegen! Drey Tage lang will ich ihm Gesichter machen, wenn michs gleich etwas kosten wird.
HANNCHEN. Nein, Röschen! thu’s immer nicht! Er meints so böse nicht. Wenn er Christeln weniger liebte, so würde er mich für weniger schuldig achten! aber er denkt –
RÖSCHEN. Ey, ich weiß wohl, was er denkt! Er denkt, was er sagt; daß Du mit dem Grafen darvon gelausen bist: und das soll der Schelm weder denken noch sagen.
HANNCHEN. Vergieb ihm immer! Er hat sich doch endlich bewegen lassen, einen Brief von mir, Christeln zu übergeben, und daraus sehe ichdoch, daß er ein mitleidiges Herz hat. Nur ein solches wieder zu finden, ist schon eine Freude. Beym Grafen hätt‘ ich blutige Thränen weinen mögen, und ich hätte ihn doch nicht erweicht! –
RÖSCHEN. Das muß doch garstges Volk seyn!
HANNCHEN. Und wie er war, so waren auch seine Bediente vom Großen bis zum Kleinen.
RÖSCHEN. Je, ja ja: daß kann man sich einbilden: wie der Herr, so der Knecht! – Aber sage mir nur: die Leute sprechen, daß unser König der frömmste, liebreichste Herr von der Welt ist, daß er durchaus keine Ungerechtigkeit weder an Großen noch Kleinen leiden kann: gleichwohl soll der Graf was bey Hofe gelten; je, ich dächte, wenn jener so gut, und derso böse wäre, er hätte ihn lange zum Lande hinaus gejagt.
HANNCHEN. Freylich ist er der beste Herr von der Welt: aber wo glaubst Du wohl, daß er alle Menschen kennen soll? Er kann ja nicht jedem ins Herz sehen? Ich weiß gewiß, der Herr Graf, der zu Hause die Unschuld eines armen Mädchens durch alle Ränke zu verderben sucht, stellt sich beym König, als ob er die Unschuld selber wäre. Du glaubst nicht, was die Leute heucheln können!
RÖSCHEN. Aber nein! sage mir nur, wie bist Du denn dem bösen Menschen in die Hände gefallen?
HANNCHEN.
Romanze.
Als ich auf meiner Bleiche
Ein Stückgen Garn begoß:
Da kam aus dem Gesträuche
Ein Mädchen athemlos;
Das sprach: ach, ach! Erbarmen!
Steht meinem Vater bey!
Dort schlug ein Fall dem Armen
Das linke Bein entzwey.
Mitleidig ach verweilte
Ich keinen Augenblick.
Ich lief ihr zu: da eilte
Sie ins Gebüsch zurück.
Kaum war ich drinn, so kamen
Zwey Reuter mit dem Schwerdt,
Ergriffen mich, und nahmen
Mich mit Gewalt aufs Pferd.
RÖSCHEN. Sollte mans denken! zwey Reuter! das sind gewiß ein paar Diener vom Grafen gewesen; je nu, schriest Du denn nicht? ich hätte Dir schreyen wollen –
HANNCHEN.
So sehr ich schrie und weinte,
So ließ man mich nicht los,
Und bracht‘, eh ichs vermeinte,
Mich auf des Grafen Schloß;
Von da ward ich bald weiter
(Es war schon finstre Nacht)
Begleiter durch die Reuter
Ach. nach der Stadt gebracht!
RÖSCHEN. Vermuthlich doch in einer Kutsche? denn in der Stadt sind ja immer viel Leute auf der Gasse; denn sonst hätte ich wieder aus vollem Halse schreyen wollen.
HANNCHEN. Freylich, mein Kind! – Ich wurde in einen prächtigen großen Palast gebracht, und in ein schönes Zimmer.
Hier war der Graf. Mein Schreyen
Half nichts: durch jede Kunst
Durch Drohn und Schmeicheleyen
Warb er um meine Gunst.
Doch ward mein Haß nur größer,
Und nun sperrt‘ er mich ein:
Und dieß gefiel mir besser,
Als seine Schmeicheleyn.
RÖSCHEN. Du armes Hannchen! eingesperrt hat er Dich? doch nicht bey Wasser und Brode?
HANNCHEN. Ja wohl, bey Wasser und Brode: doch auch Wasser und Brod schmeckten mir besser, als seine Leckereyn. Zum Glücke wieß mir der Himmel dadurch eine Gelegenheit, seiner Tyranney zu entkommen.
Mein Fenster gieng in Garten.
Heut‘ stand ich morgens früh,
Die Sonne zu erwarten,
Voll Kummer da, und sieh!
Das Pförtchen an der Mauer
Stand auf: gleich fiel mir ein,
Ob gleich mit manchem Schauer,
Mich hurtig zu befreyn.
Gedacht und auch geschehen!
Das Fenster war nicht hoch:
Und, sicherer zu gehen
Nahm ich mein Bettchen noch:
Das warf ich schnell hinunter,
Ich sprang, und sprang nicht tief:
Worauf ich dann ganz munter
Auf, und von dannen lief.
RÖSCHEN. Zum Fenster hinunter? ach, das ist ja erschrecklich! nu, dem Himmel sey Dank, daß es so abgegangen!
HANNCHEN. Auch nicht ein Finger hat mir weh gethan. Das Pförtchen gieng aufs Feld; es war noch sehr dämmerig, und da man in der Stadt nicht so früh, als bey uns, aufsteht, so war ich gewiß einige Stunden schonentfernet, ehe man mich nur drinnen vermißt hat.
RÖSCHEN. Schön! Schön! Nu, das wird einen Lärmen gegeben haben, wenn man die Betten unter dem Fenster, und das Nest leer gefunden hat. Aber nun, Hannchen, erzähle nur das alles so meinem Bruder Christeln: ich weiß gewiß, er wird Dich gleich wieder, so sehr als zuvor, lieb haben. Ich weiß ja, wie ichs mit Töffeln mache.
Ich habe Töffeln auf mich
So oft schon böse gesehn:
Doch bald besinnet er sich,
Laß ich den Brummbär nur gehn.
Dann schöckr‘ ich, ich lache,
Ich kützl‘ ihn, ich mache
Ein Affengesichet
Und hört er noch nicht:
So schlag ich tief die Augen nieder,
Ich wein‘ ein Thränchen, häng den Kopf;
Gleich weint er mit, der arme Tropf,
Und bittet ab, und liebt mich wieder.
HANNCHEN. Ja ja, es ist auch mit Dir noch nicht so weit gekommen: aber ich habe auch Deine liebe Mutter von meiner Unschuld überzeugt, und ich denke doch, daß, wenn sie und Du –
RÖSCHEN. Stille! ich höre draußen ein Geräusche; es wird uns doch niemand behorchen? – ich will doch ein bischen hinausgucken. Sie geht in die Büsche.
HANNCHEN. O! daß mich nur niemand gewahr wird!
RÖSCHEN kömmt mit Freuden gelaufen. Ach! mein liebstes Hannchen! Christel, mein Bruder Christel! – er geht auf dem Fußsteige,der gerade nach unserm Dörfchen führt! soll ich ihn rufen?
HANNCHEN. O ja! aber ich will mich erst verstecken. Ich muß hören, wie er gegen mich gesinnt ist, und es ist auch gut, wenn Du ihm erst etwas von meiner Unschuld sagst. – Indem sie sich im Busche zu verstecken sucht. Wie klopft mir mein armes Herz! Sage ihm ja nicht gleich, daß ich hier bin. Du kannst Dich sogar stellen, als ob Du eini ges Mistrauen wider meine Unschuld hättest; desto besser werde ich hören, was er von mir denkt.
RÖSCHEN an der Scene. Christel! – Christel! – Christel! – Christel draußen, Wer ruft mich?
RÖSCHEN. Ich, Deine Schwester, Röse! – – hier im Busche –
Vierter Auftritt.
Röschen. Christel.
CHRISTEL. Je Röschen, Du hier?
RÖSCHEN. Und Du wieder daß mein lieber Christel! ach! Sie umarmt ihn. – Noch einmal, mein guter Christel! Ich bin so froh, so froh –
CHRISTEL. Und ich so traurig, so niedergeschlagen! – Alle Mühe ist umsonst!
Mein Hannchen war für mich allein
Auf dieser Welt geboren!
Doch Hannchen ist nun nicht mehr mein,
Sie ist für mich verloren!
Vergnügen oder Pracht,
Zwang oder Tyranney,
List, oder Leichtsinn macht
Mir Hannchen ungetreu!
Gnug; Hannchen war für mich geboren!
Und ach! sie ist verloren!
RÖSCHEN. Je, sie wird auch nicht gleich verloren seyn! Hast Du denn nicht einmal erfahren können, wo sie steckt?
CHRISTEL. Ach! das habe ich alles erfahren: aber was hat mirs geholfen? Erst lief ich auf des Grafen von Schmetterling Gut: da steckte mir ein Gärtnergeselle, mein guter Freund, daß, da der Graf in der Stadt wäre, sie vermuthlich auch dort seyn würde.
RÖSCHEN. Und er wird auch wohl Recht gehabt haben?
CHRISTEL. Ja, das mochte wohl seyn! Ich gieng zwey ganzer Tage ums Haus herum. Ich sah und hörte nichts: aber man hatte mich herumschleichen sehen, man hatte mich schmählen und ächzen hören: es währte nicht lange, so ließ mir der böse Graf sagen, ich sollte zur Stadt hinausgehn, sonst ließ er mich zu Tode prügeln, oder in ein Loch werfen, in dem ich das Tages Licht nicht wieder sollte zu sehn kriegen.
RÖSCHEN. Ah, wenn wir doch auch den Grafen einmal in die Kloppe kriegten! ich wollte ihm selber mit zum Dorfe hinausjagen –
CHRISTEL. Ich entschloß mich also, gerade zum König zu gehen. Ich dachte, du willst ihm einen Fußfall thun, und ihm deine Nothklagen: denn wenn er so ein lieber Herr ist, wie man saget, so ist mir gewiß geholfen.
RÖSCHEN. Nu?
CHRISTEL. Ich kam ans Schloßthor, und wollte hinein. Die Wache fragte: Wohin? – zum Könige. – Da lachte man mich aus. Ich sagte, ich müßte durchaus mit ihm reden, und man drohte mir mit Flintenkolben. Ich fragte nach dem Officier, weil man doch immer denkt, daß Vornehme höflicher sind: aber er gab mir ein paar Stockschläge, that zehn erschreckliche Flüche, und redte von Ausprügeln, und von Aufhängen.
RÖSCHEN. Höre auf, lieber Christel! das Herz im Leibe thut mir weh! je mehr ich von der Stadt höre, desto häßlicher kömmt sie mir vor. Pfuy!
CHRISTEL. Dem ungeachtet hätte mich in der Welt nichts abgehalten. Ich hätte den König sehen und sprechen müssen, und hätte ich ihm auf der Gasse aufpassen sollen: aber ach! ein Brief – – ein Brief von Hannchen – –
RÖSCHEN. Also hast Du schon einen Brief von Hannchen?
CHRISTEL. Ja wohl! einen Brief, worinnen mir die Treulose sagt, daß sie mich nicht mehr liebt.
RÖSCHEN. Dich nicht mehr liebt? Ach geh doch, Christel: Du spaßest!
CHRISTEL lebhaft. Nein, nein, nein, nein, sage ich Dir: Sie hat mir geschrieben, daß sie michnicht mehr liebt: – – Ach! Hannchen – Hannchen liebt mich nicht mehr? denke nur!
Wie schön war sie!
So schön kann nie
Die Flur im Lenze prangen,
Wie Rosen schien
Ihr Mund zu blühn,
Wie Pfirschen ihre Wangen!
Wie Schlehen war
Ihr Aug‘ und Haar,
Ihr Hals weiß, wie Caninchen:
Sie war so zahm,
Als wie ein Lamm,
Und fleißig, wie ein Bienchen.
Sie war dabey,
Gefällig, treu,
Mild, wie die reifste Traube:
Rein, wie der Schnee,
Schnell, wie ein Reh,
Und zärtlich, wie die Taube.
Und ach! diese liebt mich nicht mehr!
RÖSCHEN. Ich kann Dir nicht glauben, Christel; sie liebt Dich gewiß noch.
CHRISTEL außer sich. Nein, nein, sag ich Dir nochmals – aber ich vermehre nur meinen Schmerz, wenn ich von ihr rede. Ich will sie auf ewig vergessen; nichts mehr von ihr wissen, nichts mehr von ihr hören, sie nicht mehr sehen, und wenn sie gleich –
RÖSCHEN. Ey! wie gut! daß sie gegangen ist! sie war eben hier.
CHRISTEL mit vieler Lebhaftigkeit. Sie war hier? Sie war hier? Hannchen war hier?
RÖSCHEN. Ja, ja, was ich Dir sage. Sie war hier, sie erzählte mir vielerley von ihrem Unglücke.Sie sagte, sie wäre unschuldig, sie liebte Dich noch: sie könnte es beweisen: und hat sogar Töffeln einen Brief für Dich gegeben.
CHRISTEL. Ach geschwind! wo ist Töffel? geschwind! Er will fort.
RÖSCHEN. Warte doch, Christel! ich habe den Brief Töffeln abgenommen! –
CHRISTEL. Nu, wo hast Du ihn? geschwind her! geschwind!
RÖSCHEN. Je nun, da ist er: – Aber Christel! da Du von ihr nichts mehr hören und sehen willst, und da ich gewiß glaube, daß sie uns nur so etwas weiß machen will, so dächte ich –
CHRISTEL reißt ihn ihr aus der Hand. Nur her! nur her! ich glaube Dirs freylich, Röschen; aber – ich soll und muß ihn lesen: Christel liest ihn mit bebender Stimme, und mit zitternden Händen.
Montags früh vor Tage.
»Glaube es ja nicht, mein lieber Christel, wenn Du etwa den schändlichen Brief erhältst, den ich Dir habe schreiben müssen. Der Kammerdiener des Grafen, hat mich darzu gezwungen. Er sagte, Du wärst in der Stadt, und es sollte Dir entsetzlich ergehen, wo ich Dir nicht schriebe. Hingegen versprach er mir Freyheit, wenn ich ihm folgte. Darauf allein entschloß ich mich: denn ich denke, wenn ich mehr Freyheit habe, so kann ich mich vielleicht durch die Flucht retten. Ich scheue keine Gefahr, und wollte lieber sterben, als Dich nicht mehr lieben. Ich schreibe Dir, ohne zu wissen, wie ich Dir den Brief überschicken soll. Vielleicht weißt mir der Himmel einen Weg. Ich liebe Dich, wie allezeit, und werde auch keinen andern lieben – Aber ich sehe das Pförtchen im Garten offen – – mein Fenster ist so gar hoch nicht – – es sey gewagt!«
Ach, Himmel! Hannchen zum Fenster hinunter? – o wenn sie sich nur nicht Schaden gethan hat!
RÖSCHEN. Je, ich habe sie ja gesehen, und mit ihr geredt!
CHRISTEL. Je nu, wo ist sie denn? wo such‘ ich sie denn? Wo find‘ ich sie denn?
RÖSCHEN. Du wirst nicht – die Worte klingen gar fein, aber wenn nun der Herr Graf an dem Briefe geholfen hätte?
CHRISTEL. Wie? was sagst Du? nimmermehr! warum wäre sie denn hier?
RÖSCHEN. Ja, Töffel sagte: der Graf könnte sie auch wohl gar wieder nach ihrem Dörfchen zurücke geschickt haben: und nun da sie sähe –
CHRISTEL. Böses, häßliches. Mädchen! ich bin Dir gram, so gram –
RÖSCHEN. Je, nun siehst Du? Vier ganzer Wochen ist sie doch beym Grafen gewesen. Wie? wenn sie nun –
CHRISTEL. Ich schlage Dich noch: – Er sinnt nach. gleichwohl – – Ach! liebe Schwester! Nein, sage mir lieber, daß sie unschuldig ist!Nein, nimmermehr kann Hannchen eine solche Treulosigkeit –
Fünfter Auftritt.
Die Vorigen. Hannchen kommt hervor, fällt ihn um den Hals.
HANNCHEN. Nein! Nimmermehr! mein Christel, nimmermehr, und wenn ich hätte sterben sollen.
Ich habe meinen Christel wieder!
Ich habe Dich, ich halte Dich,
Und nie geb‘ ich Dich wieder:
O wie beglückt bin ich!
Mein Busen schlägt,
Von Lust bewegt,
Mir zittern vor Freude die Glieder. V.A. Aber – was fehlt Dir lieber Christel? – ich glaube gar, Du weinst?
CHRISTEL. Ich weine vor – vor – vor Freude – vor – Angst – wenn gleichwohl – -vier ganzer Wochen – bey einem großen, reichen, und schönen Herrn –
Du warst zwar sonst ein gutes Kind,
Du liebtest mich, ich Dich:
Doch auch die besten Mädchen sind
Gar oft veränderlich.
Ein schönes Kleid, ein glattes Wort
Kann leicht ihr Herz verderben:
Bist Du auch so, so laß mich fort,
So laß mich gehn und – sterben.
HANNCHEN fängt an zu weinen. wer wird denn vom Sterben reden?
RÖSCHEN. Pfuy doch Christel, das arme Hannchen! nein, ich wollte drauf wetten: sie hat Dich stets lieb gehabt, sie hat Dich noch lieb, und sie wird Dich immer lieb haben.
Die den Bruder Christel liebt,
Die liebt keinen andern:
Die ihr Herze Töffeln giebt:
Wird nicht weiter wandern!
Nichts verändert die Natur:
Gut bleibt gut, und böse, böse.
Hannchen liebte Christeln nur,
Töffeln liebte Röse.
HANNCHEN. Ja wohl! mein lieber Christel. Wenn man Dich liebt, so kann man keinen andern lieben. Das Vergnügen – aber warum siehst Du weg?
CHRISTEL. Ach mein liebes Mädchen, wenn ich Dich ansehe: so glaube ich, daß Du noch unschuldig bist! Aber wenn ich denke: vier Wochen lang – – ein so hübsches Mädchen – ganz allein – bey einem vornehmen, vornehmen Herrn – der sie liebt – ihr vermuthlich alles angeboten – o Hannchen! Hannchen!
HANNCHEN. Ach guter Christel! und wenn es vier Jahre gewesen wären! Mein Herz hätte Dir weder Zeit, noch Ort, noch Glück, noch Stand entreissen können.
RÖSCHEN. Ja, Du kannst ihr glauben. Sie hat mir alles, alles erzählt, wie es ihr gegangen ist: sie soll Dirs auch erzählen. – Ich weiß nicht, Bruder, was Du für ein Narr bist? her die Hand!
CHRISTEL. Also bist Du mir nicht untreu geworden? O mein Hannchen, mein allerliebstes Hannchen! Er fällt ihr um den Hals.
Trio
CHRISTEL.
Ich sterbe fast vor Freuden,
Dich nach so vielen Leiden
Mir noch getreu zu sehn.
HANNCHEN.
Ich sterbe fast vor Freuden,
Dich nach so vielen Leiden
So zärtlich noch zu sehn!
RÖSCHEN.
Und sterb‘ ich nicht vor Freuden,
So kann ich es doch leiden
Euch so beglückt zu sehn!
CHRISTEL.
Nach überstandnen Schmerzen
Ist einem treuen Herzen
Die Liebe doppelt schön!
HANNCHEN.
Nach überstandnen Schmerzen,
Ist einem treuen Herzen
Die Liebe zehnfach schön!
RÖSCHEN.
Nein! schwatzt mir nicht von Schmerzen!
Auch unter schlauen Scherzen
Bleibt doch die Liebe schön!
CHRISTEL.
Du Hannchen bist mein
Und Christel ist Dein!
HANNCHEN.
Christel ist mein
Und Hannchen ist Dein!
RÖSCHEN.
Töffel ist mein
Und Röschen sein!
CHRISTEL, HANNCHEN UND RÖSCHEN.
Kann ich mehr begehren?
Unter Glück und Schmerz
Unter Leid und Scherz,
Tag und Nacht
Soll die Macht
Unsrer Liebe währen!
RÖSCHEN. Stille! ich muß fort. Ich soll mit für das Abendessen sorgen helfen. Ich werd’s recht von der Mutter kriegen, daß ich so spät komme. Wollt ihr mit?
CHRISTEL. Nein, geh Du immer! – sage der Mutter ja noch nicht, daß ich hier bin. Ich will itzt mit zu Hannchen gehn, und Hannchen auf den Abend mit bringen. Röschen geht ab.
Sechster Auftritt.
Christel. Hannchen.
CHRISTEL. Nun, mein liebes Hannchen, wir sind nun alleine. Ich habe mich mit Dir ausgesohnt: aber ich gestehe Dir: – ich kann den verzweifelten Gedanken doch nicht aus dem Kopfe bringen, daß Du so unschuldig wieder zu mir kömmst, als Du fortgegangen bist. Meine Liebe entschuldigt Dich, aber – aber – wenn ich bedenke – – vier Wochen lang – alle Tage – – einen schönen, reichen, vornehmen Herrn, einen Grafen zumLiebhaber um sich zu haben, der Gewalt und List, Schmeicheley und Geschenke, alles, alles anwenden kann, Dich zu verführen – – Ach Hannchen! Hannchen! –
HANNCHEN. Ich verzeihe Dir, mein lieber Christel. Aller Anschein ist wider mich, und es hat auch nicht dran gefehlet –
CHRISTEL lebhaft. An was? An was?
HANNCHEN. Daß er alles angewandt, mich zu verführen.
CHRISTEL. Und Du hättest doch widerstanden?
HANNCHEN. Was soll ich Dir für einen Beweis davon geben, lieber Christel, wenn meine Worte, meine Betheurungen, meine Thränen, Dich nicht überzeugen können?
CHRISTEL. Nein, liebes Kind, weinen mußt Du nicht: denn sonst – sonst bin ich gleich überzeugt. Ich frage nur, wie’s möglich gewesen ist, ihm zu widerstehen? Z.E. wie machtest Du es denn, wenn er Dir von seiner Liebe vorschwatzte – oder wie machte ers? Er hat Dir wohl viel schöne Sachen angeboten: seinen Stand, seine Güther, seine Gewalt her gepriesen?
HANNCHEN. O ja!
Der Graf bot seine Schätze mir,
Von Gold und Edelsteinen:
Allein, ich dankte schön dafür,
Und fieng, fieng an zu weinen.
Ich mag nicht Schätze, sprach ich, nein!
Ich kann die Ihrige nicht seyn:
Mein Herz ist nicht mehr mein.
CHRISTEL.
O Du gutes Hannchen!
HANNCHEN.
Da warf der Graf voll schlauer Kunst
Sich auf die Kniee nieder,
Und bat um meine Gegengunst,
Allein ich bat ihn wieder:
Ach gnädger Herr! Sie spotten mein!
Ach gnädger Herr! das ist nicht fein!
Mein Herz ist nicht mehr mein.
CHRISTEL.
O Du goldnes Hannchen!
HANNCHEN.
Nun sah der Graf, dieß half ihm nicht.
Da fieng er an zu schmählen:
Und drohte mir ins Angesicht,
Mich Tag und Nacht zu quälen:
Ich sprach, ich will, so sehr Sie dräun,
Doch lieber todt, als untreu seyn:
Mein Herz ist nicht mehr mein.
CHRISTEL. O Du armes Hannchen! es bricht mirs Herz im Leibe. Aber that ers denn auch, und bliebst Du mir dennoch treu? – – Sieh nur her! Einen Tag ist das nun wohl angegangen: aber vier Wochen, vier Wochen, alle Tage hinter einander!
HANNCHEN. Ja, das war nun wohl mein Glücke, daß das nicht alle Tage geschah! sonst –
CHRISTEL. Was sonst? was sonst?
HANNCHEN. Sonst wäre er vielleicht durch meine Hartnäckigkeit mehr aufgebracht worden. Aber da in der schönen Jahreszeit der Hof beynahe einen Tag über den andern eine kleine Reise auf dieß oder jenes Lustschloß that, so mußte er immer wieder fort, wenn er ambesten mit mir fertig zu werden glaubte. Er übergab mich endlich einer alten bösen Aufseherinn, und einem gottlosen Kammerdiener, die mich, wie er sagte, zur Raison bringen sollten, und diese sperrten mich ein.
CHRISTEL. Ach! Du armes Kind!
HANNCHEN. Nein! Nein! es war zu meinem Glücke: denn dadurch hatte ich Gelegenheit, alleine zu seyn, und endlich zu entspringen – aber lieber Christel! es wird ganz finster! – – das Gewitter kömmt herauf – – Es donnert.
Duett.
HANNCHEN.
Siehst Du, wie jene Wolken ziehn?
Der Donner braust; auf! laß uns fliehn!
CHRISTEL.
Er brause! was fürcht‘ ich der Donner Getümmel?
Wo Du bist, da lächelt ein heiterer Himmel!
HANNCHEN.
O weh! der Tag verbirgt sein Licht!
CHRISTEL.
Mir stralt Dein glänzend Angesicht.
HANNCHEN.
Die Eichen! – sie schwanken, von Winden erschüttert!
CHRISTEL.
So hat auch für Hannchen mein Herze gezittert.
HANNCHEN.
Doch ist es nun von Stürmen frey?
CHRISTEL.
Ja, denn Du warst und bleibst mir treu?
BEYDE.
So mag es denn stürmen und donnern und blitzen!
Uns wird die gefällige Liebe beschützen!
HANNCHEN. Doch stille! – – hörst Du nicht außer dem Donner das Geräusche von Menschen, das Gebelle der Hunde, das Wiehern der Pferde?
CHRISTEL. Ja, es klingt, wie eine Jagd.
HANNCHEN. Dieß wird es auch seyn; denn, wie ich gehöret, jagt heute der Hof in diesem Walde.
CHRISTEL. Der Hof? o so laß uns fliehen! Menschenzorn ist oft gefährlicher, als der Zorn des Himmels! da ist der Graf, unser Feind gewiß dabey. Sie eilen davon.
Die Musik, die das Geräusch des Gewitters nachmacht, kann hier ein weilchen gehen, und sich endlich nach und nach verlieren.
Siebender Auftritt.
DER KÖNIG allein, er tappt im Finstern umher. Wo bin ich? oder wo soll ich zu? – beynahe laufe ich schon zwey Stunden umher, ohne einen Ausgang zu finden – ich muß nur sehen – aber es ist so finster – – Greift auf den Boden umher. das ist kein gebahnter Weg! – – warlich! mitten im Holze! mitten im Gestränche! – – meine eigne Schuld! es verlohnt sich der Mühe, daß ich mich meine Jagdlust so weit habe verführen lassen. Um eines Hirsches willen?
Was sind die Menschen nicht für Thoren!
Nicht Einer bleibt von Schwachheit frey.
Wo lebt ein Held, der nicht, so hoch er auch geboren,
Der Leidenschaften Sklave sey?
Gefahren macht er sich zur Freude,
Vergißt im Taumel Recht und Pflicht:
Ob er, und ob ein andrer leide,
Dieß rührt ihn nicht!
Nur das thut mir weh, daß meine armen Leute meinetwegen in tausend Aengsten seyn werden! – Was ist zu thun? – das Unglück, sich verirrt zu haben, ist endlich so groß nicht – – Ah! bin ich doch so müde! – – ich will mich nur ein wenig niedersetzen – Er setzt sich am Fuße eines Baumes. In der That! hier sitzt sichs nicht übel! – Itzt darf ich mich eben nicht mehr wundern, warum der fleißige Arme auf seinem harten Lager süßer schläft, als wir auf unsern Schwanenfedern. – Arbeit! Arbeit und Sorglosigkeit! – Es braucht nicht viel, daß ich hier sanft einschlummre. – Er legtsich einen Augenblick. Mich dauret nur der ehrliche Treuwerth! – der hat sich gewiß auch verloren. – Schon zehnmal hat er mir bewiesen, daß das Jagen nichts weniger, als eine königliche Lust seyn sollte. – Er hat Recht. Nun, er wird mir eine schöne Predigt halten! Er hat Recht! Er hat Recht! Die Wahrheit aus dem Munde eines tugendhaften Mannes, so hart sie auch klingt, ist doch tausendmal mehr werth, als alle Schmeicheleyen eines ganzen Hofes, der es nur gut mit sich, nicht mit uns meynt. – Wenn ich ein wenig schlafen könnte, das wäre so übel nicht! Vielleicht gewönne ich wieder so viel Kräfte, meinen Weg weiter aufzusuchen. Laß sehen! – Er legt sich einige Augenblicke nieder, es geschieht ein Schuß, der König springt auf, und zieht seinen Degen.
Achter Auftritt.
Der König. Ein paar Wilddiebe, der eine kömmt von der einen, der zweyte von der andern Seite.
DER ERSTE. Hast Du ihn getroffen?
DER ZWEYTE. Sieh her, es war ein Reh. Es muß hier wo liegen.
DER KÖNIG bey Seite. Huy, ein paar Wilddiebe!
DER ERSTE der das letzte gehöret. Was? Wilddiebe! Du magst selber einer seyn.
DER ZWEYTE. Träumst Du? ich hatte von Wilddieben geredt?
DER ERSTE. Wenn Du’s nicht warst, so lauret uns jemand auf!
DER ZWEYTE. Stille! ich höre was rauschen. – Hier ist nicht gut seyn!
DER ERSTE. Schade fürs Reh! Es könnte uns garstig bekommen. Sie machen sich aus dem Staube.
DER KÖNIG. Meine Herrn! Meine Herrn! – Sie sind fort! – ich hätte ihnen doch gern zehn Rehe schenken wollen, wenn sie mir nur fortgeholfen hätten. – Ha! ich sehe eine Laterne! – –
Neunter Anftritt.
Der König. Michel, mit der Laterne und einer Pistole in der Hand.
MICHEL. Huy! hier muß der Schelm seyn, der itzt geschossen hat. – – Wer da?
DER KÖNIG. Ich.
MICHEL. Was für ein Ich?
DER KÖNIG. Ich, sag‘ ich!
MICHEL. Ich, ich? ihr heißt doch nicht vermuthlich Ich? – Woher? Wohin? oder, wer seyd Ihr?
DER KÖNIG. Ich bin – ich bin – Er knöpft sich zu, damit man den Orden nicht gewahr wird. ich muß mich verbergen – Ich bin –
MICHEL. Ein Schelm; nicht wahr? – ich frage noch einmal, wer seyd Ihr? Er faßt ihn beym Arme.
DER KÖNIG lacht. Wenigstens kein Schelm, mein Freund!
MICHEL. Und wenigstens wird auch nicht viel fehlen: denn sonst antwortetet Ihr, wie ich frage. – Wer hat hier geschossen?
DER KÖNIG. Ich nicht, bey meiner Ehre!
MICHEL. Eure Ehre wird nicht weit her seyn. Vermuthlich reicht sie so weit, daß Ihr dabey lügen könnt!
DER KÖNIG. Ich? lügen? – Bey Seite. die Sprache habe ich doch noch niemals gehört. – Laut. Ich lüge nicht: aber –
MICHEL. Aber, aber, aber, ich sehe auch nicht, warum ich Euch eben glauben muß. – – Wie heißt Ihr?
DER KÖNIG lachend. Wie ich heiße? – –
MICHEL. Ja, Euer Name?
DER KÖNIG. Mein Name?
MICHEL. Ja doch, Euer Name, Euer Name! Versteht Ihr denn kein Deutsch, oder habt Ihr keinen Namen? – Woher seyd Ihr? was macht Ihr hier? heraus mit der Sprache!
DER KÖNIG. Das sind Fragen! –
MICHEL. Ja, Fragen, auf die Ihr nicht wißt, was Ihr antworten sollt! Wenn Ihr ein ehrlicher Kerl wäret, so würdet Ihr Euch nicht wie ein Wurm krümmen. Brauchts denn so viel Mühe, Hans oder Niklas zu sagen?
DER KÖNIG lachend. Ich heiße weder Hans noch Niklas.
MICHEL. Also weiß ich schon, wie Ihr heißt. Fort! mit zum Oberförster!
DER KÖNIG. Sagt mir, wer giebt Euch die Macht, oder das Recht –
MICHEL. Wers uns giebt? wir, wir selber, so viel unsrer hier Bauren sind. Wir machen uns eine Freude draus, für das Vergnügen unsers Herrn zu sorgen. Und seht Ihrs, er bezahlt uns dafür zwar nicht; aber aus Pflicht, aus Liebe für Ihn würden wir wohl noch was anders für einen so guten Herrn thun, daß Ihrs nur wißt. – Wollt Ihr noch mehr wissen?
DER KÖNIG bey Seite, in einem gerührten Tone. Mich so nennen zu hören? Wahrlich ein Vergnügen, das ich noch nie zu empfinden das Glück gehabt habe.
MICHEL. Nu, was murmelt Ihr hier in Bart? – Fort, fort, mir nach, zum Oberförster!
DER KÖNIG in einem scherzhaften Tone. Gut! ich bitte mir aber vorher aus, mich zu hören. – Wollt Ihr mir die Gnade erweisen?
MICHEL auch scherzhaft. Das ist mehr, als Ihr mir zu verdienen scheint. Aber es sey! laßt doch hören!
DER KÖNIG immer scherzhaft. Ich nehme mir also die Freyheit, Euch unterthanigst zu versichern,daß ich die Ehre habe, zu des Königs Gefolge zu gehören. Und ob ich gleich einer seiner geringsten Bedienten bin, so werde ich doch so wenig, als ein andrer, etwas zu seinem Nachtheile geschehen lassen.
MICHEL. Schlimm genug! wenn Ihr einer von seinen Bedienten seyd, daß Ihr unsern guten König im Stiche gelassen. Ist das Recht? Heh?
DER KÖNIG. Ja, mein lieber Freund, wenn ich nicht mit dem Pferde gestürzt wäre, und das arme Thier ein Bein gebrochen hätte.
MICHEL. Pfuy, zum Henker! so solltet Ihr ihm zu Fuße nachlaufen. Der Himmel sey Euch gnädig, wenn ihm was begegnet ist! Ihr sollt mir gewiß dafür stehen! – Aber hört nur!Es kommt mir das Ding nicht so ganz recht vor! Ists auch wahr?
DER KÖNIG. Sicher! Ich stehe Euch dafür, ich lüge nicht.
MICHEL. Hahaha! er lügt nicht! Je ja doch, wers auch glaubte! Er lebt am Hofe, und soll nicht lügen! Schon das ist eine Lügen.
DER KÖNIG. Nu, nu, mein Herr Ungläubig! Gebt mir nur heute ein Nachtquartier bey Euch, und Ihr sollt sehen, daß ich die Wahrheit sage. Hier habt Ihr indessen ein paar Dukaten, und morgen verspreche ich Euch mein Nachtlager über Eure Erwartung zu bezahlen.
MICHEL. Nu seh ich doch wohl, daß Ihr Recht habt. Ja ja, Ihr müßt doch wohl vomHofe seyn. Das Kleine gebt Ihr, das Große versprecht Ihr!
DER KÖNIG bey Seite. Der Kerl hat Verstand.
MICHEL. Nu, aber hört nur: ich bin nicht vom Hofe. Ich heiße Michel Ehrlich, oder Michel schlechtweg, je kürzer, je besser: Ich bin ein Bauer, habe zu leben, und frage viel nach Eurem Gelde.
DER KÖNIG. Du scheinst mir ein lustiger Pursche, und ich hätte wohl Lust mit Dir genauer bekannt zu werden.
MICHEL. Hm! Du scheinst mir! – – mit Dir – – Ihr macht Euch ziemlich gemein, mein Herr geringster Bedienter des Königs! Hört nur, vielleicht bin ich so viel werth,als Ihr! Das sag‘ ich Euch, das Dutzen steht mir nicht an!
DER KÖNIG scherzhaft. Ah! ich bitte tausendmal um Vergebung, mein Herr. Verzeihen Sie –
MICHEL. Nu nu, nu nu; keine Speranzien! Ich bin nicht hochmüthig, das müßt Ihr wissen. Aber ich mache mich mit keinem Menschen gemein, eh‘ ich weiß, ob ers auch verdient.
DER KÖNIG sehr liebreich. Desto besser! so gefallt Ihr mir, Michel. Ich sehe im Voraus, wir werden noch die besten Freunde werden, und uns wenigstens mit der Zeit dutzen.
MICHEL klopft ihm auf die Achsel. Je nu, wenn wir einander näher kennen, da kann Rath werden.
DER KÖNIG. Nun, das denke ich ja auch: aber itzt thut mir den Gefallen, und zeigt mir den Weg aus dem Walde.
MICHEL. Von Herzen gerne. Weil Ihr so hübsch höflich seyd, so sollt Ihr auch sehen, daß ich gut bin. Kommt mit mir nach Hause! Ihr werdet da meine Marthe finden: es ist Euch noch ein flinkes Weib, und meine Tochter Röse, ein junges artiges Ding.
DER KÖNIG. Röschen ist jung und artig, jung und artig? Bravo mein lieber Michel!
MICHEL. Zum Henker! wie er gleich spannt! – Ihr möget mir wohl ein feiner Zeisig seyn!
DER KÖNIG lustig. Je nun: ich liebe alles, was artig ist.
Was noch jung und artig ist,
Lebhaft scherzt und feurig küßt:
Das gefällt uns allen.
Sollt‘ ich jung und lebhaft seyn,
Und nur mir, mir sollt allein
Jung und artig nicht gefallen?
Keiner von uns lebte hier,
Liebten vormals nicht, wie wir,
Unsre guten Alten:
Diesen löblichen bebrauch
Werden unsre Kinder auch
Wie die Väter halten!
MICHEL. Nu, nu, daß Ihr nur nicht bey mir Schulmeister werdet: das wollt‘ ich mir ausbitten. Essen will ich Euch den Abend geben: eine warme Suppe, einen warmen Schinken, und was das Haus vermag.
DER KÖNIG scherzhaft. Aber kein Bette? Es versieht sich, daß mir Röschen ihres nicht räumen soll!
MICHEL. Sorgt nicht, Schwager! Ich will Euch schon auf dem Oberboden eine gute Streue zurechte machen. Aber aus gewissen Ursachen wollt ich eben nicht, daß Ihr der zu nahe schlieft. Kömmt mein Christel nicht nach Hause; je nu, so könnte zu seinem Bette rath werden. Aber kömmt er: so versteht Ihr mich wohl; er ist mein Kind, und den kann ich nicht auf der Erde schlafen lassen.
DER KÖNIG scherzhaft und liebreich. Recht Michel! Es sollte mir leid thun, wenn ich jemanden vertriebe. Ihr seyd ein guter Vater, und das freuet mich.
MICHEL. Der arme Schelm wird noch dazu ganz müde seyn! – Nu, so kommt. – Seyd Ihr sehr hungrig?
DER KÖNIG. O erschrecklich!
MICHEL. Gut! so wirds Euch auch nicht am Durst fehlen?
DER KÖNIG. Das versteht sich: wer den ganzen Tag in der Hitze gejagt hat, muß wohl dursten.
MICHEL. Desto besser. Hört nur, ich habe noch ein Fäschen Wein von meinem Berge: die Weinschenken in der Stadt hätten ihn längst gern gehabt, und Rheinwein draus gebraut, wenn er mir nur feil gewesen wäre. Ich weiß auch wohl, daß wir Bauren keinen trinken sollen; ich bin aber kein Narr. Solange ich noch so viel habe, meine Steuern und Gaben zu geben, so hebe ich das bischen auf, das ich erbaue. Man muß doch auch für seine Arbeit nicht alle Tage Kofent trinken! – – Nu seht Ihrs? – der soll heute unserm guten Herrn zu Ehren angestochen werden, weil Ihr sagt, daß Ihr zu ihm gehört.
DER KÖNIG. Vortrefflich! Ihr sollt sehen, wie viel ich auf seine Gesundheit Gläser ausleeren will!
MICHEL. Ha, Ihr seyd mein Mann! – Kommt! Ich sehe wohl Ihr habt Recht: wir werden bald einander dutzen.
Duett.
MICHEL. Wer unsern lieben König liebt, Der ist ein Mann, ein braver Mann:Was mir mein kleines Glücke giebt, Biet‘ ich mit Lust ihm an!
KÖNIG. Wer seinen Herrn so treulich liebt, Der ist ein Mann, ein braver Mann Mehr Lust, als hundert Schmeichler, giebt Ein solcher Unterthan!
Michel und der König.
MICHEL. So komm! dem besten König zu Ehren, Geb‘ ich mein Fäschen alten Wein. Da wollen wir die Gläser leeren Und Brüder und Gevattern seyn.
KÖNIG. Ich komme, dem besten Wirthe zu Ehren, Trink‘ ich, und Röschen schenkt uns ein: Der König soll mirs selbst nicht wehren; Denn nie trank er so guten Wein.
Michel nimmt den König beym Arme, und führet ihn vertraulich fort.
Ende des zweyten Aufzugs.
Dritter Aufzug.
Das Theater stellt das Innre eines Baurenhauses vor.
Man sieht im Hintergrunde eine lange Tafel zur Mahlzeit auf die Art und mit solchem Hausgeräthe gedeckt, wie es bey Bauren gewöhnlich ist. Vorne stehen zwey Bänkchen: bey dem einen ein Spinnrad: auf der andern liegt eine Garnwinde? an einer Seite lehnt ein Sack Korn, auf dem der Name Michel gemalt ist.
Erster Auftritt.
Röschen. Marthe, macht noch den Tisch zurechte.
RÖSCHEN sitzt am Spinnrade.
Mein! lobt mir doch nur nicht die Nacht!
Ich halt‘ es mit dem Tage.
Wenn auch der Tag viel Arbeit macht,
So macht er nicht die Plage.
Am Tage braust kein wütend Heer,
Und die Gespenster fliehen:
Kein Alp, kein Rübezahl spückt mehr,
Und keine Drachen ziehen.
Kein Irrwisch tanzt, kein schwarzer Mann
Knetpt uns mit rauchen Tatzen:
Und keine Hexen schrey’n uns an
In Form der schwarzen Katzen.
Das wird nun freylich anders seyn,
Nimmt Töffel mich zum Weibe:
Da bleib‘ ich nicht die Nacht allein,
Und er hat Herz im Leibe.
Dann drohe Hex und schwarzer Mann,
Ich denk‘: Ey! droht euch müde!
Und schmiege mich an Töffeln an,
Und schlaf – ich schlaf – in Friede!
Während dieses Liedes nickt Röse immer, und die Mutter ruft sie auf: am Ende des Liedes schläft sie gar ein, und ist in Gefahr, vom Stuhle zu fallen.
MARTHE. Je Röse – Röse! – – Du fällst vom Stuhle – – Bist Du nicht ein Mädchen! das nickt, und schläft so bald sichs nur ans Spinnrad setzt.
RÖSCHEN. Ich weiß auch nicht, wo der Vater bleibt! Es ist stockfinstre Nacht, und itzt werden sie doch nicht mehr jagen.
MARTHE. Freylich könnte er nun weh! wieder zu Hause seyn. Aber – geh her, setze die Bänke, daß Du munter wirst.
RÖSCHEN. Wie viel sind denn unser? Sie fängt an zu zählen. Ich eins; der Vater zwey, Ihr dreye, Töffel –
MARTHE. Töffel, Töffel: den wird der Vater nicht mitbringen.
RÖSCHEN. Wenn er ihn nicht mitbringt, so wird er schon von sich selber kommen. Er hat mir noch keine gute Nacht gewünscht, und das muß er thun, wenn ich gut schlafen soll!
MARTHE. O ja, ich habs gleich gesehn, daß Du nicht ohne Töffels gute Nacht schlafen kannst.
RÖSCHEN. Nu, schmält nur nicht, Mutter! ich schlafe ja nicht mehr – Ich eins, der Vater zweye, die Mutter dreye; Töffel –
MARTHE. Je daß dich, Töffel! ich habe Dir ja gesagt –
RÖSCHEN. Da macht Ihr mich nu gleich wieder irre. Christel –
MARTHE. Ich glaube Mädchen, Du redst im Schlafe. Christel wird auch gleich in der finstern Nacht da zurücke kommen.
RÖSCHEN. Und was redt Ihr nu? Christel ist ja – Sie besinnt sich. ich hätte bald was gesagt. – Je, sie mögen sich die Stühle selber holen, wenn sie kommen ich kann nicht noch einmal zählen.
MARTHE. Nu, so sieh, wo noch sonst was fehlt!
RÖSCHEN. Es fehlt nichts mehr, Mutter: der Vater kann kommen, wenn er will.
MARTHE sieht sich selbst noch um. Gut so, Röse! Nu so setze Dich wieder ans Spinnrad, Du kannst vollends Deinen Rocken abspinnen – Lange mir dortdie Weife zu – – man muß niemals die Hände in den Schooß legen, wenn man eine gute Hausmutter werden will.
RÖSCHEN. Je nu ja, wenn ichs nur schon wäre. – Aber Mutter, Ihr müßt mir auch was erzählen: sonst schlafe ich gleich wieder ein, wenn ich mich setze.
MARTHE. Immer erzählen, erzählen! Was soll ich Dir denn erzählen?
RÖSCHEN. Je nu, zum Exempel von Gespenstern. Ich möchte nur wunders halben wissen, wie’s zugienge. Ich wäre des Todes! wenn ich ein Gespenst sehen sollte, und höre doch vor mein Leben gerne von Gespenstern erzählen. – – – Nu, Mutter, macht, erzählt! – hört Ihrs Mutter?
MARTHE. Ich muß nur, damit Du munter bleibst. – Nu, ich will Dir was von einem Gespenste erzählen, das Michel, Dein Vater selber gesehen hat.
RÖSCHEN. Mein Vater hat eins gesehen? mein Vater?
MARTHE. Ja, Dein Vater; mit eignen Augen hat ers gesehen. An dem Abend, da Michels Vater begraben wurde, hatte sich Michel kaum ins Bette gelegt, so gieng sein Kammerfenster auf. Klirr! – In dem Augenblicke hörte er den Geist mit großen Schritten auf sein Bette loskommen. Es schleppte große Ketten hinter sich her –
RÖSCHEN zitternd. Große Ketten! Ach wie schlägt mir das Herz! große Ketten?
MARTHE. Ja, große Ketten, womit es einen erschrecklichen Lärm machte. Darnach – Du weißt unser Bette mit den alten blauen Vorhängen – – die zog der Geist auf. Ritz, Ratz, Ritz, ratz.
RÖSCHEN die noch mehr zittert. Ach! Ach! ich bin des Todes! o wenn einmal ein Gespenste so zu mir ins Bette guckte. – Aber Mutter, weil doch der Vater einen Geist gesehen hat: Wie sah denn der Geist aus?
MARTHE. Je, daß Dein Vater nicht ein Narr gewesen wäre, und hingesehen hätte. Nein, er steckte den Kopf brav tief unters Deckebette: aber so viel hörte er ganz deutlich brummen:
Ich bin Dein Vater, und bin todt.
Doch hör‘! ich buck das Weihnachtsbrod,
Das ich dem Küster zinsen muß,
Stets viel zu klein, und that ihm alles zum Verdruß.
Was ich ihm nahm leg Du ihm zu,
Sonst hab ich nicht im Grabe Ruh.
Gieb für die Leich‘ ihm die Gebühr
Gedoppelt, gieb sie ihm sonst komme stracks mit mir!
RÖSCHEN zittert und bebt. Ach! mein ganzes Geblüte starrt mir in Adern! o wie muß sich mein armer Vater gefürchtet haben! – Es wird geklopft. Ach, ein Geist! ein Geist!
MARTHE zittert ebenfalls. Nein, nein Röse, es klopft jemand, geh‘ nur, und mach‘ auf!
RÖSCHEN halb todt vor Furcht. Ich kann nicht! – – Mutter! geht Ihr – – Ihr seyd älter, als ich – und – und – und –
MARTHE. Nu, so wollen wir mit einander gehen.
RÖSCHEN. Ach! thut nur nicht, als wenn Ihr Euch auch fürchtetet, sonst fürcht‘ ich mich zehnmal mehr.
MARTHE. Je ja, mein Kind, ich will thun, – als ob – ich mich nicht fürchtete. – Es wird stärker gepocht. Wer ist draußen?
CHRISTEL. Ich bins, so macht doch auf!
RÖSCHEN. Christel.
MARTHE. Er wird doch nicht etwan gar gestorben seyn, und wieder kommen?
CHRISTEL draußen. Wie lange soll man aber warten?
RÖSCHEN. Nein, nein Mutter; es ist Christel, gewiß, ganz gewiß.
MARTHE. Nu, auf Dein Wort! Sie öffnet die Thüre.
Zweyter Auftritt.
Marthe. Röschen. Christel.
CHRISTEL. Gott grüß‘ Euch, Mutter! guten Abend Röschen! Ich dachte, Ihr wolltet mir gar nicht aufmachen.
MARTHE. Je, mein lieber Christel? willkommen, willkommen aus der Stadt! Es thut mir leid, daß wir Dich so lange klopfen lassen: aber Deine Schwester hatte so eine närrische Furcht –
RÖSCHEN. Ja, und die Mutter glaubte gar, es wäre Dein Geist! – Aber bringst Du nicht Dein Hannchen mit?
MARTHE. Also weißt Du schon, daß Hannchen wieder im Dorfe ist?
CHRISTEL. Das gute Mädchen! o ja. Ich habe sie gesprochen, ich habe ihr vergeben, und ich bin wieder glücklicher, als jemals. – Aber vor allen Dingen, ist der Vater noch nicht nach Hause? ich habe es nicht gewagt, sie eher her zu bestellen, als bis der da ist –
MICHEL pocht. Hola, he! – Marthe! Röse! ein Licht! ein Licht!
MARTHE läuft, ihm aufzumachen. Je eben, da wir von ihm reden – verstecke Dich Christel, ich will mir eine Lust machen.
Dritter Auftritt.
Marthe. Röschen. Christel. Michel. Der König.
MICHEL. Nu guten Abend, Kinder! guten Abend!
RÖSCHEN. Ihr seyd auch lange geblieben, Vater?
MICHEL ruft zur Thüre hinaus, indem der König noch nicht herein ist. Herein Schwager! – da bring‘ ich Euch einen Gast mit; dem müßt Ihr heute zu essen, und eine Streue auf die Nacht geben.
MARTHE. Ha, ich habe wohl einen bessern Gast – Siehst Du? Sie weißt auf Christeln, der ein wenig auf der Seite steht.
MICHEL stößt beynahe den König über den Haufen, um seinen Sohn zu umarmen. Unser Christel ist wieder da? dem Himmel sey’s gedankt!
DER KÖNIG. Beynahe, lieber Freund, hättet Ihr mich über den Haufen gerannt.
MICHEL. Der gute Junge! – Zum König. verzeiht mir, Freund, ich bin aber so froh, so froh – Er kehrt dem Könige den Rücken. Es ist mir, als ob’s ein Jahr wäre, daß ich Dich nicht gesehen, so sehr habe ich Dich vermißt. Laß sehen, wie siehst Du aus?
RÖSCHEN. Nicht wahr, Vater, ein bischen blaß?
MARTHE. Der arme Schelm wird sich mit dem hin und herlaufen erhitzt haben!
CHRISTEL. Seyd ruhig! Ich befinde mich wohl, und bin voller Freude, Euch so munter zu sehen!
MICHEL. Desto besser! – Zum König. Mit Erlaubniß! Er setzet sich. Kinder, helft mir doch ein bischen die Schuhe ausziehen! Ich bin heute so viel durch die Sträucher gekrochen, daß ich meinen Rücken nicht fühle. Sie sind alle um den Vater her, ihn zu bedienen; eines bringt eine Mütze, das andre die Pantoffeln, und das dritte macht ihm die Schuhe auf. Nu, Christel, hieher! – sage mir doch! – – Er fängt mit ihm an heimlich zu reden, nachdem spricht er zu Marthen mit gedämpfter Stimme, doch so, daß es die Zuschauer hören können. Du Marthe, stecke das kleine Fäschen Wein an, das wir so lange aufgehoben haben! Ich will heuteeinmal flott leben, da wir einen von’s Königs Leuten, und ihn selbst so nahe bey uns haben. – Er redt noch ein paar Worte heimlich fort, und steht nicht eher vom Stuhle auf, bis der König, auf die Seite zu reden, aufgehört hat.
DER KÖNIG während daß Michel mit Christeln heimlich schwatzt. Welches Vergnügen! endlich habe ich doch einmal die Freude, ein Mensch zu seyn, und die Natur in ihrer Unschuld zu sehen! – Bey dem, was Michel zu Marthen sagt. Ah! wenn mich alle meine Unterthanen so lieben, so ist es schon der Mühe werth, König zu seyn – – Unver gleichlich! sie sehen und hören mich nicht!
MICHEL welcher in demjenigen, was er heimlich zu seinen Kindern, und besonders zu Christeln gesagt, fortzufahren scheint. Aber Christel, – warum bist Du denn so geschwind wieder zurücke gekommen? – hat Dir’s geglückt?
CHRISTEL. O ja! ich habe mein Mädchen wieder so unschuldig, so schön, als jemals! Ach wann Ihr wüßtet, was das gute Kind ausgestanden hat!
MICHEL. Also hast Du wohl gar den König gesprochen?
CHRISTEL. Nein, Vater! Ich habe ihn nicht einmal zu sehen gekriegt, so sehr ichs gewünscht hätte. – Ja, das dauert mich! das dauert mich!
MICHEL. Warum denn nicht?
CHRISTEL. Weil – weil – Ich will Euchs schon erzählen, wenn wir alleine sind.
MICHEL. Recht Christel! Nu, wenn wir alleine sind. Ich muß Dir nur aber sagen, daß wir den König hier auf der Jagd gehabt haben. – Siehst Du? der da ist einer von seinen Leuten. Er hatte sich verloren, und ich habe ihn aufgelesen.
CHRISTEL. Sehr gut, mein Vater! Wir müssen ihm alles mögliche Liebes und Gutes erweisen.
DER KÖNIG. Ihr seyd sehr gütig, meine lieben Freunde! ich danke Euch!
MICHEL. Nu, Marthe, Röse! schafft uns bald was zu essen.
MARTHE. Ja, gleich will ich Anstalt machen, Vater.
RÖSCHEN. Es wird uns an einem Messer fehlen Zum Könige. Heh? hat Er etwan eins bey sich?
DER KÖNIG. Nein, liebes Röschen.
RÖSCHEN. Nu, so muß er mit unserm Küchenmesser vorlieb nehmen! Sie will abgehen.
MICHEL. Mädchen, vor allen Dingen bringe einen Krug Bier her! Der arme Herr mag indessen einen frischen Trunk thun! Ich weiß, daß er so durstig ist – es ist nicht mit den Leuten, wie mit unser einem.
DER KÖNIG. Ihr kommt mir doch in allem zuvor, guter Michel! Ich wollte Euch eben darum bitten.
RÖSCHEN. Gleich, gleich mein Herr!
DER KÖNIG greift ihr aus Kinn. Und es wird mir noch einmal so gut schmecken, wenn mirs Röschen bringt.
Welch ein schöner Gegenstand!
Eine Flasch‘ in Phyllis Hand
Sieht der ernste Weise blinken:
Heiter wird der finstre Mann,
Und der sonst nicht trinken kann,
Wird schon durstig, will schon trinken.
Sehet, Phyllis schenkt ihm ein!
Feurig glänzt ihr Aug‘ im Wein,
Das sonst Unlust schien zu trüben.
Trinkt ihr zu! sie langt schon her!
Sie war spröde, nüchtern er:
Er wird trinken, sie wird lieben!
Vierter Auftritt.
Der König. Michel. Christel.
DER KÖNIG. Das muß wahr seyn, Michel: Ihr habt ein paar allerliebste Kinder!
MICHEL. O das glaube ich! Ich war auch in meiner Jugend ein schöner Kerl: Marthe war auch hübsch; da müssen wohl hübsche Kinder kommen. – Zu Christeln. Aber erzähle uns doch, Christel, was hast Du denn Gutes in der Stadt gesehen und gehöret?
CHRISTEL. Je, da redt man von nichts, als von unserm guten Könige. Man weiß immer was von ihm. Da hat er einem Armen gegeben, dort einen Unschuldigen frey gemacht, hier einen zu seinem Rechte verholfen, dorteinen liebreich angehört; dem hat er lächelnd zugesprochen, jenem freundlich die Hand gedrückt: Graf und Edelmann, Bürger und Bauer, alles lobt und liebt ihn; denn er liebt wieder alle, als Unterthanen und Kinder. Ihr wißt, daß er letztens einmal krank gewesen, und es ist gewiß über einen Monat, und noch war die ganze Stadt voller Freude über seine Genesung.
MICHEL. Das glaube ich auch. – Die Gefahr, einen solchen Herrn zu verlieren! – Unser alter Pfarrer sagte immer: man sieht nicht eher, ob man einen Landsherrn lieb hat, als wenn er krank ist. – Giengs bey uns anders, als wirs hörten? Hätten wir nicht alle unser Leben zehnmal für ihn hingegeben?
DER KÖNIG seitwärts gerührt. Die schönste Lobrede, die ich noch auf mich gehört habe!
CHRISTEL. Ja, mein Vater! ach! alles war vergnügt und glücklich, außer ich nicht.
DER KÖNIG voller Empfindung und Lebhaftigkeit. Außer Ihr nicht, lieber Freund? – und warum nicht?
MICHEL. Ja, das ist nun so eine Historie, die Christel nicht jedem auf die Nase binden wird. – – Seht Ihrs? es war so eine Mädchenhistorie.
DER KÖNIG. Ja, da habe ich freylich kein Recht, darnach zu fragen. Verzeiht mir!
MICHEL. O! es hat nichts zu sagen. Aber ich dachte, Du hättest sie wieder? und sie wäre so unschuldig?
CHRISTEL. Ja, mein Vater; gewiß, ganz gewiß! und sie wird auch den Abend nach Tische kommen, und Euch selber davon überzeugen. – – Darf Sie? – O ja, lieber Vater!
MICHEL. Wenn Du meynst? – –
Fünfter Auftritt.
Die Vorigen. Röschen, mit dem Kruge.
MICHEL. Nu, kömmst Du? – trinks dem Herrn zu, er wird Dir einmal wieder auf Deiner Hochzeit aufwarten. – Zum Könige. Eskömmt auch Wein. Meine Frau steckt nur an. Das Auf den Krug zeigend. erfrischt ohnedieß besser. – – Nu, trinke Freund! Er klopft ihm auf die Achsel.
DER KÖNIG. Auf Eure Gesundheit, Vater Michel! und auch auf Deine, artiges Röschen!
MICHEL. Verzweifelt! Beynahe hätt‘ ichs vergessen: – Christel, ehe wir an irgend etwas denken! – Der Müller hat mir heute einen Sack Mehl gebracht, der muß aus dem Hofe herein ins Haus: er möchte draußen die Nacht über feuchte werden! Komm, hilf ihn herein schaffen!
DER KÖNIG. Ich will Euch helfen, Vater Michel, wenn Ihr wollt?
MICHEL. Nein, nein, das wäre zu viel. Er ist eben nicht so schwer. – Du Röse bleib‘, und vertreibe unserm Gast indessen ein bischen die Zeit!
RÖSCHEN die dem Vater nachläuft. Soll ich wenigstens nicht helfen?
MICHEL hinter der Scene. Nein, sag‘ ich Dir; Du sollst drinnen bleiben.
Sechster Auftritt.
Der König. Röschen.
DER KÖNIG Beyseite vorne am Theater. Es scheint, als traute sie mir nicht: – – für ein Bauermädchen ist sie artig genug – – die Natur giebt doch die schönste Schminke in der Welt! – unsre Damen sehen alle gegen sie krank aus. –
RÖSCHEN. Nu, was steht Er denn dort im Winkel und murmelt für sich? – Will Er sich nicht setzen? wart‘ Er, ich will Ihm einen Stuhl holen.
DER KÖNIG faßt sie bey der Hand. Nein, liebes Röschen: gieb Dir keine Mühe!
RÖSCHEN. Eine rechte Mühe, einen Stuhl zu holen! – – Wir sind hier keine Stadtjungfern – Pfuy! laß‘ Er mir doch die Hand los!
DER KÖNIG hält sie immer noch. Warum? ich will aber die Hand behalten.
RÖSCHEN entreißt sie mit Gewalt. O! ich brauche meine Hand selber! Die Komplimente stehen mir gar nicht an, zumal von Stadtherrn. Ich weiß lange, daß ihnen nicht viel zu trauen ist: versteht Er mich?
DER KÖNIG. O bey mir, kleine Lose, hast Du nichts zu fürchten.
RÖSCHEN. Ja, wers auch glaubte. – Seh‘ Er nur, wie Er mich ansieht, mit ein paar Augen, daß sich eins fürchten möchte. Ihn sollten auch die Mädchen wohl trauen? – Hört Ers nicht? Er soll mich nicht so ansehen.
DER KÖNIG lachend. Nur nicht so wilde, Kinde! sage mir doch, dürfen Dich die Bauren in Deinem Dorfe auch nicht ansehen?
RÖSCHEN. Ja, die Bauren: die mögen mich ansehen, wie sie wollen. Wenn ich nicht Lust habe, mich von ihnen begaffen zu lassen, so kehre ich mich um, aber bey Ihm schickt sichs ja nicht, daß ich Ihm den Rücken zukehre.
DER KÖNIG. Ey freylich wohl seh‘ ich Dir lieber ins Gesichte. – Aber sage mir Röschen, es sind wohl viele, die Dich gern ansehen mögen?
RÖSCHEN. Das versteht sich; aber ich denke, seht so lange ihr wollt, es wird doch nichts seyn!
DER KÖNIG. Sollte aber nicht einer unter ihnen seyn, den Du auch gern sähest, oder von dem Du Dich gern ansehen ließest.
RÖSCHEN lacht mit einer bäurischen Schamhaftigkeit. He he he he; ie nun ja, wenn er nur mit dem Sehen zufrieden wäre: aber –
DER KÖNIG. Aber er will damit nicht zufrieden seyn?
RÖSCHEN lachend. He he he he; wie ihr Mannsvolk seyd! Niemals habt ihr genug.
DER KÖNIG. Indessen, bist Du ihm doch gut? – – nicht wahr? gesteh mirs!
RÖSCHEN. Wer wollte auch Töffeln nicht gut seyn. Wir hätten einander lange genommen, wenn mein Vater nicht solche Sprünge machte. Er ist ihm nicht reich genug.
DER KÖNIG. O, Dein Vater muß Dir Töffeln geben! Er muß, denn ich will: durchaus will ichs haben!
RÖSCHEN. Ich will, durchaus will ich: ie ja doch, wie der Herr redt! »ich will!« als obs auf Ihn ankäme, daß mein Vater will, was Er will! So kann wohl der König sagen.
DER KÖNIG lachend. Sieh nur, Röschen, wenn ich sage: ich will, so heißt das nichts anders, als ich wünsche es. Bey Seite, indem er sich entfernt. Beynahe hätte ich den König im Ernste gespielt!
RÖSCHEN. Ja, nun wünscht Ers! – daß Er doch was hat, sich über mich lustig zu machen!
DER KÖNIG indem er sie liebkost. Nein, nein, mein gutes Kind! Du sollst sehen, ob ich mich über Dich lustig mache. Ich werde mit Micheln auf so eine Art reden, daß er schon wollen wird. Und siehst Du, ich verspreche Dirs im Voraus: ehe ich fortgehe, sollst Du Töffeln haben.
RÖSCHEN. Gewiß? ja, wenn Er mir das hielte! ich glaube, ich wäre Ihm selber gut! Aber denvornehmen Leuten mag so gar viel nicht zu trauen seyn. – Ha! mein Vater! –
Siebender Auftritt.
Michel. Christel. Marthe. Der König. Röschen.
MICHEL. Nu! Ihr werdet es nicht übel nehmen, guter Freund, daß ich Euch da bey meinem Mädchen alleine gelassen habe. Sie weiß freylich noch nicht mit Leuten umzugehn: aber ein guter Wirth muß für sein Haus zuerst sorgen!
RÖSCHEN bey Seite. Je, ja doch; die Väter denken immer, sie sind alleine klug.
MARTHE macht ihr ein Gesichte. Fein schnippsch! – – Zu Micheln. Nu, Vater, Ihr könnt essen, wenn Ihr wollt.
RÖSCHEN. Wir müssen den Tisch ein bischen vorrücken, daß man darhinter wegkann. – Christel greif zu! Sie will mit Christeln den Tisch anfassen, der König will ihr helfen.
DER KÖNIG. Ueberlasse mir das Amt, Kind! Du möchtest Dir Schaden thun.
RÖSCHEN stößt ihn weg. Schaden thun – hi hi hi hi. Je, nicht doch: ich denke, wir können auf dem Dorfe besser zugreifen, als die vornehmen Herren mit ihren weichen Pfötchen. Nein, nein, bey uns lassen wir uns die Gäste nicht aufwarten.
DER KÖNIG. Laß mich doch immer –
MICHEL geht hin. Pack an, Christel. – Sie nehmen den Tisch, und tragen ihn weiter auf dem Theater hervor.Nu, Marthe, Röse, geht und bringt das Essen herein. Röse und Marthe gehen ab.
Achter Auftritt.
Der König. Michel. Christel.
Indessen, daß Michel und Christel den Tisch zurechte rücken, trägt der König eine Bank herbey, und setzt zween Stühle oben an Tisch
MICHEL der ihm einen Stuhl aus der Hand reißt. Mit nichten, guter Freund! Bey uns ists Mode, daß wir die Fremden bedienen. Christel und ich, hätten schon die Bank hertragen, und die Stühle in Ordnung bringen wollen.
DER KÖNIG. Gut! gut! ohne Komplimente, Herr Michel! ohne Komplimente!
MICHEL reißt ihm den andern Stuhl aus der Hand. Das soll nun nicht seyn, Schwager! Einmal für allemal, muß es nicht nach Eurem Kopfe gehen!
Neunter Auftritt.
Marthe und Röschen, bringen das Essen. Der König. Michel. Christel.
MICHEL. Nu, geschwind gesetzt! Mich hat lange nicht so gehungert! Ich habe heute über der Jagd mein Halb-Abendbrodt versäumt. Desto besser wirds schmecken. – Heh guter Freund, setzt Euch auf den Stuhl! – Du, Frau, nimm den andern, und setze Dich hieher.
MARTHE mit vieler Ehrerbietung zu ihrem Manne. Nein, nein, lieber Mann! Du bist gewohnt, auf einem Stuhle zu sitzen.
DER KÖNIG. Laßt Euch doch nicht in Eurer Ordnung stöhren, guter Michel. Da! nehmt meinen Stuhl! ich sitze eben so gern auf einer Bank. – – In Wahrheit, es ist mir einerley: nehmt!
MICHEL zum König. Je der Henker, mit Euren Hofkomplimenten! Unser einer weiß ja auch zu leben. Denkt Ihr denn, daß wir nun so gar, wie die Schweine auf dem Dorfe leben, oder nicht so viel wissen daß ein Gast den besten Stuhl im Hause haben muß? Heh?
DER KÖNIG. Weil es so seyn muß – –
MICHEL. Recht so. – – Setze Dich Frau! ich will mich zwischen Christeln und Rösen setzen. – Sie setzen sich alle. Nu, wir möchten erst einen Schluck trinken. Das macht Appetit.
DER KÖNIG. Bravo! Ihr seyd doch ein Mann von Einsicht! Bey Euch muß man Appetit kriegen. Michel will ihm einschenken, er schlägt es aus, und greift nach der Flasche, die vor ihm steht. Mein guter Freund, schenkt Eurer Frau ein, ich will das Vergnügen haben, Röschen zu bedienen.
MICHEL. Auch das! – Greif zu Frau! Sie trinken alle dem König als ihrem Gaste zu. Auf Eure gute Gesundheit, Schwager!
CHRISTEL. Erlauben Sie mein Herr, Ihr Wohlergehn!
DER KÖNIG. Ich danke Euch allerseits, meine Freunde! – Er drückt Röschen die Hand. Ich danke Dir, artiges Röschen.
RÖSCHEN thut einen Schrey. An Gemine! drücke Er mich doch nicht so! das Ding thut weh!
MICHEL. Nu nu, er wird Dir doch die Hand nicht zerquetscht haben!
DER KÖNIG. Um Vergebung, schönes Kind! Ich dachte nicht, daß es weh thun sollte.
MICHEL. Nu, langt zu, Kinder, langt zu! – Ohne viel Umstände, Herr Gast! Es ist nicht schwer, es ist schon alles zerschnitten, alles Maulrecht.
DER KÖNIG. Ja ja, ohne Umstände! – Er legt Röschen vor. Ich darf doch meiner Nachbarinn vorle gen? Nicht wahr, mein Kind?
RÖSCHEN. O geb‘ Er sich keine Mühe! Er ist auch gar zu höflich!
MICHEL zu Marthen. Nimm doch Frau! – Langt zu, Kinder! Hört Ihr nicht? Ich bin versorgt. Sie lassen sichs sehr gut schmecken, besonders der König, der mit vieler Begierde ißt; dieß verräth sich durch ein öfteres Stillschweigen. – ha! das ist ja so stille, daß man ein Mäuschen hören könnte! – – Wieder eine kleine Pause. Das geht gut! – sind wir doch alle so hungrig, wie die Wölfe.
DER KÖNIG der sehr geschwind ißt. Der Schinken ist auch so vortrefflich! – und so schmackhaft zugerichtet!
MARTHE. Es mag wohl nicht seyn! – ie nu, Hunger ist der beste Koch.
CHRISTEL. Nein, nein, liebe Mutter! Der Herr ist so gütig, daß er das gut findet, was wir ihm aus gutem Herzen geben!
DER KÖNIG der es sich noch immer vortrefflich schmecken läßt. Bey meiner Ehre! ich dächte, es hätte mir in meinem Leben nichts so gut geschmeckt? – – Der Schinken ist so gut, so gut –
MICHEL nimmt die Flasche. Aber, ich dächte: wir tränken nun wieder eins dazu.
DER KÖNIG. Recht, Herr Wirth! Der Fisch muß schwimmen. Ich habe ohnedieß meinerNachbarinn ein Räuschchen zugedacht: ich möchte wohl an ihr versuchen, ob der Wein Feuer hat.
RÖSCHEN hebt ihr Glas in die Höhe. Warum sollte er nicht? der Vater hat ihn ja lange genug warm gehalten. Sie trinken und stoßen mit den Gläsern zusammen.
MARTHE zu Christeln. Heh, Christel! schmeckt Dirs nicht? warum greifst Du nicht zu?
CHRISTEL. Ich bin satt, liebe Mutter.
MICHEL mit vollem Munde. Nu, Christel, wenn Du nicht mehr ißt, so sing‘ uns eins! – Du kannst ja solche hübsche Liederchen auf Dein Mädchen.
DER KÖNIG. Sieh da, Monsieur Christel! habt Ihr ein Mädchen? Ah, wenn sie so hübsch ist, wie Ihr seyd: so muß das ein artges Pärchen werden.
MICHEL. Ein Kernmädchen! Das Ding ist ihm nur ein bischen untreu worden, und ich denke immer, ich denke –
CHRISTEL. Nein Vater, ich schwöre Euch! – –
RÖSCHEN. Ja gewiß, Christel hat Recht!
MARTHE. Ich dächte selber.
DER KÖNIG. Ich glaubte, unsre Damen in der Stadt wären nur so ein wenig flatterhaft? – – Erzählet uns doch etwas von der Geschichte, lieber Freund!
MICHEL immer im Käuen. Laßt ihn gehen, Ihr macht den armen Buben nur roth. – Nu Christel, sing‘ uns eines dafür! Hörst Du?
MARTHE. Ja, singe Christel! das macht Dich ein bischen wieder munter. Vielleicht kömmt Dein Hannchen indessen.
RÖSCHEN. Ja ja, Christel; wenn Du singst, so sing‘ ich darnach auch eins.
DER KÖNIG. Vortrefflich, Röschen!
MICHEL. Nu, Christel! ziere Dich nicht! – Singe! ich wills haben.
CHRISTEL. Weil Ihrs so haben wollt, Vater! ich würde es sonst nicht wagen, mich vor demHerrn da hören zu lassen: der Herr ist gewiß ein besser Singen gewohnt.
MICHEL. Possen! ich wüßte nicht, wie man besser singen könnte!
CHRISTEL. Schön sind Rosen und Jesmin,
Wenn sie noch im Lenzen
Unberührt am Strauche blühn,
Und vom Thaue glänzen:
Aber reizender als die,
Blühen Iris Wangen;
Keusche Liebe färbte sie:
Selig, wem sie prangen!
Sanft und lieblich ist der West:
Thal und Aue lächelt,
Wann er an der Flora Fest
Ihre Kinder fächelt:
Aber sanfter dünken mich
Worte meiner Schönen;
Ohr und Herz erquicken sich:
Selig, wem sie tönen!
Süß ist frisch gepreßter Most
Aus den reifsten Trauben;
Süß der kleinen Bienen Kost,
Die sie Bluhmen rauben:
Aber süßer ist der Kuß,
Den mir Iris gieber,
Den kein Dritter sehen muß:
Selig, wen sie lieber!
DER KÖNIG. Allerliebst! Das Lied ist aus der Stadt, und mem Freund singts recht gut!
MICHEL. O, ich glaubs wohl! dafür hat mein Sohn auch ein bischen gestudiert.
DER KÖNIG. Nun, Röschen! nun wird wohl die Reihe an Dir seyn?
RÖSCHEN. Meinethalben; ich lasse mich nicht lange bitten, und singe, wie mir der Schnabel gewachsen ist!
Wollt ein großer König mich
Gleich zur Frau begehren;
Dennoch, glaub‘ ich sicherlich,
Würd‘ ich ihn nicht hören;
König hin, und König her!
Töffel ist ein Mensch wie er;
Froh zu seyn, bedarf man wenig,
Und wer froh ist, ist ein König.
MICHEL. Ey Röse, Röse, was singst Du? Ein König und Töffel? Schämst Du Dich nicht?
DER KÖNIG. Und warum? Vielleicht hat sie so gar unrecht nicht. Wer weiß, haben die Könige oft so viel Ursache zufrieden zu seyn, als Röschens Töffel.
MICHEL. So müssen sie wenigstens nicht so gut seyn, als der unsrige. Denn, seht nur Freund, wer so viel Menschen glücklich macht, als der, der kann nicht unzufrieden seyn.
RÖSCHEN. Je nu, unser König; der wird auch nicht kommen: dem würde ichs freylich nicht abschlagen.
DER KÖNIG. Das verdiente ein Mäulchen. Er küßt sie.
RÖSCHEN ganz beschämt wischt sich den Backen. Pfuy; er ist auch gar zu liberalisch. Wir sind noch nicht so bekannt.
MICHEL zu Rösen. Nu nu, er sieht wohl, daß Du nicht häßlich, oder dumm bist – – Ernsthaft zum Könige. Aber ich bitte mir aus, daß derSpaß nicht oft kömmt. Man hat so genug an dem Mädchen zu hüten. Ihr hört wohl, daß sie schon einen auf dem Rohre hat.
DER KÖNIG lustig. Nu nu, Pardon, lieber Papa Michel! Jungfer Röschen machte es gar zu hübsch. Ich mußte mich im Namen unsers Königs für ihre gute Meynung bedanken!
MICHEL schenkt sich ein. Es ist kein großes Unglück. – – Nu wird wohl die Reihe an mir seyn, ein Liedchen zu singen; aber – Zum König. Ihr werdet doch nicht vergessen, mir auch einen Schmatz zu geben, wenn ichs verdienet habe? – Lachend. he he he he, Er probiert. halt, ich muß mich ein bischen besinnen; la la la la – ha, nun hab‘ ichs.
Arie.
Ich liebe die Mädchen, ich liebe den Wein:
So singen die Jungen,
So denken die Alten
So hab ich gesungen,
So will ichs noch halten!
Die Liebe macht menschlich, und fröhlich der
Wein.
Nicht wahr, ihr stimmt mit ein?
Zu den übrigen.
Heh! singt mit!
CHOR.
Wer wünschet nicht menschlich, und fröhlich zu seyn?
Drum lieb‘ ich die Mädchen, und liebe den Wein.
MICHEL ALLEIN.
Wenn öfter sich Prinzen
Beym Weine vergnügten,
Und minder Provinzen
Als Mädchen bekriegten,
Sie würden sich Brüder und Väter uns seyn
Nicht wahr? Ihr stimmt mit ein?
Zu den übrigen.
CHOR.
O. liebten sie Mädchen und liebten sie Wein,
Sie würden sich Brüder, und Väter uns, seyn.
MICHEL ALLEIN.
Der König soll leben!
Wohl müß‘ es ihm gehen!
Was ist sein Bestreben?
Uns glücklich zu sehen.
Er liebet sein Weibchen, und trinket gern Wein,
Nicht wahr, ihr stimmt mit ein?
Zu den übrigen.
Ha! hierzu aus vollem Halse angestimmt!
CHOR.
Der König macht glücklich: er selbst muß es seyn!
Er liebet sein Weibchen, und liebet den Wein.
MICHEL. Noch einmal! sie wiederholen das Chor. Ah! guter Freund! geschwind ein Volles auf die Gesundheit dieses guten Herrn! – Aber Ihr werdet ihm doch auch ein Wörtchen davon sagen? Ihr sprecht ja, Ihr kämt ihm bisweilen nahe. – Hört! sagts ihm. Wollt Ihr? Versprecht mirs, daß Ihrs thun wollt!
DER KÖNIG äußerst gerührt. Hier habt Ihr mein Wort! er soll es sicher erfahren. Sie schenken sich ein, und stoßen alle mit dem Könige zusammen.
MARTHE erhebt sich, um anzustoßen. Sag‘ Er ihm, daß wir ihm tausend Seegen wünschten.
MICHEL steht auf, und stößt an. Und daß er uns mehr, als alles wäre!
RÖSCHEN auch aufstehend und anstoßend. Und daß wir ihn lieber, als unser Leben hätten!
CHRISTEL steht auf, und streckt sich über den Tisch, um anzustoßen. Und daß wir ihn anbeteten!
DER KÖNIG auf einen so hohen Grad gerührt, daß er im Begriff ist, Thränen zu vergießen. Ich kann – – mich nicht mehr – der Thränen enthalten – Thränen der Liebe und Freude – – Wendet sich weg.
MICHEL zum Könige. Nu, was bedeutet denn das? Ihr dreht euch weg? Haben wir etwan in dem Unrecht, was wir von unserm braven Fürsten sagen? heh?
DER KÖNIG unterbrochen. O nein, meine Freunde! – Noch mehr! Eure Liebe für Euren König rührt mich so sehr, daß ich – daß ich – auch eins singen muß!
Welche königliche Lust!
Seinen Thron auf Liebe gründen,
Und in eines jeden Brust
Lieb‘ um Liebe wieder finden!
Im geringsten Unterthan
Kinder, Freunde, Brüder finden,
Und der Gottheit Glück empfinden;
Daß man glücklich machen kann!
ALLE. O ein solcher ist unser König!
DER KÖNIG. Gut, gut! auf die Gesundheit dieses Fürsten! Sie fangen von neuen an, mit den Gläsern zusammen zu stoßen.
MARTHE. Dieses besten Fürsten!
RÖSCHEN. Dieses liebsten Fürsten!
MICHEL. Dieses braven Herrn!
CHRISTEL. Dieses großen Königs!
MICHEL. Auf die Gesundheit seiner Frau, und seiner Kinder und Kindes-Kinder, sie mögen da seyn, oder noch kommen! – Ah! erzählt uns doch so was Gutes von unserm Könige vor! – Ich weiß gar nicht, warum Ihrs Maul nicht so recht zu seinem Lobe aufthut? Ihr werdet Euch doch nicht fürchten, Eurer Zunge Gewalt anzuthun. Ich glaube, meiner Treu, er hat Euch was nicht nach Eurem Kopfe gemacht? Aber ich rathe Euch Gutes! Er klopft auf den Tisch.
DER KÖNIG in der äußersten Rührung. – – Vergebt mir! – Ja doch! Ja doch! – – von ganzem Herzen auf die Gesundheit – – dieses guten Mannes!
MICHEL eh‘ er sein Glas ausleert. Dieses guten Mannes! – – Verzweifelt! es kostet Mühe genug, ehe man Euch das herauszerrt.
MARTHE nachdem sie getrunken hat. Und es läuft einem doch von seinem Lobe das Maul voll!
RÖSCHEN. Wenigstens darf man nicht lange drauf sinnen.
CHRISTEL. Es kömmt aus vollem Herzen.
MICHEL. Der Henker! das schmeckt, wenn man auf die Gesundheit eines solchen Herrntrinkt! – Nu, ich bin satt, Ihr auch? – Sie trinken. – Gut, so wollen wir aufstehen. Es ist ohnedieß, wenn man einmal auf die Gesundheit des Königs getrunken hat, als wenn kein Tropfen weiter hinunter wollte.
CHRISTEL. Vater! wir wollen den Tisch wieder an seinen Ort setzen, daß man bequemer abräumen kann, und wir ein bischen mehr Platz kriegen.
MICHEL. Recht Christel! Zum Könige, der den Tisch will wegtragen helfen. Potzstern! Kommt Ihr mir schon wieder mit Euren Komplimenten? Einmal, für allemal: Ihr sollt nicht!
DER KÖNIG der immer fortfährt, Handreichung zu thun. Wenns nicht anders seyn kann! Aber ich werde doch Röschen ein bischen helfen dürfen?
MICHEL. Nein, sag‘ ich! – – Marthe, Röse, greift zu! machet daß Ihr fertig werdet. Ihr müßt auch noch dem Herrn weiß überziehen! Ich will, daß er in meinem Bette schlafen soll. Denn er gehört unserm König zu!
RÖSCHEN. Nein, in meinem, Vater!
CHRISTEL. Ich dächte, lieber Vater, es schickte sich für mich am besten, daß ich ihm das meinige einräumte.
DER KÖNIG. Durchaus nicht, lieber Freund, ich bleibe hier. Ein frisches Bund Stroh –
MICHEL. Je, warum nicht gar im Stalle! Ich bin Herr in meinem Hause, und will, daß er inmeinem liegen soll; meine Frau und ich wollen uns eine Streu machen, damit er recht geräumlich liegt: denn er ist in Diensten unsers Fürsten, und will ihm sagen, wie lieb wir ihn alle haben, und da muß es ihm an keiner Bequemlichkeit fehlen.
DER KÖNIG immer gerührt. Ich sehe wohl, Euch ist nicht zu widerstehen. – Er nimmt ein paar Teller vom Tische. Sage mir einmal, Röschen, wo muß ich das hintragen?
RÖSCHEN. Ich werde gewiß noch böse. Muß er denn überall die Hände haben?
MICHEL. Fürn Henker, es ist auch wahr. Fallt Ihr doch nicht in Ihr Handwerk! Seyd Ihr denn auch so fix, wenn Ihr unsern Herrn bedienet?
DER KÖNIG hilft vollends das Tischtuch abnehmen. Gut, gut! Ich will mich in nichts weiter mengen. – Da! nun ists geschehen! Es wird an der Thüre gepocht.
MICHEL. Es pocht jemand. – Heh, Christel! sieh doch, wer draußen ist? Marthe und Röse tragen die Tischsachen fort.
CHRISTEL. Gleich, Vater; – ich wette, daß es Hannchen ist – Er geht hinaus.
Neunter Auftritt.
Der König. Michel. Christel. Hannchen.
CHRISTEL. Da bringe ich Sie! – O mein Vater! seht nur, wie schön sie ist?
MICHEL. Ja ja, sie kann paßiren: aber auch klug? Nach einer solchen Historie, wie sie gespielet hat –
CHRISTEL. Lieber Vater, sie ist unschuldig: ja, gewiß ist sies. – Seht nur, wie sie weint!
HANNCHEN. Ich gestehe, mein lieber Vater, daß meine Unschuld Euch verdächtig seyn kann. Aber der gottlose Graf von Schmetterling hat mich auf eine heimtückische Art, und wider meinen Willen entführen lassen! – Meine Thränen –
CHRISTEL. Ja gewiß, – und hat sie durch Versprechungen und Drohungen mir abwendig machen wollen; aber sie ist mir doch treu geblieben.
DER KÖNIG bey Seite. Graf Schmetterling? – Laut.. – Wer ist das Mädchen? sie ist artig und nimmt für sich ein.
MICHEL. Freylich wohl! nur Schade, daß man den Mädchen nicht alles auf ihr Wort glauben darf. Könnte sie sich nicht eben so gut an Grafen verkauft haben? – Man pocht wieder. Nu, was ist denn wieder für ein Lärmen an der Thüre? Gehts doch heute bey mir, wie in der Schenke!
Zehnter Auftritt.
Die Vorigen. Marthe. Röse. Töffel.
MARTHE UND RÖSE zugleich. Da Vater / Da Michel ist Töffel, der hat mit den Bauren ein paar Wilddiebe eingehascht.
TÖFFEL. Nicht anders! sie sagten zwar: sie gehörten zum Könige: aber im Finstern sehen alle Kühe schwarz, und endlich können ein paar Schnapphähne einem paar Leuten des Königs auch ähnlich sehen.
MICHEL. Nu, habt Ihr sie denn nicht zum Oberförster geführt?
TÖFFEL. Je, der faule Teufel lag schon auf einem Ohre, und da ich ihn endlich herauspochte, guckte er oben zum Kammerfenster heraus, und sagte: der Richter möchte sie derweile in Arrest nehmen.
MICHEL. Was einem ein solches Amt nicht für Noth machet! – Doch eben fällt mir ein – Zum Könige. Ihr sprecht ja, Ihr gehörtetauch zum Könige; da können wir ja gleich dahinter kommen, ob die Pursche lügen? – Ihr sollt sie doch wohl kennen?
DER KÖNIG. Warum nicht? – laßt mich nur ein bischen auf die Seite treten; ich möchte wohl erst von weitem sehen, wer es wäre?
MICHEL. Warum nicht in der Nähe? Sollte man doch fast glauben, Ihr hättet selber kein gutes Gewissen. – Zu Töffeln. Laßt sie hereintreten. Der König stellt sich auf die Seite, wo eine Handquele hängt, und bedeckt sich damit.
Eilfter Auftritt.
Der König. Michel. Marthe. Röse. Christel. Hannchen. Töffel. Der Graf von Schmetterling. Der Herr von Treuwerth. Beyde werden von etlichen Bauren hereingebracht.
HANNCHEN. Himmel! der Graf von Schmetterling! Sie läuft und versteckt sich hinter die aufgemachte Thüre.
MICHEL der es gehört, bey Seite. Hum! ist das der Zeisig? – Wir wollen thun, als kennten wir einander nicht. – Zu beyden. Sagt mir doch, Ihr Herren, wer seyd Ihr denn?
GRAF VON SCHMETTERLING. Wir könnten wohl fragen, wer Ihr wäret, daß Ihr Euch untersteht, uns zu fragen?
MICHEL. O! ich scheue mich nicht, meinen Namen zu sagen. Ich bin hier Richter im Dorfe, und heiße Michel, und lasse alle diejenigen beyn Ohren nehmen, die sich unterstehen, meinem gnädigen König ins Gehege zu gehn!
GRAF. Der Schurke! – und ich werde bald ein Recht haben, Euch derb ausprügeln zu lassen.
TÖFFEL. O! o! o! da soll Er kommen! Wir wollen mit unsern Knitteln schon unsern Richter in Schutz nehmen.
VON TREUWERTH. Pfuy, Graf! der Mann handelt nach seiner Pflicht. – Zu Micheln. behaltet uns hier, Freund! Ihr sollt morgen erfahren, wer wir sind. Das Gewitter hat uns heute auf der Jagd überfallen; wir haben uns vom Könige verloren, und sind im ganzen Walde herum gelaufen, um ihn aufzusuchen.
MICHEL. Nu, das ist doch noch ein Wort! Aber jener sieht mir gar, wie einer aus, der nichtnur dem Wilde, sondern auch den Menschern aufpaßt.
CHRISTEL. Ja, er ists! Ich kenne ihn, und er hat mir meine Braut Hannchen entführt! – –
GRAF. Ha! bist Du der würdige Bräutigam? Warte, Warte! So ein Bauerlümmel sollte sich wohl unterstehen – Der König tritt hervor. was seh ich? – – der König?
VON TREUWERTH. Der König! dem Himmel sey Dank! –
Michel, Marthe, Töffel, Röschen, Christel fallen alle ganz betäubt dem Könige zu Fuße; auch Hannchen kömmt hervorgesprungen, der Graf erschrickt, beißt die Zähne zusammen, und sucht seine Verwirrung zu verbergen; die andern schreyen voller Bestürzung und Freude.
Wie? der König? unser König! unser bester, unser großer, unser gütigster König!
DER KÖNIG mit vieler Empfindung. Steht auf, meine guten Leute! steht auf, meine Freunde! steht auf, meine Kinder! ich bitte Euch! ich befehle Euch! Sie stehen auf.
HANNCHEN bleibt alleine liegen. Nein, gnädigster Herr. Ich werde nicht eher aufstehen, bis ich sie um Gerechtigkeit wider diesen Herrn Auf den Grafen zeigend. angefleht habe. In dem Augenblicke, da ich im Begriffe war, den guten Christel zu heurathen – die Thränen lassen mich nicht weiter reden! –
DER KÖNIG hebt sie auf mit einer ernsthaften Mine zum Grafen. Graf! – was sagen Sie dazu? – Nach einer Pause. nun, werde ich keine Antwort erhalten?
GRAF der sich ein wenig gefaßt. Eine Kleinigkeit, Ihro Majestät! – – Warum sollte ich nicht eine kleine Galanterie gestehen?
DER KÖNIG. Und diese Galanterie bestand? –
GRAF mit einem gezwungnen Lächeln. Ich will es Ihro Majestät frey gestehen. Das Mädchen gefiel mir. – Ich glaubte, sie würde etwan Lust haben, einmal die Stadt zu sehen, und verschaffte ihr also dadurch die Gelegenheit. Freylich geschah es, ohne sie darum zu fragen –
DER KÖNIG fällt ihm in die Rede. Ohne sie darum zu fragen? – – Also hat man Gewalt gebraucht?
GRAF. Wenn man es so nennen will, Ihro Majestät? – – mein Kammerdiener hat mir sie verschafft. – Es mag ihm freylich viel Mühe gekostet haben: aber ich bin auch bereit –
DER KÖNIG in einem nachdrücklichen Tone. Und diese Gewaltthätigkeit will ich bestrafen.
GRAF. Nur nicht mit Ihrer Ungnade! Ich gestehe mein Verbrechen. Es hat mir aber wenig geholfen. Hannchen ist tugendhaft. Sie hat mir aufs äußerste widerstanden, und alle meine Angriffe zu nichte gemacht. Der Himmel ist mein Zeuge, daß es so ist, und er strafe mich, wo ich eine Unwahrheit sage! – –
DER KÖNIG. Euer Bekenntniß thut mir noch kein Genüge! Es ist nicht genug, daß das arme Mädchen hierdurch vor diesen Leuten gerechtfertiget wird; es bleibt allezeit von Eurer Seite ein Verbrechen. Ich bin ihnen eine Genugthuung schuldig. Also befehle ich, daß Ihr diesem Mädchen eine Ausstattung von 2000 Rthlr. gebt, und –
HANNCHEN. Nein, gnädigster König! Ich werde sie nicht annehmen. Ich würde mich entehrt glauben, wenn ich solche Wohlthaten erhielt, die allezeit einen gerechten Verdacht zurücke lassen könnten –
CHRISTEL. O, unvergleichliches Hannchen! Das Geständniß des Grafen, noch weit mehr Dein Entschluß, ein solches Schandgeld nicht anzuneh men,überzeugt mich vollends ganz von Deiner Unschuld. – Nein, ich bin strafbar, daß ich nur einen Augenblick auf Dich einen Verdacht habe werfen können. Wir brauchen kein Geld –
MICHEL. Recht so, Christel! und morgendes Tages sollst Du das gute Kind heurathen.
DER KÖNIG. Ich sehe, daß edle Gesinnungen auch bey geringen Personen anzutreffen sind. – – Wohlan, so nehme ich die Schuld des Grafen über mich. – Zum Grafen. Ihr, Graf, werdet Euch unverzüglich entfernen, und ohne ausdrücklichem Befehl es niemals wagen, am Hofe zu erscheinen. Der Graf geht demüthig und beschämt ab. – Nun aber, meine Kinder, habe ich noch andre Pflichten zu erfüllen. Fürs erste gebe ich also diesem gutenMädchen Auf Hannchen zeigend. und Eurem Sohne, mein guter Wirth, 2000 Rthl. – Aber Ihr wisset vielleicht nicht, daß ich Eurer Tochter versprochen habe, daß sie ihren guten Freund, Töffeln, zum Manne haben soll? Er ist arm, wie ich gehört habe, und um den Schaden gut zu machen, gebe ich ihm auch 2000 Rthlr. mit der Bedingung, daß Ihr sie zusammen vereinigt!
TÖFFEL springt und tanzt vor Freuden. Zweytausend Thaler! und Röschen! wer ist reicher als ich!
Alle zugleich.
MICHEL. O! welch ein guter Herr!
CHRISTEL. Ach! allergnädigster Herr!
RÖSCHEN UND HANNCHEN. O! was für ein allerliebster Herr!
DER KÖNIG. Treuwerth! sorge Er dafür, daß die 4000 Rthlr. morgendes Tags ausgezahlt werden.
TREUWERTH mit einer Verbeugung. Ach! wie entzücken mich Ihro Majestät durch Ihre Gerechtigkeit und Güte! Sie handeln itzt als König und Vater! Aber darf ich Eine Bitte wagen, so setzen Sie sich nicht mehr den Gefahren der Jagd aus! Sie sind Ihr Leben einem Volke schuldig, das Sie anbetet!
DER KÖNIG mit der größten Güte. Recht, mein lieber Freund! Ich werde künftig behutsamer seyn.
MICHEL sehr lebhaft. Verzweifelt, Herr König! Der Edelmann redt, wie sichs gehört. Ja, Sie müssen uns Ihr Leben erhalten. Wir haben Sie alle so lieb, so lieb –
ALLE BAUREN, die zugegen sind, und um den König hertreten mit vielem Ungestüm. Ach ja, lieber Herr! unser Vater, und unser Freund! Erhalten Sie sich uns! Erhalten Sie sich uns ja! so lange Sie können!
DER KÖNIG indem er sie rund umher ansieht. Welch ein entzückender Anblick!
MICHEL mit der äußersten Treuherzigkeit. Ja mein Seele! Sie müssen sich schonen! Sie haben da unser junges Volk verheurathet, und Sie müssen machen, daß auch noch die Kinder von ihnen einen solchen Landesvater kriegen. – – Aber das muß wahr seyn; unser Herr ist doch der beste Mann aufm Erdboden! – Sie sind doch nicht böse, daßwir Sie so schlecht bewirthet haben, Herr König? Ja, das hätte ich wissen sollen! –
MARTHE. Ja, ich auch! mich ärgern nur die fetten Kapphähne, die ich auf dem Hofe herumlaufen habe – – hätte ich gewußt –
DER KÖNIG. O, meine guten Leute, Ihr habt mich vortrefflich bewirthet, und ich danke Euch dafür. Aber ich habe der Ruhe nöthig: nun nehme ich Euer Bette an. – Wir bleiben allezeit gute Freunde, Herr Michel?
MICHEL. Ah! wer hätte das in der Welt glauben sollen daß ein so großer König heute in meinem Bette schlafen sollte. – Zu Treuwerth. Er, guter Freund, soll in meines Sohnes Bette schlafen! und die Mutter inRösen ihren. Es ist billig, daß unsere jungen Leute heute sich die ganze Nacht durch lustig machen, und ich will auch heute jung seyn. – – Christel und Röse, das Fäßchen muß heute alle werden.
DER KÖNIG. Recht so! ich will morgen meine Zeche dazu geben. Michel und Treuwerth führen den König zu Bette.
MICHEL zupft den König im Herausgehn. Heh, Herr König! noch ein Wörtchen!
DER KÖNIG. Nun?
MICHEL lachend. He he he! darf ich?
DER KÖNIG. Alles Michel, nur heraus!
MICHEL. Wenn nu etwa unser Völkchen übers Jahr –
RÖSE zupft Micheln. Pfuy Vater! schämt Euch doch!
MICHEL. Es hat sich schämen! Der Herr König weiß lange, was in Jahr und Tag bey solchen raschen Leutchen nach einer Hochzeit zu paßiren pflegt.
DER KÖNIG. Recht, Michel! Ihr hofft alsdann Großpapa zu werden? – Topp, Herr Gevatter Michel! Ihr schickt mir bey Euern Enkelchen einen Gevatterbrief.
MICHEL. Ein Mann, ein Wort! Juchhe, Herr Gevatter König! das laßt mir einen Gevater seyn! Der König geht ab.
MICHEL der den König begleitet, kehret sich im Herausgehn zu den übrigen. Nu; ich komme gleich wieder, wenn ich den Herrn König hinaufgeleuchtet habe! – Frau hole Wein! und Ihr: Zu den Bauren, die noch da sind. geht in die Schenke, und bringet mir, was Ihr da noch aufn Beinen findet. Ich weiß sicher; heute ist unserm Könige zu Ehren alles dort von unsern Nachbarn voll, und erzählet sich einander bey einem Kruge Bier von ihm. Sie werden ihn auch alle gerne sehen wollen; je nun, da können sie ihn zu sehen kriegen, wenn er morgen fortreutet. Marthe gebt ab, und kömmt bald mit einigen Flaschen Wein wieder.
Zwölfter Auftritt.
Christel. Hannchen. Töffel. Röschen.
CHRISTEL.
Holdes Glück, mit welchen Freuden
Krönst du meine Zärtlichkeit!
HANNCHEN.
Mit wie viel Zufriedenheit
Lohnst du meiner Liebe Leiden!
TÖFFEL.
Reich an Liebe, reich an Freuden
Jauchz‘ ich: Rös‘ ist morgen mein!
RÖSCHEN.
Freylich werd ich Deine seyn,
Denn Du weißt, ich kann Dich leiden!
ALLE VIERE.
Welches Glück, und welche Freuden!
Welch ein Lohn für unser Leiden!
RÖSE, HANNCHEN, TÖFFEL, UND CHRISTEL.
Morgen bist Du mein!
Morgen werd‘ ich Deine seyn!
Letzter Auftritt.
Michel. Marthe. Die Vorigen.
Die abgeschickten Bauren kommen zu gleicher Zeit zurück, und bringen noch eine Gesellschaft mit.
MICHEL. Nu, da sind wir ja alle wieder beysammen. Frisch, meine Kinder, Freunde, Nachbarn und Gevattern, laßt uns eine Runde unserm guten Könige zu Ehren anstimmen!
Divertissement.
MICHEL.
Wer wollte nicht sein Gut und Leben
Für einen solchen König geben,
Der uns wie seine Kinder liebt,
Uns Ruhe, Glück und Freyheit giebt.
Auch fühl‘ ich mich aufs neu verjünget:
Es jauchzt mein Mund, mein Herze springet:
Es lebe der König, mein Marthchen, und ich!
Der König für alle! mein Marthchen für mich.
CHOR.
Es lebe der König, mein Schätzchen, und ich!
Der König für alle, mein Schätzchen für mich.
MARTHE.
So spröde mich die Jahre machen,
So hätt‘ ich heute Lust zu lachen;
(O was ein guter König thut!)
Mein Auge glänzt, es wallt mein Blut.
Dir, Michel, hüpft mein Herz entgegen,
Und wünscht dem, der uns segnet, Segen!
Es lebe der König, mein Michel, und ich!
Der König für alle! mein Michel für mich!
CHOR.
Es lebe der König, mein Schätzchen, und ich etc.
CHRISTEL.
Mein Glücke blüht in vollem Lenzen;
Zu Hannchen.
In dir seh ich den Morgen glänzen;
O Lieb‘ und Eintracht, welches Glück
Verspricht uns jeder Augenblick!
Und wer hat uns dieß Glück gegeben?
Der beste König! er soll leben.
Es lebe der König, mein Hannchen, und ich!
Der König für alle mein Hannchen für mich!
CHOR.
Es lebe der König, mein Schätzchen, und ich etc.
HANNCHEN.
Dich hab‘ ich, Christel! Diesen Morgen
War mir die Sonne noch verborgen:
O wie entzückend! o wie schön
Seh ich sie jetzund untergehn!
So siegt, von Unschuld unterstützet,
Die Schönheit, wenn ein Fürst sie schützet!
Es lebe der König, mein Christel, und ich!
Der König für alle! mein Christel für mich!
CHOR.
Es lebe der König, mein Schätzchen, und ich etc.
TÖFFEL.
Ich taumle noch, als wie im Traume:
Aus einem Pilz werd ich zum Baume;
Zweytausend Thaler bin ich werth,
Vorher kaum funfzig. – Unerhört!
Nun wird sich Michel nach mir reißen:
Das laßt mir einen König heißen!
Es lebe der König, mein Röschen, und ich!
Der König für alle! mein Röschen für mich!
CHOR.
Es lebe der König, mein Schätzchen, und
ich etc.
RÖSCHEN ans Parterr.
Hat Euch, Ihr Herrn, der Fürst gefallen:
So glaub ich auch, es fällt Euch allen,
(Wie kann es anders möglich seyn?)
An Gnad‘ und Huld ein gleicher ein.
Verbeut die Ehrfurcht, ihn zu nennen,
Genug, daß wir ihn alle kennen.
Es lebe der Churfürst, mein Töffel, und ich!
Der Churfürst für alle! mein Töffel für mich!
DER GANZE CHOR.
Es lebe der Churfürst, mein Schätzchen, und ich!
Der Churfürst für alle! mein Schätzchen für mich.
Nach Gutbefinden kann mit einem Bauertanz beschlossen werden.
Ende des Stücks.