Giuseppe Verdi
Der Troubadour
Oper in vier Aufzügen
Personen
Leonore, Gräfin von Sargasto, Palastdame (Sopran)
Inez, deren Vertraute (Sopran)
Graf von Luna (Bariton)
Ferrando, sein Anhänger (Baß)
Azucena, eine Zigeunerin (Mezzosopran)
Manrico (Tenor)
Ruiz, Manricos Vertrauter (Tenor)
Ein alter Zigeuner (Baß)
Ein Bote (Tenor)
Anhänger und Diener des Grafen. Anhänger und Diener Manricos. Gefährtinnen Leonorens. Nonnen. Soldaten. Bewaffnete. Krieger. Zigeuner und Zigeunerinnen
Ort der Handlung: Teils in Biscaya, teils in Arragonien.
Im ersten Aufzug: Vorhalle im Palaste Aliaferia. Dann Garten des Palastes. Im zweiten Aufzug: Verfallenes Gemäuer eines alten Schlosses. Dann Klosterkreuzgang. Im dritten Aufzug: Lager mit Zelten. Dann Saal auf der Feste Kastellor. Im vierten Aufzug: Seitenflügel mit einem Turm und einem Tor am Palaste Aliaferia. Dann Kerker.
Zeit: Zu Anfang des 15. Jahrhunderts.
Rechts und links vom Darsteller.
Keine Ouvertüre.
Nr. 1. Introduktion.
Der Vorhang hebt sich nach dem siebzehnten Takte.
Erster Aufzug.
Der Zweikampf.
Vorhalle im Palaste Aliaferia mit einer Seitentür, welche über Stufen zu den Gemächern des Grafen Luna führt.
Es ist Nacht.
Eine brennende Ampel von der Decke erhellt matt den Raum.
Rechts und links vom Darsteller.
Erster Auftritt.
Ferrando. Krieger als Wachen. Diener.
Krieger und Diener stehen, sitzen und liegen schlaftrunken und schlafend umher.
Einige Bewaffnete gehen im Hintergrunde Wache haltend auf und ab.
FERRANDO tritt von links ein, beobachtet eine Weile; dann.
Nur munter! Nur munter!
Krieger und Diener erheben sich, dehnen sich, reiben sich den Schlaf aus den Augen.
FERRANDO.
Die Pflicht heischt, den Grafen wachend zu erwarten!
Er irrt noch umher vor den Fenstern
Seiner Geliebten, und kann den Schlummer
Nicht finden.
DIENER.
Wilder Eifersucht Schlangen
Nährt er in seinem Herzen.
FERRANDO.
Im Troubadour, der hier im Garten
Stets Minnelieder singet,
Ach! Erkennt er den Nebenbuhler.
KRIEGER UND DIENER.
Um den Schlummer zu bannen,
Der mächtig sich uns naht,
Erzähle uns, was in frührer Zeit geschah
Mit dem Bruder unsers Grafen.
FERRANDO.
Nun wohlan! versammelt euch um mich.
KRIEGER sich nähernd.
Laßt hören!
DIENER ebenso.
Vernehmet! Vernehmet!
FERRANDO.
Glücklich lebt‘ einst ein Vater von zwei Söhnen,
Graf von Luna war er genannt;
Treu lauschte ihrer Lust und ihren Tränen
Eine Wärterin Tag und Nacht.
Doch eines Morgens bei des Jüngern Wiege,
Als noch graute der Tag,
Wen erblickte man an dem stillen Lager?
KRIEGER UND DIENER gesteigerte Aufmerksamkeit und Aufregung bis zum Schluß der Verwandlung.
Wen? O rede! Wen? O sag‘!
Nr. 2. Kavatine.
FERRANDO geheimnisvoll.
Eine Zigeunerin, furchtbar zu schauen,
Aus ihrem Angesicht blitzt heimlich Grauen.
Über das Kind schlug sie Zauberzeichen,
Schleuderte Blitze aus ihren Augen.
Vor Schreck erzitternd, rief
Um Hilfe schnell die Wärterin,
Blickte mit Schaudern
Auf das Bett des armen Kindes hin.
Doch kaum noch ertönet
Der Armen Angstgeschrei,
So eilt auch der treuen Diener Schar,
So eilt der treuen Diener Schar herbei!
Und heulend und drohend und unter Flüchen,
Heulend und drohend und unter Flüchen
Entflieht sie schnell,
Die frech sich eingeschlichen.
Unter Drohn und Flüchen eilt sie schnell hinweg,
Die frech sich eingeschlichen,
Eilt nun schnell hinweg!
KRIEGER UND DIENER.
Ha, welch ein Grauen füllt unsre Seele,
Es bebt das Auge vor diesem Bild.
FERRANDO.
Wie man sagt, wollt
Dem Kind sie prophezeien,
In die Zukunft ihm schauen!
O Lüge! Nein, dem Unglück nur es weihen,
Es umgeben mit Grauen.
Von Blässe, ach, bedeckt, schwinden seine Kräfte,
Ach und schreckliche Schmerzen erpreßten ihm Tränen
In bangen Leidensstunden.
Das Kind, es war verzaubert! –
Krieger und Diener bewegung des Schauders und Entsetzens.
FERRANDO.
Die alte Hexe ward eingefangen,
Mußte am Holzstoß den Lohn empfangen;
Doch eine Tochter blieb ihr am Leben,
Der sie die Rache hat übergeben.
Schrecklich erfüllte die,
Was der Mutter sie versprochen,
Hat ihren Feuertod auf dieselbe Art gerochen,
Denn an dem Ort,
Wo man einst sie verbrannte,
Da fand man, o Schauder!
Das Auge bebend es nur erkannte,
Fand halb verbrannt man, o Gott,
Die Gebeine des armen Kindes,
Fand halb verbrannt man des Kindes Leiche,
Noch stieg der Rauch vom Feuer auf zum Himmel,
Ach, wie des armen Kindes Seele
Stieg auch zu Gott empor!
KRIEGER UND DIENER.
Ha, welch ein Grauen füllt unsre Seele,
Und kaum vertraut man dem eignen Ohr! –
Nr. 3. Schluß der Introduktion.
EINIGE.
Und der Vater?
FERRANDO.
Lebte nur noch wenig Jahre;
Eine Stimme doch sprach in seinem Innern,
Daß sein Kind damals nicht sei dem Tod verfallen;
Und auf dem Sterbebette
Beschwor er unsern Herren,
Daß er die Spur der Verbrech’rin
Stets verfolgen sollt‘! Ach, vergeblich!
KRIEGER.
Hörte von ihr man nichts mehr
In spätrer Zeit?
FERRANDO.
Alles vergebens!
O könnte nur einmal, einmal ich sie sehn!
DIENER.
Und würdest du sie erkennen?
FERRANDO.
Wohl berechnend die Zeit, die vergangen –
Ja! ich könnt‘ es!
KRIEGER.
O welche Lust, zur Rabenmutter
In die Hölle sie zu senden!
FERRANDO.
Zu der Mutter? – O man sagt,
Daß sie noch wandle auf der Erde
Und nicht Ruh kann finden,
Die böse Zaubrin.
Wenn schwarz bedeckt der Himmel,
Erscheinet sie in verschiednen Gestalten.
TENÖRE DER DIENER mit Schrecken.
So ist es! –
TENÖRE DER KRIEGER ebenso.
So ist es! –
BÄSSE DER DIENER ebenso.
So ist es! –
BÄSSE DER KRIEGER ebenso.
’s ist wahr!
KRIEGER.
Man sieht in den Nächten
Hoch auf Dachesspitzen
Als Eule die furchtbare Hexe oft sitzen.
DIENER.
Sie blickt mit den gläsernen Augen herunter,
Und flieht, wenn’s am Morgen auf Erden wird munter.
FERRANDO.
Ein Diener des Grafen hat einst sie gesehen,
Es faßte ihn Schrecken, sie verhöhnte sein Flehn!
Er starb!
KRIEGER bejammernd.
Ah!
FERRANDO.
Er starb!
KRIEGER wie vorher.
Ah!
FERRANDO.
Er starb!
KRIEGER wie vorher.
Er starb!
FERRANDO.
Schrecken tötete ihn!
KRIEGER bejammernd.
Ah!
FERRANDO.
Er starb!
KRIEGER wie vorher.
Ah!
FERRANDO.
Er starb –
Ja, vor Angst!
KRIEGER wie vorher.
Er starb!
FERRANDO.
Sie erschien ihm in nächtlicher Weile
Als Eule!
Geheul war zu hören, so furchtbar und schrecklich!
KRIEGER UND DIENER.
Als Eule! Als Eule!
FERRANDO.
Sie sah mit den gläsernen Augen ihn an,
Um den Armen, den Armen, ach, war es getan!
KRIEGER UND DIENER tenöre.
O Schrecken!
Bässe.
O Schrecken!
FERRANDO.
Da tönte vom Turm die Mitternachtsstunde –
Es schlägt Mitternacht.
Trommeln werden gerührt.
ALLE entsetzt beim Klang der Glocke aufschreiend.
Ah! – Ah! –
Ja, verflucht sei die Hexe,
Die Unheil und Schrecken nur bringt! – Ah!
Sie eilen entsetzt nach allen Seiten hin davon.
Umzug: Krieger und Diener als Zigeuner.
Verwandlung.
Nr. 4. Scene und Kavatine.
Der Vorhang hebt sich nach dem ersten Takte.
Garten des Palastes Sargasto.
Rechts eine Marmortreppe, die in den Palast führt; ein Fenster im Palast ist erleuchtet.
Trübe Mondnacht.
Zweiter Auftritt.
Leonore, Inez zu ihrer Linken.
Leonore kommt von rechts hinten.
INEZ begleitet sie, besorgt.
Warum verweilst du?
Finstre Nacht umgibt uns;
Die Fürstin wünscht dich zu sprechen –
Du zauderst?
LEONORE aufatmend.
Und wieder eine Nacht, ohne ihn zu sehen!
INEZ zuredend.
Deiner Liebe Glut bringt dir Unheil;
O sag‘ mir, rede!
Wie entbrannte die Lieb‘ in deinem Herzen?
LEONORE begeistert.
Beim Turniere! Ich sah ihn,
Trauergewand und dunkler Helm
Zierte den Jüngling. Niemand kannte ihn,
Den mutigen Helden, der auf dem Kampfplatz
Besiegte die Gegner.
Ich schmückte ihn dann mit der Blumenkrone!
In den Krieg doch mußt‘ er ziehen,
Ich sah ihn nimmer; doch seine holden Züge
Mir im Traum erschienen.
Und so entschwand mir trübe die Zeit!
Doch einst –
INEZ drängend.
O sprich doch!
LEONORE nachgebend.
So höre! –
Es glänzte schon das Sternenheer,
Der Zephir säuselt‘ leise,
Der Mond strahlte ein Silbermeer
In sanfter Elfenweise.
Ach, da ertönt‘ im Abendwind,
Wie alles still und leise,
Aus dem Gebüsche zauberisch
Die wundervolle Weise,
Ein trüber, ach! und sehnsuchtsvoller Klang,
Ach, des Troubadour Gesang! –
Auf zu dem Himmel stieg sein Gesang,
Er flehte zu den Sternen;
Ich hörte meines Namens Klang
Ertönen in weiter Fernen.
Schnell eilte ich zum Fenster hin,
Er war es, er, der Geliebte,
Und Himmelslust durchströmt‘ mein Herz,
Selig blickt‘ ich himmelwärts;
Mir galt der wundervolle Klang,
Ja, mir des Troubadour Gesang.
Mir galt der wundervolle Klang,
Ja, mir der zauberische Klang!
INEZ in Angst.
Ach! deine Worte machen mich beben,
Und meine Seele erzittert.
LEONORE abwehrend.
Vergebens!
INEZ gesteigert.
Zweifelndes Bangen füllt meine Seele
Vor dem geheimnisvollen Fremden!
Du sollst ihn vergessen.
LEONORE erschreckt.
Was sagst du? O schweige!
INEZ zuredend.
Vertrau‘ der Freundin warnendem Rat,
Hör mich!
LEONORE außer sich.
Ihn vergessen?
Ach! dieses Schreckenswort
Kann nicht fassen mein liebend Herz. –
Ein unnennbares Sehnen
Durchbebet meine Seele,
Ich lächle unter Tränen,
Nur er, nur er, nur er liegt mir im Sinn!
Ist fruchtlos auch mein Streben,
Bleibt ungestillt dies Sehnen,
Kann ich für ihn nicht leben,
Will sterben, will sterben ich für ihn!
INEZ für sich.
Der Liebe bittre Leiden
Durchwogen ihre Brust,
Der Liebe bittre Leiden
Die treue Brust!
LEONORE.
Ein unnennbares Sehnen
Durchbebet meine Seele,
Ich lächle unter Tränen,
Nur er, nur er, nur er liegt mir im Sinn!
Ist fruchtlos auch mein Streben,
Bleibt ungestillt dies Sehnen,
Kann ich für ihn nicht leben,
Will sterben, will sterben ich für ihn!
Für ihn zu sterben, welche Seligkeit!
O welche Lust, für ihn zu sterben!
Welche Seligkeit, o welche Lust, welche Lust!
INEZ für sich.
Der Liebe bittre Leiden
Ziehn durch ihre treue Brust!
Ja, ziehn durch ihre treue Brust!
Beide gehen ab nach rechts über die Marmortreppe.
Graf von Luna kommt in einen Mantel gehüllt von links hinten.
Dritter Auftritt.
Graf allein. Dann die Stimme des Troubadour Manrico.
Nr. 5. Scene und Romanze.
GRAF.
Rings tiefes Schweigen!
Erquickender Schlaf umfängt
Wohl jetzt schon lang die Fürstin;
Doch sie, die Teure, wacht noch!
Er sieht nach dem erleuchteten Fenster im Palast.
O Leonore! ja, du wachst noch,
Es schimmert aus deinem Fenster
Noch ein Schein des Lichtes
Und mir ein Strahl der Hoffnung.
Ach! heißer Liebe Sehnen
Erfüllt die treue Brust.
Ja, ich muß dich sehen,
Du mußt mich hören! Teure!
Mit einigen Schritten zur Treppe rechts.
Mit Allgewalt zieht mich mein Herz zu dir!
Links in der Nähe erklingt die Laute des Troubadour.
Nach links gewandt.
Der Troubadour! – O Himmel!
DIE STIMME DES TROUBADOUR.
Einsam steh‘ ich, verlassen,
Kann meine Qual nicht fassen,
Und eine Hoffnung nur
Lächelt dem Troubadour –
Winkt ihm der Liebe Lust
An treuen Liebchens Brust.
GRAF halblaut.
Was hör‘ ich?
Mit einigen Schritten nach links vorn. Ich bebe!.
DIE STIMME DES TROUBADOUR.
Schlägt mir dein Herz entgegen,
Schützt mich des Himmels Segen!
GRAF halblaut.
Himmel!
DIE STIMME DES TROUBADOUR.
Ach, und das größte Glück –
GRAF wie vorher.
Ha, welche Qualen!
DIE STIMME DES TROUBADOUR.
Strahlt mir aus deinem Blick!
Wonne belebet nur
Den treuen Troubadour.
Leonore eilt von rechts über die Marmortreppe herbei.
Vierter Auftritt.
Leonore, Graf zu ihrer Linken.
Nr. 6. Scene und Terzett.
GRAF für sich.
Gott, was seh‘ ich! Ja, sie nahet!
Er wendet sich ab und hüllt sich dichter in seinen Mantel.
LEONORE eilt herzu und umarmt den Grafen, in dem Wahne, es sei Manrico.
O mein Geliebter!
GRAF für sich.
O Gott!
LEONORE.
Ach! wo verweilst du denn so lange?
Ich zählte schon die Stunden
Mit bangen Herzensschlägen!
Manrico kommt von links hinten, im Helm, das Gesicht mit dem Visier, seine Gestalt mit einem Mantel bedeckt.
Der Mond tritt hell und klar aus den Wolken hervor und überflutet den Garten taghell mit seinem Lichte.
Fünfter Auftritt.
Manrico auf der rechten Seite. Leonore, den Grafen umarmt haltend, links vorn.
LEONORE ohne Pause fortfahrend.
Doch jetzt entfliehn alle Qualen,
Denn du bist an meiner treuen Brust.
MANRICO.
Ha, Falsche!
LEONORE fährt blitzschnell herum.
Welche Stimme!
Ihr Blick irrt unsicher von dem einen zum andern; Manrico rasch erkennend, wirft sie sich ihm zu Füßen.
Ach! in der Dunkelheit
Konnt‘ ich dich nicht erkennen!
Zu dir, du meine Seligkeit,
Zieht mich mein heißes Sehnen.
Nur du bist all mein Glück, ja,
Mein Sein und all mein Leben,
Dich lieb‘ ich, dich allein nur!
Mein süßer Troubadour!
GRAF stark.
Du wagst es?
MANRICO Leonore entzückt aufrichtend.
O welche Wonne!
GRAF.
Mein Herz erbebt in Wut! Mein Herz erbebt in Wut!
LEONORE in voller Empfindung.
Dich lieb‘ ich! – Mein alles!
MANRICO außer sich.
O welche Wonne!
GRAF zu Manrico.
Du Feiger, zeig‘ dein Angesicht!
LEONORE bebend, leise zu Manrico.
O Gott!
GRAF.
Nenn‘ deinen Namen!
LEONORE wie vorher.
O welche Angst!
MANRICO sein Visier aufschlagend.
Erblicke mich! Manrico bin ich!
GRAF.
Was? Du bist’s? O Himmel!
Unvorsicht’ger! wie kannst du’s wagen,
Noch hier zu erscheinen?
Dein harrt das Todesbeil,
Dein Leben ist verloren!
MANRICO nimmt die Mitte.
Was säumst du? Ruf‘ schnell
Nur deine Wachen, und überliefre
Den Nebenbuhler schnell dem Henkerbeile.
GRAF ergrimmt.
Dein Tod ist dir viel näher, ja,
Von meiner Hand mußt du sterben!
Er zieht sein Schwert und zeigt nach hinten.
Folg‘ mir!
LEONORE mit aufgehobenen Händen.
Hört mich!
GRAF wie vorher.
Meiner Rache Opfer,
Fällst du jetzt von meinen Händen!
LEONORE.
O hört mein Flehen!
GRAF wie vorher.
Folge mir!
MANRICO edel.
Wohlan!
Er zieht sein Schwert.
LEONORE für sich.
Was soll ich tun?
GRAF wie vorher.
Folge mir!
MANRICO edel.
Wohlan!
LEONORE für sich.
Ein einz’ger Laut nur kann ihn ja verraten!
Laut, flehend zu beiden.
Hört mich!
GRAF stark, abwehrend.
Nein!
Wilde Eifersucht im Herzen,
Leid‘ ich wahre Höllenqualen!
Schrecklich sind verschmähter Liebe Schmerzen,
Mit dem Leben muß er’s zahlen.
Zu Leonore.
Liebe hast du ihm geschworen,
Er war deine Seligkeit!
Aber nun ist er verloren,
Ja, dem Tod sei er geweiht.
LEONORE zum Grafen.
Ach! bezähm‘ doch, bezähm‘ doch dein Wüten,
Ja, du mehrest noch deine Qualen!
Sie nimmt die Mitte und sinkt vor dem Grafen in die Kniee.
Sieh‘ im Staube, im Staube mich bitten,
Gnädig lasse Hoffnung ihm strahlen.
Sei der Tod, sei der Tod mir geschworen,
Für ihn sterben, o Seligkeit!
Doch nur er sei, er sei nicht verloren,
Er, dem ich mein Herz geweiht!
MANRICO nach dem Grafen hin.
Mag er toben, ja, mag er auch wüten,
Ihn erwarten nur Höllenqualen!
Nein, er weiß nicht, was ich schon gelitten,
Mit dem Leben muß er’s zahlen.
Ja, du bist nun, du bist nun verloren,
Ha, dein Tod ist mir Seligkeit!
Zu Leonore.
Treue Liebe sei dir nun geschworen,
Treue Liebe in Ewigkeit!
GRAF zu Manrico, nach hinten zeigend.
Folg‘ mir! –
Zu Leonore.
Ha, du liebst ihn! –
Du kannst es wagen! – Du kannst es wagen!
Stark, abwehrend.
Schrecklich sind verschmähter Liebe Schmerzen,
Mit dem Leben muß er’s zahlen.
Zu Leonore.
Ihn zu lieben hast du gewagt,
Ja, er war deine Seligkeit!
Er sei dem Tode nun geweiht.
MANRICO wie vorher zum Grafen.
Ja, du bist nun, du bist nun verloren,
Und dein Tod ist mir Seligkeit!
Zu Leonore.
Treue Liebe sei dir nun geschworen,
Treue Liebe in Ewigkeit –
LEONORE.
Sei der Tod, sei der Tod mir geschworen,
Für ihn sterben, o Seligkeit!
Doch nur er sei, er sei nicht verloren,
Er, dem ich mein Herz geweiht –
GRAF.
Ja, wilde Eifersucht im Herzen,
Wilde Eifersucht im liebevollen Herzen,
Leid‘ ich wahre Höllenqualen!
Zu Leonore.
Liebe hast du ihm geschworen,
Mit dem Leben muß er’s zahlen,
Ja, er sei dem Tod geweiht –
MANRICO.
In Ewigkeit, in Ewigkeit!
Ja, treue Lieb‘ in Ewigkeit!
LEONORE.
Dem ich, dem ich mein treues Herz,
Dem ich mein treues Herz geweiht –
GRAF.
Dem Tod geweiht, er sei dem Tod geweiht!
Dem Tod geweiht, dem Tod geweiht!
Er sei dem Tod, dem Tod geweiht, dem Tod geweiht!
MANRICO.
Treue Lieb‘ in Ewigkeit!
LEONORE.
Dem ich mein Herz geweiht!
GRAF.
Ja, er sei dem Tod geweiht!
Er sei dem Tod, dem Tod geweiht, dem Tod geweiht!
MANRICO.
Treue Lieb‘ in Ewigkeit!
Ja, geschworen sei treue Liebe
Dir in Ewigkeit!
LEONORE.
Dem ich mein Herz geweiht!
Ja, dem ich, ja, mein Herz geweiht!
GRAF.
Ja, er sei dem Tod geweiht!
Ja, er sterbe, er sei dem Tod geweiht!
Manrico und Luna eilen mit gezückten Schwertern nach hinten und kreuzen die Klingen.
Leonore erhebt sich, eilt zwischen die Kämpfer und wehrt ihnen mit hoch erhobenen Armen.
Umzug: Leonore, einfach weiß.
Zweiter Aufzug.
Die Zigeunerin.
Nr. 7. Zigeunerchor.
Der Vorhang hebt sich nach dem sechzehnten Takte.
Verfallenes Gemäuer eines früheren Schlosses in einer romantischen Gegend am Fuße eines Berges zu Biscaya.
In der Mitte ein großes Feuer, an dem Harnische, Waffen, Ketten u.s.w. bearbeitet werden; Ambosse stehen umher. Kleinere Feuer mit Kesseln zur Speisenbereitung rechts und links hinten. Zur Rechten ein Steinsitz. Werkzeug, Zangen, Hämmer, Weinkannen und Becher auf Felsstücken. Einige Wagen stehen umher.
Der Morgen dämmert.
Erster Auftritt.
Die Zigeunerin Azucena. Manrico. Zigeuner: Männer, Weiber, Kinder.
Azucena sitzt vor sich hinbrütend rechts auf dem Steinsitz.
Manrico steht in Nachdenken versunken an ihrer Seite, in seinen Mantel gehüllt, ein Horn umgehängt; sein Helm und sein Schwert liegen auf einem Felsstück hinter ihm.
Die Zigeuner lagern und stehen umher, bereiten am Mittelfeuer und an den Ambossen Arbeit vor, kochen an den kleineren Kesseln, schüren die Feuer, arbeiten an Kleidungsstücken.
DIE MÄNNER.
Seht, wie die Wolken am Himmel ziehen,
Bald lacht uns freundlicher Sonnenschimmer;
Seht, wie die Schatten zur Ferne schon fliehen,
Wie alles strahlet in goldenem Flimmer! –
Frisch auf, zum Tagwerk! – Munter! Zum Tagwerk!
Einzelne ergreifen ihre Hämmer und schlagen damit gleichmäßig auf ihre Ambosse.
DIE MÄNNER.
Was wohl, was ist des Zigeuners Gewinn?
DIE MÄNNER UND WEIBER.
Was wohl, was ist des Zigeuners Gewinn, o sagt?
Was, ja, was ist sein Gewinn?
DIE MÄNNER.
Was des Zigeuners, was sein Gewinn, sagt?
DIE MÄNNER UND WEIBER.
Ein Weib mit treuem Sinn!
DIE MÄNNER von der Arbeit ausruhend, zu den Weibern.
Füllet die Becher! – Laßt froh uns trinken,
Neue Kraft durchströmt dann alle Glieder! –
Die Weiber ergreifen die Weinkannen, schenken ein und reichen den Wein in hölzernen Bechern.
DIE MÄNNER UND WEIBER.
Seht, wie der Sonne Strahlen schon blinken,
Lasset ertönen die fröhlichen Lieder! –
DIE MÄNNER wie vorher.
Frisch auf, zum Tagwerk! –
Was wohl, was ist des Zigeuners Gewinn?
DIE MÄNNER UND WEIBER.
Was wohl, was ist des Zigeuners Gewinn, o sagt?
Was, ja, was ist sein Gewinn?
DIE MÄNNER.
Was des Zigeuners, was sein Gewinn, sagt?
DIE MÄNNER UND WEIBER.
Ein Weib mit treuem Sinn!
Sie beginnen einzupacken und sich zur Wanderung vorzubereiten, dabei Azucenas Erzählung ihre Aufmerksamkeit schenkend.
Azucena erwacht aus ihrem dumpfen Hinbrüten.
Nr. 8. Kanzone.
AZUCENA.
Lodernde Flammen
Schlagen zum Himmel auf;
Von allen Seiten drängt sich die Menge,
Frohes Gejauchze tönt von allen Seiten her;
Und eine Söldnerschar
Führt ein Weib in der Mitte.
Sie steht auf.
Schrecklich strahlt des Feuers Glut
Von ihrem Antlitz wider,
Starr und verzweifelnd
Blickt sie zum Himmel empor,
Blickt sie empor!
Hell lodern Flammen,
Schon naht das Opfer
Im schwarzen Gewande,
Fliegend die Haare!
Angstruf des Todes tönt von den Lippen ihr,
Hallt furchtbar wider von Berg und vom Tale!
Schrecklich strahlt des Feuers Glut
Von ihrem Antlitz wider!
Starr und verzweifelnd
Blickt sie zum Himmel empor,
Blickt sie empor!
Sie sinkt auf ihren Sitz zurück.
Manrico tritt ihr näher.
Nr. 9. Zigeunerchor und Solo.
DIE MÄNNER UND WEIBER.
Traurig ist dein Gesang.
AZUCENA.
Ach, traurig war auch,
Furchtbar traurig und schrecklich,
Was ich jetzt euch erzählte!
Sie blickt zu Manrico empor, ihm zuflüsternd.
O räche mich! O räche mich!
MANRICO für sich.
Und immer dasselbe Wort!
EIN ALTER ZIGEUNER tritt in die Mitte.
Frisch auf nun, ihr Gefährten!
Laßt froh uns weiter ziehn,
Der neue Tag
Bringt uns neuen Gewinn! –
Frisch auf denn!
DIE MÄNNER UND WEIBER.
Frisch auf denn!
Sie haben das Lager vollständig abgebrochen und entfernen sich mit den Wagen, Geräten, ihren Bündeln und sonstigem Eigentum nach links hinten.
DIE MÄNNER sich entfernend.
Was wohl, was ist des Zigeuners Gewinn?
DIE WEIBER ebenso.
Was wohl, was ist des Zigeuners Gewinn, sagt?
DIE MÄNNER.
O sagt?
DIE WEIBER.
Was ist wohl sein Gewinn?
DIE MÄNNER.
Was sein Gewinn?
Was des Zigeuners, was sein Gewinn, sagt?
DIE MÄNNER UND WEIBER schon aus der Entfernung.
Ein Weib mit treuem Sinn! –
Nach einer Pause ganz in der Ferne.
Ein Weib mit treuem Sinn!
Die Worte verhallen.
Zweiter Auftritt.
Azucena, Manrico zu ihrer Linken.
Nr. 10. Scene und Erzählung.
MANRICO.
Wir sind allein nun!
Erkläre mir die traurige Kunde.
AZUCENA aufstehend.
Dir ist sie noch unbekannt.
Doch deiner Jugend goldne Tage
Hast du gewidmet stets nur dem Ehrgeiz.
Es war dies meiner Mutter furchtbar Ende.
Angeklagt, daß sie durch frevelnde Höllenkünste
Habe das Kind des Grafen Luna verzaubert,
Starb sie auf dem Scheiterhaufen,
Wo vorhin das Feuer!
Sie zeigt nach der Stelle, wo vorhin das Mittelfeuer brannte.
MANRICO schaudernd dorthin blickend.
Himmel, was hör‘ ich?
AZUCENA.
Die Hände in schweren Ketten,
Sah ich sie beim letzten Gange;
Mein Söhnlein in den Armen,
Folgt‘ ich ihr stumm und bange.
Ich flehte mit heißen Tränen:
Laßt einmal sie mich noch sehen!
Ach, ohne mich zu segnen,
Mußte sie von dieser Erde gehn.
Wild fluchte ihr die Menge,
Und schrie im tollen Reigen;
Und sah mit wahrer Höllenlust
Sie auf den Holzstoß steigen.
Sie rief in Todesqualen:
»O räche mich!« mir zu.
Dies Wort, ich hör‘ es immer,
Und nimmer läßt es mir Rast noch Ruh‘.
MANRICO.
Und nahmst du Rache?
AZUCENA.
Des Grafen Sohn wußte ich zu rauben,
So wollte ich mich rächen:
Es brannte schon hell die Flamme –
MANRICO.
Die Flamme! O Gott!
Schaudernd.
Was tatst du?
AZUCENA.
Ach, seine Tränen, sie drangen
Mir in die Tiefe der Seele,
Und mein Geist war befangen. –
Doch plötzlich vor meinen Augen
Seh‘ ich ein Bild erscheinen,
Seh‘ die arme Mutter
Im Todeskampfe weinen.
Ich höre die letzten Seufzer,
Ich seh‘ ihr Auge brechen;
Schauder, Erbeben ergreift mich,
Ich höre, wie sie mir zuruft:
»Meine Tochter! O räche mich!«
Es zucket die Hand mir krampfhaft,
Und meiner nicht bewußt,
Ins prasselnde Feuer
Schleudre ich das Opfer.
Wild lechzend nach der Beute
Schlagen die Flammen zusammen:
Was ich im Wahn begangen,
Wer kann es je verdammen?
Doch wie ich um mich schaue,
Wer steht an meiner Seite?
Es war der Sohn des Grafen!
MANRICO.
Gott! was sagst du?
AZUCENA.
Und meinen Sohn –
MANRICO in banger Erwartung.
Ach!
AZUCENA.
Hatt‘ ich dem Tod geweihet!
MANRICO entsetzt.
Schreckenswort!
AZUCENA erschöpft.
Ah!
MANRICO wie vorher.
Schreckenswort!
AZUCENA wie vorher.
Mein Kind! Mein Kind –
MANRICO wie vorher.
O Schreckenswort!
AZUCENA wie vorher mit letzter Kraft.
Mein einzig Kind!
Ach! hatt‘ ich dem Tod
Geweiht!
MANRICO wie vorher.
O Gott! –
In dumpfer Betäubung.
Schreckenswort! – Schreckenswort!
AZUCENA ebenso.
Noch bebt vor Schrecken mir das Herz!
Sie wiederholt diese Worte.
Mir bebt das Herz, mir bebt das Herz!
Sie fällt erschöpft auf ihren Sitz.
Manrico verstummt vor Schreck und Überraschung.
Nr. 11. Scene und Duett.
MANRICO nach einer Pause.
Ich bin dein Sohn nicht?
O sprich, wer bin ich? O rede!
AZUCENA scheinbar, als wolle sie einen zufällig begangenen Irrtum wieder verbessern.
Du bist mein Sohn.
MANRICO.
Und doch – du sagtest –
AZUCENA.
O nicht doch, ach, glaub‘ mir.
Wenn ich gedenke noch jener Schreckensstunde,
Verwirret sich mein Geist,
Und meinen Lippen
Entschlüpfen irre Worte.
Stand als Mutter
Ich liebend dir nicht stets zur Seite?
MANRICO.
Wie könnt‘ ich’s leugnen?
AZUCENA.
O nein, du darfst mich nimmer verleugnen.
Aufstehend.
Als mir die Schreckenskunde ward
Von deinem Tode,
Eilte ich aufs rauchende Schlachtfeld;
Ich wollte dich im stillen begraben.
Doch noch Leben fand ich in des Sohnes Brust.
Mit liebender Angst wacht‘ ich an deinem Lager,
Ach, meine Tränen, sie flossen,
Sie waren Balsam auf deine Wunden –
MANRICO mit edlem Stolze.
Die mir jener Tag beschieden.
Auf seine Brust zeigend.
Hier trafen mich die Schwerter.
Ach, ganz verlassen von den Meinen,
Sah dem Feind ich voll Kampfbegier ins Antlitz.
Der freche Luna stürzt über mich
Mit seinen Scharen:
Ich falle, von Übermacht bezwungen.
AZUCENA.
Das war der Lohn,
Daß du ihn geschont im Zweikampf;
Warum hast du, mein Sohn,
Ihm das Leben nicht geraubt?
O welches Mitleid hat damals dich ergriffen?
MANRICO.
O Mutter,
Nicht kann ich mir es erklären!
AZUCENA vorwurfsvoll.
Mitleid mit ihm! Mitleid mit ihm!
MANRICO glühend.
Daß noch einmal, noch einmal sie erschiene,
Jene Stunde, wo Rache ihm drohte,
Und ich, stolz, mit des Siegers Miene
Großmutsvoll nicht weihte ihn dem Tode!
Damals sprach zu mir eine innre Stimme,
Und ich wehrte gewaltsam meinem Grimme!
Schon gezückt das Schwert auf ihn,
Wollt‘ ich üben streng Gericht!
Doch von dem Himmel rief eine Stimme:
»Schone deines Feindes Leben,
Schon‘ sein Leben, töt‘ ihn nicht!«
AZUCENA empört klagend.
Doch in seinem harten Herzen
Regt sich keine solche Stimme,
Sie wiederholt diese Worte.
Und zum Raub der bittern Schmerzen
Bist verfallen seinem Grimme,
Sie wiederholt diese Worte.
Wenn dir noch einmal winkt die Rache,
Opfre ihn dann der guten Sache;
Schone nicht sein ruchlos Leben,
Stoß‘ das Schwert ihm in das Herz –
O denke an der Mutter Schmerz.
Winkt noch einmal dir die Rache,
Schon‘ ihn nimmer,
Stoß das Schwert ihm in das Herz!
O denke deiner Mutter Schmerz!
Sie wiederholt diese Worte.
MANRICO.
Ja, ich schwör‘ es bei den Göttern,
Ich will rächen
Meiner armen Mutter Schmerz!
Der Mutter Schmerz!
Er wiederholt diese Worte.
Azucena sinkt wieder auf ihren Sitz.
Der Klang eines Hornes links in der Nähe.
MANRICO mit einigen Schritten nach links.
Es naht der Bote, den Ruiz mir sendet;
Was bringt er?
Er antwortet mit seinem Horne.
AZUCENA ohne an dem teil zu nehmen, was vorgeht.
O räche mich!
Ein Bote Anhänger Manricos in Kleidung, Schärpe und Waffen, kommt eilig, das Horn umgehängt, mit einem Briefe von links.
Dritter Auftritt.
Azucena rechts. Manrico in der Mitte. Bote links.
MANRICO zum Boten.
Tritt näher her!
Es geschieht.
Bringst von dem Kriege du neue Kunde?
BOTE übergibt den Brief.
Auf dieses Schreiben gib Antwort mir.
MANRICO liest.
»In unsrer Macht ist Castellor.
Auf Befehl des Fürsten
Sollst du die Verteid’gung übernehmen;
Und eil‘ so schnell als es dir möglich her.
Noch heute Abend wird Leonore,
Der man deinen Tod berichtet,
Im nahgelegnen Kloster mit dem heil’gen Schleier
Sich umhüllen.«
Schmerzlich aufschreiend.
O ew’ge Götter!
AZUCENA erschrocken auffahrend.
Was ist dir?
MANRICO zum Boten.
O eile, fort, schnell von hinnen!
Und laß‘ ein Pferd mir eiligst zäumen.
BOTE.
Ich eile!
Er wendet sich zum Gehen.
AZUCENA will Manrico mit einer Gebärde zurückhalten.
Manrico!
MANRICO.
O Mutter, laß mich,
Laß mich schnell eilen!
Zum Boten.
Du warte dann meiner.
Bote verbeugt sich zustimmend und eilt ab nach links.
Vierter Auftritt.
Azucena, Manrico zu ihrer Linken.
AZUCENA.
Was willst du, was hoffst du?
MANRICO für sich.
Soll ich sie verlieren! Ach, sie verlieren!
AZUCENA.
Er ist von Sinnen!
MANRICO nimmt Helm und Schwert von dem Felsstück und bekleidet sich damit.
Lebwohl denn!
AZUCENA.
Nein! bleibe, hör‘ mich!
MANRICO.
O laß mich!
AZUCENA.
Bleibe!
Gebieterisch.
Die Mutter spricht mit dir! –
Nicht darfst du von meiner Seite,
Bis du innre Ruh‘ gefunden.
Wie, du willst fort in die Weite?
Und noch bluten deine Wunden!
Sieh wie meine Tränen fließen,
Denn du bist mein höchstes Gut;
Ach, nicht darfst du dein Blut vergießen,
’s ist mein eignes Herzensblut.
Sie wiederholt diese Worte.
MANRICO.
Ach, der Mutter Tränen fließen,
Und sie ist des Grames Beute;
Doch ich will mein Blut vergießen,
Muß hinaus ins Weite.
AZUCENA außer sich.
O Himmel!
MANRICO.
Hemme nimmer meine Schritte,
Höre meine heiße Bitte!
Ohne sie kann ich nicht leben,
Sie nur ist mein höchstes Gut!
AZUCENA.
Sieh, wie meine Tränen fließen!
MANRICO.
Ach, der Mutter Tränen fließen, ja!
AZUCENA.
Sieh, wie meine Tränen fließen,
Denn du bist mein höchstes Gut;
Nicht darfst du dein Blut vergießen.
’s ist mein eignes Herzensblut.
MANRICO.
Hemme nimmer meine Schritte,
Höre meine heiße Bitte!
Ohne sie kann ich nicht leben,
Sie nur ist mein höchstes Gut!
AZUCENA.
Bleibe, ach, bleibe!
MANRICO.
O laß mich von hinnen!
AZUCENA.
Höre mein Flehen!
Ah! O hör‘ doch die Mutter,
Die zu dir bittend spricht!
O bleib‘, o bleib‘, o bleib‘, o bleib‘!
MANRICO für sich.
Sie nimmer sehn, welche Qual,
Welcher Schmerz für mein liebend Herz!
O laß mich fort! o laß mich fort!
AZUCENA.
O bleib‘, o bleib‘, o bleib‘ bei mir! –
O bleibe, bleib‘ bei mir!
O höre mich, o bleib‘ bei mir!
MANRICO.
O laß mich fort, o laß mich fort!
O lasse mich fort, o teure Mutter,
Laß mich fort!
Er eilt ab nach links.
Azucena sucht ihn vergeblich zurückzuhalten.
Verwandlung.
Nr. 12. Scene und Arie.
Der Vorhang hebt sich nach dem vierten Takte.
Klosterkreuzgang, im Hintergrunde und auf der linken Seite Bäume.
Trübe Mondnacht.
Fünfter Auftritt.
Graf Luna, Ferrando zu seiner Linken. Lunas Anhänger in seinen Farben und Abzeichen zu seiner Linken zurückstehend. Dann die Stimmen der Nonnen.
Alle kommen, in ihre Mäntel gehüllt, vorsichtig und leise von links.
GRAF immer mit zurückhaltender Stimme.
Alles ist stille!
Noch tönt nicht das fromme Lied
Durch die kühlen Lüfte;
Die Zeit ist günstig.
FERRANDO ebenso.
Gewagt, o Herr, ist dein Unternehmen!
GRAF.
Was sagst du? Gewagt nennst du, was Liebe,
Was tiefgekränkter Ehrgeiz fordert
Von mir? Kein Hindernis glaubt‘
Ich meinen Wünschen entgegen,
Tod den Nebenbuhler. Da nahn
Sich meiner Liebe neue Gefahren.
Was hört‘ ich? O Gott!
Dem Altar will sie sich weihen!
Mein doch muß sie werden. –
Mit zurückhaltender Stimme, halblaut.
Ihres Auges himmlisch Strahlen
Leuchtet schöner wie die Sonne,
Und in ihrem Antlitz malen
Sich der Liebe, der Liebe Lust und Wonne.
All mein Sehnen, all mein Streben
Geht nach ihr, nach ihr allein;
Freudig geb‘ ich hin mein Leben,
Wird die Teure endlich mein.
Er wiederholt diese Worte.
Glockengeläute rechts in der Nähe.
GRAF.
Was hör‘ ich! – O Gott!
FERRANDO zeigt nach rechts, leise.
Die Glocke verkündet die heil’ge Feier.
GRAF.
Eh‘ sie noch naht dem Altar,
Muß ich sie rauben.
FERRANDO warnend.
Bedenke!
GRAF zurückweisend.
Schweige! Nicht hör‘ ich!
Zu seinen Anhängern.
Entfernt euch!
In der Bäume Schatten verberget euch!
Für sich.
O Leonore, bald bist du mein!
Mich verzehren der Liebe Flammen!
Er beobachtet ängstlich und vorsichtig nach rechts, woher Leonore erscheinen muß.
FERRANDO UND DIE ANHÄNGER zurückhaltend, leise.
Nur still, nur still, verberget euch
Im stillen dunklen Hain!
Nur still, nur still, macht kein Geräusch
Und lasset ihn allein!
GRAF immer zurückhaltend.
O dürfte ich es glauben,
Daß mir der Liebe reiner Frieden
An ihrer Brust beschieden,
Daß liebend strahlte, strahlte mir ihr Blick,
Strahlte mir ihr Blick!
Kein Gott kann sie mir rauben,
Und froh lacht mir das Leben.
Dein ist mein ganzes Streben,
All meine Lust, ja, all meine Lust,
All mein Glück!
FERRANDO UND DIE ANHÄNGER zurückhal tend, leise.
Nur still, nur still, verberget euch
Im stillen dunklen Hain!
Nur still, nur still, macht kein Geräusch
Und lasset ihn allein!
GRAF immer wie vorher.
O dürfte ich es glauben,
Daß mir der Liebe reiner Frieden
An ihrer Brust beschieden,
Daß liebend strahlte, strahlte mir ihr Blick,
Strahlte mir ihr Blick!
Kein Gott kann sie mir rauben,
Und froh lacht mir das Leben, ach!
Dein ist mein ganzes Streben,
All meine Lust, all mein Glück!
FERRANDO UND DIE ANHÄNGER zurückhaltend, leise.
Nur still! nur still! nur still! nur still!
GRAF immer wie vorher.
Kein Gott kann sie mir rauben!
FERRANDO UND DIE ANHÄNGER.
Nur still! nur still! nur still! nur still!
GRAF wie vorher.
Nur sie allein ist all mein Glück!
Nur sie, nur sie ist all mein Glück! –
Meine Liebe werd‘ ich ihr bewahren,
Nur sie ist all mein Glück!
Kein Gott kann sie mir rauben!
Ja, sie allein ist all mein Glück,
Nur sie ist all mein Glück! –
Meine Liebe werd‘ ich ihr bewahren,
Nur sie ist all mein Glück!
Still, still, kein Geräusch!
Verbergen wir uns in dem Schatten stiller Nacht!
Er wiederholt diese Worte.
Macht kein Geräusch, nur stille!
Haltet Wacht, macht kein Geräusch, nur stille!
Haltet Wacht, nur still! nur still! nur still! nur still!
Er entfernt sich nach links.
FERRANDO UND DIE ANHÄNGER wie vorher.
Stille, still, nur still, macht kein Geräusch!
Sie wiederholen diese Worte.
Still, still, still, still, verbergen wir uns jetzt!
Sie wiederholen diese Worte.
Macht kein Geräusch, nur stille!
Haltet Wacht, macht kein Geräusch, nur stille!
Haltet Wacht! nur still! nur still! nur still! nur still!
Sie verschwinden nach links.
Der Raum bleibt leer.
Nr. 13. Chor der Nonnen und Chor der Grafenanhänger.
NONNEN rechts unsichtbar in der Nähe.
Ach, alle Qual des Lebens
Schwindet so wie die Tage,
Darum dein Leid ertrage,
Bald ist der Traum vorbei.
Denke nicht mehr vergebens
An seine Lieb‘ und Treu‘.
Graf und seine Anhänger links unsichtbar in der Nähe, zwischen den Bäumen.
GRAF immer leise.
Es kann kein Gott –
FERRANDO UND DIE ANHÄNGER immer leise.
Nur still, nur still!
GRAF.
Sie rauben mir –
FERRANDO UND DIE ANHÄNGER.
Macht kein Geräusch!
GRAF.
Es kann kein Gott –
FERRANDO UND DIE ANHÄNGER.
Macht kein Geräusch!
GRAF.
Sie rauben mir!
NONNEN wie vorher.
Mit diesem heil’gen Schleier
Schwinden die ird’schen Triebe;
Nimmer denk‘ seiner Liebe,
Alles sei tot für dich;
Und mit der heil’gen Feier
Öffnet der Himmel sich.
GRAF immer leise.
Es kann kein Gott sie rauben mir!
Er wiederholt diese Worte.
Ja, sie allein ist all mein Glück,
Mit ihr kehrt alle Lust zurück!
Es kann kein Gott sie rauben mir!
Er wiederholt diese Worte.
Nein, nein, nein, nein!
Es kann kein Gott sie rauben mir,
Sie rauben mir!
FERRANDO UND DIE ANHÄNGER immer leise.
Macht kein Geräusch, verberget euch!
Nur still, nur still! Nur still, nur still!
Sie wiederholen diese Worte.
NONNEN wie vorher.
Nimmer denk‘ der Liebe!
Alles, alles sei nun tot für dich!
Der Himmel öffnet strahlend sich!
Leonore, einfach weiß gekleidet und ihre weinende Begleiterin Inez ebenso, zwölf Nonnen, die lange brennende Lichter tragen kommen von rechts aus einem Seitengang.
Eine Nonne trägt das für Leonore bestimmte Novizengewand: ein schwarzes Kleid, ein Skapulier, einen Rosenkranz, die Kopfbedeckung.
Sechster Auftritt.
Leonore, Inez und die zwölf Nonnen nehmen auf der rechten Seite Aufstellung.
Nr. 14. Scene und Chor der Nonnen.
LEONORE zu der weinenden Inez.
Warum in Tränen?
INEZ.
Für immer müssen wir dich verlieren!
LEONORE bewegt.
Ach, meine Teuern!
Nicht lächelt mir mehr die Freude;
Kein Hoffnungsschimmer erstrahlt für mich.
Zu Gott erheb‘ ich mein Herz –
Ja, er allein kann Trost mir verleihen;
Und wenn dann meine Tage enden,
Ach! Werd‘ ich im Himmel mit ihm vereinet sein,
Der mir mein Alles einst war.
Stillt eure Tränen, und führt mich zum Altare.
Sie wendet sich zum Gehen.
Graf Luna erscheint mit Ferrando und seinen Anhängern plötzlich von links.
Siebenter Auftritt.
Die Vorigen auf der rechten Seite. Graf mit seinen Anhängern auf der linken Seite.
GRAF Leonore entgegentretend, stark.
Nimmermehr!
INEZ UND CHOR DER FRAUEN entsetzt.
Der Graf hier?
LEONORE aufs äußerste erschrocken.
Großer Gott!
GRAF stark, gesteigert.
Ja, am Altare sollst
Du dich mit mir vereinen!
INEZ UND CHOR DER FRAUEN empört.
Ha, welche Kühnheit!
LEONORE ebenso.
Unsel’ger, dein Begehren?
GRAF will sie umfassen, um sich ihrer zu bemächtigen.
Dich mein zu nennen.
ALLE ANDERN noch dem Ausdruck ihrer Empfindung für den Grafen; stark.
Ah!
Manrico von links herbei eilend, steht plötzlich zwischen Leonore und dem Grafen.
Achter Auftritt.
Die Frauen auf der rechten Seite. Graf mit seinen Anhängern auf der linken Seite. Manrico in der Mitte, zwischen Leonore und dem Grafen. Allgemeines Erstaunen.
Die Anhänger des Grafen ziehen die Schwerter.
Nr. 15. Sextett.
LEONORE vor dem totgeglaubten Manrico, ihren Sinnen nicht trauend, mit vorgehaltenen Händen zurückweichend und ihrer Empfindung nur stoßweise Ausdruck gebend.
O Gott, ist’s nur ein schöner Traum?
Du liegst an meinem Herzen;
Ich traue meinen Sinnen kaum,
Entschwunden sind die Schmerzen.
In höchster Freude.
Ich kann die Lust nicht fassen, ach!
Das Herz bebt vor Seligkeit!
Von dir, von dir nicht lassen
Will ich in Ewigkeit!
Sie wiederholt die letzten Worte und eilt in Manricos Arme.
GRAF starr.
Stehn aus den Gräbern
Tote wieder auf zu neuem Leben?
MANRICO.
Nah‘ schon dem Tode war ich,
Doch Gott schenkte mir das Leben –
GRAF.
Soll fruchtlos sein mein heißes,
Mein glühend heißes Streben?
MANRICO.
Hat mir mein höchstes Gut,
Hat dich mir wieder jetzt gegeben!
GRAF.
Kann nie erkalten denn dein Blut –
So lebe fern von hier,
Ja, fern von hier!
Raube mir nicht meine Lust,
Meines Lebens Seligkeit,
Ja, meine höchste Seligkeit!
MANRICO.
Schon drohte mir der Feinde Wut,
Doch Gott beschützte mich
Und mir winkt jetzt höchste Lust!
Ja, an deiner treuen Brust
Lacht mir der Liebe Seligkeit!
LEONORE wie vorher.
Ach, mir lacht bei dir
Die höchste Seligkeit!
Ich traue meinen Sinnen kaum,
Ist dies ein schöner, schöner Traum?
Sie wiederholt diese Worte.
Entschwunden sind schon die bittern Schmerzen
Und du liegst an meinem Herzen!
Ach, das Glück, ich fass‘ es kaum,
Das hohe Glück, ich fass‘ es kaum!
Sie wiederholt diese Worte.
INEZ freudig zu Leonore.
Der Himmel schenkt Erbarmen dir!
Sie wiederholt diese Worte.
Es ist kein Traum, es ist kein leerer Traum!
Sie wiederholt diese Worte.
GRAF zu Manrico.
Kannst du vom Leben nimmer lassen,
Fliehe weit, fliehe weit, ja, weit von hier!
Vor innrer Wut möcht‘ ich erblassen,
Denn er raubt meines Lebens Wonne mir!
O wär dies alles doch nur ein Traum!
Wär dies alles doch ein schnell entschwundner,
Ein flücht’ger Traum!
Er wiederholt diese Worte.
FERRANDO zum Grafen.
Du hast das Schicksal selbst beschworen,
Und es rächt, ja, es rächt sich jetzt an dir!
Dein höchstes Gut, es ist verloren,
Ja, er raubt, ja, er raubt es sicher dir!
Es ist kein Traum, es ist kein leerer Traum!
Er wiederholt diese Worte.
MANRICO freudig zu Leonore.
Dich seh‘ ich wieder, dich, mein Alles!
Es lacht dein treuer Blick zu mir!
O schwinde nicht, du schöner Traum!
Er wiederholt diese Worte.
NONNENCHOR zu Leonore.
Der Himmel schenkt Erbarmen dir!
Es ist kein Traum, es ist kein leerer Traum!
Er wiederholt diese Worte.
CHOR DER ANHÄNGER DES GRAFEN zum Grafen.
Du hast das Schicksal dir selbst beschworen,
Und es rächt sich nun an dir!
Es ist kein Traum, es ist kein leerer Traum!
Sie wiederholen.
Ruiz eilt von links herbei, Manrico zu Hilfe kommend.
Die Anhänger Manricos in dessen Abzeichen und Farben folgen ihm mit gezückten Schwertern und nehmen Aufstellung auf der rechten Seite vor den Nonnen.
Neunter Auftritt.
Die Vorigen. Ruiz und die Anhänger Manricos.
RUIZ.
Urgel lebe!
MANRICO.
Ha, meine Getreuen!
RUIZ zu Manrico.
Folg‘ uns!
MANRICO zu Leonore.
Du mußt mir folgen!
GRAF sich widersetzend.
Kannst du’s wagen?
LEONORE in Angst.
Ach!
MANRICO zum Grafen.
Zurück!
GRAF das Schwert ziehend, zu Manrico.
Rauben willst du sie mir? Nein!
Die Anhänger Manricos entwaffnen den Grafen.
RUIZ UND SEINE ANHÄNGER.
O Wahnwitz!
FERRANDO UND SEINE ANHÄNGER zum Grafen.
Was tust du – o Herr!
GRAF.
Nicht bezähmen kann ich meine Wut.
INEZ zu Leonore.
Ah! – Ja! – Der Himmel hat Mitleid mit dir!
LEONORE in Angst.
Ach, es zittert mir die Seele, ja, meine Seele!
MANRICO auf den Grafen zeigend.
Sterben soll er! Sterben soll er!
Sterben soll er! Ja, der Tod sei sein Los!
RUIZ UND DIE ANHÄNGER MANRICOS zu Manrico.
Folg‘ uns! Folg‘ uns!
Dir lacht das Leben in Wonne und Lust!
GRAF in größter Steigerung.
Alle treff‘ euch mein Fluch!
Er wiederholt.
FERRANDO UND DIE ANHÄNGER DES GRAFEN zum Grafen.
Mut nur! Mut nur!
Fass‘ dich und weiche der starken Gewalt!
NONNEN nach Leonore hin.
Ah! – Ja! –
Der Himmel hat Mitleid mit dir!
Pause.
LEONORE UND MANRICO in tiefster Empfin dung.
Von dir, von dir nicht lassen
Will ich in Ewigkeit!
Sie wiederholen.
Du bist meine Seligkeit!
INEZ UND DIE NONNEN.
Ja, Gott erbarmet sich!
MANRICO zu Leonore.
Teure, komm, folge mir!
RUIZ zu Manrico.
Dir winkt des Lebens Glück!
GRAF wie vorher.
Alle treffe euch mein Fluch!
FERRANDO zum Grafen.
Herr, o verzage nicht!
DIE ANHÄNGER MANRICOS zu Manrico.
Dir winkt des Lebens Glück!
DIE ANHÄNGER DES GRAFEN zum Grafen.
Herr, o verzage nicht!
Manrico eilt mit Leonore nach der Mitte hin davon.
Inez folgt beiden.
Die Nonnen entfliehen nach rechts hin, woher sie gekommen.
Ruiz und die beiderseitigen Anhänger eilen mit erhobenen Waffen aufeinander los.
Ferrando hält den wutentflammten Grafen zurück und nimmt, Frieden gebietend, mit erhobenen Armen die Mitte.
Dritter Aufzug.
Der Sohn der Zigeunerin.
Nr. 16. Introduktion und Soldatenchor.
Der Vorhang hebt sich nach dem siebzehnten Takte.
Lager, rechts und links Zelte.
Zur Rechten das Zelt des Grafen Luna, von welchem die Fahne als Zeichen des Oberbefehlshabers weht. Rechts in der Ferne erhebt sich die Feste Kastellor. Ein Weinfaß. Ein umgestürztes Weinfaß. Helme, Panzer, Kannen, Becher, Würfel liegen auf einigen Tischen und Bänken umher. Fahnen in Fahnenhaltern rechts und links vorn.
Es ist Tag.
Erster Auftritt.
Soldaten unter dem Oberbefehl des Grafen Luna spielen, putzen ihre Waffen, gehen umher, marschieren rechts vor dem Zelte des Grafen und im Hintergrunde als Schildwachen auf und ab. Dann bewaffnete Armbrustschützen.
Bewegtes Lagerleben.
EINIGE SOLDATEN.
In dem bunten Kampfgewühle
Spielen wir bald andre Spiele!
ANDERE SOLDATEN.
Und die Schwerter, glänzend helle,
Färbt bald Feindesblutes Welle!
Kriegerische Klänge von links in der Nähe.
Die Soldaten wenden sich nach dieser Seite hin. Eine Anzahl Armbrustschützen ziehen bewaffnet hinten von links nach rechts vorüber.
DIE SOLDATEN.
Seht, schon naht die Schar der Freunde! –
Wie so kampfesmutig schön!
Nimmer werden nun die Feinde
Unserm Mute widerstehn.
Sie wiederholen.
Nicht lang widerstehn!
Sie wiederholen.
Ferrando kommt von rechts aus dem Zelte des Grafen.
Zweiter Auftritt.
Soldaten. Ferrando in ihrer Mitte.
FERRANDO.
Ja, teure Freunde, mit Tagesanbruch,
So will es unser Herr,
Sei mutig die Feste belagert.
Er zeigt nach rechts hinten auf Kastellor.
Es winkt uns reiche Beute,
Das gute alte Recht
Steht euch zur Seite!
Wir siegen! Wir siegen!
DIE SOLDATEN kampfesmutig.
Siegen oder sterben! –
Die Fahnenträger ergreifen die Fahnen rechts und links vorn aus den Fahnenhaltern und halten sie während des folgenden Chores hoch empor.
ALLE kriegsmutig, feurig.
Freudig ertönen die Kriegesgesänge,
Wer kann unserm kühnen Mute widerstehen?
Morgen erblickt schon die siegstrunkne Menge
Von der Feste unser Siegesbanner wehen!
Sie zeigen und blicken nach rechts hinten.
Schönrer Sieg hat noch nie uns gelacht,
Die Feinde zittern vor unserer Macht!
Lasset blitzen die Schwerter
In der Morgensonne Gold,
Denn das Glück, es ist uns hold!
Laßt die Schwerter blitzen,
Das Glück, es ist uns hold!
Sie wiederholen und marschieren dann mit geschwungenen Fahnen ab nach links hinten.
Ferrando marschiert ihnen voran.
Die Schildwachen nur bleiben und gehen auf und ab.
Graf Luna kommt mißgestimmt von rechts aus seinem Zelte.
Dritter Auftritt.
Graf allein. Dann Stimmen.
Nr. 17. Scene und Terzett.
GRAF mit einem düstern Blick nach rechts hinten auf Kastellor.
Sie ist in seiner Macht! Dieser Gedanke,
Er verfolget mich mit Höllenqual
Und läßt mich nicht ruhen,
Sie ist in seiner Macht!
Doch morgen mit den ersten Sonnenstrahlen
Winkt mir die süße Rache. –
O Leonore!
Lärm und Stimmen links in der Nähe.
Ferrando eilt von links hinten herbei.
Vierter Auftritt.
Graf, Ferrando zu seiner Linken.
GRAF zu Ferrando.
Was gibt’s?
FERRANDO.
Durchs Lager irren
Sah man eine Zigeunerin.
Entdeckt aber durch die treuen Wachen
Wollt‘ schnell sie entfliehen.
Mit gutem Grund besorgend,
Daß sie Kundschaft wollt‘ erspähen,
Ward sie verfolgt –
GRAF.
Und gefangen?
FERRANDO.
So ist es.
GRAF.
Sahst du sie selbst?
FERRANDO.
Nein! von dem Führer der Wache
Hörte ich dieses!
Der Lärm nähert sich.
GRAF.
Da kommt sie.
Die Zigeunerin Azucena wird mit gebundenen Händen von den Soldaten von links herbei geschleppt.
Fünfter Auftritt.
Graf rechts. Azucena in der Mitte. Ferrando links. Die Soldaten um Azucena herum, sie an dem Strick fest haltend.
DIE SOLDATEN im Herbeikommen, noch zurückstehend.
Nur vorwärts, Hexe, nur vorwärts!
AZUCENA in gellem Aufschrei.
Zu Hilfe!
SOLDATEN.
Nur vorwärts!
AZUCENA.
Laßt, o laßt mich!
Ach! seid ihr wütend!
SOLDATEN.
Nur vorwärts!
AZUCENA.
So sprecht! was tat ich?
GRAF zu Azucena.
Tritt näher!
Die Soldaten führen sie vor den Grafen.
GRAF.
Gib jetzt mir Antwort,
Nur Wahrheit sprech‘ dein Mund!
AZUCENA.
Was verlangst du?
GRAF.
Wohin willst du?
AZUCENA.
Ich weiß nicht.
GRAF.
Was?
AZUCENA.
Wir Zigeuner wissen nimmer,
Wo die Schritte hinlenken;
Im frühen Morgenschimmer
Ziehn fröhlich wir hinaus,
Sind üb’rall zu Haus.
GRAF.
Woher kommst du?
AZUCENA.
Aus Biscaya,
Wo in den Bergen ich mich verborgen hatte
Bis zu der Stunde.
GRAF.
Aus Biscaya?
FERRANDO der schon von Anbeginn die Gesichtszüge Azucenas prüfend betrachtet hat.
Was hör‘ ich? O welche Ahnung!
AZUCENA.
Dort verlebt‘ ich trübe Stunden,
War doch heiter und zufrieden;
Nur ein Glück war mir beschieden,
Ja, mein Sohn! doch er ist verschwunden!
Ach, wo ist er, der Geliebte?
Kann ich ihn nimmermehr finden,
Der mein Herz so sehr betrübte,
Ihn, der Mutter einz’ge Lust?
Laß der Mutter Leiden schwinden,
Sie wiederholt.
Komm, teurer Sohn, an ihre Brust!
FERRANDO.
Diese Züge -?
GRAF.
Sprich, wie lange
Weilst du schon in diesen Bergen?
AZUCENA.
Lange, Herr!
GRAF.
Und weißt du nicht mehr, daß
Ein Kind des Grafen Luna
Aus seiner Burg ihm ward geraubet?
Fünfzehn Jahre sind schon verstrichen.
AZUCENA in banger Erwartung.
Und du? Rede! Du bist -?
GRAF.
Der Bruder des Geraubten.
AZUCENA in schlecht verhehltem Schrecken.
Ah!
FERRANDO in gesteigerter Erwartung.
Ja!
GRAF.
Hast du denn nichts vernommen?
AZUCENA.
Ich? Nein! doch laßt
Der Spur des Sohnes
Mich jetzt folgen!
Sie will sich zum Abgang nach hinten wenden.
FERRANDO.
Bleib‘, Verruchte!
Er ergreift sie und verhindert sie daran.
AZUCENA.
O Gott!
FERRANDO mit starkem Ausdruck zum Grafen.
Sie ist es, die
Das schreckliche Verbrechen hat begangen!
GRAF.
O rede!
FERRANDO bestimmt.
Sie ist es!
AZUCENA leise und gepreßt zu Ferrando.
Schweige!
FERRANDO in stärkster Betonung.
Die fühllos warf das Kind in die Flammen!
GRAF entrüstet.
Ha! Schändliche!
SOLDATENCHOR.
Diese ist es!
AZUCENA.
Es ist Lüge!
GRAF wie vorher.
Der Strafe kannst du nicht entgehen!
AZUCENA in Angst.
Ah!
GRAF.
Bindet sie noch fester!
Es geschieht.
AZUCENA flehend.
O Himmel, o Himmel!
SOLDATENCHOR drohend.
Heule nur!
AZUCENA verzweiflungsvoll.
Und du, mein Sohn, o mein Manrico,
Hörst du nicht mein Angstgeschrei,
Stehst nicht der armen Mutter bei?
GRAF.
Sie, die Mutter meines Feindes –
FERRANDO drohend zu Azucena.
Zittre!
GRAF frohlockend.
Ist nun in meiner Macht!
FERRANDO wie vorher.
Zittre! Bebe!
GRAF freudig.
O Wonne!
AZUCENA aufschreiend.
Ah!
Um Erbarmen jammernd.
Erhört der Armen Flehen doch,
O lasset euch erweichen!
Ertragen diese Höllenqual
Ist mehr, als schnell erbleichen.
Zu dem Grafen.
Und du, des Vaters Rächer!
Und noch größrer Verbrecher!
Zittre, noch lebt im Himmel dort
Ein Gott, der dich bestraft!
Zittre, noch lebt ein Gott,
Der dich, o Frevler, hart bestraft!
GRAF.
O schändlich Weib, es ist dein Sohn,
Der mir mein Glück entrissen!
Mit einem Todesstreich möcht‘ ich
Euch schmettern beide hin zu meinen Füßen!
In meiner Brust erglühen,
Und in heißen Flammen sprühen,
Fühl‘ ich die Lust,
Den Bruder zu rächen.
Dein Verbrechen sei hart bestraft!
Er wiederholt.
FERRANDO UND DIE SOLDATEN.
Dein harret schon der Feuertod,
Bald fühlest du die Todesqualen,
Bald fühlest du die Qualen!
Wenn dein Verbrechen wird bestraft,
Die Flammen hell erstrahlen!
In schreckensvollen Gluten
Wirst du nun bald verbluten!
Durch Martern und durch Höllenqual
Wirst du bestraft.
Graf gibt Ferrando und den Soldaten einen Wink.
Die Soldaten führen auf diesen Wink Azucena lärmend mit sich fort nach links hinten.
Graf und Ferrando ziehen sich gleichzeitig nach rechts in das Zelt zurück.
Schneller Umzug: Chor der Soldaten als Anhänger Manricos.
Verwandlung.
Nr. 18. Scene und Arie.
Der Vorhang hebt sich im zweiten Takte.
Saal auf der Feste Kastellor.
Mitteltür. Rechts zu Leonore. Links hinten nach der Schloßkapelle. Links vorn ein Fenster. Tische und Armstühle vorn rechts und links; auf den Tischen Armleuchter, deren Lichter brennen.
Es ist in der Nacht.
Sechster Auftritt.
Leonore rechts, Manrico zu ihrer Linken. Ruiz zwischen beiden zurückstehend.
Alle drei kommen durch die Mitte.
LEONORE zu Manrico.
Hört‘ ich nicht vorhin fernes Waffenklirren?
MANRICO.
Ja, die Gefahr naht, warum
Länger es noch verhehlen?
Eh‘ noch der Morgen graut,
Sind vom Feind wir umzingelt.
LEONORE erschreckt.
O Gott! was sagst du?
MANRICO.
Unserm Mut aber wird er bald erliegen,
Hoher Geist beseelt auch mich
Und meine Scharen!
Zu Ruiz.
Und du,
Sei du ihr Führer, während
Ich nicht zugegen; ja, dir vertrau ich
Und deinem Mute.
Ruiz geht mit zustimmender Gebärde ab durch die Mitte.
Siebenter Auftritt.
Leonore, Manrico zu ihrer Linken.
LEONORE.
Welche trübe Ahnung
Macht meine Seele beben?
MANRICO sie in seine Arme fassend.
Laß die Sorgen entschwinden,
Denk‘ unsrer Liebe!
LEONORE.
Und kann ich’s?
MANRICO.
Nur dir weih‘ ich mein Streben,
Für dich, o Teure, geb‘ ich willig mein Leben. –
Daß nur für mich dein Herz erbebt,
Läßt meinen Mut nie sinken!
In mir nur heiße Rache lebt,
Schon seh‘ den Sieg ich winken.
Doch fall‘ ich von des Feindes Hand,
Dann weih‘ mir stille Tränen,
Mir lacht ein schönres bessres Land,
Wo keine Qual, kein Sehnen
Das arme Herz mit Leiden füllt,
Der Kummer ist gestillt. Ach!
Mein letzter Hauch noch sage dir,
Du warst die höchste Wonne mir!
Im ew’gen Strahlenmeer,
Dort trennt, dort trennt kein Tod uns mehr.
Er wiederholt.
Orgeltöne von links aus der Schloßkapelle.
BEIDE.
Wie tönet fromm der heil’ge Klang!
Er dringet in die Seele mir,
Ja, ew’ge Lieb‘ und Treue schwör‘ ich dir.
Sie wiederholen.
Ruiz kommt eilig durch die Mitte zurück.
Achter Auftritt.
Die Vorigen. Ruiz zwischen beiden zurückstehend.
Schwacher roter Feuerschein durch die Fensterscheiben links vorn.
RUIZ.
Manrico!
MANRICO erwartungsvoll.
Nun?
RUIZ.
Mit Ketten schwer beladen
Führt man zum Holzstoß die Zigeunrin!
MANRICO erschrocken.
O Himmel!
RUIZ zeigt nach dem Fenster links vorn.
Schon lodert hell
Die Flamme, die sie soll verzehren.
MANRICO.
O Gott, das Herz erstarrt in mir!
Er nähert sich dem Fenster.
Ein Schleier bedeckt das Aug‘ mir!
LEONORE.
Du zitterst?
MANRICO erbebend.
Ich muß es!
Wisse denn – ich bin -!
LEONORE in banger Erwartung.
O sprich!
MANRICO im schrillen Ausruf.
Ihr Sohn!
LEONORE.
Ah!
MANRICO.
O schrecklich! Ich kann es fassen kaum!
Ist’s Wahrheit oder nur ein Traum?
Zu Ruiz.
Ruf‘ meine Tapfern zur Hilfe schnell herbei!
Fort! – Fort! – Eile! – Fliege!
Ruiz eilt ab durch die Mitte.
Neunter Auftritt.
Leonore, Manrico zu ihrer Linken.
MANRICO.
Lodern zum Himmel seh‘ ich die Flammen,
Schauder ergreift mich, starr bleibt der Blick;
Soll nicht des Himmels Macht all‘ euch verdammen,
So gebt mir wieder mein höchstes Glück!
Ach, teure Mutter, du sollst nicht sterben!
Du meine Wonne! bleibe bei mir!
Bald soll die Erde Feindesblut färben,
Doch flieht dein Leben, sterb‘ ich mit dir!
Er wiederholt.
LEONORE.
Mein armes Herz fühle ich erbeben,
Und Angst erfüllt meine Seele mir!
Sie wiederholt.
Manrico führt zuerst Leonore, sie beruhigend ab nach rechts.
Zehnter Auftritt.
Manrico allein.
MANRICO.
Lodern zum Himmel seh‘ ich die Flammen,
Schauder ergreift mich, starr bleibt der Blick;
Soll nicht des Himmels Macht all‘ euch verdammen,
So gebt mir wieder mein höchstes Glück!
Ach, teure Mutter, du sollst nicht sterben!
Du meine Wonne! bleibe bei mir!
Bald soll die Erde Feindesblut färben,
Doch flieht dein Leben, sterb‘ ich mit dir!
Er wiederholt.
Ruiz kommt mit Manricos Anhängern, die gezückten Schwerter in der Hand durch die Mitte zurück.
Elfter Auftritt.
Manrico. Ruiz und die Anhänger zurückstehend.
RUIZ UND DIE ANHÄNGER.
Zum Kampfe! Zum Kampfe!
Zum Kampfe! Auf, zum Kampf!
Sie wiederholen.
Führ‘ uns zum Kampf!
Siegen wollen wir oder sterben mit dir!
Sie wiederholen.
Zum Kampfe! Zum Kampfe! Zum Kampfe!
Führe uns zum Kampfe!
MANRICO schmerzbewegt.
O meine Mutter! –
Ach, flieht dein Leben,
Dann sterb‘ ich mit dir!
Er wiederholt.
Zum Kampfe! Zum Kampfe! Zum Kampfe!
Ruiz und die Anhänger eilen mit erhobenen Schwertern durch die Mitte hinaus.
Manrico eilt ab durch die Mitte.
Waffengeklirr.
Umzug: Manrico, Leonore.
Vierter Aufzug.
Das Hochgericht.
Nr. 19. Scene und Arie.
Der Vorhang hebt sich nach dem vierten Takte.
Ein Seitenflügel mit Tor am Palaste Aliaferia auf der rechten Seite, darüber ein Turm, dessen Fenster mit Eisengittern versehen sind. Ein Mauerstück auf der linken Seite. Im Hintergrunde Bäume und Strauchwerk.
Es ist finstere Nacht.
Erster Auftritt.
Ruiz, Leonore zu seiner Linken.
Ruiz und Leonore kommen in schwarze Mäntel gehüllt von links hinten.
RUIZ.
Hier sind wir.
Er zeigt nach rechts.
Dort ist der Kerker,
Wo tief in Nacht verhüllt
Die Gefangnen schmachten.
Hier seufzt Manrico in schweren Ketten.
LEONORE.
Fort jetzt, lasse mich;
Denn für mich darfst du nichts fürchten.
Vielleicht kann ich ihn retten!
Ruiz geht ab nach links hinten.
Zweiter Auftritt.
Leonore allein. Dann Stimmen.
LEONORE heftet ihre Augen auf einen Ring an ihrer rechten Hand.
Nicht kenn‘ ich Furcht, denn dieses
Schützt mich vor allem Unheil. –
Du kannst es wohl nicht ahnen,
Daß ich in deiner lieben Nähe,
O mein Manrico!
O Zephyr, eile,
Bring‘ ihm die Kunde,
Daß ich so nahe! Daß ich so nahe
Dem teuren Freunde weile. –
In deines Kerkers tiefe Nacht
Soll meine Klage dringen,
Die mich dem Tode nah‘ gebracht, ja!
Mich dem Tode nah‘ gebracht!
Ein Trost ist dir geblieben:
Mein heißes treues Lieben!
O denke einmal noch zurück,
Wie hold uns gelacht der Liebe Glück!
Und fleh‘ ich vergebens, vergebens himmelwärts,
Teurer Freund, dir bleibt mein Herz.
Sie wiederholt.
Totenglocke: Drei Schläge.
STIMMEN zugleich von links Innen: Miserere.
Hab‘ Erbarmen, o Herr, mit einer Seele,
Die deinem ew’gen Throne naht mit Beben;
Daß sie bittere Reue nimmer quäle,
Schenke ihr gnadenvoll das ew’ge Leben.
LEONORE.
O Himmel, was hör‘ ich!
Welch schaurige Klänge?
Sie machen erbeben mir
Das Herz in der Brust.
Es flehen zum Himmel
Die Todesgesänge,
Ich bin, nein, ich bin meiner kaum mehr bewußt,
Ach, ich bin meiner kaum mehr bewußt.
MANRICO im Innern des Turmes rechts.
Schon naht die Todesstunde,
Ewige Ruh winkt mir;
O Leonore, du all mein Glück,
Meine Lust! gedenke mein!
LEONORE erbebend.
O Gott!
MANRICO.
Denn meine Seele bleibt bei dir.
LEONORE wie vorher.
Ach! ich vergehe!
STIMMEN von links innen wie vorher.
Hab‘ Erbarmen, o Herr, mit einer Seele,
Totenglocke wie vorher.
Die deinem ew’gen Throne naht mit Beben;
Daß sie bittere Reue nimmer quäle,
Schenke ihr gnadenvoll das ew’ge Leben.
LEONORE nach dem Turme rechts gewendet.
Mein Alles verschließen –
STIMMEN wie vorher.
Hab‘ Erbarmen!
LEONORE wie vorher.
Die finsteren Mauern!
STIMMEN wie vorher.
Hab‘ Erbarmen!
LEONORE wie vorher.
O könnte ich Gnade doch –
STIMMEN wie vorher.
Hab‘ Erbarmen –
LEONORE wie vorher.
Für ihn noch erflehn!
STIMMEN wie vorher.
Mit dem Armen!
LEONORE wie vorher.
Und wenn sie sich öffnen –
STIMMEN wie vorher.
Ew’ger Vater!
LEONORE wie vorher.
Mit schrecklichen Schauern,
Ach, werde als Leiche
Ich ihn vielleicht sehn,
Ach, werde als Leiche
Ich ihn vielleicht sehn!
STIMMEN wie vorher.
Hab‘ Erbarmen!
MANRICO im Innern des Turmes.
Ja, bis zum letzten Hauche
Bist du mein Alles mir!
O Leonore, du all mein Glück,
Meine Lust! gedenke mein!
Denn meine Seele bleibt bei dir!
LEONORE.
Ich sollte dein nicht denken?
O du mein Alles! Du meine Wonne!
Sie wankt.
Die Kräfte schwinden mir!
Sie wiederholt.
Ich denke ewig nur dein!
Sie wiederholt und wendet sich mit einigen Schritten ganz nach links vorn.
MANRICO wie vorher.
Ja, bis zum letzten Hauche
Bist du mein Alles mir!
O du mein Glück, du meine höchste Lust!
Gedenke mein! Gedenke mein!
Er wiederholt.
STIMMEN wie vorher.
Hab‘ Erbarmen! Hab‘ Erbarmen!
Mit dem Armen hab‘ Erbarmen!
Ew’ger Vater, mit dem Armen,
Ew’ger Vater, hab‘ Erbarmen!
Hab‘ Erbarmen mit dem Armen!
LEONORE.
Du all mein Glück, ich denke nur dein! –
Nie ist noch in meinem Herzen
Wahre Lieb‘ so heiß entbrannt,
Daß sie trotzte allen Schmerzen,
Nur Entbehrung hat gekannt!
Mit dem Mut, der Helden schmücket,
Will ich ihn dem Tod entziehn;
Ist es mir auch nicht geglücket,
Sterb‘ ich freudig dann mit ihm!
Sie wiederholt.
Graf Luna kommt mit sechs Bewaffneten in seinen Abzeichen und Farben aus dem Tor rechts.
Dritter Auftritt.
Graf rechts. Leonore links ganz vorn. Die Bewaffneten zurückstehend.
Nr. 20. Scene und Duett.
GRAF.
Vernahmt ihr? Wenn es tagt,
Sei dem Beil er verfallen
Und seine Mutter dem Holzstoß!
Er gibt einen Wink.
Die Bewaffneten gehen ab woher sie kamen.
Vierter Auftritt.
Graf, Leonore zu seiner Linken. Dann die Bewaffneten.
GRAF.
Und sollt‘ ich auch die Vollmacht überschreiten,
Die mir der Fürst verliehen,
Es fällt die Schuld nur
Auf die so heiß Geliebte!
Wo mag sie weilen?
Die Festung ward erstürmt,
Und doch von ihr keine Kunde.
Sie zu entdecken, konnte
Mir nicht gelingen.
Wo mag die Teure weilen?
LEONORE hat sich dem Grafen genähert.
In deiner Nähe!
GRAF.
Die Stimme!
Überrascht.
Himmel! Du bist es?
LEONORE.
Du siehst es!
GRAF.
Was dein Verlangen?
LEONORE.
Dem Tode nah‘ schon ist der Teure,
Und du kannst fragen?
GRAF.
Du könntest wagen?
LEONORE.
Für ihn will Gnade ich erflehen!
GRAF.
Ha, welcher Wahnwitz!
LEONORE.
Erbarmen!
GRAF.
Welcher Wahnwitz!
LEONORE.
Erbarmen!
GRAF ergrimmt.
Erbarmen mit ihm,
Der mein Glück mir stahl!
LEONORE.
Des Himmels Segen wird dich lohnen!
Sie wiederholen.
GRAF.
In meiner Brust erglüht nur Rache, ja!
Fürchterliche Rache hab‘ ich ihm zugeschworen!
LEONORE.
O hör‘ mein Flehn! Erbarmen mit ihm!
Sie wiederholt.
GRAF.
Fort! – Fort, fort! – Fort! – Fort, fort!
LEONORE wirft sich dem Grafen verzweiflungsvoll zu Füßen.
Sieh‘ meiner heißen Tränen Flut
Strömen zu deinen Füßen,
Gern will mit meinem Herzensblut
Ich all seine Frevel büßen!
Morde mich! Morde mich!
Für ihn will ich freudig büßen!
Sterben für ihn ist Seligkeit,
Ist er nur vom Tod befreit.
GRAF.
Ach! wär‘ mit tausend Martern doch
Sein liebend Herz erfüllet,
Wär‘ meine heiße Rache noch,
Wär‘ sie noch nicht gestillet!
LEONORE.
Morde mich!
GRAF.
Nur du! du bist meine Seligkeit,
Und er sei dem Tod geweiht!
Er wiederholt.
LEONORE.
Sterben für ihn ist Seligkeit,
Ist er nur vom Tod befreit!
GRAF.
Nur du, du bist meine Seligkeit,
Und er sei dem Tod geweiht!
Er wiederholt.
LEONORE.
Ich sterbe mit Freuden,
Kann ich ihn erretten;
O höre mein Flehen!
Er, der Geliebte, sei vom Tod befreit. –
O höre mein Flehen! O höre mein Flehen!
Ja, sterben für ihn ist Seligkeit,
Ist er nur vom Tod befreit! –
Graf will sich entfernen.
LEONORE umschlingt ihn.
Hör‘ mich!
GRAF hart abweisend.
Vergebens!
LEONORE.
Gnade!
GRAF steigernd.
Nein, keine Macht der Welt
Kann sie erlangen. Fort von hier!
LEONORE.
Hör‘ mich! Um einen Preis doch,
Den ich dir nun biete.
GRAF.
Der wäre? Erkläre, sprich!
LEONORE die Rechte nach ihm ausstreckend.
Ich selbst!
GRAF freudig betroffen.
Himmel, was sagst du?
LEONORE.
Und halten werd‘ ich treulich
Mein Versprechen.
GRAF fassungslos.
O Gott! ist’s Traum nur?
LEONORE.
Des finstern Kerkers Pforten laß
Erschließen; und ist er deiner Rache
Entflohen – bin ich die Deine!
GRAF.
Du schwörst es?
LEONORE.
Ich schwör’s bei Gott,
Der die Tiefen der Seele erforschet!
GRAF geht nach rechts zum Tor und stößt die Tür auf.
Herbei!
Die Bewaffneten von vorher werden sichtbar.
Graf spricht leise mit ihnen und erteilt einen Befehl.
LEONORE trinkt das Gift aus ihrem Ringe; für sich.
Die Seine werde ich,
Doch als Leiche!
Graf kehrt zu Leonore zurück.
Die Bewaffneten schließen das Tor.
GRAF.
Er ist befreit!
LEONORE im höchsten Jubel, für sich.
Befreit, o welche Seligkeit!
Mein Herz kann sie nicht fassen,
Nun schwindet all die Qual, das Leid,
Für ihn will ich gern erblassen.
Der Tod ist mir die größte Lust,
Denk‘, Teurer, ich an dich!
Fühl‘ ich’s doch in der treuen Brust,
Gerettet bist du durch mich.
GRAF.
Noch einmal wiederhole mir,
Daß mein dein liebend Herz!
Fern‘ sei der Kummer dir,
Auf Gott vertrauend blick‘ ich himmelwärts! Ja!
LEONORE wie vorher.
Befreit!
GRAF.
Du mein, o welche Seligkeit!
Mein Herz kann sie nicht fassen,
Nie will ich von dir lassen,
Es schwindet alles Leid!
O! welche Seligkeit!
Es schwindet alles bittre Leid!
LEONORE für sich.
Der Tod ist mir die größte Lust,
Denk‘, Teurer, ich an dich!
Fühl‘ ich’s doch in der treuen Brust,
Gerettet bist du durch mich!
Du bist befreit, o Seligkeit!
Sie wiederholt.
Zum Grafen.
Nur fort! Nur fort! Ich halte meinen Eid!
Für sich.
Der Tod ist mir die größte Lust,
Denk‘, Teurer, ich an dich!
Fühl‘ ich’s doch in der treuen Brust,
Gerettet bist du durch mich!
GRAF.
Du bist nun mein! O welche Seligkeit!
Er wiederholt.
Mit erhobener Hand.
Bedenke deinen Eid!
Du mein, o welche Seligkeit,
Mein Herz kann sie nicht fassen!
Du bist nun mein, welche hohe Seligkeit!
LEONORE.
Ja, du bist durch mich befreit,
Welche hohe Seligkeit!
O Seligkeit, o Seligkeit!
GRAF.
Ja, nun schwindet alles Leid!
Er wiederholt.
O Seligkeit, o Seligkeit!
Beide gehen ab nach rechts durch das Tor.
Verwandlung.
Nr. 21. Finale und Duett.
Der Vorhang hebt sich nach dem siebenten Takte.
Kerker.
Rechts Mitte eine Tür. Links Mitte ein Fenster mit Eisengittern. Zur Rechten vorn ein Steinsitz. Zur Linken ein Strohlager.
Es ist noch Nacht.
Von der Decke eine erlöschende Lampe.
Fünfter Auftritt.
Azucena auf dem Strohlager links. Manrico zu ihrer Rechten.
MANRICO.
Schläfst du, o Mutter?
AZUCENA.
Meine müden Augen
Fliehet noch immer der sanfte Schlummer
Ich bete.
MANRICO.
Ach, der Frost macht erstarren
Deine Glieder.
AZUCENA.
Nein.
Wie gestörten Geistes.
Doch diesem Grab der Lebend’gen
Möcht‘ ich bald entfliehen.
Ach, der Atem beginnet mir zu stocken.
MANRICO die Hände ringend.
Entfliehn?
AZUCENA aufstehend.
Nein, keine Sorge!
Nicht macht mich zittern
Dieser Mörder Wüten.
MANRICO.
O rede!
AZUCENA.
Sieh nur,
Wie in meine Züge
Des Todes Hand gegraben
Schon hat die düstern Zeichen.
MANRICO.
Ah!
AZUCENA.
Ja, sie finden eine Leiche nur,
Schweigsam, eisig kalt,
Nur ein Gerippe mehr.
MANRICO.
Mutter!
AZUCENA nach außen hin horchend.
Vernimmst du? Dieses Lärmen?
Ja, die Henker, sie nahn!
Schleppen mich fort zum Holzstoß,
O schütze deine Mutter!
MANRICO.
O Mutter, geliebte Mutter!
AZUCENA mit Schrecken.
Der Holzstoß!
MANRICO.
Ach, niemand stört deine Ruhe.
AZUCENA.
Der Holzstoß – das Feuer – die Flamme,
Welch Todesgrauen!
MANRICO.
O Mutter! O Mutter!
AZUCENA.
Einst schleppte ein wilder Haufe
Meine Mutter, die Arme,
Zum Holzstoß!
Siehst du dieses dunkle Glühen?
Zitternd schon naht ihr Fuß,
Die Glut ergreift sie;
Zum Himmel Funken sprühen,
Wild rollen ihre Augen,
Todesschrecken ergreift sie!
Ach! wer bannt mir
Das schreckensvolle Bild, das Schreckensbild!
Sie fällt Manrico ohnmächtig und krampfhaft in die Arme.
MANRICO hält sie auf und führt sie auf ihr Strohlager zurück.
Wenn du mich liebst,
So hör‘ meine Stimme,
O höre deines Sohnes Stimme!
Laß die Bilder entschwinden!
Er steht hinter ihr.
Im sanften Schlummer
Wirst Ruhe du wieder finden.
AZUCENA.
Gern will ich schließen das Aug‘ zum Schlummer,
Dann schwindet mir auch der bittre Kummer.
Doch siehst du wieder Flammen erglühen,
Sohn, teurer Sohn, ja, dann wecke mich!
MANRICO.
Ein schöner Traum möge hold dich umziehen,
Der ew’ge Vater, er schütze dich!
AZUCENA zwischen Schlaf und Wachen.
In unsre Heimat kehren wir wieder,
Wieder ertönen fröhliche Lieder;
Laß deine Laute wieder erklingen,
In sanften Schlummer wiegt mich dein Gesang.
MANRICO.
Auf zu dem Himmel soll mein Lied dringen,
Und Gott erhört den flehenden Klang.
AZUCENA.
Laß deine Laute wieder erklingen,
In sanften Schlummer wiegt mich dein Gesang.
MANRICO.
Der Himmel erhört den flehenden Klang!
Sie wiederholen.
AZUCENA.
In sanften Schlaf –
MANRICO.
Für dich, teure Mutter –
AZUCENA.
Wiegt mich dein Lied
In sanften Schlaf –
MANRICO.
Für dich, teure Mutter,
Flehet mein Lied, flehet mein Lied!
Er kniet bei Azucena nieder.
AZUCENA.
Wiegt mich dein Lied!
Sie wiederholt.
Leonore tritt von rechts Mitte ein.
Sechster Auftritt.
Leonore, Manrico zu ihrer Linken. Azucena auf ihrem Strohlager links.
Nr. 22. Scene und Terzett.
MANRICO fährt freudig empor.
Gott, wen erblickt mein entzücktes Auge?
LEONORE.
Ich bin’s, Manrico!
Mein Manrico!
MANRICO.
O Leonore!
Laß mich jetzt von der Erde scheiden,
Ew’ger Vater im Himmel!
O lasse jetzt mich sterben!
LEONORE.
Du wirst nicht sterben,
Ich bringe Rettung.
MANRICO.
Rettung! Gott, was sagst du? Ist’s Wahrheit?
LEONORE.
Lebwohl jetzt – und ohne Zögern,
Schnell fort jetzt! Eile!
MANRICO.
Du wirst mir folgen!
LEONORE.
Nein, ich muß bleiben!
MANRICO.
Bleiben, du?
LEONORE sucht Manrico mit Ungestüm zur Flucht und Rettung zu bewegen.
Fort, eile!
MANRICO.
Nein!
LEONORE.
Wenn du zögerst –
MANRICO.
Nein!
LEONORE.
Ist dein Leben –
MANRICO.
Ich veracht‘ es!
LEONORE.
Fort von hinnen!
Sie eilt nach der Tür links Mitte.
MANRICO.
Nein!
LEONORE.
Ach, dein Leben –
Sie kommt wieder vor.
MANRICO.
Ich veracht‘ es! Doch –
Sieh‘, Leonore, mir ins Auge!
Um welchen Preis hast
Mein Leben du erkauft? –
O Gott, du schweigst! die Pulse beben.
Ja, meinem Feinde verdank‘ ich mein Leben! –
Sich von ihr wendend.
Ha, dieses liebende Herz ist verraten!
LEONORE.
Wie bist du grausam!
MANRICO.
Verraten von ihr, die mein Alles mir war!
LEONORE.
Wie kannst du denken,
Daß ich dich verraten könnte?
Nur du allein, du allein bist all mein Leben!
MANRICO.
Ha, Falsche!
LEONORE.
O hör‘ mein Flehn, du bist verloren,
Der Himmel selbst nicht kann retten dich!
MANRICO.
Ha, dieses liebende Herz ist verraten!
LEONORE.
Wie kannst du denken,
Daß ich dich verraten könnte!
MANRICO.
Verraten von ihr, die mein Alles mir war!
LEONORE.
Wie kannst du denken,
Daß ich dich verraten könnte!
MANRICO.
Ha, Falsche!
LEONORE.
Nur du allein, du allein bist all mein Leben!
MANRICO.
Verraten bin ich!
Du hast getäuscht mein armes Herz! –
Nein! – Ich bin verraten!
Nein! – Mein Herz, es ist getäuscht! –
Von ihr verraten, die mir mein Alles war! –
Er wiederholt.
Ich bin getäuscht, ich bin getäuscht!
Von ihr getäuscht, die meine Lust,
Die all mein Glück, mein Alles war!
LEONORE.
O hör‘ mein Flehn, du bist verloren,
Der Himmel selbst nicht kann retten dich,
O hör‘ mein Flehn, der Himmel selbst
Kann retten dich dann nimmermehr!
O hör‘ mein Flehen, du bist verloren,
Du bist verloren, erhöre mich!
Sie wiederholt.
O fliehe schnell, du bist verloren,
Dich lieb‘ ich treu, dich lieb‘ ich wahr!
Sie wiederholt.
O höre mich, dich lieb‘ ich treu,
O höre mich, dich lieb‘ ich wahr!
Sie fällt ihm zu Füßen.
AZUCENA ist erwacht; wie schlaftrunken.
Ah! –
In unsre Heimat kehren wir wieder,
Wieder ertönen fröhliche Lieder;
Laß deine Laute wieder erklingen,
In sanften Schlummer wiegt mich dein Gesang.
Es tönt dein Lied so rein und so klar!
Sie wiederholt.
Ja, dein Lied tönet rein, tönet klar!
Nr. 23. Scene.
MANRICO.
Entferne dich!
LEONORE.
Ach! Verstoß mich nicht!
Sie erhebt sich mühsam.
Siehst du, schon fühl‘ ich
Die Kraft mir schwinden!
MANRICO stark.
Fort, ich hasse dich!
Gesteigert.
Ich fluche dir!
LEONORE.
Manrico, hör‘ mich!
Jetzt ist nicht Zeit,
Den Fluch auf mich zu schleudern,
Laß zum Himmel fromm uns beten.
MANRICO plötzlich bewegt.
Ein Schauder ergreift mich,
Durchzuckt die Glieder.
LEONORE bei der das Gift zu wirken beginnt, umsinkend.
Manrico!
MANRICO zu ihr eilend, um sie aufzurichten.
Himmel! erkläre mir! Rede!
LEONORE.
Ich trag‘ den Tod
Im Herzen!
MANRICO.
Was sagst du?
LEONORE schwächer werdend, ihre Hand in der seinen.
Ach! diese Qualen!
Nicht glaubt‘ ich, daß so schnell
Das Gift mich verzehre!
MANRICO.
O Höllenqual!
LEONORE.
Fühlst du die Hand wie eisig –
Auf ihre Brust weisend.
Doch hier das Feuer,
Das mich verzehret.
MANRICO.
O Gott, was tatst du?
Graf Luna kommt unauffällig durch die Tür rechts Mitte.
Die Bewaffneten hinter ihm.
Siebenter Auftritt.
Die Vorigen. Graf. Bewaffnete.
Graf mit den Bewaffneten noch an der Tür.
Azucena ist wieder eingeschlafen.
LEONORE.
Eh‘ dieses Herz einem andern ich weihe,
Lieber weih‘ dem Tod ich mich.
MANRICO.
O Himmel! und diesem Engel
Konnte fluchen ich!
LEONORE.
Nicht mehr ertragen –
MANRICO.
O höre mich!
LEONORE.
Kann ich die Schmerzen!
Ich sterbe!
Manrico!
MANRICO.
Gott!
GRAF.
Ah!
LEONORE.
Vater im Himmel,
Wirst du mir wohl verzeihen!
GRAF für sich.
So war es Täuschung nur,
Für ihn weiht sie dem Tode sich!
LEONORE in hinsterbendem Schmerz.
Eh‘ dieses Herz einem andern ich weihe,
Lieber weih‘ dem Tod ich mich.
MANRICO in Reue und Schmerz.
O Himmel und diesem Engel
Konnte fluchen ich!
GRAF ergrimmt, für sich.
Ha, Täuschung war es nur!
Für ihn weiht sie dem Tode sich!
LEONORE wie vorher.
Eh‘ dieses Herz dir treu nicht schlägt,
Ja, lieber weih‘ dem Tod ich mich.
Sie wiederholt.
MANRICO wie vorher.
Die Qualen erfassen sie fürchterlich, ach!
Und diesem reinen Engel konnte fluchen ich!
Er wiederholt.
GRAF wie vorher.
Es war ja Täuschung nur,
Für ihn weiht sie dem Tode sich,
Sie weiht dem Tode sich!
LEONORE zusammenbrechend.
Manrico!
MANRICO außer sich.
Leonore!
LEONORE schwach.
Lebwohl! ich sterbe!
Sie stirbt.
MANRICO wie vorher.
Ach! Sie stirbt, o Gott!
GRAF wie vorher.
Ach! Sie stirbt!
Zu seinen Bewaffneten, auf Manrico zeigend.
Schleppt ihn zum Tode!
Die Bewaffneten treten vor und ergreifen Manrico.
MANRICO im letzten Schmerzensausruf.
Mutter, lebwohl, o Mutter!
Die Bewaffneten schleppen Manrico nach rechts Mitte hinaus.
Achter Auftritt.
Graf rechts. Leonore in der Mitte vorn tot am Boden. Azucena auf ihrem Strohlager links.
Fackelbeleuchtung dringt durch das Fenster links Mitte.
AZUCENA von dem Geräusch erwachend.
Manrico!
Sie erhebt sich schnell.
Wo ist mein Sohn?
GRAF zeigt nach der Tür rechts Mitte.
Er geht zum Tode!
AZUCENA eilt nach der Tür.
O haltet! hört mich!
GRAF vertritt ihr den Weg und schleppt sie nach dem vergitterten Fenster links Mitte.
Sieh dort!
AZUCENA.
Himmel!
GRAF frohlockend.
Er ist tot!
AZUCENA entsetzt, in schwerer Betonung.
Er war dein Bruder!
GRAF schmerzdurchzuckt.
Gott! Schreckenswort!
AZUCENA in wildem Wehe.
Du bist nun gerächt, o Mutter!
Sie bricht zusammen.
GRAF in starrer Verzweiflung, mit den Blicken nach dem Fenster und auf Leonore.
Und ich lebe noch!
Ende.