Gioacchino Rossini

Der Barbier von Sevilla

Komische Oper in zwei Aufzügen

Personen

Graf Almaviva (Tenor)

Doktor Bartolo (Baß)

Rosine, dessen Mündel (Sopran)

Basilio, Musikmeister (Baß)

Marzelline, Beschließerin und Rosines Gouvernante (Alt)

Figaro, Barbier (Bariton)

Fiorillo, des Grafen Bedienter (Baß)

Ein Offizier (Tenor)

Ein Notar (Baß)

Ambrosio, Bartolos Diener (Baß)

Musikanten. Soldaten

Ort der Handlung: Sevilla.

Schauplatz

Eine Straße in Sevilla und im Hause des Doktor Bartolo.

Erster Aufzug

Morgendämmerung. Eine Straße in Sevilla. Links das Haus des Doktor Bartolo mit einem praktikabeln Balkon.

Verwandlung

Zimmer in Bartolos Hause. In der Mitte eine Glastür, welche auf den Balkon führt. Die erste Tür links Rosinens Zimmer, die zweite Tür führt ins Innere des Hauses. Die erste Tür rechts Bartolos Zimmer, die zweite Tür rechts allgemeiner Eingang.

Zweiter Aufzug

Dasselbe Zimmer.

Rechts und links vom Zuschauer aus angenommen.

Ouvertüre.

Erster Aufzug

Straße in Sevilla.

Links das Haus des Doktor Bartolo mit praktikablem Balkon. Alle Fenster sind vergittert. Morgendämmerung.

Erster Auftritt.

Fiorillo, eine Laterne in der Hand, führt eine Anzahl Musikanten vor das Haus. Dann Graf Almaviva in einen Mantel gehüllt.

Nr. 1. Introduktion.

FIORILLO.
Sachte, mit leisem Schritt, redet kein Wort.
Freunde, hierher, kommt nur hierher, hier ist der Ort!
MUSIKANTEN.
Sachte, mit leisem Schritt schreiten wir fort.
FIORILLO.
Hier ist der Ort!
MUSIKANTEN.
Hier ist der Ort!
FIORILLO.
Nur still!
MUSIKANTEN.
Nur still! – Hier ist der Ort!
FIORILLO.
Alles ist stille – die Straße rein –
Ungestört sind wir – werden es sein!
Alles ist stille, die Straßen rein,
Ganz ungestört werden wir sein!
GRAF leise.
Fiorillo! Holla!
FIORILLO.
Schon bring‘ ich sie!
GRAF.
Die wackern Leute?
FIORILLO.
Sie sind schon hier!
GRAF.
Bravo, bravissimo! stille, nur stille!
Sachte, mit leisem Schritt, macht kein Geräusch!
MUSIKANTEN.
Sachte, mit leisem Schritt, macht kein Geräusch!
Macht kein Geräusch! nur still! macht kein Geräusch!
FIORILLO.
Nur sachte, still! nur kein Geräusch! hier ist der Ort!
Nur still! – Macht kein Geräusch!
GRAF.
Stille, macht kein Geräusch! Nur still, macht kein Geräusch!

Musikanten stimmen und fangen an zu spielen.

Kavatine.

GRAF.
Sieh schon die Morgenröte der Welt entgegenlachen,
Und du willst nicht erwachen? Dich umschwebet noch ein Traum?
Stehe nun auf, Geliebte! Komme, o meine Wonne!
Laß deiner Augen Sonne mir heilen mein Herz,
Mein wundes Herz! Ach, heilen mein wundes Herz!
Ha, schweiget! Schon seh‘ ich die Holde erscheinen,
Die Seelen vereinen in süßer heißer Lust.
Ach, Stunde der Liebe, o sel’ges Entzücken!
Aus deinen holden Blicken der Himmel mir erstrahlt.

Es wird nach und nach Tag.

GRAF.
He! Fiorillo!
FIORILLO.
Sie befehlen?
GRAF.
Nichts zu sehen?
FIORILLO.
Nichts zu sehn!
GRAF.
Ohne Trost an ihrer Schwelle!
FIORILLO.
Herr, der Morgen wird schon helle.
GRAF.
Was beginn‘ ich, was soll ich tun?
Alles vergebens, guten Leute!
MUSIKANTEN leise.
Hier sind wir.
GRAF.
Nur näher, ihr Leute!
Legt nun eure Kunst beiseite;
Ich bedarf, nein, ich bedarf eurer Kunst nicht mehr.

Er gibt Fiorillo die Börse; dieser verteilt an alle Geld.

FIORILLO.
Lebt nun wohl, ihr guten Leute,
Bis ich wieder euch begehr‘.
MUSIKANTEN umringen den Grafen, um ihm zu danken und küssen ihm Hand und Gewand. Er wird ärgerlich über den Lärm, den sie machen, und drängt sie davon; dasselbe tut Fiorillo.
Gar zu gütig, Euer Gnaden!
Für die Ehre, für die Spende
Küssen dankbar wir die Hände,
Stehn zu Diensten ohne Ende.
Geld darf unsern Dienst begehren,
Geld hat magische Gewalt,
Solche Großmut muß man ehren,
Welche schwer und reich bezahlt.
GRAF.
Stille, schweiget, macht nicht Worte,
Packt euch fort von diesem Orte!
Fort, nur fort, ihr seid bezahlt!
Wollt ihr euch zum Teufel scheren!
Fort, ich brauche sonst Gewalt!
Soll dieser Lärm noch länger währen?
Fort, nur fort! fort, nur fort!
FIORILLO.
Fort, nur fort, ihr seid bezahlt!
Wollt ihr euch zum Teufel scheren!
Fort, ich brauche sonst Gewalt!
Soll dieser Lärm noch länger währen?
Fort, nur fort! fort, nur fort!

Musikanten ab.

Secco-Rezitativ.

GRAF. Lästige Leute!
FIORILLO. Sie haben mit dem Lärmen, den sie machten, fast erweckt aus dem Schlafe die ganze Straße. Gottlob, daß sie nun fort sind!
GRAF. Und nichts zu sehen! Mein Hoffen war umsonst. (Nachdenklich hin und her gehend.) Jedoch ich bleibe, sie zu sehen noch hoff‘ ich. Auf dem Balkone droben, um Luft zu schöpfen, zu früher Stunde erscheint sie jeden Morgen. Ich warte. Hör an, Fiorillo, verschwinde nun von hier.
FIORILLO. Ja, Herr, dort werd‘ ich gewärtig Ihres Winkes sein. Zieht sich zurück.
GRAF. Wenn’s glückt, die Geliebte zu sprechen, so brauch‘ ich keine Zeugen. Mein Erscheinen, pünktlich alle Tage zur nämlichen Stunde, sie mußt‘ es schon bemerken. Ja, sicher die Liebe, die ich für sie empfinde, muß ihrem Herzen schmeicheln. Ich hab’es beschlossen, ja, mein Weib muß sie werden.
FIGARO hinter der Szene singend. La la la la la la la la la la!
GRAF. Wer ist der läst’ge Störer? Er sieht nach links. Wär‘ er vorüber erst. Unter dem Tor dort, ungesehen kann ich herüberschauen. Schon naht der Morgen. Wer liebt, scheut keine Mühe! Er verbirgt sich unter dem Säulengang.

Zweiter Auftritt.

Figaro, eine Gitarre umgehängt. Graf.

Nr. 2. Kavatine.

FIGARO.
Ich bin das Faktotum der schönen Welt, ja ich!
La la la, la la la, la la la – la!
Hab‘ mir die schönste Bestimmung erwählt, mir erwählt!
La la la, la la la, la la la – la!
Ich bin der Cicero aller Barbiere, aller Barbiere,
Und gratuliere – mir selbst zum Glück, mir selbst zum Glück!
Ha, bravo, Figaro! Bravo, bravissimo, bravo!
La la la, la la la, la la la – la!
Ich bin der Glücklichste durch mein Geschick, bravo!
La la la, la la la, la la la – la!
Ich bin der Glücklichste durch mein Geschick!
La la la la – la la la la, la la la la! –
Jedem zu Diensten zu allen Stunden,
Umringt von Kunden bald hier, bald dort.
So wie ich lebe, so wie ich webe,
Gibt es kein schönres Glück auf der Welt,
La la la, la la la, la la la, la la la, la la la – la!
Hübsch und gesund macht euch
Nur der Barbier zugleich,
Köpfe und Bärte sind alle sein!
Und Akzidenzien gibt es in Fülle
Mit Herrn und Damen ganz in der Stille!
Mit jungen Damen, la la la la la la la!
Mit alten Herren, la la la la la la la – la – la!
Ich bin der Cicero aller Barbiere,
Ich gratuliere – mir selbst zum Glück! –
Man ruft, man seufzt nach mir,
Will mich bald dort, bald hier!
Grafen, Baronen, Mädchen, Matronen!
Bald heißt’s rasieren, bald rapportieren!
Bald ein Billettchen dort adressieren!
Man ruft, man seufzt nach mir,
Will mich bald dort, bald hier!
Grafen, Baronen, Mädchen, Matronen!
Nur dies Billettchen! Figaro! Figaro!
Figaro! Figaro! Figaro! Figaro! Figaro! Figaro!
Zu viel, weh mir! man foltert mich!
Zu viel, wahrhaftig! Alles auf einmal!
Ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr! ich kann nicht mehr!
Alles auf einmal, alles auf einmal,
Alles auf einmal, ich kann nicht mehr!
Figaro! – Bin dort! – Figaro! bin da!
Figaro dort! Figaro da! Figaro hier! Figaro da!
Figaro oben! Figaro unten! Figaro hüben! Figaro drüben!
Eiligst auf jeden Wink bin wie der Blitz so flink!
Bin das Faktotum der schönen Welt! –
Ha, bravo, Figaro! bravo, bravissimo!
Ich hab‘ die schönste Kunst erwählt!
Ich bin das Faktotum unsrer schönen Welt,
Der schönen Welt, der schönen Welt, der schönen Welt!

Secco-Rezitativ.

Ja, ja, ein schönes Leben! wenig Mühe, aber viel Vergnügen! Im Beutel allezeit ein blankes Gold sind, die Frucht meinen Rufes, meines Ansehne. Es ist wahr, ohne Figaro wird kein Mädchen gefreiet hier in Sevilla, zu mir eilt jede Witwe, den zweiten zu ergattern. Immer, sei’s am Tage, wenn meiner Kunst ich walte, oder des Abends mit meiner Gitarre, natürlich ganz in Ehren wie sich’s gebührt, bin ich bereit zu dienen. Welch ein Leben, wie herrlich! o welch ein Handwerk! Aber nun schnell nach Hause. Er wendet sich zum Gehen.
GRAF. Er ist es! ja, ich erkenn‘ ihn! Er tritt näher.
FIGARO. Wer ist der Kavalier dort?
GRAF. Ja, er ist es wirklich! Figaro!
FIGARO. Der Herr Graf! O was seh‘ ich? Euer Gnaden!
GRAF. Stille, stille, nur Vorsicht! Wer ich bin, weiß hier niemand, und so soll es auch bleiben, denn wisse: ich habe meine Gründe.
FIGARO. Verstehe, verstehe! Verschwinden will ich gleich!
GRAF. Nein!
FIGARO. Sie wünschen?
GRAF. Nein, warte, bleibe da! Möglich, daß deine Hilfe erwünscht mir könnte sein Doch vor allem sage an, wie es zugeht, daß ich dich treffe hier? Dazu scheinst du so rund und wohlgenährt.
FIGARO. Von den Sorgen, Herr Graf.
GRAF. Ha, Spitzbub.
FIGARO. Danke!
GRAF. Und bist du jetzt vernünftig?
FIGARO. O ich meine! – Und Sie, Herr, jetzt in Sevilla?
GRAF. Hör, wie es zuging. Im Prado sah ich neulich ein Mädchen, schön wie ein Engel, Tochter eines Alten, eines Arztes, der hier seit kurzer Zeit nahm seinen Wohnsitz. Ganz verliebt in die Schöne, ließ ich alles im Stiche, folgte hierher ihr, und Tag nun und Nacht späh‘ ich geduldig hinauf zu jenem Fenster.
FIGARO. Zu jenem Fenster? Ein Arzt, sagt Ihr! Welcher Zufall! Euer Glück, es ist groß, das muß man sagen! Ihr findet es im Schlafe!
GRAF. Wie denn?
FIGARO. Wisset, da drüben bin ich Barbier, bin Friseur, Gehilfe, Chirurgus, ich bin sogar der Vieharzt, der Famulus des Alten!
GRAF. Ah, vortrefflich!
FIGARO. Hört weiter! Jene Schöne ist nicht des Doktors Tochter. Der Alte ist nur ihr Vormund.
GRAF. O welche gute Kunde!
FIGARO. Jedoch – stille!
GRAF. Was ist?
FIGARO. Es ist Rosine!

Dritter Auftritt.

Die Vorigen. Rosine auf dem Balkon. Dann Bartolo.

Secco-Rezitativ.

ROSINE. Noch ist er nicht gekommen. Vielleicht –
GRAF. O Geliebte! Mein Leben! Meine Wonne! seh‘ ich Euch endlich! ach, endlich!
ROSINE. O wie abscheulich! Dies Billett wollt‘ ich ihm geben!
BARTOLO. Wohlan, laß hören! Wie ist das Wetter? Was ist mit dem Papiere?
ROSINE. Es ist nichts, es ist gar nichts! Es ist der Text zu der Arie: »Die vergebliche Vorsicht«.
GRAF. Vortrefflich! »Die vergebliche Vorsicht!«
FIGARO. Die Schelmin!
BARTOLO. Sag‘, was ist das, die »vergebliche Vorsicht«?
ROSINE. Ihr wißt’s nicht? Der Titel ist’s von der beliebten neuen Oper.
BARTOLO. Der Titel einer Oper? Nun, ich denke mir, das ist gewiß solch Machwerk, wie jährlich sie erscheinen, schwach und dürftig, langweilig und verworren! Elende Zeiten! Trauriger Geschmack.
ROSINE. Ich Ungeschickte! Es fiel mir aus den Händen. Gehet schnell, hebt es auf mir!
BARTOLO. Ja, ich gehe!
ROSINE. Pst! Pst!
GRAF. Ich sehe!
ROSINE. Eilt Euch!
GRAF. Ohne Sorge!
BARTOLO. Da bin ich. Wo ist’s?
ROSINE. Der Wind wohl hat es fortgetragen. O sucht es!
BARTOLO. Ich seh‘ es nirgends! Höret, Rosine, mir gefällt nicht – Er bemerkt den Grafen. Ei Teufel! Hat jener es gefunden? Zurück nun ins Zimmer! Zieht Euch zurück! Ohne Zögern! Habt Ihr verstanden?
ROSINE. Ja doch, ja doch! ich geh‘ schon!
BARTOLO. Den Balkon dort lasse ich vermauern! Schnell ins Zimmer.
ROSINE. O welch Leben! zum Verzweifeln! Sie verläßt den Balkon.

Vierter Auftritt.

Graf. Figaro. Dann Bartolo. Später Rosine.

Secco-Rezitativ.

GRAF. O sie ist zu beklagen! Ihre traurige Lage flößet Mitleid mir ein!
FIGARO. Laßt doch sehen, was hat sie Euch geschrieben?
GRAF. So nimm denn, lies es!
FIGARO liest das Billett. »Ihr beharrliches Erscheinen hat meine Aufmerksamkeit erregt. Mein Vormund ist im Begriff auszugehen. Sobald er fort ist, versuchen Sie auf irgendeine Art, mich Ihren Namen, Stand und Ihre Absichten wissen zu lassen. Ich kann niemals auf dem Balkon erscheinen, ohne von meinem Tyrannen beobachtet zu werden. Seien Sie aber überzeugt, daß, um diese Ketten zu brechen, zu allem bereit ist die unglückliche Rosine.«
GRAF. Gib acht, ich rette sie! Laß mich nun wissen: Was für ein Mann ist der gestrenge Vormund?
FIGARO. Ein Alter, den der Teufel plagt! Ein Geizhals, voller Argwohn, immer mürrisch! Obgleich von hohem Alter, denkt er noch an die Heirat. Wollt Ihr es glauben? Das Vermögen seines Mün dels, das seine Gier erregt, noch zu erbeuten, will der Alte sie freien! Doch stille!
GRAF. Wie?
FIGARO. Schon naht der Alte!

Graf und Figaro ziehen sich zurück.

Bartolo kommt aus seinem Hause, elegant, spanisch, schreiende Farben; Allongeperücke und Federhut. Ins Haus zurücksprechend.

BARTOLO. Bald zurück bin ich wieder! Öffne niemand die Türe. Wenn Don Basilio mich zu besuchen käme, möcht‘ er warten. Er verschließt die Haustür. Meine Hochzeit mit ihr muß ich beeilen. Ja, noch heute bring‘ alles ich ins reine!
GRAF. Noch heute seine Hochzeit mit Rosine! Der Alte ist wohl närrisch! Doch sage mir nun: wer ist der Don Basilio?
FIGARO. Ein gefährlicher Mensch, ein Ränkeschmied, ein alter Heuchler, zu allem Schlechten fähig, immer gierig nach Gold. Als Lehrer der Musik verkehrt er dort im Hause.
GRAF. Sprich nur weiter, ich muß alles wissen.
FIGARO. Jetzt überleget, wie der holden Rosine Ihr Hilfe möget leisten.
GRAF. Verschweigen will ich ihr meinen Stand und Namen, versichern will ich zuerst mich, daß sie mich liebt. Ja, mich nur, nichts weiter! Reichtum und Titel nicht des Grafen Almaviva! Ach, du vermöchtest –
FIGARO. Wie, ich? Nein, Herr Graf, Ihr selber, Ihr müßt –
GRAF. Ich selber? Wär’s möglich?
FIGARO. Doch stille! Er zeigt nach rechts. Schaut nach dem Fenster! Gebt Achtung! gewiß, es ist kein Zweifel! Hinter dem Vorhang droben sah ich die Schöne! Nun ans Werk ohne Säumen! Keiner sieht uns! Singt ihr ein zartes Liedchen, worin Ihr schildert die Liebe, die Ihr im Herzen tragt.
GRAF. In einem Liede?
FIGARO. Gewiß. Nehmt die Gitarre, macht geschwinde!
GRAF. So, meinst du?
FIGARO. O dieses Zaudern!
GRAF. Nun denn, so sei es!

Kanzone.

GRAF.
Laß, o Holde, es leise dir sagen,
Wer dir nahet mit zärtlichen Klagen.
Ich bin Lindoro, der treu dich verehret,
Zum Weib dich begehret, dir ganz gehöret,
Der an dich nur, du Reizende, denkt,
Ob ich wache, ob Schlaf mich umfängt.
ROSINE die auf dem Balkon erschien.
Fahre fort, o vollende dein Lied!
FIGARO.
Ihr höret! Nun denn, was sagt Ihr?
GRAF.
Wie bin ich glücklich!
FIGARO.
Nur Mut! Noch einmal! singt weiter!
GRAF.
Meine Habe, sie ist nur geringe,
Und nicht Reichtum ist, was ich dir bringe.
Was ich dir biete und was ich dir weihe:
Ein Herz voller Treue, das stets aufs neue
Nur an dich, o du Reizende, denkt,
Ob ich wache, ob Schlaf mich umfängt!
ROSINE.
Voll Entzücken vernahm es Rosine,
Was ihr Lindoro im Lied –

Sie zieht sich vom Balkon zurück.

Fünfter Auftritt.

Graf. Figaro.

Secco-Rezitativ.

GRAF. O Himmel!
FIGARO. In ihr Zimmer trat gewiß jemand plötzlich soeben ein. Eilig ist sie verschwunden!
GRAF aufgeregt. O wie abscheulich! Es macht mich rasend, von Sinnen! Auf alle Fälle muß bald ich sie sehen, muß sie sprechen, und du mußt mir helfen dazu!
FIGARO. Ei ei, wie hitzig! Nun ja, ich will es tun!
GRAF. Vortrefflich! Noch heute verschaffe mir Eintritt in jenes Haus. Sage, wie wär‘ es möglich? Auf, laß mich sehen die Proben deines Witzes!
FIGARO. Meines Witzes? Nun denn, es sei! Doch heute schon -?
GRAF. Du zauderst? Ich merke! Getrost und zweifle nicht! Für deine Müh‘ werd‘ ich dich reich belohnen!
FIGARO. Ihr wollt?
GRAF. Auf Ehre!
FIGARO. Also Gold soll mich belohnen?
GRAF. Ja, Gold in Menge! Vorwärts denn, eile!
FIGARO. So sei es! Könntet Ihr ahnen, welche Lust ich empfinde, Euch zu dienen! Welche Freude, mein teurer Herr Lindoro, wenn mir erglänzt des Goldes lichter Schein!

Nr. 3. Duett.

FIGARO.
Strahlt auf mich der Blitz des Goldes,
Fühl‘ ich mich wie umgestaltet
Und ein kühnes, und ein kühnes Leben waltet
Hoch in mir, ja hoch in mir voll Mut und Kraft!
Ja, strahlt auf mich der Blitz des Goldes,
Fühl‘ ich mich wie umgestaltet!
Ich fühle mich voll Mut und Kraft!
GRAF.
Laß sie sehn, ja laß sie sehn, die Macht des Goldes,
Was sie noch, ja was sie noch aus dir entfaltet!
Was sie noch, ja was sie noch aus dir gestaltet,
Was sie noch, ja was sie uns zum Glücke schafft, ja!
Was sie noch aus dir entfaltet,
Was sie uns zum Glücke schafft! –
FIGARO.
Werfen Sie sich in die Kleider –
In die Waffen – des Soldaten!
GRAF.
Des Soldaten?
FIGARO.
Ja, mein Herr!
GRAF.
Bin ich Soldat, was tu‘ ich dann?
Was ist dann noch zu tun?
FIGARO.
Heute kommen fremde Truppen!
GRAF.
Ja und ihr Oberst ist mein Freund!
FIGARO.
Herrlich geht’s!
GRAF.
Und weiter!
FIGARO.
Ich wette – mit dem Einquartierbillette
Finden Sie den Eingang frei! –
Nun, was sagen Euer Gnaden?
Dies der erste von den Kniffen!
Dies der erste, dies der erste von den Kniffen!
GRAF.
Dies der erste!
FIGARO.
Dies der erste, dies der erste von den Kniffen!
GRAF.
Von den Kniffen!
BEIDE.
Darum hurtig zugegriffen! bravo! bravo! bravo!
Er führt uns zum Ziel, ja, ja!
Dies ist der erste von den Kniffen,
Bravo, bravo, er führt uns zum Ziel!
Ja, er führet uns zum Ziel!
Ja, er führet, ja, er führet uns zum Ziel! –
FIGARO.
Sachte, sachte! Nun da weiter!
Ha, das Gold, ha, das Gold schärft meinen Geist!
Herr, Sie stellen sich betrunken,
Was man recht betrunken heißt.
GRAF.
Wie, betrunken?
FIGARO.
Ja, Ihr Gnaden.
GRAF.
Ei, betrunken! Und warum? Und warum? Und warum?
FIGARO ahmt maßvoll die Gebärden eines Betrunkenen nach.
Wer im Wein sich ganz verlor,
Und so voll betrunken ist,
Setzt mir keinen Floh ins Ohr,
Denkt der alte Rabulist,
Ja, so denkt der Rabulist,
Ja, ja, so denkt der alte Rabulist! –
Dies der zweite, dies der zweite von den Kniffen!
GRAF.
Dies der zweite –
FIGARO.
Dies der zweite, dies der zweite von den Kniffen!
GRAF.
Von den Kniffen!
BEIDE.
Drum nur hurtig zugegriffen! bravo! bravo! bravo!
Er führt uns zum Ziel, ja, ja!
Drum nur hurtig zugegriffen! bravo! bravo! bravo!
Er führt uns zum Ziel!
Ja, er führet, ja, er führet uns zum Ziel! –
GRAF.
Nun denn!
FIGARO.
Zur Sache!
GRAF.
Laß uns gehen!
FIGARO.
Addio!
GRAF.
Addio! Doch das Beste, doch das Beste ist ja ganz vergessen.
Sag‘ mir doch, wo ist dein Laden,
Schild und Zeichen, sag‘ es an?
FIGARO zeigt in die Kulisse.
Dort mein Laden, nicht zu fehlen,
Schön und stattlich, wie sich’s gebührt. –
Numero fünfzehn, drei blanke Becken,
Und vor den Fenstern auf Haubenstöcken
Touren, Perücken, Wasser zum Waschen,
Bonbonnieren, sich krank zu naschen.
In kleinen Fläschchen Schönheitstinkturen,
Salben in Tiegeln zu Wunderkuren;
Dort ist mein Laden für jedermann!
Touren, Perücken, Wasser zum Waschen,
Bonbonnieren, sich krank zu naschen,
In kleinen Fläschchen Schönheitstinkturen,
Salben in Tiegeln zu Wunderkuren!
Dort ist mein Laden, gar nicht zu fehlen,
Dort ist mein Laden für jedermann!
Touren, Perücken und viele Dinge,
Dort ist mein Laden für jedermann!
GRAF.
Herrlich! Vortrefflich!
FIGARO.
Nur schnell zur Sache.
GRAF.
Nur List und Vorsicht!
FIGARO.
Ich lausch‘ und wache!
GRAF.
Auf dich vertrau‘ ich!
FIGARO.
Auf Wiedersehen!
GRAF.
Leb wohl, mein Figaro!
FIGARO.
Sie gehen! Sie gehen!
GRAF.
Bring‘ dir zum Lohne –
FIGARO.
Die volle Börse.
GRAF.
Ich bring‘ sie dir –
Doch was wird mir?
FIGARO.
O wonnevoller Augenblick,
Wie herrlich ist der Liebe Glück!
GRAF.
Welche Beklemmung, welches Entzücken!
Sie, meine Teuerste, bald zu erblicken!
Liebe, in deine Macht leg‘ ich mein Leben;
Du wirst es heben zum Glück empor!
Welche Beklemmung! – Welches Entzücken!
Sie, meine Teuerste, so bald zu erblicken!
Ich fühl‘ an Seligkeit mein Herz durchbeben;
Liebe, in deine Macht leg‘ ich mein Leben;
Du wirst es heben zum Glück empor!
FIGARO.
Klingen des Goldes wird mich entzücken,
Kann er die Teure einmal erblicken!
Höre schon, o welch Entzücken,
Höre schon es freundlich klingen vor meinem Ohr! –
Gold, nur in deine Macht leg‘ ich mein Leben;
Du wirst es heben zum Glück empor!

Figaro geht in Bartolos Haus. Der Graf zur andern Seite ab.

Sechster Auftritt.

Fiorillo.

Secco-Rezitativ.

FIORILLO.
Ein trefflicher Gebieter! Schon zwei Stunden
Auf einem Fleck, fast unbeweglich läßt er mich warten,
Dann geht er von dannen und läßt mich stehn!
Das ist zu toll! Ja, zu dienen solch wunderlichem
Herrn ist eine Plage! Vornehm, jung und verliebt
Wie er es ist, solch ein Leben, beim Himmel
Ist eine Strafe. Geht es länger so fort,
Wird es zu viel mir!

Verwandlung.

Zimmer in Bartolos Hause.

In der Mitte eine Glastür, welche auf den Balkon führt. Die erste Tür links Rosinens Zimmer, die zweite Tür ins Innere des Hauses. Die erste Tür rechts Bartolos Zimmer, die zweite Tür allgemeiner Eingang. Im Zimmer links ein Klavier mit Musikalien. Rechts ein Schreibpult mit Schreibgerät und Papier. Ein Ohrenstuhl und andere Sessel.

Siebenter Auftritt.

Rosine.

Rosine kommt aus ihrem Zimmer, eilt an das Schreibpult, ergreift einen Federkiel und schneidet an der Spitze.

Nr. 4. Kavatine.

ROSINE.
Frag‘ ich mein beklommnes Herz,
Wer so süß es hat bewegt,
Daß es in der Liebe Schmerz
Immer sehnender sich regt:
Ja, dann heißt es, in dies Herz
Hat Lindoro Brand gelegt! –
Sagt der Vormund grämlich: Nein!
Hat doch meine Liebe Mut;
Mein Lindoro, und ich sein,
Trotz‘ ich der Gewalt und Wut.
Mein Lindoro, ewig mein,
Er mir alles, Glück und Gut. –

Während des Zwischenspiels schreibt Rosine ein Briefchen, das sie dann zu sich steckt.

Ich bin gelehrig, weiß zu gehorchen,
Bin wohlerzogen, dem Freund gewogen,
Ich lasse lenken, lasse führen mich.
Doch wenn man mich da anrührt,
Wo ich verletzlich bin,
So steche ich wie eine Viper!
Mit hundert Schelmereien, listig ausgedacht,
Bevor ich weiche, wehr‘ ich mich!

Secco-Rezitativ.

ROSINE. Gewiß, mir bleibt der Sieg! Wenn es nur glückte, ihm einen Brief zu senden! Doch wie nur? Ich vertraue hier niemand, und der Vormund sieht alles. Doch indessen schnell das Briefchen gesiegelt. Sie geht zum Schreibtisch und siegelt den Brief. Mit Figaro, dem Barbier, sah ich vom Fenster ihn eifrig sich besprechen wohl eine Stunde. Figaro darf man trauen, er hat ein gutes Herz. Vielleicht kann er beschützen unsere Liebe.

Achter Auftritt.

Rosine. Figaro.

FIGARO. Gott zum Gruß, Signorina!
ROSINE. Willkommen, lieber Figaro!
FIGARO. Wie lebt man? Saget an!
ROSINE. Man stirbt vor Langerweile!
FIGARO. Wär’s möglich! Ihr scherzet wohl! Solch eine Dame, reizend, von solchem Geiste!
ROSINE. Haha, Ihr macht mich lachen! Wozu nützet der Geist, was nützet alle Schönheit, wenn eingesperrt ich bin zwischen vier Mauern, wenn ich hier wie im Grabe fast mich befinde.
FIGARO. Fast wie im Grabe? Nicht doch! Sie beiseite ziehend. So höret: ich könnte –
ROSINE. Der Vormund kommt!
FIGARO. Wahrhaftig?
ROSINE. Ja, er nahet, es ist sein Gang!
FIGARO. Ich verschwinde! Bald werd‘ ich wieder erscheinen, ich habe Wicht’ges Euch zu sagen.
ROSINE. Ich ebenfalls, mein lieber Figaro!
FIGARO. Vortrefflich, fort denn! Er verbirgt sich und wird von Zeit zu Zeit sichtbar.
ROSINE. Wie ist er artig! Sie zieht sich etwas zurück.

Neunter Auftritt.

Rosine. Bartolo. Dann Marzelline und Ambrosio.

Secco-Rezitativ.

BARTOLO. Ach, der verwünschte Figaro. Der Schurke! Der Unverschämte! Der freche Bursche!
ROSINE. Immer hat er zu schmälen!
BARTOLO. Er macht die schönsten Streiche! Zu einem Hospitale macht er das ganze Haus mit seinen Mitteln, Opium mit Aderlässen. Sagt, Rosine, habt Ihr etwa ihn gesprochen?
ROSINE. Wieso?
BARTOLO. Weil ich es wissen will.
ROSINE. Ist auch er Euch gefährlich?
BARTOLO. Und warum nicht?
ROSINE. Nun wohl, so höret denn: Ja, er war hier und ich sprach ihn, denn wisset, mit ihm zu plaudern, ist ein Vergnügen, er ist mir stets willkommen. – Mag er dran ersticken, der widerwärt’ge Alte! Ab.
BARTOLO. Ei, seht das holde Täubchen! Verachtung ernte ich nur für meine Liebe? Ha, ich weiß es, der Barbier nur trägt die Schuld an ihrem Trotze. Wer weiß, was er ihr sagte. Wer weiß! Wissen muß ich es! Er ruft. He, Marzelline! Ambrosio!
MARZELLINE. Hatschi!
AMBROSIO. Ah! – Was befehlt Ihr?
BARTOLO. Sage –
MARZELLINE. Hatschi!
BARTOLO. Der Barbier, was sprach er zu Rosine?
BARTOLO. Antworte, rede du, dummer Tölpel!
AMBROSIO. Uah!
BARTOLO. Unerträglich!
AMBROSIO. Uah. Wie müde!
BARTOLO. Nun, wird’s?
MARZELLINE. Er kam, ich aber –
BARTOLO. Was war es?
AMBROSIO. Uah!
MARZELLINE. Hatschi!
AMBROSIO. Uah!
MARZELLINE. Hatschi!
BARTOLO. Welche Diener! Da sind sie nun, doch wie beschaffen! Hinaus, ihr!
AMBROSIO. Uah!
MARZELLINE. Hatschi!
BARTOLO. Der Teufel mag euch holen.

Marzelline und Ambrosio gehen verdrossen und schläfrig durch die zweite Tür rechts ab.

Zehnter Auftritt.

Basilio. Bartolo.

BARTOLO. O verteufelter Barbier, du sollst es mir bezahlen. Ah, Don Basilio, seid mir willkommen! Hört: es muß nun, gutwillig oder nicht, bis morgen abend heiraten mich Rosine. Habt Ihr verstanden?
BASILIO nach vielen Verbeugungen. Ich bin ganz Eurer Meinung, und wegen dieser Sache kam ich eben. Er zieht ihn beiseite. Hört im Vertrauen: Erschienen ist hier Graf Almaviva.
BARTOLO. Er, der Rosine nachstellt, der ihr den Hof macht!
BASILIO. Ebenderselbe.
BARTOLO. O Teufel! Da muß man Mittel finden –
BASILIO. Freilich. Doch ganz im geheimen –
BARTOLO. Wie meint Ihr das?
BASILIO. Das heißt, ganz ohne Aufsehen; man müßte es versuchen, irgend etwas zu erfinden, geeignet, den Grafen zu verdächt’gen, das ihn erscheinen ließe als einen Wüstling, als schlecht und als verworfen. Verlasset Euch auf mich: in wenig Tagen, Ihr werdet sehn, ich will es Euch beschwören, muß er unmöglich sein hier in Sevilla.
BARTOLO. Ihr glaubt es wirklich?
BASILIO. O sicher! Laßt mich nur machen, das ver steh‘ ich.
BARTOLO. Und Ihr wolltet – nur durch eine Verleumdung –
BASILIO. Ihr zweifelt? Welche Macht sie besitzt, wißt Ihr noch nicht?
BARTOLO. Nein, wahrhaftig!
BASILIO. Wohl, so hört denn, was ich künde!

Nr. 5. Arie.

BASILIO.
Die Verleumdung, sie ist ein Lüftchen,
Kaum vernehmbar, in dem Entstehen,
Still und leise ist sein Wehen:
Horch, nun fängt es an zu säuseln –
Immer näher, immer näher kommt es her. –
Sachte, sachte! – Nah zur Erde!
Kriechend, schleichend! – Dumpfes Rauschen!
Wie sie horchen, wie sie horchen!
Wie sie lauschen, wie sie lauschen!
Und das zischelnde Geflüster,
Dehnt sich feindlich, dehnt sich feindlich aus und düster,
Und die Klugen und die Tröpfe
Und die tausend hohlen Köpfe
Macht sein Sausen voll und leer! –
Und von Zungen geht’s zu Zungen –
Das Gerede schwellt die Lungen –
Das Gemurmel wird Geheule –
Wälzt sich hin mit Hast und Eile;
Und der Lästerzungenspitzen
Zischen drein mit Feuerblitzen,
Und es schwärzt sich Nacht und Schrecken
Schaurig immer mehr und mehr.
Endlich bricht es los das Wetter,
Unter gräßlichem Geschmetter!
Durch der Lüfte Regionen
Tobt’s wie Brüllen der Kanonen,
Und der Erde Stoß und Zittern
Widerhallt in den Gewittern,
In der Blitze Höllenschlund! –
Und der Arme muß verzagen,
Den Verleumdung hat geschlagen. –
Schuldlos geht er dann, verachtet,
Als ein Ehrenmann zugrund.
Ja, schuldlos geht er dann zugrund,
Geht er zugrund!

Secco-Rezitativ.

BASILIO. Nun, was sagt Ihr?
BARTOLO. Ja, Ihr habt recht, indessen, das währt zu lange, man verliert zu viel Zeit. Nein, ich mach’s auf meine Weise. In mein Zimmer laßt uns gehn. Laßt uns zusammen den Kontrakt für die Ehe dort überlegen. Ist sie nur erst mein Weibchen, dann werd‘ ich schon all die verliebten Gecken, die sie umschwärmen, vom Halse mir schaffen.
BASILIO für sich. Gibt’s zu verdienen, so bin ich stets zu haben.

Beide gehen ab durch die erste Tür rechts.

Elfter Auftritt.

Figaro. Dann Rosine.

FIGARO vorsichtig vortretend. Ha, bravo, ganz vortrefflich! Ich hörte alles. Der würdige Herr Doktor! Kläglicher alter Gimpel! Die Deine? Was glaubst du? du könntest dich verrechnen! Jetzt, da ich hier im Hause, werde ich es versuchen, sie zu sprechen. Gerade dort kommt sie.
ROSINE. Wie steht es, lieber Figaro?
FIGARO. Gar Wicht’ges mußt‘ ich hören!
ROSINE. Nun, was gibt es?
FIGARO. Recht erfreuliche Sachen.
ROSINE. Wie soll ich das verstehn?
FIGARO. Höret denn selber: Der würdige Herr Vormund hat sich entschlossen, schon am kommenden Tag Euch zu freien.
ROSINE. Nicht möglich!
FIGARO. Ich kann’s beschwören! Um alles zu besprechen mit dem braven Basilio, ist er dort eingeschlossen.
ROSINE. So? Wenn er sich nur nicht irrt, der arme Gimpel! Er kennt mich noch nicht. Doch saget, lieber Figaro, Ihr sprachet heut hier unter meinem Fenster mit einem jungen Mann?
FIGARO. O das war mein Vetter, ein braver, guter Junge, sehr verständig, voller Gemüt, der hier in Sevilla studiert, um dann darauf irgendein Amt zu suchen.
ROSINE. Ich glaube, daß es ihm glückt!
FIGARO. O daran ist zu zweifeln. Ganz im Vertrauen: er hat einen großen Fehler.
ROSINE. Wie, einen Fehler?
FIGARO. Ja, wahrlich! Er ist verliebt zum Sterben!
ROSINE. Wie? Ihr glaubt es? Vernehmet denn, der Jüngling interessiert mich außerordentlich.
FIGARO. Wahrhaftig!
ROSINE. Ihr wollt nicht glauben?
FIGARO. Gewiß.
ROSINE. Und seine Schöne, sagt doch, wohnt sie in der Nähe?
FIGARO. O nein – das heißt – nur zwei Schritte.
ROSINE. Und – ist schön sie?
FIGARO. Das wollt‘ ich meinen! Lasset sie mich Euch schildern mit wenig Worten: verständig, voller Anmut, schwarze Haare, zarte rote Wangen, feurige Blicke, zarte weiße Händchen.
ROSINE. Ihr Name?
FIGARO. Ihr wollt ihn wissen? Ihr Name – welch schöner Name! Sie nennt sich –
ROSINE. Nun denn – sie nennt sich?
FIGARO. Ach, die Gute. Sie nennt sich: Ro – o – Ro, s – i – si, Rosi, n – a – na, Rosina!

Nr. 6. Duett.

ROSINE.
Also ich? Meinst du es wirklich?
Also ich wär‘ die Erwählte?

Für sich.

Was der Schwätzer mir erzählte,
Ach, das wußt‘ ich eh‘ wie er.
FIGARO.
Ja, Lindoro flammt von Liebe
Für die reizende Rosine,
Für Rosine flammt Lindoro.

Für sich.

Schelmin mit der süßen Miene, kleine Schelmin!
Schelmin mit der süßen Miene,
Ach, du hintergehst mich schwer!
ROSINE.
Hör doch, höre! Mit Lindoro
Sage, wann ich sprechen kann?
FIGARO.
Stille, stille, der Lindoro,
Der Geliebte selbst wird nahn.
ROSINE.
Mich zu sprechen? Bravo, bravo!
Komm er nur, doch sehr bescheiden,
Still im Herzen! Doch ihr Freunde, stille, stille!
Doch was weilt er? Ist er nicht hier?
FIGARO.
Der Geliebte wünscht ein Wörtchen,
Was er wohl zu hoffen hätte!
Schwarz auf Weiß, ja im Billette;
Hat er das, so ist er da. –
Nun, die Antwort?
ROSINE.
Ach, ich fürchte –
FIGARO.
Frisch und mutig!
ROSINE.
Ach, was schreib‘ ich?
FIGARO.
Nur zwei Zeilen.
ROSINE.
Ach, ich fürchte –
FIGARO.
Ei, das wäre? Warum? Weshalb?

Er geht zum Schreibpult.

Hurtig, hurtig, das Billettchen!
ROSINE.
Das Billettchen – das wäre da.

Sie zieht es hervor und reicht es ihm.

FIGARO.
Schon ist’s geschrieben? Ei, die Schelmin!
Und ich lehr‘ sie Mut und List!
ROSINE.
Süß beglückt wird mein Empfinden,
Und ich atme leicht und frei.
FIGARO.
Mir das Märchen aufzubinden,
Allerliebste Schelmerei!
ROSINE.
Lieb‘ und Glück wird uns verbinden
Und belohnen unsre Treu‘!
Lieb‘ und Glück wird uns verbinden
Und belohnen unsre Treu‘!
FIGARO.
Weiberarglist zu ergründen
Lernt man nicht, das ist vorbei!
ROSINE.
Hör doch, höre, wird er kommen?
FIGARO.
Ja gewiß, er wird kommen,
Der Geliebte, er wird nahen.
ROSINE.
Komm‘ er nur, doch sehr bescheiden!
FIGARO.
Der Geliebte, er wird nahn!
ROSINE.
Süß beglückt wird mein Empfinden
Und ich atme leicht und frei!
Lieb‘ und Glück wird uns verbinden
Und belohnen unsre Treu‘!
FIGARO.
Weiberarglist zu ergründen
Lernt man nicht, das ist vorbei!

Er geht mit dem Billett durch die zweite Tür rechts ab.

Zwölfter Auftritt.

Rosine. Dann Bartolo.

Secco-Rezitativ.

ROSINE. Schon fühl‘ ich mich erleichtert! Dieser Figaro ist doch ein braver Bursche!
BARTOLO. Nun endlich, wie ich hoffe, werd‘ ich erfahren, was an diesem Morgen von meinem lieben Täubchen jener wollte?
ROSINE. Figaro? O nichts Wichtiges.
BARTOLO. Sprachst du ihn?
ROSINE. Allerdings!
BARTOLO. Nun denn, was war es?
ROSINE. So gut wie nichts, nur ganz unwicht’ge Dinge, von französischen Moden, vom Leiden seiner Cousine Marianne.
BARTOLO. Wer’s glaubt! Ich möchte wetten, daß die Antwort ich schon habe auf jenes Briefchen.
ROSINE. Welches Briefchen?
BARTOLO. Du fragst noch? Das Liedchen von der »Vergeblichen Vorsicht«, das heut morgen dir fiel von dem Balkon! Sieh, du errötest! Hätt‘ richtig ich vermutet? Woher kommt diese Tinte, die Ihr habt hier am Finger?
ROSINE. Tinte? Ja freilich – weil ich ihn mir ver brannte, hab‘ ich zur Kühlung betupft ihn mir mit Tinte.
BARTOLO. Ei verdammt! Hier diese Bogen – jetzt sind’s fünf nur, sechse waren’s –
ROSINE. Das Briefpapier? Nun ja doch – einen hab‘ ich genommen, Marianne Konfekt darin zu senden.
BARTOLO. Wahrhaftig! Und die Feder, sie ist voll frischer Tinte?
ROSINE. O verwünscht! Die Feder – zum Zeichnen einer Blume, die ich sticke.
BARTOLO. Einer Blume?
ROSINE. Einer Blume!
BARTOLO. Einer Blume! Das sind Flausen!
ROSINE. O nein!
BARTOLO. Schweiget!
ROSINE. O glaubet –
BARTOLO. Stille, kein Wort!
ROSINE. Mein Herr!
BARTOLO. Genug, ich will es!

Nr. 7. Arie.

BARTOLO.
Einen Doktor meinesgleichen
Fängt man nicht durch solche Lügen;
Will Rosine mich betrügen,
Muß es feiner noch geschehn,
Feiner, feiner, feiner, feiner!
Will Rosine mich betrügen,
Muß sie schlau zu Werke gehn! –
Das Konfekt für ihre Muhme –
Und die Zeichnung einer Blume –
Dieser Vorwand, ei, mein Kind, was soll er frommen?
O da muß ein andrer kommen,
Mich mit List zu hintergehn!
Ja, ein andrer! Ja, ein andrer!
Jenes Blatt, das sie entwendet –
Hat der Muhme sie gesendet –
Färbt mit Tinte sich die Hand –
Weil den Finger sie verbrannt.
Ei, mein Kind, welch eitle Finten!
Ja, mir ein Märchen aufzubinden,
Kann mit Vorsicht nur geschehn.
Einen Doktor meinesgleichen
Fängt man nicht mit solchen Lügen;
Will Rosine mich betrügen,
Muß sie schlau zu Werke gehn! –
O ich lache ihrer Tücken –
Ihrer Schlauheit sprech‘ ich Hohn!
Nimmer soll sie mich berücken,
Was ich tue, weiß ich schon. –
Geh‘ ich künftig aus dem Hause,
Werd‘ ich es schon klüger machen,
Von Spionen und von Wachen
Soll sie rings umgeben sein. –
Um die Zeit sich zu vertreiben,
Mag sie dann nur Briefe schreiben!
O gewiß durch Schloß und Riegel
Dringet selbst kein Lüftchen ein!
Schwimmt Rosine dann in Zähren,
Nichts wird sie im Weinen stören,
Um die Zeit sich zu vertreiben,
Mag sie dann nur Briefe schreiben!
O gewiß, durch Schloß und Riegel
Dringet selbst kein Lüftchen ein!
Schwimmt Rosine dann in Zähren,
Nichts wird sie im Weinen stören!
Bis ich selber dann erscheine,
Bleibt das Täubchen hübsch alleine! –
Einen Doktor zu betrügen,
Muß sie schlau zu Werke gehn!
Schwimmt Rosine dann in Zähren,
Nichts wird sie im Weinen stören,
Bis ich selber dann erscheine,
Bleibt das Täubchen hübsch allein! –

Er geht ab.

Dreizehnter Auftritt.

Rosine allein.

Secco-Rezitativ.

ROSINE. Brumme nur nach Belieben, verschließe Tür und Fenster, das reizt mich nur zum Lachen! Denn um die Weiberlist glühend anzufachen, zu reizen unsern Geist, erfindrisch uns zu machen mit einem Schlage – ist es genug, uns einzuschließen, und bald ist es geschehen. Ab.

Vierzehnter Auftritt.

Marzelline trippelt lauschend aus der zweiten Tür links.

MARZELLINE. Ich hörte hier im Zimmer soeben, wie mich dünkt, lebhaftes Sprechen! Der Herr Doktor wohl war’s mit seinem Mündel. Immer zankt er mit ihr. Ja, diese Mädchen! Alles wissen sie besser!

Es wird von außen geklopft.

MARZELLINE. Man klopft!
GRAF außerhalb. Öffnet!
MARZELLINE. Ja doch, sogleich! Das geht fortwährend! Keinen Augenblick Ruhe, stets auf den Beinen!

Fünfzehnter Auftritt.

Graf als Kavallerist, sich betrunken stellend, zweite Tür links. Dann Bartolo.

Nr. 8. Finale.

GRAF.
He, ihr Leute, hier vom Hause! Hört, ihr Leute!
He! – Ihr vom Hause! Alle Teufel! Hört mich niemand? – He!
BARTOLO kommt aus seinem Kabinett.
Wer ist der Mann? Die garst’ge Miene!
Und betrunken! Wer mag’s sein? Wer mag’s sein?
GRAF.
Ihr vom Hause! Alle Teufel! Donnerwetter! – He!
BARTOLO.
Herr Soldat! Was steht zu Diensten?
GRAF bartolo gewahrend, sucht in der Tasche.
Ah, Sie hier?
BARTOLO.
Was will dieser Mann wohl hier?
GRAF.
Bin sehr verbunden!
Herr, Sie sind, wie man mir sagte:
Der gewisse Doktor Bollardo.
BARTOLO.
Welche Frage! Ja, ein Doktor!
GRAF.
Ja, ja, Doktor Bartel!
BARTOLO.
Ei, was Bartel, Bartel, Bartel!
Fort zum Henker pack er sich!
Doktor Bartolo! Doktor Bartolo! Doktor Bartolo!
GRAF.
Nun, bravissimo! Doktor Bartolo!
Nun, Ihr Diener, Doktor Bartolo!
BARTOLO.
Zum Teufel!
GRAF.
Bartl und Bartolo, ei zum Teufel!
Ist denn da ein Unterschied?
BARTOLO für sich.
In mir regt sich, in mir regt sich
Schon die Galle!
GRAF für sich.
Ich durchspäh‘ die Winkel alle!
Wo mag die Geliebte sein?
BARTOLO für sich.
Doch heißt’s still und ruhig sein.
GRAF.
Also Sie, Sie sind der Doktor?
BARTOLO.
Ja, mein Herr, ich bin der Doktor.
GRAF.
Ha, vortrefflich! Eine Umarmung, Herr Kollege!
BARTOLO.
Zum Teufel!
GRAF umarmt ihn gewaltsam.
Ja! – Auch in mir sehn Sie den Doktor!
Bin der Schmied vom Regimente,
Und kuriere auch die Esel,
Steh‘ zu Diensten. – Hier mein Billett.

Er zeigt es vor.

Hier mein Billett, hier mein Billett! –

Für sich.

Ach, wo bist du, Heißersehnte?
Dein Geliebter kommt zu dir!
Unsers Glückes Ruf ertönte,
Dein Geliebter weilet hier!
BARTOLO für sich.
Nun bleibt der Impertinente
Mir zur Plage im Quartier!
Wenn ich ihn entfernen könnte,
Ach, was gäbe ich dafür!
Wenn ich ihn entfernen könnte,
Ei, was gäbe ich dafür!

Sechzehnter Auftritt.

Rosine. Graf. Bartolo. Dann Marzelline und Basilio.

ROSINE bleibt stehen, als sie Bartolo sieht; für sich.
Ein Soldat? Und der Vormund?
Ei, was tun die beiden hier?

Sie kommt ganz allmählich näher.

GRAF erblickt Rosine, für sich.
Ha, Rosine, ach, welch Entzücken!
ROSINE.
Er fixiert mich, und er naht sich.
GRAF leise.
Bin Lindoro!
ROSINE leise.
O welch Entzücken! Nur behutsam, nur behutsam, stille, still!
BARTOLO sieht Rosine.
Ha, mein Fräulein, was beliebet?
Hurtig, hurtig auf Ihr Zimmer!
ROSINE.
Ach, ich gehe schon von hinnen.
BARTOLO.
Eilig, hurtig auf Ihr Zimmer,
Eilig, eilig, fort von hier!
GRAF sich betrunken stellend.
Ha, mein Täubchen! auch ich komme!
BARTOLO ihn zurückhaltend.
Sachte, sachte, nun wohin denn?
GRAF.
Gleich ins Wirtshaus?
BARTOLO.
Gleich ins Wirtshaus!
GRAF.
Wenn Sie’s erlauben.
BARTOLO.
Gleich ins Wirtshaus?! Wär‘ nicht übel!
GRAF heimlich.
Teure!
ROSINE.
Nur Vorsicht!
BARTOLO.
Holla!
Was soll das?
GRAF zu Bartolo, nach den innern Gemächern zugehend.
Nun, wir gehen.
BARTOLO ihn aufhaltend.
Muß höflich bitten:
Hier ist kein Quartier für Sie,
Nein, hier ist kein Quartier für Sie!

Er trennt sie.

GRAF.
Donnerwetter!
BARTOLO.
Ich kann nicht helfen, Herr!
GRAF.
Tausend Teufel!
BARTOLO.
Hab‘ als Arzt Quartierdispense!
GRAF zornig.
Die Dispense!
BARTOLO.
Ja, mein Herr, ich will sie holen,
Will sie holen, will sie holen, will sie holen,
Gleich, mein Herr, zeig‘ ich sie vor!
GRAF will Rosine ein Briefchen geben.
Nun, darf ich denn hier nicht bleiben,
Nimm, Geliebte!
ROSINE.
Nein, nein, er sieht uns!
BARTOLO im Schreibtisch suchend.
Ach, so kann ich es nicht finden!
ROSINE.
Behutsam!
BARTOLO.
Doch, ja, ja, ich find‘ es noch!
ROSINE.
Welche Angst in dieser Stunde,
Ach, wie wird es uns ergehn?
GRAF.
Welche Angst in dieser Stunde,
Ach, wie wird es uns ergehn!
BARTOLO.
Ha, hier ist sie!

Kommt mit einer Urkunde nach vorn und liest.

»Dem Vorzeiger dieses, Doktor Bartolo, wird hiermit
Befreiung von aller Einquartierung -«
GRAF schlägt mit einer Handbewegung die Urkunde in die Luft.
Fort zum Teufel, fort mit ihr!
BARTOLO.
Was beginnt der Herr, was soll das?
GRAF.
Stille, Doktor Totengräber,
Mein Quartier ist hier, und Punktum!
Ja, ich mache mir’s bequem!

Er wirft sich rechts auf einen Stuhl.

BARTOLO.
Was bequem?
GRAF.
Ja, wie Sie sehen!
BARTOLO.
Herr, wie lang soll es noch währen!
Soll Gewalt Ihm Mores lehren?
Fort, sonst helf‘ ich Ihm hinaus!
Nur fort von hinnen! fort von hinnen!
Soll Gewalt Ihm Mores lehren
Wohl, so helf‘ ich Ihm hinaus!
GRAF ernsthaft.
Hör‘ ich recht? Man will Bataille?
Gut! Bataille soll auch sein!
Schöne Sache um eine Bataille!
Gut, ich mache sie Euch vor.

Sich freundlich Bartolo nähernd.

Gebet Achtung! Da ist der Graben!
Gebet Achtung! Ihr seid der Feind!

Er stößt Bartolo weg; auf Rosine zeigend.

Und da stehet der Freund!

Leise zu Rosine, der er das Briefchen wieder geben will.

Nieder das Schnupftuch!
Und die Freunde stehen da!
Nun gebet acht!

Er wirft vor Rosine das Briefchen auf den Boden, Rosine läßt ihr Schnupftuch darauffallen.

BARTOLO.
Haltet! Haltet!
GRAF.
Nun, was gibt’s?
BARTOLO.
He, will doch sehen!
GRAF tut, als wenn er jetzt den Brief bemerkt.
Hab‘ doch kein Rezept verloren?

Er hebt das Briefchen samt dem Schnupftuch auf.

Doch, ein Briefchen! Es steht zu Diensten
Und hier stell‘ ich es zurück.

Er überreicht beides Rosine.

ROSINE.
Danke, danke!

Sie verwechselt es schnell mit einem andern Zettel, den sie bei sich trägt.

BARTOLO.
Ei was, danke! Her das Briefchen!
Her das Briefchen, ich befehl‘ es!
Her das Briefchen, sonst gibt’s Wetter!
GRAF.
Nun Bataille! Gebet acht! Gebt acht!
ROSINE.
Dieses Blättchen, das Sie sehen,
Ist durch Zufall mir entfallen,
Und ist nur der Wäschezettel.
BARTOLO.
Eine Finte! eine Finte! Her damit!
Nur hurtig, hurtig, her damit! nur her damit!

Er entreißt ihr das Blatt.

Basilio mit Notenblättern in der Hand.

Marzelline gleichzeitig von der andern Seite.

BARTOLO.
Doch was seh‘ ich –
MARZELLINE.
Der Barbier kommt!
BARTOLO.
Das ist der Zettel von der Wäsche –
MARZELLINE.
Wieviel Leute!
BARTOLO.
Ohne Zweifel!
GRAF.
Bravo, ach du armer Teufel!
MARZELLINE, ROSINE.
Bravo, ach du armer Teufel!
BARTOLO.
Ach, ich war ein dummer Teufel!
BASILIO.
Sol, sol, sol, sol!
GRAF.
Er hat selbst sich angeführt!
MARZELLINE.
Alle scheinen sie verwirrt!
ROSINE.
Hast dich selber angeführt!
Bravo; ja der arme Teufel
Hat sich selber angeführt!
BARTOLO.
Ach, ich war ein dummer Teufel,
O wie dumm, ach, wie dumm!
Ja, es bleibet hier kein Zweifel,
Hab‘ mich selber angeführt!
BASILIO.
Sol, sol, sol, do, re, mi!
Fa, re, sol, mi, la, fa, si, sol, do!
Welche Szene find‘ ich hier?
GRAF.
Bravo, bravo, dummer Teufel,
Hast dich selber angeführt!
ROSINE weinend.
Immerfort zur Schmach und Plage,
Stets verschlossen, zur Pein auserkoren.
Ach, ich gebe mich verloren,
Währt dies Leben länger noch.
BARTOLO nähert sich.
Ach, Rosinchen, holdes Mädchen!
GRAF bedroht Bartolo und packt ihn am Arm.
Weg von ihr, du kannst es wagen?
BARTOLO.
Ach, ich weiß ja nichts zu sagen.
GRAF.
Ha, Verräter! Mädchenmörder!

Zieht den Säbel.

ROSINE hält den Grafen zurück.
Ach, erbarmen Sie sich seiner!
BARTOLO.
Ach, erbarmen Sie sich meiner!
MARZELLINE, BASILIO.
Ach, erbarmen Sie sich seiner!
GRAF.
Frevler, du stirbst heute noch!
MARZELLINE, BASILIO, ROSINE, BARTOLO.
Kommt zu Hilfe, kommt zu Hilfe hier!
Leute kommt zu Hilfe hier!
GRAF.
Nichts rettet ihn, nichts rettet ihn!

Siebzehnter Auftritt.

Die Vorigen. Figaro, Barbierzeug unterm Arm.

FIGARO.
Haltet ein! Was ist geschehen? – Welch tolles Streiten?
Und dies Getöse! – Was soll’s bedeuten?!
Das Volk versammelt sich bei diesem Spaße,
Schon ist die Straße von Menschen voll.

Leise zum Grafen.

Herr Graf, ich bitte: Nicht gar zu toll!
BARTOLO auf den Grafen zeigend.
Er will nicht weichen.
GRAF nach Bartolo hin.
Schelm ohnegleichen!
BARTOLO wie vorher.
Er will nicht gehen.
GRAF nach Bartolo hin.
Blut muß ich sehen!

Bedroht Bartolo mit dem Säbel.

FIGARO.
Ei, Herr Dragoner, nicht so vermessen,
Nur nicht die Ehrfurcht so ganz vergessen.
Setzt er noch länger sich hier zur Wehre,
Bei meiner Ehre, ich schlage drein!
Herr Graf, ich bitte: Was soll das Schrei’n?
GRAF zu Bartolo.
Du alter Hase!
BARTOLO zum Grafen.
Ich tob‘, ich rase.
ALLE ÜBRIGEN.
Freund, sei doch ruhig!
BARTOLO.
Ich will ihm zeigen –
ALLE ÜBRIGEN.
Freund, sei doch ruhig!
GRAF.
Wirst du wohl schweigen!?
ALLE ÜBRIGEN.
Seid doch nur stille, was soll das Schrei’n?
GRAF.
Ja, mit dem Tode soll er’s bereu’n!
ALLE ÜBRIGEN.
Seid doch nur stille, was soll das Schrei’n?
Was soll das Schrei’n?

Man hört an der Tür stark klopfen.

ALLE.
Hört ihr dies Klopfen? Wer mag das sein?
BARTOLO.
Was gibt’s?
CHOR DER WACHE von draußen.
Die Wache! die Wache! laßt uns hinein!
ALLE.
Die Wache, o Himmel!
BASILIO, FIGARO.
Nun ist’s geschehen!
BARTOLO, GRAF.
Das will ich sehen!
BASILIO, FIGARO.
Nun ist’s geschehen!
BARTOLO, GRAF.
Führt sie herein!
MARZELLINE, ROSINE, BASILIO, BARTOLO, FIGARO, GRAF.
Ob ich jetzt bebe, ob ich jetzt lache,
Möchte die Sache zu Ende sein!

Achtzehnter Auftritt.

Die Vorigen. Offizier. Soldaten.

CHOR DER WACHE.
Stillgestanden, keiner rühr‘ sich!
Meine Herrn, was soll hier
Dieses Lärmen wohl bedeuten?
Schnell bekennet, was geschah,
Nun bekennet, bekennet, was geschah?
BARTOLO.
Dieser Wütrich von Soldaten
Hätt‘ mich fast gespießt, gebraten, ja ihr Herrn!
Dieser Wütrich von Soldaten
Hätt‘ mich bald gespießt, gebraten,
Ja, mein Herr! ja, mein Herr!
FIGARO.
Herr, ich kam nur, unter allen
Fried‘ zu stiften, ja ich kam,
Ja, mein Herr, ja, ich kam,
Fried‘ zu stiften, wenn ich kann.
Ja, mein Herr! ja, mein Herr!
BASILIO.
Ja, er lärmt hier zum Betäuben,
Droht nur immer, was er kann!
Ja, mein Herr! ja, mein Herr!
Er hätt‘ mich gespießt, gebraten!
Ja, mein Herr! ja mein Herr!
GRAF.
Er will mich vom Hause treiben,
Nimmt’s Quartierbillett nicht an!
Ja, ja, mein Herr! ja, ja, mein Herr!
Nimmt’s Quartierbillett nicht an!
Ja, mein Herr! ja, mein Herr!
MARZELLINE.
Ja, er lärmt hier zum Betäuben,
Droht nur immer, was er kann!
Ja, mein Herr! ja, mein Herr!
ROSINE.
Ach, verzeiht dem armen Manne,
Nur der Wein hat ihn berücket!
Ja, mein Herr! ja, mein Herr!
OFFIZIER.
Hab‘ verstanden! Hab‘ verstanden!

Zum Grafen.

Nun, Herr Wildfang, fort ins Gefängnis,
Fort von hinnen, fort von hier!

Die Soldaten wollen den Grafen umringen.

GRAF.
Ins Gefängnis, ins Gefängnis? Ich?
Keinen Schritt!

Mit gebieterischer Gebärde weist er die Soldaten zurück; diese bleiben stehen. Er winkt den Offizier zu sich und zeigt ihm ein Papier. Der Offizier ist überrascht, gibt den Soldaten einen Wink und zieht sich mit ihnen nach hinten zurück.

Gruppe starren Staunens.

ROSINE.
Staunen und Schrecken lähmt meine Sinne,
Was ich beginne, ich weiß es nicht.
GRAF.
Staunen und Schrecken lähmt seine Sinne,
Was er beginnet, er weiß es nicht!
BARTOLO.
Staunen und Schrecken lähmt meine Sinne,
Was ich beginne, ich weiß es nicht!
FIGARO.
Seht nur den Bartolo, was wird er machen?
Haha, vor Lachen halt‘ ich mich nicht!
MARZELLINE, ROSINE.
Was ich beginne, ich weiß es nicht!
BARTOLO zum Offizier.
Doch, mein Herr –
CHOR DER WACHE.
Stille, still!
BARTOLO.
Doktor ich –
CHOR DER WACHE.
Stille, still!
BARTOLO.
Und wenn Sie –
CHOR DER WACHE.
Still, kein Wort!
BARTOLO.
Und wenn ich –
CHOR DER WACHE.
Kein Geräusch.
ROSINE, BARTOLO.
Doch wenn ich –
CHOR DER WACHE.
Stille, still!
ROSINE, BASILIO.
Doch wenn Sie –
CHOR DER WACHE.
Kein Geräusch!
MARZELLINE, ROSINE.
Doch wenn ich –
CHOR DER WACHE.
Still, kein Wort!
MARZELLINE, ROSINE.
Doch wenn ich –
CHOR DER WACHE.
Kein Geräusch!
Jeder geh an sein Geschäfte
Und verhalt sich ruhig, still!
MARZELLINE, ROSINE, BASILIO, FIGARO, GRAF.
Stille, still! Stille, still! Stille, Still!
BARTOLO.
Doch vernehmet, doch begreifet!
Doch so hört mich, doch so hört mich!
CHOR DER WACHE.
Stille, still! Stille, still!
MARZELLINE, ROSINE, BARTOLO, BASILIO, FIGARO, GRAF.
Ist mir doch, als wär im Kopfe
Eine große Feuerschmiede,
Und das sausende Geklopfe
Tobet immer, wird nicht müde,
Tobet immer fort und drauf.
Und der Lärmen kehret wieder,
Und es schmettert auf und nieder:
Wie des Himmels Donnertosen,
Hammerwut im Wetterlaufe,
Und der Kopf dreht sich im Kreise
In dem schrecklichen Gesäuse,
Und der Lärmen brüllt und raset
Stets mit neuem Schrecken fort!
BASILIO, BARTOLO, CHOR DER WACHE.
Auf und nieder, wird nicht müde!
CHOR DER WACHE.
Und der Lärmen brüllt und raset
Stets mit neuem Schrecken fort!

Zweiter Aufzug

Bartolos Studierzimmer mit Sessel am Klavier, Noten darauf.

Erster Auftritt.

Bartolo.

Secco-Rezitativ.

BARTOLO. Was soll ich davon denken? Den Soldaten, so viele ich auch fragte, will niemand kennen im ganzen Regimente. Fast scheint es mir – ja, beim Teufel, es ist gewiß, ich wette, daß der Graf Almaviva mir sandte diesen Menschen in mein Haus, um zu erkunden, ob ihn Rosine liebt. So ist im eignen Hause man sicher nicht vor ihm. Doch Geduld! Man klopft von außen. He? Niemand da? Hört ihr nicht draußen pochen? Ich bin ja hier. Nach rechts hin rufend. Ihr dürft es wagen zu öffnen! Es klopft wieder.

Zweiter Auftritt.

Bartolo. Graf, als Musiklehrer verkleidet.

Nr. 9. Duett.

GRAF.
Glück und Huld, mein Herr, zum Gruße!
BARTOLO.
Bin verbunden, sehr viel Güte!
GRAF.
Glück und Huld, mein Herr, zum Gruße!
BARTOLO.
Viel zu viel, ich dank‘ dafür.
GRAF.
Ja, mein Herr, das wünsch‘ ich Ihnen.
BARTOLO.
Tausend Dank für Ihre Güte.
GRAF.
Glück und Huld, mein Herr, zum Gruße!
BARTOLO.
Viel zu viel, ich dank‘ dafür!

Für sich.

Dies Gesicht sollt‘ ich doch kennen!
GRAF für sich.
Ist ein Streich mir gleich mißlungen –
BARTOLO.
Doch ich weiß nicht recht woher!
GRAF.
Diesen schlauen Fuchs zu prellen –
BARTOLO.
Ja, die Miene, ja, die Miene –
GRAF.
Wird in neuer Maskerade –
BARTOLO.
Ist wahrhaftig so bekannt!
GRAF.
Neue List nun angewandt!

Laut.

Glück und Huld, mein Herr, zum Gruße!
BARTOLO.
Hab’s vernommen, hab’s verstanden! O wie lästig!
GRAF.
Glück und Huld wünsch‘ ich von Herzen!
BARTOLO.
Stille, stille, stille, stille, schon genug!
GRAF.
Freude –
BARTOLO.
Freude –
GRAF.
Frieden –
BARTOLO.
Frieden! Und nun Punktum!
Hab’s verstanden! Mein Gott, wie lästig!
GRAF.
Wünsch‘ von Herzen
Glück und Freude, Frieden, Freude!
BARTOLO.
Glück und Freude, ja doch,
Ja doch, still, es ist genug!

Für sich.

Welch ein Tag voll Last und Plage!
GRAF für sich.
Nein, der Alte kennt mich nimmer.
BARTOLO.
Welch ein Los ist mir beschieden!
GRAF.
Nur, für sie ist’s, was ich wage!
BARTOLO.
Welch ein Tag der Last und Plage,
Welch Wirrwarr von List und Bosheit!
Welch ein Los ist mir beschieden,
Alles stürmt an diesem Tage
Wie ein Wetter auf mich los.
GRAF.
Mut und Liebe sind im Bunde
Und das Glück bekränzt ihr Los!

Laut.

Wünsche –
BARTOLO.
Wie lästig!
GRAF.
Frieden.
BARTOLO.
Genug schon.
GRAF.
Freude.
BARTOLO.
Ja doch, stille! Schon genug!
Welch Wirrwarr von List und Bosheit!

Für sich.

Welch ein Tag der Last und Plage,
Alles stürmt an diesem Tage
Wie ein Wetter auf mich los!
GRAF für sich.
Mut und Liebe sind im Bunde
Und das Glück bekränzt ihr Los!

Secco-Rezitativ.

BARTOLO. So saget mir nun endlich, wer seid Ihr, laßt mich es wissen?
GRAF. Don Alonzo, bin ein Lehrer der Tonkunst und der Schüler des Don Basilio.
BARTOLO. Nun weiter.
GRAF. Don Basilio, der Arme, ist erkrankt, an seiner Stelle –
BARTOLO. Erkrankt? Ich will doch sehen. Er wendet sich zum Gehen.
GRAF ihn zurückhaltend. Nicht so eilig! Gar so schlimm ist es nicht.
BARTOLO für sich. Der Mensch scheint mir verdächtig. Laut. Ich gehe, so folget mir!
GRAF. Laßt Euch sagen –
BARTOLO heftig. Was gibt’s?
GRAF zieht ihn beiseite, leise zu ihm. Laßt Euch bedeuten –
BARTOLO. Warum so leise?
GRAF leise. Hört –
BARTOLO unwirsch. Lauter, ich bitte!
GRAF ebenfalls unwillig, mit lauter Stimme. Nun ja, wie Ihr es wünschet, doch mit wem Ihr hier zu tun habt, Ihr sollt es merken. Er will gehen. Mich erwartet Graf Almaviva.
BARTOLO ihn liebenswürdig zurückhaltend. Leise, leise, redet weiter, ich höre.
GRAF sehr laut. Der Graf –
BARTOLO. Still, schreit doch nicht so!
GRAF leiser. Heut morgen in dem nämlichen Gasthaus war mit mir er zusammen; der Zufall wollt‘ es, daß in Besitz ich kam hier dieses Briefes, Er zieht Rosinens Brief hervor. von der Hand Eurer Mündel, an ihn gerichtet.
BARTOLO nimmt den Brief. Was seh‘ ich? Ja, ihre Handschrift!
GRAF. Don Basilio sah noch nicht dieses Schreiben, und da ich nun gekommen, seine Stelle zu vertreten, war’s meine Absicht, mich nützlich Euch zu machen. Nach einer Ausflucht suchend, etwas verlegen. Und zwar – weil durch dies Briefchen – man wohl könnte –
BARTOLO. Was meint Ihr?
GRAF. Höret denn: dürfte ich Euer Mündel nur einmal sprechen, ich würde – so zum Beispiel – würde sagen, daß eine andere Dame den Brief mir gab. Dies würde ihr beweisen, daß er mit ihrer Liebe nur sein Spiel treibt und darum –
BARTOLO. Ei wahrhaftig! Eine Verleumdung! Vortrefflich! Ja, Ihr seid in der Tat Don Basilios Schüler. Er steckt den Brief in die Tasche und umarmt den Grafen. Wie soll ich Euch danken für diesen Dienst, den Ihr mir heute leistet! Rufen will ich Rosine, ich vertraue Euch ganz, ich kann wahrhaftig auf Euch mich ganz verlassen?
GRAF. Ja, ohne Zweifel!

Bartolo geht in Rosinens Zimmer.

GRAF. Den Ausweg mit dem Briefe, in der Not mußt‘ ich leider ihn erwählen. Was sollt‘ ich tun? Ohne dieses Mittel mußte ich voll Beschämung von dannen ziehen. Nun muß ich meine Pläne heimlich kund ihr tun; willigt sie ein, dann ist mein Glück vollkommen. Sie nahet! Mein Herz fühle ich froh erbeben!

Dritter Auftritt.

Rosine. Bartolo. Graf. Dann Figaro.

BARTOLO führt Rosine herein. Rosine, tretet näher. Don Alonzo, den ihr hier sehet, wird Unterricht Euch geben.
ROSINE erkennt den Grafen. Ah!
BARTOLO. Nun, was ist Euch?
ROSINE. Ein Krampf nur im Fuße!
GRAF. Ich bitte, nehmet Platz an meiner Seite, meine Dame; wenn’s Euch gefällig, werd‘ ich Euch unterrichten, da Don Basilio heut verhindert ist.
ROSINE. Ich stehe Euch zu Diensten. Fangen wir an.
GRAF. Was beliebt Euch zu singen?
ROSINE. Ich singe, wenn’s beliebet, von der »Vergeblichen Vorsicht« das Lied.
BARTOLO. Immer wieder muß ich hören von der »Vergeblichen Vorsicht«!
ROSINE. Wie ich Euch sagte, ist es der Titel einer neuen schönen Oper.
BARTOLO. Wohlan denn, nun aufgepaßt! Er setzt sich.
ROSINE. Nun denn, so hört!
GRAF. Ha, bravo, sie beginnt sogleich! Er setzt sich ans Klavier und begleitet den Gesang.

Nr. 10. Arie.

ROSINE.
Gegen ein Herz von wahrer Liebe,
Das im Busen warm erglüht,
Richtet nutzlos böse Triebe
Der Tyrann, so sehr er sich müht.
Mag er noch so grausam sich stellen,
Die Liebe, sie triumphiert!
Ach, Lindoro, mein Geliebter,
Sähest du doch meine Leiden,
Die mein hinterlist’ger Vormund
Gern bereitet uns beiden!
Mein Geliebter, nahe helfend,
Schütze mich vor seinem Grimme;
Ja, es leite dich der Liebe Stimme, ja, ja, ja!
Mein Geliebter, nahe helfend,
Schütze mich vor seinem Grimme;
Ja, es leite dich der Liebe Stimme.
GRAF.
Fürchte nichts, sei unverzaget,
Bald des Glückes Sonne taget;
Des Glückes Sonne
Bringt Freud‘ und Wonne!
ROSINE.
Soll ich hoffen?
GRAF.
Auf mich vertrauet!
ROSINE.
Und ach, mein Herz –
GRAF.
Wird jubeln laut, wird jubeln laut! –
ROSINE.
Teures Antlitz, süß lächelnder Mund,
Trauter Gedanke an Liebesglut,
Rasch durch die Adern stürmt mir das Blut,
Pochend tut es die Freude kund
An unserm seligen Liebesbund.
Teures Antlitz, süß lächelnder Mund,
Trauter Gedanke an Liebesglut,
Rasch durch die Adern stürmt mir das Blut,
Pochend tut es die Freude kund!
GRAF.
Fürchte nichts, sei unverzaget,
Glückes Sonne uns balde taget!
ROSINE.
Darf ich hoffen? Und ach, mein Herz –
GRAF.
Es jubelt laut!
ROSINE.
Teures Antlitz, süß lächelnder Mund,
Trauter Gedanke an Liebesglut,
Rasch durch die Adern stürmt mir das Blut,
Pochend tut es die Freude kund
An unserm seligen Liebesbund –
Mein Geliebter, nahe helfend,
Schütze mich vor seinem Grimme;
Dir vertrau‘ ich nur allein,
Vertraue, vertraue allein!
Mein Geliebter, nahe helfend,
Schütze mich vor seinem Grimme,
Ich gehör‘ nur dir allein,
Nur dir allein, nur dir allein!
GRAF.
Schöne Stimme! Bravissima!
ROSINE.
Ihr seid zu gütig!
BARTOLO. Freilich, schöne Stimme! Aber diese Musik gefällt mir wenig. In meinen jungen Jahren, da war sie besser. Die Arie zum Beispiel, die damals Caffariello so wunderschön gesungen: lalalala, gebt Achtung, Don Alonzo, ich sing‘ sie Euch.

Nr. 11. Ariette.

BARTOLO.
Seh‘ ich die holde Miene der reizenden Rosine –

Parlando und leise zum Grafen.

Eigentlich heißt’s Pauline,
Doch ich, ich sing‘ Rosine!

Laut.

Seh‘ ich die holde Miene der reizenden Rosine,
Dann hüpfet froh mein Herze,
Entfernt von jedem Schmerze!

Er tänzelt.

Lalalalalalalala!

Figaro kommt mit dem Rasierbeutel unterm Arm, stellt sich hinter Bartolo und singt mit, Rosinen karikierend.

Secco-Rezitativ.

FIGARO. Lalalalalalala!
BARTOLO zu Figaro. Bravo, mein Herr Barbier. Vortrefflich!
FIGARO. Ärgert Euch nicht, das sind harmlose Späße!
BARTOLO. Wohlan, Herr Taugenichts, was führt Ihn her?
FIGARO. Ihr fraget? Was denn sonst als zu barbieren? Heut ist der Tag.
BARTOLO. Heut? Nein, ich will nicht!
FIGARO. Warum nicht heut? Morgen kann wieder ich nicht!
BARTOLO. Warum?
FIGARO legt das Becken auf den Tisch und zieht sein Notizbuch hervor. Ihr sollt es hören. Die Herren Offiziere des neuen Regimentes muß ich frisie ren; der Frau Marchese Andronica verfertigen die Locken, die sie bestellt; an den Grafen Bombé abliefern die Perücke; purgieren den Advokaten Bernardone, der jüngst sich beim Diner verdarb den Magen. Und dann – und dann noch – Er steckt das Notizbuch ein. Kurzum, morgen kann ich nicht.
BARTOLO. Wozu die vielen Worte! Heute gefällt es mir nicht.
FIGARO. Nicht? Zum Henker, das nenn‘ ich schöne Kundschaft! Ich komme morgens, das Haus steht auf dem Kopfe; nach Tische komm‘ ich wieder. Bartolo nachäffend. »Heute paßt’s mir nicht«! Wofür denn hält man mich? Bin ich denn ein Barbier vom Dorfe? Dann sucht Euch einen solchen! Mich seht Ihr nicht wieder! Er nimmt das Becken und will gehen.
BARTOLO. Was soll das? So kann Er bleiben. Immer nach Seinem Kopfe! So holet denn aus der Kammer die Wäsche. Er will Figaro seine Schlüssel geben, besinnt sich aber anders. Nein, ich geh‘ selber! Er geht ab.
FIGARO. O hätt‘ ich doch die Schlüssel, dann wären ohne Mühe bald wir am Ziele! Zu Rosine. Saget, ist bei den Schlüsseln nicht der auch, der die Balkontür dort öffnet?
ROSINE. So ist es, es ist der neuste.
BARTOLO kommt zurück. Ha, welche Torheit, den Barbier hier im Zimmer zu lassen. Er gibt Figaro die Schlüssel, laut. Nehmt denn, gehet Ihr selber. In jener Kammer dort, oben im Schranke, werdet Ihr alles finden. Doch Vorsicht, werft nichts herunter.
FIGARO. Seid ohne Sorge. Für sich. Gewonnen! Laut. Gleich komm‘ ich wieder! Für sich. Der Streich ist gelungen! Er geht ab.
BARTOLO zum Grafen. Und wer war wohl der Schurke, der zum Grafen den Brief trug von Rosine?
GRAF. Gewiß war es ein Schlaukopf ersten Ranges.
BARTOLO. O gebt acht, ich werd‘ ihn fassen!

Man hört draußen Geräusch von zerbrochenem Geschirr.

BARTOLO. Ah! hab‘ ich’s nicht gedacht?!
ROSINE. Was ist geschehen?
BARTOLO. Infamer Wicht! Ich wußt‘ es ja im voraus! Er eilt ab.
GRAF. O Figaro ist ein Meister! Zu Rosine. Nun, da wir allein sind, saget mir, o Teure: Seid Ihr bereit, als meine Gattin mir ewig zu gehören? Sprecht offen!
ROSINE begeistert. O mein Lindoro, glücklich würd‘ ich werden!

Bartolo und Figaro kommen zurück.

GRAF. Nun denn?
BARTOLO. Alles zerbrochen! Sechs Teller, acht schöne Gläser, eine Terrine!
FIGARO. Und darum dieses Jammern! Er zeigt dem Grafen heimlich den Schlüssel, den er vom Bund abgenommen. Hätt‘ ich am Schlüssel, als ich vom Stuhle fiel, mich nicht gehalten, dann hätte ich gewiß dort in der Kammer, eng und finster, den Kopf mir noch zerschmettert an der Mauer. Alle Läden verschlossen, dann muß es so kommen.
BARTOLO. O zu viel!
FIGARO. Nehmt nun Platz! Leise zum Grafen und Rosine. Nur Vorsicht!
BARTOLO will sich zum Rasieren setzen. Ans Werk denn!

Vierter Auftritt.

Die Vorigen. Basilio tritt ein.

Nr. 12. Quintett.

ROSINE.
Wie, Basilio?
GRAF.
Ha, was seh‘ ich?
FIGARO.
Neue Wirtschaft!
BARTOLO.
Wie, Sie hier?
BASILIO.
Hab‘ die Ehre, hab‘ die Ehre, Sie zu grüßen!
BARTOLO.
Was soll die Geschichte sein?
ROSINE.
Neues Wetter bricht herein.
GRAF.
Hier heißt’s klug und mutig sein.
FIGARO.
Hier heißt’s klug und mutig sein.
BARTOLO.
Herr Basilio, Ihr Befinden?
BASILIO verdutzt.
Wie, mein Herr?
FIGARO basilio unterbrechend.
Nun, soll ich warten?
Lassen Sie sich jetzt rasieren?
Ist’s gefällig oder nicht?
BARTOLO zu Figaro.
Nun, ich komme! Nun, ich komme!

Zu Basilio.

Dort, Ihr Gehilfe?
BASILIO erstaunt.
Mein Gehilfe?
GRAF zu Basilio, ihn unterbrechend.
Alles in Ordnung, alles ist schon ausgeglichen!

Zu Bartolo.

Ist’s nicht wahr?
BARTOLO.
Ja, ja doch, ja, ja, weiß schon alles.
BASILIO.
Doch, Herr Bartolo, so sprechen Sie!
GRAF sucht Bartolo und Basilio zu trennen.
Ei, Herr Doktor, auf ein Wörtchen!
Herr Basilio, her zu mir!
Hören Sie etwas von mir!

Zu Bartolo.

Kommen Sie, kommen Sie,
Hören Sie etwas von mir!

Leise.

Lassen Sie von hier ihn gehen,
Denn er könnte mich verraten!
ROSINE.
Welche Angst und Qual in mir!
FIGARO.
Fräulein, fassen Sie sich hier.
GRAF zu Bartolo, leise.
Von dem Briefchen weiß der Alte
Ja noch nicht ein Sterbenswort!
BASILIO.
Ja, hier gibt es einen Knoten,
Doch ich weiß kein Sterbenswort.
GRAF.
Wollt‘ nicht, daß er sich verriete,
Denn er weiß kein Sterbenswort!
Nein, er weiß kein Wort!
BARTOLO zum Grafen.
Ja, wohl recht, daß ich’s verhüte,
Darum schicke ich ihn fort!
GRAF zu Basilio.
Mit dem Fieber, mit dem Fieber,
Herr Basilio, wer erlaubt es,
Daß Sie nur vom Hause gehn?
BASILIO erstaunt.
Ich ein Fieber?
GRAF.
Ha, welch ein Wagstück!
Sie so elend wie ein Toter!
BASILIO verdutzt.
Ich wär‘ elend wie ein Toter?
FIGARO basilios Puls fühlend.
Ja, wahrhaftig, welch ein Frost!
Ha, wie Sie zittern!
Ja, das ist das gelbe Fieber!
BASILIO.
Gelbe Fieber!
GRAF steckt Basilio heimlich eine Börse zu.
Greifen Sie zu Arzeneien,
Daß Sie nicht zugrunde gehn!
FIGARO.
Hurtig, hurtig, gleich zu Bette!
GRAF.
Ja, Sie setzen mich in Sorgen!
ROSINE.
Ja, ich rate, gleich zu Bette!
BARTOLO.
Legen Sie zur Ruhe sich!
ROSINE, FIGARO, GRAF, BARTOLO.
Legen Sie zur Ruhe sich!
BASILIO für sich.
Hier die Börse, und gleich zu Bette?
Alles wirkt, ja alles wirkt mit List zusammen!
FIGARO.
Gleich zu Bette! Gleich zu Bette!
ROSINE, FIGARO, GRAF, BARTOLO.
Gleich zu Bette! Gleich zu Bette!
BASILIO.
Ja, ja, ich höre!
Nun wohlan, nun wohlan, ich füge mich!
FIGARO.
Welch ein Anblick!
GRAF.
Die blassen Wangen!
BASILIO.
Blasse Wangen!
ROSINE, FIGARO, GRAF, BARTOLO.
Wie schon im Tode!
BASILIO.
Nun, ich gehe!
ROSINE, FIGARO, GRAF, BARTOLO.
Gehn Sie! – Gehn Sie! –
GRAF.
Wohl zu ruhen wird Sie stärken!
ROSINE.
Wohl zu ruhen wird Sie stärken!
GRAF.
Wünsche Ihnen, sich’s zu merken,
Nur zu Bette, fort von hier!
ROSINE.
Wohl zu ruhen, wird Sie stärken!
GRAF.
Wohl zu ruhen wird Sie stärken!
ROSINE.
Wohl zu ruhen wird Sie stärken!
Nur zu Bette, fort von hier!
FIGARO.
Wünsche Ihnen wohl zu ruhen!
ROSINE, GRAF.
Wünsche Ihnen wohl zu ruhen!
FIGARO.
Wohl zu ruhen wird Sie stärken!
Nur zu Bette, fort von hier!
BASILIO.
Wünsche allen wohl zu ruhen!
ROSINE, FIGARO, GRAF, BARTOLO.
Wünsche Ihnen wohl zu ruhen!
BASILIO.
Wünsche allen wohl zu ruhen!
Morgen sprechen wir davon!
ROSINE, FIGARO, GRAF, BARTOLO.
Dummes Plaudern, dummes Zögern!
Wünsche Ihnen wohl zu ruhen!
Fort zu Bette, fort von hier!
BASILIO.
Keinen Lärmen, geh‘ ja gerne,
Morgen sprechen wir davon!

Er wird hinausgedrängt.

BARTOLO spricht.
Gott sei Dank, daß er endlich fort ist!
BASILIO ist zurückgekommen.
Wünsche Ihnen wohl zu ruhen!
DIE ANDERN.
Ei, so gehn Sie doch nach Hause,
Fort, zu Bette, fort von hier!

Basilio ab.

FIGARO.
Beliebt’s, mein Herr Bartolo?
BARTOLO.
Wohlan, nur zu!

Er setzt sich.

Figaro bindet Bartolo die Serviette um und bereitet sich, ihn zu rasieren; durch seine Stellung sucht er die Liebenden zu decken.

BARTOLO zu Figaro.
Fester! – Bravissimo!
GRAF leise.
Rosine, Rosine! Ach, ach, so hören Sie!
ROSINE ebenso.
Ich höre, ich höre und bin bereit. –

Sie beginnen scheinbar ihren Unterricht.

GRAF vorsichtig.
Um Mitternacht da kommen wir, sicher Sie zu retten,
Wir brechen Ihre Ketten, die Liebe macht Sie frei.
Ja, die Liebe macht Sie frei, ja macht Sie frei,
Sie macht Sie frei.
FIGARO bartolos Aufmerksamkeit ablenkend.
Au!
BARTOLO.
Was ist geschehen?
FIGARO.
Ich habe was, ich habe was im Auge!
Nur sachte, nicht berühret!
Nur sachte, sonst zieht es sich zurück!
ROSINE.
Um Mitternacht, Geliebter, kommst du, mich zu befreien,
Dein Leben mir zu weihen in Liebe für mein Glück!
Ja, in Liebe für mein Glück, ja, für mein Glück!
GRAF.
Nun will ich dir gestehen, im Briefe sollst du sehen,
Daß ich nicht ohne Frommen verkleidet bin gekommen!
BARTOLO hat ungeachtet der Bemühungen Figaros, ihn abzuhalten, die letzten Worte gehört, erhebt sich und nähert sich den Liebenden.
Verkleidet er gekommen?
Haha! Bravissimo Herr Alonzo, bravo!
Ihr Diebe, ihr Schelme, Verräter!
Ihr Räuber, ihr Schelme, ihr alle beisammen,
Ihr Schelme beisammen, ihr habt euch bereitet
Ein böses Geschick; nun wartet, ich breche
Euch allen das Genick!
GRAF, ROSINE, FIGARO.
Den Kopf nicht verloren,
Nur stille, Herr Doktor, das ist kein Geschick!
BARTOLO.
Ihr Schelme! – Ihr Räuber! – Ihr Diebe! –
Ich brech‘ euch’s Genick!
GRAF, ROSINE, FIGARO.
Nur stille, Herr Doktor, zur Fassung zurück!
BARTOLO.
Ihr habt euch bereitet ein böses Geschick!
GRAF, ROSINE, FIGARO.
Der Narr ist von Sinnen,
Wir sind nun verstanden,
Erzielt ist das Glück!
Nur stille, nur stille, von hinnen,
Am Ziel ist das Glück!
BARTOLO.
Hinaus, fort, ihr Diebe, hinaus, fort, ihr Schelme!
Hinaus, fort, ihr Diebe, ich brech‘ euch’s Genick!
Ich bin ganz von Sinnen, ihr Räuber, ihr Diebe,
Ihr Schelme beisammen!
Ihr habt euch bereitet ein böses Geschick!
Ja, vor Wut und vor Galle brech‘ ich euch’s Genick!

Graf, Figaro durch die zweite Tür rechts.

Rosine in ihr Zimmer ab.

Fünfter Auftritt.

Bartolo. Dann Ambrosio und Marzelline.

Secco-Rezitativ.

BARTOLO singt. O tückischer Verrat! Wie kam’s nur, daß gar nichts ich von allem bemerkte? Ah, Don Basilio ist sicher mit im Bunde! Heda! wer ist da? Wer ist da?

Ambrosio und Marzelline treten auf.

BARTOLO. Höre, Ambrosio, laufe geschwinde gleich zu Don Basilio, bitte ihn, daß er komme, weil ich ihn hier erwarte zu einer wicht’gen Besprechung; ich käme selber, allein es geht nicht aus gewissen trift’gen Gründen. Beeile dich.

Ambrosio geht ab.

BARTOLO zu Marzelline. Du stellst dich als Wache vor die Tür und dann – Nein, nein, ich trau‘ auch ihr nicht. Ich tu‘ es lieber selbst! Ab durch die zweite Tür rechts.
MARZELLINE. Er trauet keinem Menschen! Nun, so gehe, stehe Wache bis du schwarz wirst! Immer Zanken, immer Toben in diesem Hause! Man streitet sich, man weint, man bedroht sich! O hat man einmal wohl Ruhe bei diesem alten Geizhals, diesem Brummbär? Die Hände zusammenschlagend. Welch ein Leben, welch ein Dienst voll ew’gem Ärger!

Nr. 13. Arie.

MARZELLINE.
Sich vermählen will der Alte,
Einen Mann wünscht sich Rosine,
Ach, ich weiß nicht, wem ich diene,
Beide närrisch und verrückt. –
Doch was ist sie, diese Liebe,
Die das Herz so fest umstrickt?
’s ist ein Fieber, je mehr, je lieber,
’s ist ein Klemmen, ein Atemhemmen,
’s ist ein Hangen und ein Verlangen!
Ach! Es sind so süße Schmerzen,
Auch ich Arme fühl’s im Herzen,
Liebe hat auch mich berückt! –
Kommt er nicht, mich bald zu freien,
Will ich lärmen, Feuer schreien,
Bis er kommt und mich beglückt!

Ab.

Verwandlung.

Das Balkonzimmer des ersten Aufzugs.

Sechster Auftritt.

Bartolo führt Basilio herein.

Secco-Rezitativ.

BARTOLO. Also wirklich, Ihr kennt nicht den saubern Don Alonzo?
BASILIO. So ist es.
BARTOLO. Dann glaub‘ ich, daß ihn der Graf gesandt. Einen Anschlag hat er im Sinne.
BASILIO. Mir will scheinen, daß es sogar der Herr Graf in Person war.
BARTOLO. Der Graf.
BASILIO. Er selber. Für sich. Die Börse sagt es deutlich.
BARTOLO. Sei’s, wer es will! Mein Freund, ich säume nicht, ich eile zum Notare, noch diesen Abend sei geschlossen der Bund unsrer Ehe.
BASILIO. Zum Notar? Seid Ihr närrisch? Es regnet in Strömen! Und ferner: der Notar ist verhindert, heute abend zu kommen, der Barbier verheiratet seine Nichte.
BARTOLO. Wie, seine Nichte? Welche Nichte? Figaro hat gar keine Nichte! Ich wittre einen Anschlag! Ha, ich wette, diese Nacht haben sie dazu ersehn. Eilt denn zum Notare, er soll sogleich er scheinen. Hier ist der Schlüssel zur Haustür. Er überreicht ihn. Machet schnell, eilet, mein Freund!
BASILIO nimmt den Schlüssel. Sorget nicht, eh‘ Ihr’s denket, bin ich zurück. Er geht ab.

Siebenter Auftritt.

Bartolo. Dann Rosine. Später Graf und Figaro.

BARTOLO. Gezwungen oder freiwillig wird sich Rosine fügen. Doch halt, ich weiß noch etwas Besseres! Er zieht das Billett des Grafen hervor. Hier dieses Brieflein, gerichtet von Rosine an den Grafen, es könnte gut zu meinem Zweck mir nützen. Don Alonzo, dieser Erzschelm, gab mir damit die Waffe in die Hände. Er geht an die Tür und klopft. Höret, Rosine, Rosine, kommt näher, ich bitte!

Rosine kommt ohne zu sprechen aus ihrem Zimmer.

BARTOLO. Von Eurem Teuren will ich Nachricht Euch geben. Armes betrogenes Mädchen! Ja, in der Tat, Eure Neigung fiel auf einen Würdigen! Erfahret denn: sein Spiel nur treibt er mit Euch am Herzen einer andern. Er gibt ihr den Brief des Grafen. Seht den Beweis hier!
ROSINE. O Himmel, mein eigner Brief!
BARTOLO. Don Alonzo und der Barbier sind gegen Euch verschworen. Warnend. Nehmt Euch in acht. In die Arme des Grafen Almaviva will dieses Paar Euch liefern.
ROSINE. Verräterei! O was hör‘ ich! Ach, Lindoro, er ein Betrüger? Weh mir! Doch Rache! Ich zeig‘ ihm, wie seine Bosheit nun wird zuschanden. Saget, Herr Vormund, mich zu freien hattet Ihr im Sinne?
BARTOLO. Ja, so ist es.
ROSINE. Nun denn, so sei es, ich bin einverstanden! Doch – ohne Aufschub. Vernehmet, um Mitternacht findet hier sich ein der Schändliche mit Figaro; entfliehen wollt‘ ich, um mit ihm mich zu verbinden.
BARTOLO. Ha, diese Schurken! Verrammeln will ich die Haustür!
ROSINE. Das ist vergeblich. Sie kommen durch jenes Fenster, sie haben den Schlüssel.
BARTOLO. Ich erwarte sie hier! Doch – sicher sind sie bewaffnet! Meine Tochter, weil dir den Sinn der Himmel noch erleuchtet, höre mich an. Verschließ dich in dein Zimmer, ich geh‘ und hole die Wache! Ich sag‘, es wären Diebe! Auf diese Art, ha Sapperment, wird ihnen der Spaß versalzen. Hörst du, schließe das Zimmer, ich gehe eilig. Ab.
ROSINE. Weh mir! Alles vorbei! Grausames Schicksal! Ab.

Nr. 14. Gewittermusik.

Durch das Balkonfenster sieht man häufige Blitze, und man hört den Donner rollen. Gegen Ende des Gewitters steigen Figaro mit einer Laterne und der Graf in einen Mantel gehüllt, herein.

Achter Auftritt.

Graf. Figaro. Dann Rosine.

FIGARO. Nun endlich sind wir am Ziel.
GRAF. Reiche mir deine Hand. Ewiger Himmel, welch fürchterliches Wetter!
FIGARO. Ein Wetter für Verliebte!
GRAF. Auf, zünde Licht an!

Figaro zündet Kerzen an.

GRAF. Wo aber bleibt Rosine?
FIGARO späht umher. Wir müssen suchen. Dort kommt sie soeben.

Rosine kommt aus ihrem Kabinett.

GRAF feurig. O meine Teure!
ROSINE ihn abwehrend. Zurück, schändlicher Betrüger! Was ich durch mein leichtgläubig Herz nun hab‘ verschuldet, ich weis‘ es ab und sag‘ mich los von dir, um dir zu zeigen, wer ich bin und welche Liebe du verscherztest, du unwürd’ge Seele und Undankbarer!
FIGARO. Ich bin versteinert! Das ist mir unverständlich.
GRAF. Sagt mir, um Gott –
ROSINE. Schweige! Du liebst mich nicht, du wolltest mich verkaufen dem Wüstling, dem Grafen Almaviva.
GRAF. Dem Grafen? Du bist betrogen! O welches Glück. Lindoro, er war’s allein, den du geliebt? O rede!
ROSINE. Nur ihn, mehr als mein Leben!
GRAF. Sei es genug denn, der Schleier falle, du Heißgeliebte! So wisse: Er wirft den Mantel ab, den Figaro aufhebt, und kniet vor ihr nieder. Er, der deinen Spuren so lange folgte, der sich am Altare will dir vereinen, er, der hier vor dir kniet: Almaviva ist es und auch Lindoro!

Nr. 15. Terzett.

ROSINE.
Ist er’s wirklich?
Welche freudige Entdeckung!
Er ist’s selbst, der Heißersehnte,
Den ich ferne von mir wähnte,
Ach, die Sinne, sie schwinden mir!
FIGARO.
Nun, die freudige Entdeckung,
Ihr im Arme der Ersehnte,
Den sie ferne von sich wähnte,
Und das alles kommt von mir!
GRAF.
Ha, sie liebt mich,
Ach, wie freut sie die Entdeckung!
Und ich halt‘ hier die Heißersehnte,
Die mich ferne von sich wähnte,
Hold und treu in meinem Arm!
FIGARO.
Nun, die freudige Entdeckung, die Entdeckung,
Ihr im Arme der Ersehnte, der Ersehnte,
Den sie ferne, den sie von sich wähnte,
Und das alles kommt, ja alles kommt von mir!
ROSINE.
Ach, Herr Graf – wenn – Sie – wenn ich –
GRAF.
Nein, nicht so, nein, nicht so, nicht so, Geliebte,
Dein bin ich, du meine Gattin,
Bald auf ewig bin ich dein.
ROSINE.
Deine Gattin!
GRAF.
Ja!
ROSINE.
Süßer Name! Ach, welch seliges Geschick!
GRAF.
Bist du glücklich?
ROSINE.
Ach wie glücklich! Ach, wie glücklich! –
Süße Bande –
FIGARO nachahmend.
Bande!
ROSINE.
Ach! Schlingen ewig sich zum Kranze!
FIGARO.
Kranze!
ROSINE.
Im Glück der Liebe!
GRAF.
Süße Bande!
FIGARO.
Bande!
GRAF.
Ach, schlingen –
FIGARO.
Hurtig, nun gehn wir!
GRAF.
Ewig sich zum Kranze!
FIGARO.
Kranze.
GRAF.
Im Glück –
FIGARO.
Fort zum Ziele!
GRAF.
Der Liebe!
ROSINE, GRAF.
Almaviva und Rosine
Sind ein hochbeglücktes Paar!
FIGARO.
Hurtig, hurtig, fort von hinnen, eilt doch weiter!
Ach, so lasset doch das Seufzen!
Hurtig, hurtig, eilet fort!
Keine Zeit, daß man besinne,
Jedes Zögern bringt Gefahr.
Ha, alle Wetter! Ha, was seh‘ ich? Was seh‘ ich?
An der Türe die Laterne! die Laterne an der Türe!
Die Laterne, zwei Personen,
Zwei Personen, was geschieht!
GRAF.
Sahst du wirklich -?
FIGARO.
Dort, Herr Graf!
GRAF.
Zwei Personen?
FIGARO.
Ja, Herr Graf!
GRAF.
Eine Laterne?
FIGARO.
An der Tür! an der Tür! an der Tür!
ALLE.
Was geschieht nun mit uns? –
GRAF.
Stille, stille, sachte, leise,
Laßt uns der Gefahr entgehen!
Still, wir schleichen auf den Zehen
Uns durch jene Türe fort!
ALLE.
Stille, stille, sachte, leise,
Laßt uns der Gefahr entgehen,
Still, wir schleichen auf den Zehen
Uns durch jene Türe fort!
Freunde eilt, eilet fort! eilet fort! eilet fort!

Sie wollen davoneilen.

Figaro der vorausging, kommt sogleich wieder zurück.

Secco-Rezitativ.

FIGARO. O welches Mißgeschick! Was nun tun.
GRAF. Was ist geschehen?
FIGARO. Die Leiter –
GRAF. Nun denn?
FIGARO. Die Leiter, sie ist fort.
GRAF. Was sagst du?
FIGARO. Wer hat sie fortgenommen?
GRAF. Welch ein grausames Los!
ROSINE. Ich Unglücksel’ge!
FIGARO. Nur stille! Dort sind Leute! Wir sind gefangen! Was nun tun, mein Herr Graf?
GRAF hüllt sich in seinen Mantel. Teures Mädchen, sei ruhig.
FIGARO. Da sind sie schon. Sie ziehen sich zurück.

Neunter Auftritt.

Die Vorigen. Basilio, eine Laterne in der Hand, führt den Notar, der Akten trägt, herein.

BASILIO rufend. Don Bartolo! Don Bartolo!
FIGARO. Don Basilio!
GRAF. Und der andre?
FIGARO. Schau, schau, das ist der Notar ja! Ha, ganz vortrefflich! Laßt mir nun freie Hand! Mein Herr Notar, Ihr wolltet heut abend bei mir ja erscheinen, um den Ehekontrakt zu schließen des Grafen Almaviva mit meiner Nichte. Nun sehet, hier sind sie schon. Ihr habt doch bei Euch die Papiere?

Basilio und Notar drehen sich überrascht um. Der Notar nähert sich Figaro und holt ein Schriftstück hervor.

FIGARO. Vortrefflich!
BASILIO. Ei, nicht doch! Don Bartolo, wo ist er?
GRAF ruft Basilio, zieht einen Ring vom Finger und bedeutet Basilio zu schweigen. Hört, Don Basilio! Dieser Ring ist für Euch.
BASILIO. Erlaubt mir –
GRAF eine Pistole ziehend. Sonst hab‘ ich für Euern dicken Schädel noch zwei Kugeln, wenn ihr Euch sträubet.
BASILIO. Nun denn, ich nehm‘ den Ring. Er nimmt ihn. Wer zeichnet?
GRAF. Wir alle hier.
GRAF. Die beiden Zeugen – Figaro – und Don Basilio.
GRAF. Hier meine Gattin.
FIGARO. Viktoria!
GRAF. Wie bin ich glücklich!
ROSINE. Was ich so lang ersehnte, ist Wahrheit nun!
FIGARO. Viktoria!

Während der Graf Rosinen die Hand küßt, umarmt Figaro komisch-derb Don Basilio.

Zehnter Auftritt.

Die Vorigen. Bartolo. Ein Alkade. Alguazils. Ein Offizier. Soldaten mit Fackeln. Marzelline.

BARTOLO. Ha, gefangen! Auf den Grafen und Figaro zeigend und sich auf Figaro stürzend. Alle sind da!
FIGARO. Immer sachte, mein Herr!
BARTOLO. Es sind Spitzbuben! Arretiert sie! Arretiert sie!
OFFIZIER. Mein Herr, Euer Name?
GRAF. Mein Name ist der eines Mannes von Ehre. Bin der Gatte dieser Dame.
BARTOLO. Ei, geht zum Teufel! Rosine will noch heute mich freien. War’s nicht so?
ROSINE. Ich ihn freien? O ich denke nicht daran.
BARTOLO. Wie denn? Was soll die Torheit? Arretiert ihn, so sag‘ ich. Er ist ein Räuber. Auf den Grafen deutend.
FIGARO. Schlagt ihn nieder gleich!
BARTOLO. Es ist ein Schurke, ein Dieb fürwahr!
OFFIZIER. Mein Herr –
GRAF. Zurück da!
OFFIZIER. Euer Name?
GRAF. Zurück sag‘ ich nochmals, zurück da!
OFFIZIER. Ei, sieh doch da, was für ein Ton hier? Wer sind Sie?
GRAF den Mantel zurückschlagend. Der Graf Almaviva, ich bin es!
BARTOLO. Der Graf hier? Ha, meine Ahnung und mein Verdacht!
GRAF. Bleibet ruhig. Vergebens Mühe und Widerstand. So mäßigt Euern Zorn. Noch jetzt in dieser Stunde, vor allen Leuten nenn‘ ich sie hier laut und frei mein Lieb‘, meine Gattin. Und unser Bündnis entstammt nur reiner Liebe! Der Liebe, die dich macht zu meinem Weibe, die mich fesselt an dich bis zu meinem Tode. Ruhe, mein Kind. Im Arm des treusten Gatten sollst fröhlich du genießen nur Glück und Freude!
BARTOLO. Aber ich?
GRAF. Schweigt doch!
BASILIO. Sie wünschen?
GRAF. Ruhe! Ich rat‘ Euch!
BARTOLO. Ich merke, mir bleibt hier nichts mehr zu hoffen.
FIGARO. Ja, so ist es, Ihr habt recht.
BARTOLO zu Basilio. Doch du, Verräter, dem ich vertraute, du spieltest noch den Zeugen?
BASILIO. Ach, Don Bartolo, wisset: in seiner Tasche trug der Herr Graf gewisse triftige Gründe, gegen die nicht aufzukommen.
BARTOLO. Und ich großart’ger Dummkopf, um sel ber zu beeilen den Bund der Ehe, trug die Leiter hinweg noch vom Balkone!
FIGARO. Sehet Ihr nun, »die vergebliche Vorsicht«!
BARTOLO. Doch die Mitgift? Muß ich zahlen?
GRAF. Seid ruhig, die Mitgift habe ich nicht vonnöten, Ihr mögt sie behalten.
FIGARO. Haha, nun könnt Ihr lachen! Bravissimo! Don Bartolo, nun sieht man doch einmal, wie sich erheitern Eure Mienen, sonst so mürrisch und so grimmig. Ja, die Schelme haben Glück auf dieser Erde!
ROSINE. Also Herr Doktor Bartolo?
BARTOLO. Ja, ja, schon gut! Es ist schon gut!
GRAF. Und nun, Doktor?
BARTOLO. Ja, ja, was hilft es? Was geschehn ist, ist geschehn, der Himmel gebe seinen Segen!
FIGARO. Brav, Doktor, so ist’s recht! Kommt her, laßt Euch umarmen!
ROSINE. O welches Glück!
GRAF. O Seligkeit der Liebe!

Nr. 16. Finale.

FIGARO.
Da alles nun gelungen,
Wie denk‘ daran ich gerne,
Ich lösche die Laterne
Und ziehe mich zurück.

Er löscht die Laterne.

ROSINE.
Erkauft durch Pein und Seufzer,
Ward unsre Liebeswonne,
Bis unsern Herzen lachte
Ein freundliches Geschick.
GRAF.
Du wolltest nicht verschmähen
Den ärmlichen Lindoro,
Fortan wird dich umjubeln
Nur Freude, Glanz und Glück.
ALLE.
Der Liebe Huld und Frieden beglückt dich, teures Paar!