003
»Seit Konstantin dem Sonnenlauf entgegen
Den Adler wandte, der dem Lichte war
Mit seinem Ahn gefolgt Laviniens wegen,
«Poscia che Costantin l'aquila volse
contr' al corso del ciel, ch'ella seguio
dietro a l'antico che Lavina tolse,
006
Hielt Gottes Vogel sich zweihundert Jahr
Im Grenzgebiet Europens nah dem Hügel,
Wo er zuerst erhob sein Schwingenpaar;
cento e cent' anni e più l'uccel di Dio
ne lo stremo d'Europa si ritenne,
vicino a' monti de' quai prima uscìo;
009
Es ging im Schatten seiner heiligen Flügel
Das Regiment der Welt von Hand zu Hand,
Bis in die meine kam des Reiches Zügel.
e sotto l'ombra de le sacre penne
governò 'l mondo lì di mano in mano,
e, sì cangiando, in su la mia pervenne.
012
Kaiser war ich, bin Justinian genannt,
Und habe nach der ersten Liebe Walten
Hohlheit und Schwulst aus dem Gesetz verbannt.
Cesare fui e son Iustinïano,
che, per voler del primo amor ch'i' sento,
d'entro le leggi trassi il troppo e 'l vano.
015
Doch eh dies Werk ich anfing zu gestalten,
Hab ich im Wahn gelebt - und war’ s zufrieden:
E i n Wesen sei in Christo nur enthalten.
E prima ch'io a l'ovra fossi attento,
una natura in Cristo esser, non piùe,
credea, e di tal fede era contento;
018
Da war’ s dem heilgen Agapet beschieden,
Dem Oberhirten, dass er mich bekehrte
Und mir den wahren Weg gezeigt hienieden.
ma 'l benedetto Agapito, che fue
sommo pastore, a la fede sincera
mi dirizzò con le parole sue.
021
Ich g l a u b t e ihm - heut seh ich, was er lehrte,
So klar wie d i r vom Widerspruch bekannt,
Dass Wahrheit er und Irrtum nie entbehrte.
Io li credetti; e ciò che 'n sua fede era,
vegg' io or chiaro sì, come tu vedi
ogni contradizione e falsa e vera.
024
Kaum hatt ich gläubig mich zu Gott gewandt,
Als seine Gnade mich zum Ausgestalten
Des großen Werks berief und würdig fand.
Tosto che con la Chiesa mossi i piedi,
a Dio per grazia piacque di spirarmi
l'alto lavoro, e tutto 'n lui mi diedi;
027
Die Heerkraft ließ ich Belisar entfalten,
Mit dem des Himmels Rechte so im Bunde,
Dass mir’ s ein Fingerzeig, mich still zu halten.
e al mio Belisar commendai l'armi,
cui la destra del ciel fu sì congiunta,
che segno fu ch'i' dovessi posarmi.
030
Hier wäre deinem Wunsch genügend Kunde
Gegeben, doch der Inhalt deiner Frage
Heischt einen Zusatz noch aus meinem Munde,
Or qui a la question prima s'appunta
la mia risposta; ma sua condizione
mi stringe a seguitare alcuna giunta,
033
Damit du siehst, in welch unwürdge Lage
Sich jeder bringt, falls er dies heilge Zeichen
Zu rauben oder zu bekämpfen wage.
perché tu veggi con quanta ragione
si move contr' al sacrosanto segno
e chi 'l s'appropria e chi a lui s'oppone.
036
Der Adler war durch Tugend ohnegleichen
Der höchsten Ehre wert von Anfang an,
Als Pallas starb, die Herrschaft ihm zu reichen.
Vedi quanta virtù l'ha fatto degno
di reverenza; e cominciò da l'ora
che Pallante morì per darli regno.
039
Du weißt, dass auf dreihundert Jahr er dann,
Und längre Zeit, nach Alba hingeraten,
Bis zwischen sechs der Dreikampf sich entspann,
Tu sai ch'el fece in Alba sua dimora
per trecento anni e oltre, infino al fine
che i tre a' tre pugnar per lui ancora.
042
Kennst vom Sabinerraub an seine Taten
Bis zu Lucretias Schmerz durch jene Sieben,
Die unterworfen alle Nachbarstaaten,
E sai ch'el fé dal mal de le Sabine
al dolor di Lucrezia in sette regi,
vincendo intorno le genti vicine.
045
Weißt, wie er Brennus, Pyrrhus hat vertrieben
Und gegen Städtebund und Fürstenschar
Mit Romas Helden stets im Sieg verblieben,
Sai quel ch'el fé portato da li egregi
Romani incontro a Brenno, incontro a Pirro,
incontro a li altri principi e collegi;
048
Drob Quinctius, so genannt vom wirren Haar,
Torquatus, Decier, Fabier Ruhm gefunden,
D e n Ruhm, dem gern ich bringe Weihrauch dar!
onde Torquato e Quinzio, che dal cirro
negletto fu nomato, i Deci e ' Fabi
ebber la fama che volontier mirro.
051
Arabiens stolzer Leu ward überwunden,
Als Hannibal die Alpen überbrückte,
Wo du, o Po, entströmst den Felsenschrunden.
Esso atterrò l'orgoglio de li Aràbi
che di retro ad Anibale passaro
l'alpestre rocce, Po, di che tu labi.
054
Er war’ s, der Scipio und Pompejus schmückte,
Das Jünglingspaar, mit grünem Lorbeerreis,
Drob deinen Heimathügel Herzleid drückte.
Sott' esso giovanetti trïunfaro
Scipïone e Pompeo; e a quel colle
sotto 'l qual tu nascesti parve amaro.
057
Als dann die Zeit sich nahte, wo den Kreis
Der Welt erfüllte neuer Himmelsschein,
Nahm Cäsar selbst den Aar auf Roms Geheiß.
Poi, presso al tempo che tutto 'l ciel volle
redur lo mondo a suo modo sereno,
Cesare per voler di Roma il tolle.
060
Was er bewirkt vom Varus bis zum Rhein,
Saone und Seine sah’ s und was im Sprunge
Sonst talwärts in die Rhone stürzt hinein.
E quel che fé da Varo infino a Reno,
Isara vide ed Era e vide Senna
e ogne valle onde Rodano è pieno.
063
Wie aus Ravenna dann im stolzen Schwunge
Den Rubikon der Aar durchschritt im Flug,
Das schildert keine Feder, keine Zunge!
Quel che fé poi ch'elli uscì di Ravenna
e saltò Rubicon, fu di tal volo,
che nol seguiteria lingua né penna.
066
Zurück nach Spanien ging der Heereszug,
Durazzo wankte, Pharsalus sank nieder,
Dass schmerzlich selbst das Herz dem Nilstrom schlug.
Inver' la Spagna rivolse lo stuolo,
poi ver' Durazzo, e Farsalia percosse
sì ch'al Nil caldo si sentì del duolo.
069
Sah den Antandros und Simois wieder,
Den Heimatfluss, sah Hektors Grab und schwang
Zu Ptolomäus Unheil sein Gefieder,
Antandro e Simoenta, onde si mosse,
rivide e là dov' Ettore si cuba;
e mal per Tolomeo poscia si scosse.
072
Worauf er wie der Blitz auf Juba drang,
Dann westwärts flog unaufgehaltnen Jagens,
Wo laut ihm des Pompejus Tuba klang.
Da indi scese folgorando a Iuba;
onde si volse nel vostro occidente,
ove sentia la pompeana tuba.
075
Was dann Augustus tat, beheult voll Zagens
Cassius und Brutus hinterm Höllengatter,
Perusium und Mutina beklagen’ s;
Di quel che fé col baiulo seguente,
Bruto con Cassio ne l'inferno latra,
e Modena e Perugia fu dolente.
078
Kleopatra auch weinte, vorm Geflatter
Der Römerbanner fliehend, bis die Bange
Den schnellen Tod erkor vom Stich der Natter.
Piangene ancor la trista Cleopatra,
che, fuggendoli innanzi, dal colubro
la morte prese subitana e atra.
081
Das Rote Meer gab Halt dem Siegesgange,
Hier schloss der Aar des Janustempels Tor,
Dass Frieden rings die müde Welt erlange!
Con costui corse infino al lito rubro;
con costui puose il mondo in tanta pace,
che fu serrato a Giano il suo delubro.
084
Doch was er alles, den mein Wort beschwor,
Vorher und nachher tat als Siegeszeichen,
Das Gott zur Herrschaft ob der Welt erkor,
Ma ciò che 'l segno che parlar mi face
fatto avea prima e poi era fatturo
per lo regno mortal ch'a lui soggiace,
087
Es scheint gering und muss an Glanz verbleichen,
Wenn wir’ s mit dem in dritten Cäsars Hand
Vorurteilslos und scharfen Blicks vergleichen.
diventa in apparenza poco e scuro,
se in mano al terzo Cesare si mira
con occhio chiaro e con affetto puro;
090
Denn die Gerechtigkeit, die mir in Brand
Die Seele setzt, hat - ihrem Zorn zur Rache -
Der hohen Sühne Ruhm i h m zugewandt.
ché la viva giustizia che mi spira,
li concedette, in mano a quel ch'i' dico,
gloria di far vendetta a la sua ira.
093
Nun hör und staune, was ich kund dir mache:
Dem Titius wies der Aar die rechte Bahn,
Dass Rache - strafend alte Schuld - erwache!
Or qui t'ammira in ciò ch'io ti replìco:
poscia con Tito a far vendetta corse
de la vendetta del peccato antico.
096
Und als verletzt der Langobardenzahn
Die Kirche, sah man unter seinen Schwingen
Als Sieger Karl den Großen hilfreich nahn.
E quando il dente longobardo morse
la Santa Chiesa, sotto le sue ali
Carlo Magno, vincendo, la soccorse.
099
Nun wird dir selbst ein Urteil wohl gelingen
Für die, die ich verklagt um ihr Vergehen,
Draus euers Unglücks Wurzeln all entspringen!
Omai puoi giudicar di quei cotali
ch'io accusai di sopra e di lor falli,
che son cagion di tutti vostri mali.
102
Wider das Reich lässt d e r die Lilien wehen,
D e r lässt die goldnen flattern für P a r t e i e n -
Schwer urteilt man, wo größre Schuld zu sehen?
L'uno al pubblico segno i gigli gialli
oppone, e l'altro appropria quello a parte,
sì ch'è forte a veder chi più si falli.
105
Der Ghibellin mag seine Künste weihen
Mit anderm Zeichen! jeden packt die Reue,
Wer mit dem Rechte will den Aar entzweien.
Faccian li Ghibellin, faccian lor arte
sott' altro segno, ché mal segue quello
sempre chi la giustizia e lui diparte;
108
Der neue Karl mit seinen Guelfen scheue
Die Klaue, die zerzaust schon manchen Leuen,
Ob er sich größrer Kräfte auch erfreue.
e non l'abbatta esto Carlo novello
coi Guelfi suoi, ma tema de li artigli
ch'a più alto leon trasser lo vello.
111
Oft muss der Sohn des Vaters Schuld bereuen,
Und jener wähne nie, dass Gott den Aar
Hingäb, um sich der Lilien zu erfreuen! -
Molte fïate già pianser li figli
per la colpa del padre, e non si creda
che Dio trasmuti l'armi per suoi gigli!
114
Hier unsern kleinen Stern ziert jene Schar
Erlauchter Geister, denen Ehrbestreben
Und Ruhmverlangen Lebensinhalt war.
Questa picciola stella si correda
d'i buoni spirti che son stati attivi
perché onore e fama li succeda:
117
Doch muss solch Ehrgeiz falsche Ziele geben,
Und deshalb kann der wahren Liebe Licht
Nur schwach und abgelenkt sich aufwärts heben.
e quando li disiri poggian quivi,
sì disvïando, pur convien che i raggi
del vero amore in sù poggin men vivi.
120
Doch wägen das Verdienst wir am Gewicht
Des Lohns, so steigern wir durch solch Vergleichen
Die Seelenlust, weil beides sich entspricht.
Ma nel commensurar d'i nostri gaggi
col merto è parte di nostra letizia,
perché non li vedem minor né maggi.
123
So weiß Gerechtigkeit uns Trost zu reichen
Und süßen Frieden; nichts reißt mehr uns fort
Mit Sucht und Trieb, vom rechten Weg zu weichen.
Quindi addolcisce la viva giustizia
in noi l'affetto sì, che non si puote
torcer già mai ad alcuna nequizia.
126
Verschiedne Töne geben den Akkord,
Verschiedne Stufen geben unserm Leben
So süße Harmonie an diesem Ort.
Diverse voci fanno dolci note;
così diversi scanni in nostra vita
rendon dolce armonia tra queste rote.
129
Und in der Perle hier, in der wir schweben,
Glänzt auch Romeos Licht in reinen Strahlen,
Dem Undank ward für großes edles Streben.
E dentro a la presente margarita
luce la luce di Romeo, di cui
fu l'ovra grande e bella mal gradita.
132
Doch stirbt das Lachen bald den Provenzalen,
Den hämischen: noch mussten stets verlieren,
Die, schmälernd fremden Wert, sich selbst bestahlen!
Ma i Provenzai che fecer contra lui
non hanno riso; e però mal cammina
qual si fa danno del ben fare altrui.
135
Vier Töchter hatte Raimund, und den vieren
Verhalf dazu der demutvolle Mann,
Dass sie ihr Haupt mit Kronen durften zieren.
Quattro figlie ebbe, e ciascuna reina,
Ramondo Beringhiere, e ciò li fece
Romeo, persona umìle e peregrina.
138
Doch Raimund heischte Rechenschaft sodann,
Durch Neider aufgehetzt, vom treun Verwalter,
Der Fünf und Sieben ihm für Zehn gewann.
E poi il mosser le parole biece
a dimandar ragione a questo giusto,
che li assegnò sette e cinque per diece,
141
Er schied vom Hof, arm und gebeugt vom Alter; -
Wüsste die Welt, was ihm das Herz durchtobt,
Da er Brot bettelte - es säng ihr Psalter
indi partissi povero e vetusto;
e se 'l mondo sapesse il cor ch'elli ebbe
mendicando sua vita a frusto a frusto,
144
Lauter sein Lob, als man ihn heut schon lobt!«
assai lo loda, e più lo loderebbe».

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