003
Jetzt liegt mir ob, von neuer Pein zu künden,
Die Inhalt sei dem zwanzigsten Gesange
Des ersten Lieds von der Verstoßnen Sünden. –
Di nova pena mi conven far versi
e dar matera al ventesimo canto
de la prima canzon, ch'è d'i sommersi.
006
Ich suchte schon, vom schroffen Klippenhange
Hinab zu spähn zum offnen Höllenschlunde,
Der feucht war von der Tränen Überschwange.
Io era già disposto tutto quanto
a riguardar ne lo scoperto fondo,
che si bagnava d'angoscioso pianto;
009
Wallfahrern gleich, die sich vereint zum Bunde,
Sah ich langsamen Schritts Gestalten gehen,
Schweigend und weinend in dem tiefen Grunde.
e vidi gente per lo vallon tondo
venir, tacendo e lagrimando, al passo
che fanno le letane in questo mondo.
012
Doch als ich erst genauer hingesehen,
Da hatte jeder, schauderhaftverquert,
Den Kopf derart auf seinen Schultern stehen,
Come 'l viso mi scese in lor più basso,
mirabilmente apparve esser travolto
ciascun tra 'l mento e 'l principio del casso,
015
Dass er nach rückwärts seine Augen kehrt
Und also sich des Krebsgangs muss bestreben,
Weil gradeaus zu schauen ihm verwehrt.
ché da le reni era tornato 'l volto,
e in dietro venir li convenia,
perché 'l veder dinanzi era lor tolto.
018
Durch Schlagfluß kann es sich vielleicht begeben,
Dass so gelähmt Genick und Hals verbleiben,
Doch glaub ich’s nicht und sah es nie im Leben.
Forse per forza già di parlasia
si travolse così alcun del tutto;
ma io nol vidi, né credo che sia.
021
Wenn Gott dein Lesen segnet und mein Schreiben,
O Leser, leg dir selbst die Frage nah:
Ob mir’s ins Aug nicht Tränen sollte treiben,
Se Dio ti lasci, lettor, prender frutto
di tua lezione, or pensa per te stesso
com'io potea tener lo viso asciutto,
024
Als unser Menschenbildnis ich allda
Verrenkt, verschraubt und von dem ewgen Weinen
Benetzt am Einschnitt ihres Kreuzes sah?
quando la nostra imagine di presso
vidi sì torta, che 'l pianto de li occhi
le natiche bagnava per lo fesso.
027
Laut weinend wahrlich! Lehnte an den Steinen
Mein Haupt; da hört ich streng den Führer fragen:
»Auch du willst andern Toren ähnlich scheinen?
Certo io piangea, poggiato a un de' rocchi
del duro scoglio, sì che la mia scorta
mi disse: "Ancor se' tu de li altri sciocchi?
030
Ein Frommer muss sich Mitleid hier versagen,
Denn ist es nicht ein schmähliches Gebaren,
Bedauernd Gottes Urteil anzuklagen?
Qui vive la pietà quand'è ben morta;
chi è più scellerato che colui
che al giudicio divin passion comporta?
033
Blick auf! Blickk auf! Um Jenen zu gewahren,
Den Thebens Erde niederschlang vorzeiten,
Dass alle riefen: Wohin willst du fahren,
Drizza la testa, drizza, e vedi a cui
s'aperse a li occhi d'i Teban la terra;
per ch'ei gridavan tutti: "Dove rui,
036
Amphiaraos, bist du müd zu streiten?
Doch läßt’s ihn unaufhaltsam fort im Schachte
Bis hin zum Allbezwinger Minos gleiten;
Anfïarao? perché lasci la guerra?".
E non restò di ruinare a valle
fino a Minòs che ciascheduno afferra.
039
Schau, wie er ihm die Brust zur Schulter machte!
Nun muss er rückwärts gehen und rückwärts sehen,
Er der zu weit voraus zu schaun gedachte.
Mira c' ha fatto petto de le spalle;
perché volse veder troppo davante,
di retro guarda e fa retroso calle.
042
Sieh dort Tiresias, dem es geschehen,
Dass seine Glieder er durch Zaubergabe
Zur Weibesform sah plötzlich übergehen.
Vedi Tiresia, che mutò sembiante
quando di maschio femmina divenne,
cangiandosi le membra tutte quante;
045
Er musste wieder erst mit seinem Stabe
Beschwörend auf den Schlangenknäuel hauen,
Dass er zurück des Bartes Zierde habe.
e prima, poi, ribatter li convenne
li duo serpenti avvolti, con la verga,
che rïavesse le maschili penne.
048
Der rücklings vor des Sehers Leib zu schauen
Ist Aruns. Einst auf Lunis Berggeländen,
Wo die Carrarer Tal und Flur bebauen,
Aronta è quel ch'al ventre li s'atterga,
che ne' monti di Luni, dove ronca
lo Carrarese che di sotto alberga,
051
Saß er in einer Grotte Marmorwänden,
Dass seine Augen auf die Meeresküste
Und zu den Sternen freien Ausblick fänden! –
ebbe tra ' bianchi marmi la spelonca
per sua dimora; onde a guardar le stelle
e 'l mar non li era la veduta tronca.
054
Und die, was ich am Leib sonst lockig wüsste,
Jetzt rückwärts trägt, die mit gelösten Haaren –
Was du von hier nicht siehst – sich hüllt die Brüste,
E quella che ricuopre le mammelle,
che tu non vedi, con le trecce sciolte,
e ha di là ogne pilosa pelle,
057
War Manto, die der Länder viel befahren
Bis sie im Orte blieb, der mich gebar.
Doch davon möchte ich mehr dir offenbaren.
Manto fu, che cercò per terre molte;
poscia si puose là dove nacqu' io;
onde un poco mi piace che m'ascolte.
060
Als dieser Welt entrückt ihr Vater War ,
Und Sklavin schon die Bacchos-Stadt geworden,
Durchirrte sie die Welt manch langes Jahr.
Poscia che 'l padre suo di vita uscìo
e venne serva la città di Baco,
questa gran tempo per lo mondo gio.
063
Ein See heißt in Italiens schönem Norden
Benaco; die Tiroler Alpen schließen
Germanien ab an seinen Uferborden.
Suso in Italia bella giace un laco,
a piè de l'Alpe che serra Lamagna
sovra Tiralli, c' ha nome Benaco.
066
Wohl mehr als tausend Quellen, glaub ich, fließen
Dort zwischen Garda und Camonica,
Die in den See vom Apennin sich gießen.
Per mille fonti, credo, e più si bagna
tra Garda e Val Camonica e Pennino
de l'acqua che nel detto laco stagna.
069
Wenn den gedachten Punkt sich dort ersah
Der Bischof von Verona, Brescia, Trient,
Sie könnten dreifach Segen sprechen da.
Loco è nel mezzo là dove 'l trentino
pastore e quel di Brescia e 'l veronese
segnar poria, s'e' fesse quel cammino.
072
Stolz bietet, wo der See nur Flachland kennt,
die Stirn Peschiera, ihre Kraft zu proben,
Falls Bergamo und Brescia es berennt.
Siede Peschiera, bello e forte arnese
da fronteggiar Bresciani e Bergamaschi,
ove la riva 'ntorno più discese.
075
Hierher stürzt all das Wasser sich von oben,
Das nicht im Schoß Benacos Raum gewinnt,
Und fließt durch Uferauen grünumwoben.
Ivi convien che tutto quanto caschi
ciò che 'n grembo a Benaco star non può,
e fassi fiume giù per verdi paschi.
078
Sobald der Fluss erst freien Lauf beginnt,
Schickt er als Mincio weiter seine Wellen,
Bis bei Governo er im Po verrinnt
Tosto che l'acqua a correr mette co,
non più Benaco, ma Mencio si chiama
fino a Governol, dove cade in Po.
081
Und bald danach an niedern seichten Stellen
Sein Bett verbreitert und zum Sumpfe staut,
Draus oft im Sommer giftge Dünste quellen.
Non molto ha corso, ch'el trova una lama,
ne la qual si distende e la 'mpaluda;
e suol di state talor esser grama.
084
Hier hat die grause Jungfrau Land erschaut,
Als sie vorbeizog, mitten im Moraste,
Unangesiedelt, wüst und unbebaut,
Quindi passando la vergine cruda
vide terra, nel mezzo del pantano,
sanza coltura e d'abitanti nuda.
087
Hier blieb sie, floh die Menschheit, die verhasste,
Trieb dort ihr Zauberwerk mit den Genossen
Und hauste da, bis sie im Tod erblasste.
Lì, per fuggire ogne consorzio umano,
ristette con suoi servi a far sue arti,
e visse, e vi lasciò suo corpo vano.
090
Die Menschen dann, die rings zerstreuten, schlossen
Sich um den festen Ort zum Schutzvereine,
Weil er vom Sumpf allseitiug war umflossen.
Li uomini poi che 'ntorno erano sparti
s'accolsero a quel loco, ch'era forte
per lo pantan ch'avea da tutte parti.
093
So türmte bald zur S t a d t sich Stein zu Steine,
Die kurzerhand ward Mantua genannt,
Erbaut auf ihrer Gründerin Gebeine.
Fer la città sovra quell'ossa morte;
e per colei che 'l loco prima elesse,
Mantüa l'appellar sanz'altra sorte.
096
Mehr Volk zuvor sich in den Mauern fand,
Eh Pinamont, den Toren zu betrügen,
Dem Casalodi die Gewalt entwand.
Già fuor le genti sue dentro più spesse,
prima che la mattia da Casalodi
da Pinamonte inganno ricevesse.
099
Dies lehr ich dich, falls man mit andern Zügen
Dir meiner Stadt Entstehung je berichte
Und Wahrheit zu entstellen sucht durch Lügen!« –
Però t'assenno che, se tu mai odi
originar la mia terra altrimenti,
la verità nulla menzogna frodi".
102
Ich sprach: »Nichts macht mir mein Vertraun zunichte,
O Meister, dein Bericht nur soll mir frommen,
Auf andres ich als leere Spreu verzichte.
E io: "Maestro, i tuoi ragionamenti
mi son sì certi e prendon sì mia fede,
che li altri mi sarien carboni spenti.
105
Doch sag: von denen, die jetzt näher kommen,
Ist’s jemand wert, dass man von ihm erfahre?
Denn dafür ist mein Herz doch nur entglommen!«
Ma dimmi, de la gente che procede,
se tu ne vedi alcun degno di nota;
ché solo a ciò la mia mente rifiede".
108
Er sprach: »Dort jener, dem des Bartes Haare
Bis auf die braunen Schultern nieder fliegen,
War Seher, als in Hellas seltne Ware
Allor mi disse: "Quel che da la gota
porge la barba in su le spalle brune,
fu - quando Grecia fu di maschi vòta,
111
Das Mannsvolk hieß und kaum noch in den Wiegen
Ein Knäblein lag. Mit Kalchas gab er an:
Wann Zeit es sei, dass sie zu Schiffe stiegen.
sì ch'a pena rimaser per le cune -
augure, e diede 'l punto con Calcanta
in Aulide a tagliar la prima fune.
114
Eurypilus von Aulis ist der Mann,
Es hat mein tragisch Lied von ihm gesungen;
Du weißt es, der es schier auswendig kann.
Euripilo ebbe nome, e così 'l canta
l'alta mia tragedìa in alcun loco:
ben lo sai tu che la sai tutta quanta.
117
Und Michel Scott, des Ruf die Welt durchdrungen,
Ist dieser Hagre dort; stets ist behenh
Und leicht das schwerste Blendwerk ihm gelungen!
Quell'altro che ne' fianchi è così poco,
Michele Scotto fu, che veramente
de le magiche frode seppe 'l gioco.
120
Sieh auch Guido Bonatti! Sieh Asdent,
Der gern bei Pech und Leisten wär geblieben,
Wie er mit Reue nun zu spät bekennt.
Vedi Guido Bonatti; vedi Asdente,
ch'avere inteso al cuoio e a lo spago
ora vorrebbe, ma tardi si pente.
123
Die Weiber schau! – Statt Garn und Rad zu lieben,
Spindel und Nadel, wurdens Zauberinnen,
Die Hexerei mit Kraut und Wachsbild trieben.
Vedi le triste che lasciaron l'ago,
la spuola e 'l fuso, e fecersi 'ndivine;
fecer malie con erbe e con imago.
126
Doch komm nun! Kains Dornenbund ragt binnen
Der Gränze schon von beiden Hemisphären, XXXXX
Die Meerflut bei Sevilla gewinnen.
Ma vienne omai, ché già tiene 'l confine
d'amendue li emisperi e tocca l'onda
sotto Sobilia Caino e le spine;
129
Du sahst ihn gestern sich zum Vollmond klären
Und dir, du weißt, verschiedne Mal inmitten
Der Waldesnacht willkommnes Licht gewähren!«
e già iernotte fu la luna tonda:
ben ten de' ricordar, ché non ti nocque
alcuna volta per la selva fonda".
132
So sprach Virgil, indem wir weiter schritten.
Sì mi parlava, e andavamo introcque.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert