003
Erinnere, Leser, dich, wenn dich umbraute
Ein Nebelqualm auf einem Alpenpasse,
Daß wie durchs Maulwurfsfell dein Auge schaute,
Ricorditi, lettor, se mai ne l'alpe
ti colse nebbia per la qual vedessi
non altrimenti che per pelle talpe,
006
Wie dann beginnt die dichte feuchte Masse
Sich zu zerstreun, bis langsam durch das Rauchen
Der Sonnenball erscheinen kann, der blasse:
come, quando i vapori umidi e spessi
a diradar cominciansi, la spera
del sol debilemente entra per essi;
009
Und nur geringer Mühe wirst du brauchen,
Dir vorzustellen, wie ich wiederschaute
Zuerst die Sonne, schon im Untertauchen.
e fia la tua imagine leggera
in giugnere a veder com'io rividi
lo sole in pria, che già nel corcar era.
012
So trat ich gleichen Schrittes wie der traute
Gefährte aus dem Wolkenflor ins Helle,
Indes den Strand schon Dämmerung umgraute. -
Sì, pareggiando i miei co' passi fidi
del mio maestro, usci' fuor di tal nube
ai raggi morti già ne' bassi lidi.
015
O Fantasie, wie oft entrückst du schnelle
Uns aus unsselbst, daß man das Ohr nicht wendet,
Was auch aus tausend Tuben uns umgelle.
O imaginativa che ne rube
talvolta sì di fuor, ch'om non s'accorge
perché dintorno suonin mille tube,
018
Was reizt dich denn, wenn dir der Sinn nichts spendet?
Dich reizt ein Licht, wirkend vom Himmel nieder,
Selbständig oder weils ein Wille sendet. -
chi move te, se 'l senso non ti porge?
Moveti lume che nel ciel s'informa,
per sé o per voler che giù lo scorge.
021
Vom Frevel jener, die sich im Gefieder
Des Vogels barg, der immer gern gesungen,
Gab mir Einbildungskraft ein Abbild wieder,
De l'empiezza di lei che mutò forma
ne l'uccel ch'a cantar più si diletta,
ne l'imagine mia apparve l'orma;
024
Das meinen Geist so insich hielt gezwungen,
Daß sich von außen her vor solchem Schilde
Auch nichts den kleinsten Eindruck hätt errungen.
e qui fu la mia mente sì ristretta
dentro da sé, che di fuor non venìa
cosa che fosse allor da lei ricetta.
027
Dann senkte sich ins hohe Traumgebilde
Mir ein Gekreuzigter. Zorn sah ich beben
Und Stolz im Blick, und so auch starb der wilde.
Poi piovve dentro a l'alta fantasia
un crucifisso, dispettoso e fero
ne la sua vista, e cotal si moria;
030
Den großen Ahasver sah ich daneben,
Esther sein Weib und Mardochai, den frommen,
Der Vorbild stets in Wort und Tat gegeben.
intorno ad esso era il grande Assüero,
Estèr sua sposa e 'l giusto Mardoceo,
che fu al dire e al far così intero.
033
Und als dies Bild vonselbst insich zerschwommen -
Wie eine Blase platzt, wenn sie verzichten
Aufs Wasser muß, draus sie hervorgekommen -
E come questa imagine rompeo
sé per sé stessa, a guisa d'una bulla
cui manca l'acqua sotto qual si feo,
036
Sah ich im Traum ein Mägdlein sich aufrichten:
»O Königin,« klang es von der tränenblassen,
»Was mußtest du im Zorn dichselbst vernichten?
surse in mia visïone una fanciulla
piangendo forte, e dicea: "O regina,
perché per ira hai voluto esser nulla?
039
Du gabst dich hin, Lavinien nicht zu lassen,
Jetzt ließest du mich, Mutter. Dein Verderben
Muß vor des andern Tod mit Schmerz mich fassen.«
Ancisa t' hai per non perder Lavina;
or m' hai perduta! Io son essa che lutto,
madre, a la tua pria ch'a l'altrui ruina".
042
Gleichwie der Schlummer - bohren sich die herben
Lichtstrahlen durch das Aug, das noch geschlossen -
Bricht und im Brechen zuckt vor seinem Sterben,
Come si frange il sonno ove di butto
nova luce percuote il viso chiuso,
che fratto guizza pria che muoia tutto;
045
So meine Traumgebilde jäh zerflossen,
Sobald ins Antlitz mir ein Lichtstrahl zückte,
Greller, als sich ein irdisch Licht ergossen.
così l'imaginar mio cadde giuso
tosto che lume il volto mi percosse,
maggior assai che quel ch'è in nostro uso.
048
Ich sah mich um, wohin michs denn entrückte,
Als eine Stimme sprach: »Hier müßt ihr steigen,«
Daß jeden andern Wunsch ich unterdrückte
I' mi volgea per veder ov'io fosse,
quando una voce disse "Qui si monta",
che da ogne altro intento mi rimosse;
051
Und meinen Eifer ließ so stark sich zeigen,
Den zu gewahren, den ich hörte sprechen -:
So etwas quält, bis Stirn zu Stirn sich neigen!
e fece la mia voglia tanto pronta
di riguardar chi era che parlava,
che mai non posa, se non si raffronta.
054
Doch wie ins Aug die Sonnenstrahlen stechen,
Durch zuviel Glanz vom Anblick abzuschrecken,
So fühlt ich meine Sehkraft hier zerbrechen.
Ma come al sol che nostra vista grava
e per soverchio sua figura vela,
così la mia virtù quivi mancava.
057
»Den Weg uns ungebeten zu entdecken,
Erschien ein Gottgeist, den du nicht gesehen,
Weil seine eigenen Strahlen ihn verstecken.
"Questo è divino spirito, che ne la
via da ir sù ne drizza sanza prego,
e col suo lume sé medesmo cela.
060
Was Mensch dem Menschen tut, ist uns geschehen.
Denn wer uns bitten läßt, wenn Not erst drohte,
Der denkt schon böslich, uns nicht beizustehen.
Sì fa con noi, come l'uom si fa sego;
ché quale aspetta prego e l'uopo vede,
malignamente già si mette al nego.
063
Laß unsern Fuß denn folgen dem Gebote.
Aufwärtsgestiegen! eh die Nacht gekommen,
Sonst können wirs nichtmehr vorm Morgenrote.«
Or accordiamo a tanto invito il piede;
procacciam di salir pria che s'abbui,
ché poi non si poria, se 'l dì non riede".
066
So sprach mein Führer, und zur Höh genommen
Ward nun ein Pfad, den wir auf Stufen gingen.
Und jetzt, als ich die erste kaum erklommen,
Così disse il mio duca, e io con lui
volgemmo i nostri passi ad una scala;
e tosto ch'io al primo grado fui,
069
Fühlt ich im Antlitz leises Flügelschwingen.
»Pacifici beati« hört ichs gleiten
Ans Ohr mir, »Heil, die sündigen Zorn bezwingen.«
senti' mi presso quasi un muover d'ala
e ventarmi nel viso e dir: 'Beati
pacifici, che son sanz'ira mala!'.
072
Schon standen über uns in solchen Weiten
Die letzten Strahlen, die der Nacht sich gatten,
Daß Sterne blitzten von verschiedenen Seiten.
Già eran sovra noi tanto levati
li ultimi raggi che la notte segue,
che le stelle apparivan da più lati.
075
»O meine Kraft, was ließ dich so ermatten?«
Fragt ich michselbst und merkte ganz beklommen,
Daß mir den Dienst versagt die Füße hatten.
'O virtù mia, perché sì ti dilegue?',
fra me stesso dicea, ché mi sentiva
la possa de le gambe posta in triegue.
078
Zur höchsten Stufe waren wir gekommen,
Gehemmt dort stehend, wie die Fahrt beendet
Ein Boot, wenn es am Strand sich festgeschwommen.
Noi eravam dove più non saliva
la scala sù, ed eravamo affissi,
pur come nave ch'a la piaggia arriva.
081
Erst lauscht ich kurz, ob ein Geräusch nicht spendet
Dem Ohr der neue Kreis, der hier zu sehn.
Dann sprach ich, meinem Meister zugewendet:
E io attesi un poco, s'io udissi
alcuna cosa nel novo girone;
poi mi volsi al maestro mio, e dissi:
084
»Mein teurer Vater, sprich, welch ein Vergehen
Läutert der Kreis hier? Äußere dein Vermuten.
Stehn auch die Füße, laß dein Wort nicht stehen.«
"Dolce mio padre, dì, quale offensione
si purga qui nel giro dove semo?
Se i piè si stanno, non stea tuo sermone".
087
Und er zu mir: »Ergänzt wird hier zum Guten
Liebe, die nahe war, daß sie erkalte.
Wer träg im Rudern war, muß hier sich sputen.
Ed elli a me: "L'amor del bene, scemo
del suo dover, quiritta si ristora;
qui si ribatte il mal tardato remo.
090
Doch daß sichs dir noch deutlicher entfalte,
Wende den Geist mir zu, damit dir lohne
Heilsame Frucht aus unserm Aufenthalte.
Ma perché più aperto intendi ancora,
volgi la mente a me, e prenderai
alcun buon frutto di nostra dimora".
093
Du weißt, mein Sohn,« begann er, »nie war ohne
Die Liebe Schöpfer und Geschöpf; ob Liebe
In der Natur, ob sie im Geiste wohne.
"Né creator né creatura mai",
cominciò el, "figliuol, fu sanza amore,
o naturale o d'animo; e tu 'l sai.
096
Die der Natur irrt nie in ihrem Triebe,
Doch jene irrt; seis, daß verfehlt ihr Streben,
Seis daß zu stark, seis daß zu schwach sie bliebe.
Lo naturale è sempre sanza errore,
ma l'altro puote errar per malo obietto
o per troppo o per poco di vigore.
099
Solang den ersten Gütern sie ergeben
Und Maß den irdischen weiß anzulegen,
Kann sie nie Sündenantrieb sein im Leben.
Mentre ch'elli è nel primo ben diretto,
e ne' secondi sé stesso misura,
esser non può cagion di mal diletto;
102
Doch sucht sie Böses oder jagt sie wegen
Des Guten bald zu stark, bald zu verdrossen,
So wirkt dem Schöpfer das Geschöpf entgegen.
ma quando al mal si torce, o con più cura
o con men che non dee corre nel bene,
contra 'l fattore adovra sua fattura.
105
Drum muß die Liebe, wie ichs dir erschlossen,
Jedweder Tugend Keim in euch umfassen
Und jeder bösen Tat, die euch entsprossen.
Quinci comprender puoi ch'esser convene
amor sementa in voi d'ogne virtute
e d'ogne operazion che merta pene.
108
Nun, weil denn Liebe nie kann unterlassen,
Vom eigenen Wohlergehen den Blick zu lenken,
Liegts allen Wesen fern, sichselbst zu hassen.
Or, perché mai non può da la salute
amor del suo subietto volger viso,
da l'odio proprio son le cose tute;
111
Und weil man sich kein Wesen könnte denken
Getrennt vom Schöpfer, insichselbst zufrieden,
Kann nie auf ihn ein Haß ins Herz sich senken.
e perché intender non si può diviso,
e per sé stante, alcuno esser dal primo,
da quello odiare ogne effetto è deciso.
114
Drum bleibt, sofern ich richtig unterschieden,
Des Nächsten Mißgeschick als Freudenwürze,
Die dreifach sprießt in euerm Schlamm hienieden.
Resta, se dividendo bene stimo,
che 'l mal che s'ama è del prossimo; ed esso
amor nasce in tre modi in vostro limo.
117
Der hofft, wenn Druck des Nachbars Macht verkürze,
Eigne Erhebung; drum ist sein Begehren,
Daß jener tief von seiner Höhe stürze.
E' chi, per esser suo vicin soppresso,
spera eccellenza, e sol per questo brama
ch'el sia di sua grandezza in basso messo;
120
Der fürchtet, daß ihm Macht, Gunst, Ruf und Ehren
Entgehn, kommt hoch ein andrer, der sich brüstet;
Drum wills sein Grimm ins Gegenteil verkehren.
è chi podere, grazia, onore e fama
teme di perder perch'altri sormonti,
onde s'attrista sì che 'l contrario ama;
123
Der glaubt beleidigt sich und ist entrüstet,
Was ihn so hält mit Rachedurst durchdrungen,
Daß nach des andern Schaden ihn gelüstet.
ed è chi per ingiuria par ch'aonti,
sì che si fa de la vendetta ghiotto,
e tal convien che 'l male altrui impronti.
126
Wen diese Liebesdreiheit einst bezwungen,
Beweint es hier. Laß nun von der dich lehren,
Die falschen Weges Gutem nachgerungen.
Questo triforme amor qua giù di sotto
si piange: or vo' che tu de l'altro intende,
che corre al ben con ordine corrotto.
129
Verworren fühlen alle und begehren
Ein Gut, als Seelenfrieden zu benennen;
Drum wird ihr Drang nach solchem Ziel sich kehren.
Ciascun confusamente un bene apprende
nel qual si queti l'animo, e disira;
per che di giugner lui ciascun contende.
132
Treibt Liebe euch zu träg, es zu erkennen
Und zu erwerben, wird der Kreis hier zwingen
Zur Buße euch nach echter Reue Brennen.
Se lento amore a lui veder vi tira
o a lui acquistar, questa cornice,
dopo giusto penter, ve ne martira.
135
Noch giebts ein Gut, doch kanns uns Glück nicht bringen,
Ist selbst kein Glück, liegt fern dem wahren Heile,
Draus alles Guten Frucht und Wurzeln dringen.
Altro ben è che non fa l'uom felice;
non è felicità, non è la buona
essenza, d'ogne ben frutto e radice.
138
Liebe, die dem nachstrebt in Gier und Eile,
Wird über uns beweint in dreien Runden.
Doch wie sich dort die Ordnung dreifach teile,
L'amor ch'ad esso troppo s'abbandona,
di sovr'a noi si piange per tre cerchi;
ma come tripartito si ragiona,
141
Verschweig ich, da du selbst es sollst erkunden.«
tacciolo, acciò che tu per te ne cerchi".

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