003
Gleichmäßig, wie im Joch zwei Stiere gehen,
Ging ich dem schwerbepackten Geist zur Seite,
Solang es ließ des Lehrers Gunst geschehen.
Di pari, come buoi che vanno a giogo,
m'andava io con quell'anima carca,
fin che 'l sofferse il dolce pedagogo.
006
Doch als er sprach: »Laß ihn und schneller schreite!
Hier ziemts, daß jeder, wie er kann, im Drange
Sein Boot mit Wind und Ruder vorwärtsleite« -
Ma quando disse: "Lascia lui e varca;
ché qui è buono con l'ali e coi remi,
quantunque può, ciascun pinger sua barca";
009
Da reckt ich nun zu menschenwürdigem Gange
Den Leib empor, doch die Gedanken bogen
Bedrückt sich und verstimmt noch erdwärts lange.
dritto sì come andar vuolsi rife' mi
con la persona, avvegna che i pensieri
mi rimanessero e chinati e scemi.
012
Und rüstigen Gangs bin gern ich nachgezogen
Des Meisters Schritt; und es bewies im Gehen
Ein jeder schon, daß wir viel leichter wogen,
Io m'era mosso, e seguia volontieri
del mio maestro i passi, e amendue
già mostravam com'eravam leggeri;
015
Als er mir riet: »Du mußt nach unten sehen.
Wegkürzend wird es dir die Zeit vertreiben,
Siehst du, worauf hier deine Sohlen stehen.«
ed el mi disse: "Volgi li occhi in giùe:
buon ti sarà, per tranquillar la via,
veder lo letto de le piante tue".
018
Wie man, daß ihr Gedächtnis möge bleiben,
Über der Toten Gruft den Marmorsteinen
Das, was sie waren einst, pflegt einzuschreiben,
Come, perché di lor memoria sia,
sovra i sepolti le tombe terragne
portan segnato quel ch'elli eran pria,
021
Darob die Trauernden erneut oft weinen,
Geritzt vom Stachel der Erinnerungen,
Der aber Frommen nur ein Sporn mag scheinen:
onde lì molte volte si ripiagne
per la puntura de la rimembranza,
che solo a' pïi dà de le calcagne;
024
So sah ich hier, kunstvoller nur gelungen,
Bildnisverziert den Pfad in ganzer Breite,
Soweit er hält als Sims den Berg umschlungen.
sì vid'io lì, ma di miglior sembianza
secondo l'artificio, figurato
quanto per via di fuor del monte avanza.
027
Ich sah den auf des Felsens einer Seite,
Den höchste Schönheit schmückte, wie in Eile
Blitzähnlich er vom Himmel niederschneite.
Vedea colui che fu nobil creato
più ch'altra creatura, giù dal cielo
folgoreggiando scender, da l'un lato.
030
Ich sah den Briareus - vom Donnerkeile
Durchbohrt die Erde pressen beim Erschlaffen
Im Todesfrost - dort auf dem andern Teile.
Vedëa Brïareo fitto dal telo
celestïal giacer, da l'altra parte,
grave a la terra per lo mortal gelo.
033
Ich sah Thymbräus, sah Pallas, Mars (in Waffen
Die zwei noch) stehn beim Vater und mit Grauen
Auf die verstreuten Riesenglieder gaffen.
Vedea Timbreo, vedea Pallade e Marte,
armati ancora, intorno al padre loro,
mirar le membra d'i Giganti sparte.
036
Ich sah Nimrod vorm großen Bau dreinschauen
Zerknirscht, die Völker musternd, die betörten,
Die sich gleich ihm erfrecht auf Sennaars Auen.
Vedea Nembròt a piè del gran lavoro
quasi smarrito, e riguardar le genti
che 'n Sennaàr con lui superbi fuoro.
039
O Niobe! mit Augen, schmerzverstörten,
Starrst du gemeißelt hier auf zweimalsieben
Geliebte Kinder, die dir einst gehörten.
O Nïobè, con che occhi dolenti
vedea io te segnata in su la strada,
tra sette e sette tuoi figliuoli spenti!
042
O Saul! das eigene Schwert ins Herz getrieben,
Wie lagst du, tot auf Gilboë vor mir,
Wo Tau und Regen fern seitdem geblieben.
O Saùl, come in su la propria spada
quivi parevi morto in Gelboè,
che poi non sentì pioggia né rugiada!
045
O törichte Arachne! dich auch hier
Sah ich, halb Spinne schon, betrübt auf Fetzen
Des Werks, das du zum Weh gewoben dir.
O folle Aragne, sì vedea io te
già mezza ragna, trista in su li stracci
de l'opera che mal per te si fé.
048
O Roboam! nichtmehr schafft hier Entsetzen
Dein Bild, nein: fort im Wagen, unterm Drucke
Der Todesangst fliehst du, eh sie dich hetzen.
O Roboàm, già non par che minacci
quivi 'l tuo segno; ma pien di spavento
nel porta un carro, sanza ch'altri il cacci.
051
Sehn ließ er noch, der Boden, hart im Stucke,
wie hoch Alkmäon einst im Blutvergießen
Der Mutter Schuld bezahlt am Unglücksschmucke.
Mostrava ancor lo duro pavimento
come Almeon a sua madre fé caro
parer lo sventurato addornamento.
054
Sehn ließ er, wie die Söhne niederstießen
Den Sanherib, als er im Tempel ruhte
Zum Beten, wo sie tot ihn liegenließen.
Mostrava come i figli si gittaro
sovra Sennacherìb dentro dal tempio,
e come, morto lui, quivi il lasciaro.
057
Sehn ließ er grauses Werk, als toll im Mute
Tomyris sprach zu Cyrus, haßgetrieben:
»Blut war dein Durst, nun tränk ich dich im Blute.«
Mostrava la ruina e 'l crudo scempio
che fé Tamiri, quando disse a Ciro:
"Sangue sitisti, e io di sangue t'empio".
060
Sehn ließ er fliehend Assyriens Heer zerstieben,
Als Holofern zuboden ward gehauen,
Und was als Rest vom Blutbad noch geblieben.
Mostrava come in rotta si fuggiro
li Assiri, poi che fu morto Oloferne,
e anche le reliquie del martiro.
063
Ich sah von Troja Trümmerbrand und Grauen:
O Ilion! niedrer Ort und ruhmverwaister,
Sehn ließ er hier dein Bild, schmachvoll zu schauen.
Vedeva Troia in cenere e in caverne;
o Ilïón, come te basso e vile
mostrava il segno che lì si discerne!
066
Wer war des Pinsels oder Griffels Meister,
Um Mienenspiel und Schatten zu verweben,
Wie hier es staunen macht die feinsten Geister?
Qual di pennel fu maestro o di stile
che ritraesse l'ombre e ' tratti ch'ivi
mirar farieno uno ingegno sottile?
069
Tot schienen Tote, Lebende zu leben.
Deutlich sah ichs, als ich mich gehend bückte,
Wie ders kaum sah, ders einst sich sah begeben.
Morti li morti e i vivi parean vivi:
non vide mei di me chi vide il vero,
quant'io calcai, fin che chinato givi.
072
Hochtragt das Haupt nur, das mit Stolz geschmückte,
Ihr Evaskinder! Nur den Blick nicht neigen,
Daß er dem falschen Weg euch nicht entrückte. -
Or superbite, e via col viso altero,
figliuoli d'Eva, e non chinate il volto
sì che veggiate il vostro mal sentero!
075
Schon war der Sonnenball im Niedersteigen,
Und mehr vom Berge hatten wir umgangen,
Als dem vertieften Geist sich mochte zeigen,
Più era già per noi del monte vòlto
e del cammin del sole assai più speso
che non stimava l'animo non sciolto,
078
Als er, dem stets voraus die Blicke drangen
Im Wandern, rief: »Das Haupt empor! Nicht frommen
Wills mehr, daß wir so grübelnd fortgelangen.
quando colui che sempre innanzi atteso
andava, cominciò: "Drizza la testa;
non è più tempo di gir sì sospeso.
081
Sieh dort den Engel, der hierher will kommen,
Und sieh, die sechste von den Dienerinnen
Geht heim, weil ihr der Tagdienst abgenommen.
Vedi colà un angel che s'appresta
per venir verso noi; vedi che torna
dal servigio del dì l'ancella sesta.
084
Mit Ehrfurcht schmücke Antlitz und Beginnen,
Daß er uns freundlich weist empor; denn wisse,
Der Tag wird auf Niewiedersehn verrinnen.«
Di reverenza il viso e li atti addorna,
sì che i diletti lo 'nvïarci in suso;
pensa che questo dì mai non raggiorna!".
087
Gewohnt der Mahnung, daß man sich beflisse,
Die Zeit zu nützen, prägte sich mir schnelle
Der Rede Sinn ein ohne Hindernisse.
Io era ben del suo ammonir uso
pur di non perder tempo, sì che 'n quella
materia non potea parlarmi chiuso.
090
Jetzt nahte uns, umwogt von weißer Welle,
Das schöne Wesen. Sein Gesicht umfingen
Lichtstrahlen gleich des Morgensternes Helle.
A noi venìa la creatura bella,
biancovestito e ne la faccia quale
par tremolando mattutina stella.
093
Auftats die Arme und dann auf die Schwingen
Und sagte: »Kommt! Hier winken euch die Stufen,
Und mühlos könnt ihr fürder aufwärtsdringen.«
Le braccia aperse, e indi aperse l'ale;
disse: "Venite: qui son presso i gradi,
e agevolemente omai si sale.
096
Wie selten folgt man doch so ernstem Rufen!
O Mensch, dich läßt ein Windhauch sinkend schauen,
Wo Gottes Hände dich zum Flug erschufen.
A questo invito vegnon molto radi:
o gente umana, per volar sù nata,
perché a poco vento così cadi?".
099
Er führte uns zum Fels, wo er zerhauen,
Berührte meine Stirn mit seinem Flügel,
Und hieß dann sicherer Wandrung mich vertrauen.
Menocci ove la roccia era tagliata;
quivi mi batté l'ali per la fronte;
poi mi promise sicura l'andata.
102
Wie man hoch überm Rubakont den Hügel
Rechtsauf zur Kirche klimmt, im Angesichte
Der Stadt, darinnen Weisheit führt den Zügel,
Come a man destra, per salire al monte
dove siede la chiesa che soggioga
la ben guidata sopra Rubaconte,
105
Wo Zugang wird zur steilen Felsenschichte
Durch Stufen, eingesprengt in jenen Zeiten,
Da noch verläßlich Grundbuch und Gewichte:
si rompe del montar l'ardita foga
per le scalee che si fero ad etade
ch'era sicuro il quaderno e la doga;
108
So schrägen sich die Lehnen, die zum zweiten
Umkreis vom Rand hier sanft talniederhangen;
Nur streift man steile Wand zu beiden Seiten.
così s'allenta la ripa che cade
quivi ben ratta da l'altro girone;
ma quinci e quindi l'alta pietra rade.
111
Und als wir uns dorthingewendet, sangen
»Beati pauperes« viel Stimmen dorten,
Die lieblich wie kein Wort beschreibt erklangen.
Noi volgendo ivi le nostre persone,
'Beati pauperes spiritu!' voci
cantaron sì, che nol diria sermone.
114
Ach, wie ganz anders sind doch hier die Pforten,
Als in der Hölle. Grüßen hier uns Lieder,
Empfängt uns Wehgeheul an jenen Orten.
Ahi quanto son diverse quelle foci
da l'infernali! ché quivi per canti
s'entra, e là giù per lamenti feroci.
117
Schon gings hinan auf heiligen Stiegen wieder,
Und leichter schien mirs hier, berganzukommen,
Als ich im Flachland selbst gerührt die Glieder.
Già montavam su per li scaglion santi,
ed esser mi parea troppo più lieve
che per lo pian non mi parea davanti.
120
»Welch eine Schwere ward von mir genommen,
Sag, Meister,« sprach ich, »daß ich leicht zu gehen
Vermag und nichtmehr Müdigkeit-beklommen?«
Ond'io: "Maestro, dì, qual cosa greve
levata s'è da me, che nulla quasi
per me fatica, andando, si riceve?".
123
Und dieser: »Wenn die P, die dir noch stehen
Im Angesicht, ob auch schon halbverschwunden,
Getilgt sind, wie schon eins nichtmehr zu sehen,
Rispuose: "Quando i P che son rimasi
ancor nel volto tuo presso che stinti,
saranno, com'è l'un, del tutto rasi,
126
So wird, vom guten Willen überwunden,
Dein Fuß hinwandeln freudig diese Bahnen;
Ja, was sonst Mühsal, wird als Lust empfunden.«
fier li tuoi piè dal buon voler sì vinti,
che non pur non fatica sentiranno,
ma fia diletto loro esser sù pinti".
129
Wie jene tun, die, ohnedaß sies ahnen,
Etwas am Kopfe haben und nicht wissen,
Bisdaß die andern winkend sie gemahnen,
Allor fec'io come color che vanno
con cosa in capo non da lor saputa,
se non che ' cenni altrui sospecciar fanno;
132
Wo dann die Hand sich fühlt emporgerissen
Und sucht und findet, weil der so Gewitzte
Dadurch den Dienst der Augen kann vermissen:
per che la mano ad accertar s'aiuta,
e cerca e truova e quello officio adempie
che non si può fornir per la veduta;
135
So ich die Finger meiner Rechten spitzte
Und fand nur sechs noch von den Lettern stehen,
Die in die Stirn der Schlüsselwart mir ritzte.
e con le dita de la destra scempie
trovai pur sei le lettere che 'ncise
quel da le chiavi a me sovra le tempie:
138
Mein Führer lächelte, als ers gesehen.
a che guardando, il mio duca sorrise.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert