003
So wie der Vogel, der im lieben Laube
Die Nacht hindurch, die uns verbirgt die Dinge,
Im Nest geruht hat bei den süßen Kleinen,
Come l'augello, intra l'amate fronde,
posato al nido de' suoi dolci nati
la notte che le cose ci nasconde,
006
Daß er erkenne die ersehnten Häupter
Und Futter suche, sie damit zu nähren,
Wobei die schwerste Mühe ihm genehm ist,
che, per veder li aspetti disïati
e per trovar lo cibo onde li pasca,
in che gravi labor li sono aggrati,
009
Der Zeit voran auf freiem Aste eilt
Und heiß verlangend auf die Sonne wartet,
Aufmerksam schauend, ob es noch nicht dämmre,
previene il tempo in su aperta frasca,
e con ardente affetto il sole aspetta,
fiso guardando pur che l'alba nasca;
012
So aufgerichtet und mit festem Auge
Der Seite zugewandt, wo minder eilig
Die Sonne sich bewegt, stand meine Herrin;
così la donna mïa stava eretta
e attenta, rivolta inver' la plaga
sotto la quale il sol mostra men fretta:
015
So daß, weil ich gespannt sie sah und sinnend,
Dem Manne glich, der ob wohl andres wünschend,
Inzwischen mit der Hoffnung sich begnügt.
sì che, veggendola io sospesa e vaga,
fecimi qual è quei che disïando
altro vorria, e sperando s'appaga.
018
Doch kurze Zeit verging nur von dem einen
Zum andren Augenblick, dem des Erwartens,
Und dem wo hell und heller ward der Himmel.
Ma poco fu tra uno e altro quando,
del mio attender, dico, e del vedere
lo ciel venir più e più rischiarando;
021
Und Beatrice sagte: Sieh die Scharen
Von dem Triumphe Christi, sieh die Frucht
Des Kreisens dieser Sphären eingesammelt! -
e Bëatrice disse: «Ecco le schiere
del trïunfo di Cristo e tutto 'l frutto
ricolto del girar di queste spere!».
024
Ihr ganzes Angesicht schien mir zu glühen,
Und so voll Wonne waren ihre Augen,
Daß ohne Schild'rung ich es muß verschweigen.
Pariemi che 'l suo viso ardesse tutto,
e li occhi avea di letizia sì pieni,
che passarmen convien sanza costrutto.
027
Wie Trivia in den heit'ren Vollmondsnächten
Umgeben von den ew'gen Nymphen lächelt,
Die schimmernd jeden Himmelsraum bemalen,
Quale ne' plenilunïi sereni
Trivïa ride tra le ninfe etterne
che dipingon lo ciel per tutti i seni,
030
So sah ich über tausendfachem Lichtglanz
Die eine Sonne, welche Licht den andren
So leiht, wie unsre tut den Himmelsaugen.
vid' i' sopra migliaia di lucerne
un sol che tutte quante l'accendea,
come fa 'l nostro le viste superne;
033
Es schien durch das lebend'ge Licht hindurch
So hell die strahlenreiche Wesenheit
In meine Augen, daß sie's nicht ertrugen.
e per la viva luce trasparea
la lucente sustanza tanto chiara
nel viso mio, che non la sostenea.
036
Beatrix, süße, teure Führerin ...! -
Sie aber sagte: Das, was dich bewältigt,
Ist eine Kraft, der niemand widerstehn kann.
Oh Bëatrice, dolce guida e cara!
Ella mi disse: «Quel che ti sobranza
è virtù da cui nulla si ripara.
039
Die Weisheit und die Macht, die von der Erde
Den Weg zum Himmel aufgetan, wonach
So lang' erfolglos man verlangt, sind hier. -
Quivi è la sapïenza e la possanza
ch'aprì le strade tra 'l cielo e la terra,
onde fu già sì lunga disïanza».
042
Wie Feuer sich von seiner Wolke losreißt,
Hat sich's so ausgedehnt, daß ihm der Raum fehlt,
Und niederfährt, zuwider seinem Wesen,
Come foco di nube si diserra
per dilatarsi sì che non vi cape,
e fuor di sua natura in giù s'atterra,
045
So ging mein Geist, der unter solchem Festmahl
Gewachsen war, heraus aus seinem Selbst
Und was er tat, kann er sich nicht erinnern.
la mente mia così, tra quelle dape
fatta più grande, di sé stessa uscìo,
e che si fesse rimembrar non sape.
048
Tu' auf die Augen nun und siehe mich
So wie ich bin; nach dem was du gesehn hast,
Vermagst du auch mein Lächeln zu ertragen. -
«Apri li occhi e riguarda qual son io;
tu hai vedute cose, che possente
se' fatto a sostener lo riso mio».
051
Wie wer an ein Gesicht, das er vergessen
Zurückedenkt, und sich umsonst bemüht,
Es der Erinn'rung wieder vorzuführen,
Io era come quei che si risente
di visïone oblita e che s'ingegna
indarno di ridurlasi a la mente,
054
So war mir, als ich dies Erbieten hörte,
Das solchen Dankes wert war, wie er nimmer
Im Buch verlischt, das das Geschehne aufnimmt.
quand' io udi' questa proferta, degna
di tanto grato, che mai non si stingue
del libro che 'l preterito rassegna.
057
Ob alle Zungen nun ertönen möchten,
Die Polyhymnia mit ihren Schwestern
Durch ihre süße Milch zumeist gekräftigt,
Se mo sonasser tutte quelle lingue
che Polimnïa con le suore fero
del latte lor dolcissimo più pingue,
060
Mir beizustehn; des heil'gen Lächelns Schild'rung,
Und wie das heil'ge Antlitz es verschönte,
Erreichte doch kein Tausendteil der Wahrheit.
per aiutarmi, al millesmo del vero
non si verria, cantando il santo riso
e quanto il santo aspetto facea mero;
063
So muß das gottgeweihte Lied, gleich einem,
Der plötzlich unterbrochen sieht den Pfad,
Es überspringen in des Himmels Schild'rung.
e così, figurando il paradiso,
convien saltar lo sacrato poema,
come chi trova suo cammin riciso.
066
Doch wer des Gegenstand's Gewicht erwägt
Und daß die Schulter, die sich's auflud, sterblich,
Der wird's nicht tadeln, wenn sie drunter zittert.
Ma chi pensasse il ponderoso tema
e l'omero mortal che se ne carca,
nol biasmerebbe se sott' esso trema:
069
Das Wasser, welches kühn der Kiel durchschneidet,
Ist nicht geschaffen für geringe Nachen,
Noch für den Steuermann der Mühen scheut.
non è pareggio da picciola barca
quel che fendendo va l'ardita prora,
né da nocchier ch'a sé medesmo parca.
072
Was fesselt dich mein Antlitz so in Liebe,
Daß du dich nicht zum schönen Garten wendest,
Der unter Christi Strahl in Blüten prangt?
«Perché la faccia mia sì t'innamora,
che tu non ti rivolgi al bel giardino
che sotto i raggi di Cristo s'infiora?
075
Hier ist die Ros', in der das ew'ge Wort
Zum Fleische ward, hier sind die Lilien, deren
Geruch zum guten Wege hat geleitet. -
Quivi è la rosa in che 'l verbo divino
carne si fece; quivi son li gigli
al cui odor si prese il buon cammino».
078
So sprach Beatrix, und bereit, wie immer,
Zu folgen ihrem Rate, unterwarf ich
Die schwachen Lider abermals dem Kampfe.
Così Beatrice; e io, che a' suoi consigli
tutto era pronto, ancora mi rendei
a la battaglia de' debili cigli.
081
Wie einst mein Auge, selbst im Schatten weilend,
Beim Sonnenstrahl, der durch den Spalt der Wolke
Hindurchbrach, eine Blumenwiese sah,
Come a raggio di sol, che puro mei
per fratta nube, già prato di fiori
vider, coverti d'ombra, li occhi miei;
084
So sah durch Lichtglanz der von oben kam
Hell angestrahlt ich Scharen lichter Geister,
Obwohl des Glanzes Ursprung ich nicht sah.
vid' io così più turbe di splendori,
folgorate di sù da raggi ardenti,
sanza veder principio di folgóri.
087
Huldreiche Kraft, die sich in ihnen ausprägt,
Du schwangest dich empor, um meinen Augen,
Die nicht mehr konnten, wieder Raum zu geben!
O benigna vertù che sì li 'mprenti,
sù t'essaltasti, per largirmi loco
a li occhi lì che non t'eran possenti.
090
Der schönen Blume Namen, die ich stets
Anrufe, früh und spat, hieß meinen Geist
Sich einzig nach der größten Flamme wenden.
Il nome del bel fior ch'io sempre invoco
e mane e sera, tutto mi ristrinse
l'animo ad avvisar lo maggior foco;
093
Als des lebend'gen Sternes Glanz und Größe,
Der dorten siegt, wie er hienieden siegte,
Sich mir gemalt in beide Augen hatte,
e come ambo le luci mi dipinse
il quale e il quanto de la viva stella
che là sù vince come qua giù vinse,
096
Stieg eine Fackel von dem Himmel nieder
In Kreisgestalt, vergleichbar einem Kranze,
Den Stern umwindend und um ihn sich drehend.
per entro il cielo scese una facella,
formata in cerchio a guisa di corona,
e cinsela e girossi intorno ad ella.
099
Der Melodien süßeste hienieden,
Die mehr als eine an sich zieht die Seele,
Sie klänge gleich zerrißner Wolke Donner
Qualunque melodia più dolce suona
qua giù e più a sé l'anima tira,
parrebbe nube che squarciata tona,
102
Verglichen mit der Leier süßem Klange,
Das jenen köstlichen Saphir umkränzte,
Von dem Saphiresglanz der Himmel lieh:
comparata al sonar di quella lira
onde si coronava il bel zaffiro
del quale il ciel più chiaro s'inzaffira.
105
Als eines Engels Lieb' umkreise ich
Die hohe Wonne, die dem Schoß entströmet,
In welchem Herberg' unsre Sehnsucht nahm.
«Io sono amore angelico, che giro
l'alta letizia che spira del ventre
che fu albergo del nostro disiro;
108
So lange werd' ich's tun, o Himmelsherrin,
Als du dem Sohne folgst, und als
Durch dich verherrlicht wird die höchste Sphäre. -
e girerommi, donna del ciel, mentre
che seguirai tuo figlio, e farai dia
più la spera supprema perché lì entre».
111
So siegelte, im Kreise sich bewegend,
Sich selber diese Melodie, und alle
Die andren Lichter riefen aus: »Maria!«
Così la circulata melodia
si sigillava, e tutti li altri lumi
facean sonare il nome di Maria.
114
Der königliche Mantel aller Bände
Des Weltalls, der in Gottes Art und Odem
Am meisten brennt und sich daran belebet,
Lo real manto di tutti i volumi
del mondo, che più ferve e più s'avviva
ne l'alito di Dio e nei costumi,
117
War über uns mit seinem inn'ren Ufer
Noch so entfernt, daß, wo ich mich befand,
Die Blicke nichts von ihm entdecken konnten.
avea sopra di noi l'interna riva
tanto distante, che la sua parvenza,
là dov' io era, ancor non appariva:
120
Darum vermochten der gekrönten Flamme,
Die ihrem Sprosse nach gen oben schwebte,
Bis dorthin meine Augen nicht zu folgen.
però non ebber li occhi miei potenza
di seguitar la coronata fiamma
che si levò appresso sua semenza.
123
Und wie das Kind, wenn es die Brust genommen,
Zur Mutter hin die kleinen Arme streckt,
Weil auch nach außen flammt wie es gesinnt ist,
E come fantolin che 'nver' la mamma
tende le braccia, poi che 'l latte prese,
per l'animo che 'nfin di fuor s'infiamma;
126
So streckte jeder Lichtglanz seine Flamme
Hinauf gen oben, und gar wohl erkannt' ich,
Mit welcher Inbrunst sie Maria liebten.
ciascun di quei candori in sù si stese
con la sua cima, sì che l'alto affetto
ch'elli avieno a Maria mi fu palese.
129
Dann blieben sie vor meinen Augen dort,
So süßen Ton's: Regina Coeli singend,
Daß mich die Lust daran niemals verließ.
Indi rimaser lì nel mio cospetto,
'Regina celi' cantando sì dolce,
che mai da me non si partì 'l diletto.
132
Wie ist so groß der Reichtum, der gesammelt
In jenen Truhen ist, die hier auf Erden
Zum Säen tücht'ge Ackerleute waren!
Oh quanta è l'ubertà che si soffolce
in quelle arche ricchissime che fuoro
a seminar qua giù buone bobolce!
135
Man lebt hier von dem Schatz und freut sich seiner,
Den unter Tränen man in dem Exile
Von Babylon erwarb, wo man das Gold ließ.
Quivi si vive e gode del tesoro
che s'acquistò piangendo ne lo essilio
di Babillòn, ove si lasciò l'oro.
138
Hier feiert unter Gottes und Mariä
Erhabnem Sohne den Triumph des Sieges
So mit dem neuen als dem alten Rate
Quivi trïunfa, sotto l'alto Filio
di Dio e di Maria, di sua vittoria,
e con l'antico e col novo concilio,
141
Der, welcher dieser Glorie Schlüssel hält.
colui che tien le chiavi di tal gloria.

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