003
Schon war der Engel hinter uns geblieben,
Der Engel, der uns wies zum sechsten Kreise,
Und hatt' ein Mal getilgt von meiner Stirne.
Già era l'angel dietro a noi rimaso,
l'angel che n'avea vòlti al sesto giro,
avendomi dal viso un colpo raso;
006
Die nach Gerechtigkeit verlangen, selig
Gepriesen hatte er und seine Stimme
Mit »dürstet« ohne weiteres geschwiegen.
e quei c' hanno a giustizia lor disiro
detto n'avea beati, e le sue voci
con 'sitiunt', sanz'altro, ciò forniro.
009
Ich aber, leichter als bei andren Pässen,
Ging solchen Schrittes, daß ich ohne Mühe
Den Berg empor den raschen Geistern folgte.
E io più lieve che per l'altre foci
m'andava, sì che sanz'alcun labore
seguiva in sù li spiriti veloci;
012
Und es begann Virgil: Die Liebe, welche
Entflammt durch Tugend ward, entflammt die andre,
Sobald die Flamme offenbar geworden.
quando Virgilio incominciò: "Amore,
acceso di virtù, sempre altro accese,
pur che la fiamma sua paresse fore;
015
Drum seit dem Tag' an welchem Juvenal
Zu uns herabstieg in der Hölle Vorhof
Und deine Neigung offenbar mir machte,
onde da l'ora che tra noi discese
nel limbo de lo 'nferno Giovenale,
che la tua affezion mi fé palese,
018
Fühlt' ich für dich Wohlwollen, wie kein größres
Für jemand, den man nie gesehn, gefühlt ward.
Nun werden kurz mir diese Treppen scheinen.
mia benvoglienza inverso te fu quale
più strinse mai di non vista persona,
sì ch'or mi parran corte queste scale.
021
Doch gib mir Auskunft und als Freund vergib mir,
Läßt zu viel Kühnheit mir den Zügel schießen,
So daß als Freund zum Freund du mit mir redest:
Ma dimmi, e come amico mi perdona
se troppa sicurtà m'allarga il freno,
e come amico omai meco ragiona:
024
Wie konnte Geiz nur bei so vieler Einsicht,
Als du gewonnen hast durch deinen Eifer,
In deinem Herzen eine Stätte finden? -
come poté trovar dentro al tuo seno
loco avarizia, tra cotanto senno
di quanto per tua cura fosti pieno?".
027
Zuerst bewogen Statius diese Worte
Etwas zum Lächeln; dann gab er zur Antwort:
Von Liebe zeugt mir jedes deiner Worte.
Queste parole Stazio mover fenno
un poco a riso pria; poscia rispuose:
"Ogne tuo dir d'amor m'è caro cenno.
030
In Wahrheit, oft erscheinen Dinge, welche
Zum Zweifel Anlaß bieten, der doch falsch ist,
Weil unerkannt die wahren Gründe blieben.
Veramente più volte appaion cose
che danno a dubitar falsa matera
per le vere ragion che son nascose.
033
Mir zeigt die Frage, die du tust, du glaubest,
Vielleicht des Kreises wegen, wo ich weilte,
Daß ich im andren Leben geizig war.
La tua dimanda tuo creder m'avvera
esser ch'i' fossi avaro in l'altra vita,
forse per quella cerchia dov'io era.
036
So wisse denn, daß mir nur allzu kerne
Der Geiz gelegen, und dies Übermaß,
Es ward bestraft durch Tausende von Monden.
Or sappi ch'avarizia fu partita
troppo da me, e questa dismisura
migliaia di lunari hanno punita.
039
Und hätt' ich mein Bestreben nicht gebessert,
Als ich die Stelle las, wo du der Menschen
Geschlechte, wie von Zorn ergriffen zurufst:
E se non fosse ch'io drizzai mia cura,
quand'io intesi là dove tu chiame,
crucciato quasi a l'umana natura:
042
»Was zügelst du, geweihter Goldeshunger,
Die Leidenschaft der Menschen nicht?« so wälzt' ich
Im argen Wettkampf wohl dort unten Felsen.
'Per che non reggi tu, o sacra fame
de l'oro, l'appetito de' mortali?',
voltando sentirei le giostre grame.
045
Da sah' ich ein, daß auch zu weit die Flügel
Die Hände auftun können, wenn sie geben,
Und diese Schuld bereut' ich gleich den andren.
Allor m'accorsi che troppo aprir l'ali
potean le mani a spendere, e pente' mi
così di quel come de li altri mali.
048
Geschornen Hauptes auferstehn wird mancher,
Weil aus Unwissenheit er diese Sünde
So lebend wie im Tode nicht bereute.
Quanti risurgeran coi crini scemi
per ignoranza, che di questa pecca
toglie 'l penter vivendo e ne li stremi!
051
Nun wisse, daß die Schuld, die einer Sünde
Im graden Gegensatze widerspricht,
Mit ihr zugleich ihr grünes Holz hier trocknet.
E sappie che la colpa che rimbecca
per dritta opposizione alcun peccato,
con esso insieme qui suo verde secca;
054
Drum, wenn zu meiner Läuterung bei denen
Geweilt ich habe, die den Geiz beweinen,
So ist's geschehn des Gegensatzes wegen. -
però, s'io son tra quella gente stato
che piange l'avarizia, per purgarmi,
per lo contrario suo m'è incontrato".
057
Der Hirtenlieder Dichter sagte drauf:
Als du die grausenhaften Waffen sangest,
Die der Jocasta Doppeltrauer brachten,
"Or quando tu cantasti le crude armi
de la doppia trestizia di Giocasta",
disse 'l cantor de' buccolici carmi,
060
Scheint es nach dem, wie Clio dort die Saiten
Mit dir berührt, daß dir der Glaube fremd war,
Bei dessen Mangel, recht zu tun nicht hinreicht.
"per quello che Clïò teco lì tasta,
non par che ti facesse ancor fedele
la fede, sanza qual ben far non basta.
063
Ist's also, welche Sonne, welche Kerzen
Erleuchteten dich so, daß du die Segel,
Dem Fischer nachzufolgen hast gerichtet? -
Se così è, qual sole o quai candele
ti stenebraron sì, che tu drizzasti
poscia di retro al pescator le vele?".
066
Und er zu ihm: Du hast mich zum Parnasse
Zuerst gesandt, aus dessen Born zu trinken;
Du warst es auch, nächst Gott, der mich erleuchtet.
Ed elli a lui: "Tu prima m'invïasti
verso Parnaso a ber ne le sue grotte,
e prima appresso Dio m'alluminasti.
069
Du tatest, wie wer bei der Nacht die Leuchte
Nach rückwärts hält, so daß sie ihm nichts fruchtet,
Wohl aber die belehrt, die nach ihm kommen,
Facesti come quei che va di notte,
che porta il lume dietro e sé non giova,
ma dopo sé fa le persone dotte,
072
Indem du sagtest: »neu wird das Jahrhundert,
Gerechtigkeit und goldne Zeit kehrt wieder,
Herab vom Himmel steigt ein neuer Sprößling«.
quando dicesti: 'Secol si rinova;
torna giustizia e primo tempo umano,
e progenïe scende da ciel nova'.
075
Du machtest mich zum Dichter, du zum Christen;
Doch, daß du, was ich zeichne, besser sehest,
Reg' ich die Hand, es weiter auszumalen.
Per te poeta fui, per te cristiano:
ma perché veggi mei ciò ch'io disegno,
a colorare stenderò la mano.
078
Schon war die Welt nach allen Seiten schwanger
Vom wahren Glauben, welcher ausgelä't war
Durch die Verkündiger des ew'gen Reiches.
Già era 'l mondo tutto quanto pregno
de la vera credenza, seminata
per li messaggi de l'etterno regno;
081
Und weil dein Wort, das ich vorhin erwähnte,
So wohl entsprach der neuen Pred'ger Rede,
Gewöhnt' ich mich, sie häufig heimzusuchen.
e la parola tua sopra toccata
si consonava a' nuovi predicanti;
ond'io a visitarli presi usata.
084
Und es erschien ihr Wandel mir so heilig,
Daß, während Domitian sie schwer verfolgte,
Mein Weinen ihren Tränen sich gesellte.
Vennermi poi parendo tanto santi,
che, quando Domizian li perseguette,
sanza mio lagrimar non fur lor pianti;
087
Ich unterstützte sie, solang' ich jenseits
Verweilte, und die Reinheit ihrer Sitten
Hieß alle andren Sekten mich verachten.
e mentre che di là per me si stette,
io li sovvenni, e i lor dritti costumi
fer dispregiare a me tutte altre sette.
090
Und eh' ich dichtend zu den Flüssen Thebens
Die Griechen führte, ward ich schon getauft;
Doch hielt aus Furcht geheim ich meinen Glauben
E pria ch'io conducessi i Greci a' fiumi
di Tebe poetando, ebb'io battesmo;
ma per paura chiuso cristian fu' mi,
093
Und stellte lange Zeit mich noch als Heiden.
Den vierten Kreis ließ diese Lauigkeit
Mehr als vierhundert Jahr lang mich umkreisen.
lungamente mostrando paganesmo;
e questa tepidezza il quarto cerchio
cerchiar mi fé più che 'l quarto centesmo.
096
Du aber, der den Schleier mir gehoben,
Der jenes Gut mir barg, das ich bezeichnet,
Berichte, weißt du es, so lang zu steigen
Tu dunque, che levato hai il coperchio
che m'ascondeva quanto bene io dico,
mentre che del salire avem soverchio,
099
Wir haben, wo Terenz verweilt, der alte,
Wo Varro, Plautus, wo Cäcilius, sag' auch,
Ob sie verdammt sind und an welcher Stelle? -
dimmi dov'è Terrenzio nostro antico,
Cecilio e Plauto e Varro, se lo sai:
dimmi se son dannati, e in qual vico".
102
Sie alle, Persius, ich und noch viel andre
Sind mit dem Griechen, den die Musen mehr,
Als jemals wen getränkt, im ersten Ringe
"Costoro e Persio e io e altri assai",
rispuose il duca mio, "siam con quel Greco
che le Muse lattar più ch'altri mai,
105
Des blinden Kerkers, sagte drauf mein Führer,
Und von dem Berg, den unsre Nährerinnen
Stets bei sich sieht, besprechen wir uns oftmals.
nel primo cinghio del carcere cieco;
spesse fïate ragioniam del monte
che sempre ha le nutrice nostre seco.
108
Euripides und Antiphon sind bei uns,
Auch Agathon, Simonides und andre
Hellenen, die die Stirn mit Lorbeer schmückten.
Euripide v'è nosco e Antifonte,
Simonide, Agatone e altri piùe
Greci che già di lauro ornar la fronte.
111
Von deinen Helden sieht man dort Argia,
Deiphile und mit Antigone
Ismene, traurig, wie sie sonst gewesen.
Quivi si veggion de le genti tue
Antigone, Deïfile e Argia,
e Ismene sì trista come fue.
114
Man sieht die dem Adrast Langia zeigte,
Auch des Tiresias und der Thetis Tochter,
So wie Deidamia mit den Schwestern. -
Védeisi quella che mostrò Langia;
èvvi la figlia di Tiresia, e Teti,
e con le suore sue Deïdamia".
117
Verstummt war schon der beiden Dichter Rede;
Vom Steigen frei und von den Felsenwänden,
Entsandten rings sie aufmerksame Blicke.
Tacevansi ambedue già li poeti,
di novo attenti a riguardar dintorno,
liberi da saliri e da pareti;
120
Es waren von des Tages Dienerinnen
Schon vier zurückgeblieben und noch lenkte
Der Deichsel glühndes Horn die fünfte aufwärts.
e già le quattro ancelle eran del giorno
rimase a dietro, e la quinta era al temo,
drizzando pur in sù l'ardente corno,
123
Da sprach mein Führer: Längs dem Felsenrande,
Vermut' ich, soll'n wir rechts die Schultern wenden,
Den Berg umkreisend, so wie wir gewohnt sind. -
quando il mio duca: "Io credo ch'a lo stremo
le destre spalle volger ne convegna,
girando il monte come far solemo".
126
So ließen wir vom Brauch den Weg uns weisen
Und schritten vor mit größerem Vertrauen,
Bei jenes werten Schattens Einverständnis.
Così l'usanza fu lì nostra insegna,
e prendemmo la via con men sospetto
per l'assentir di quell'anima degna.
129
Sie wandelten voraus; nach ihnen folgte
Ich einsam und auf ihre Reden merkend,
Die Einsicht in die Dichtkunst mir erschlossen.
Elli givan dinanzi, e io soletto
di retro, e ascoltava i lor sermoni,
ch'a poetar mi davano intelletto.
132
Da unterbrach die traulichen Gespräche
Ein Baum, den mitten wir im Wege trafen
Mit Früchten würzigen und süßen Duftes.
Ma tosto ruppe le dolci ragioni
un alber che trovammo in mezza strada,
con pomi a odorar soavi e buoni;
135
Und wie nach obenhin die Tanne abnimmt
Von Ast zu Ast, so tut der Baum nach unten:
Vielleicht damit ihn niemand mög' ersteigen.
e come abete in alto si digrada
di ramo in ramo, così quello in giuso,
cred'io, perché persona sù non vada.
138
Zur Seite, wo den Weg die Bergwand abschloß,
Fiel von dem hohen Fels ein klares Naß
Und netzte niederträufelnd all die Blätter.
Dal lato onde 'l cammin nostro era chiuso,
cadea de l'alta roccia un liquor chiaro
e si spandeva per le foglie suso.
141
Dem Baume nahten sich die beiden Dichter,
Und aus dem Laub' hervor rief eine Stimme:
Von dieser Speise sollt ihr euch enthalten. -
Li due poeti a l'alber s'appressaro;
e una voce per entro le fronde
gridò: "Di questo cibo avrete caro".
144
Dann sagte sie: Maria dachte mehr,
Daß ehrenhaft die Hochzeit sei und völlig,
Als an den eignen Mund, der jetzt für euch spricht.
Poi disse: "Più pensava Maria onde
fosser le nozze orrevoli e intere,
ch'a la sua bocca, ch'or per voi risponde.
147
Die Römerinnen alter Zeit begnügten
Mit Wasser sich zum Trank, und Daniel
Verschmähte Speisen und erwarb sich Weisheit.
E le Romane antiche, per lor bere,
contente furon d'acqua; e Danïello
dispregiò cibo e acquistò savere.
150
Die erste Zeit, die schön war gleich dem Golde,
Gab Wohlgeschmack durch Hunger selbst den Eicheln
Und machte jeden Bach durch Durst zum Nektar.
Lo secol primo, quant'oro fu bello,
fé savorose con fame le ghiande,
e nettare con sete ogne ruscello.
153
Die Speisen, die den Täufer in der Wüste
Ernährten, waren Heuschrecken und Honig;
Drum ward er glorreich und so groß vor allen,
Mele e locuste furon le vivande
che nodriro il Batista nel diserto;
per ch'elli è glorïoso e tanto grande
156
Als offenbart euch ist im Evangelium. -
quanto per lo Vangelio v'è aperto".

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