003
Fortfahrend sag' ich, daß schon eine Weile
Eh wir zum Fuß des hohen Turms gelangten,
Zu seiner Höh' sich unser Auge wandte;
Io dico, seguitando, ch'assai prima
che noi fossimo al piè de l'alta torre,
li occhi nostri n'andar suso a la cima
006
Denn aufgesteckt war dort ein Fackelpaar,
Und eine dritt' erwiderte das Zeichen,
So fern, daß sie das Auge kaum gewahr ward.
per due fiammette che i vedemmo porre,
e un'altra da lungi render cenno,
tanto ch'a pena il potea l'occhio tòrre.
009
Ich sprach, gewandt zum Meer jedweder Weisheit,
Was will dies Feuer sagen, was entgegnet
Das andre, und wer sind, die sie entzündet? -
E io mi volsi al mar di tutto 'l senno;
dissi: "Questo che dice? e che risponde
quell'altro foco? e chi son quei che 'l fenno?".
012
Er sagte: Schon kann auf den schmutzgen Wellen,
Was zu erwarten steht, dein Blick gewahren,
Wenn dich der Nebel nicht am Sehn verhindert. -
Ed elli a me: "Su per le sucide onde
già scorgere puoi quello che s'aspetta,
se 'l fummo del pantan nol ti nasconde".
015
Nie schnellte einen Pfeil des Bogens Sehne,
Der so geschwind die Luft durchschnitten hätte,
Als über's Wasser her im Augenblick
Corda non pinse mai da sé saetta
che sì corresse via per l'aere snella,
com'io vidi una nave piccioletta
018
Ein Schifflein ich auf uns zukommen sah,
Geleitet nur von einem einz'gen Fährmann.
Der schrie: Bist du nun da, verworfne Seelen? -
venir per l'acqua verso noi in quella,
sotto 'l governo d'un sol galeoto,
che gridava: "Or se' giunta, anima fella!".
021
O Phlegyas, entgegnete mein Meister,
Vergeblich ist für diesmal dein Geschrei;
Zur Überfahrt nur sollst du uns besitzen. -
"Flegïàs, Flegïàs, tu gridi a vòto",
disse lo mio segnore, "a questa volta:
più non ci avrai che sol passando il loto".
024
Wie wer vernimmt von schmählichem Betruge,
Der ihm gespielt ward und darob ergrimmet,
So ward, verbissnen Zornes, Phlegyas
Qual è colui che grande inganno ascolta
che li sia fatto, e poi se ne rammarca,
fecesi Flegïàs ne l'ira accolta.
027
Mein Führer stieg hernieder in den Nachen,
Und, da ich dann auf sein Geheiß ihm folgte,
Schien als ich eintrat, erst der Kahn beladen.
Lo duca mio discese ne la barca,
e poi mi fece intrare appresso lui;
e sol quand'io fui dentro parve carca.
030
Als beide wir uns nun im Schiff befanden,
Durchschnitt auf seiner Fahrt der alte Kiel
Mehr Wasser, als er tut, trägt er nur Schatten.
Tosto che 'l duca e io nel legno fui,
segando se ne va l'antica prora
de l'acqua più che non suol con altrui.
033
Und während wir den toten Moor befuhren,
Taucht' einer vor uns auf, den Schlamm bedeckte:
Wer bist du, rufend, der du vor der Zeit kommst? -
Mentre noi corravam la morta gora,
dinanzi mi si fece un pien di fango,
e disse: "Chi se' tu che vieni anzi ora?".
036
Ich sagte: Kam ich, ist's nicht um zu bleiben,
Doch wer bist du, daß du so ganz besudelt? -
Drauf er: Das siehst du: einer der da weinet. -
E io a lui: "S'i' vegno, non rimango;
ma tu chi se', che sì se' fatto brutto?".
Rispuose: "Vedi che son un che piango".
039
Ich aber sprach: In Weinen und in Trauer
Verbleibe denn, du fluchbeladner Schatten!
Wohl kenn' ich dich, wenn du auch ganz beschmutzt bist. -
E io a lui: "Con piangere e con lutto,
spirito maladetto, ti rimani;
ch'i' ti conosco, ancor sie lordo tutto".
042
Da griff er nach dem Kahn mit beiden Händen;
Doch eilig stieß der Meister ihn zurück
Und sagte: Pack' dich mit den andern Hunden! -
Allor distese al legno ambo le mani;
per che 'l maestro accorto lo sospinse,
dicendo: "Via costà con li altri cani!".
045
Mir aber schlang er um den Hals die Arme.
Mein Antlitz küssend sprach er: Eiferseele,
Gesegnet sei der Schoß der dich getragen!
Lo collo poi con le braccia mi cinse;
basciommi 'l volto e disse: "Alma sdegnosa,
benedetta colei che 'n te s'incinse!
048
Ein Mensch voll Hochmut war im Leben jener;
Nicht eine Tugend schmückt sein Angedenken,
Drum ist sein Schatten hier von Wut entbrannt.
Quei fu al mondo persona orgogliosa;
bontà non è che sua memoria fregi:
così s'è l'ombra sua qui furïosa.
051
Wie viele dünken Könige sich jetzt,
Und werden Säuen gleich im Kot hier stecken,
Dort aber Schande nur und Schmach verlassen. -
Quanti si tegnon or là sù gran regi
che qui staranno come porci in brago,
di sé lasciando orribili dispregi!".
054
Ich sagte: Meister wohl wär ich begierig
Zu seh'n, wie man ihn taucht in diese Brühe
Bevor wir hinter uns den See gelassen. -
E io: "Maestro, molto sarei vago
di vederlo attuffare in questa broda
prima che noi uscissimo del lago".
057
Und er zu mir: Noch eh' die andre Küste
Sich dir gezeigt, wirst du befriedigt werden.
Die Lust, die du begehrst, sollst du genießen. -
Ed elli a me: "Avante che la proda
ti si lasci veder, tu sarai sazio:
di tal disïo convien che tu goda".
060
Nicht lange drauf ward von den Schlammbedeckten
Vor meinen Augen jener so geschüttelt,
Daß, dankend, Gott darum noch heut' ich preise.
Dopo ciò poco vid'io quello strazio
far di costui a le fangose genti,
che Dio ancor ne lodo e ne ringrazio.
063
Sie alle schrie'n: Es gilt Philipp Argenti! -
Und der ergrimmte Florentiner Schatten
Zerfleischte sich mit seinen eigenen Zähnen.
Tutti gridavano: "A Filippo Argenti!";
e 'l fiorentino spirito bizzarro
in sé medesmo si volvea co' denti.
066
Wir ließen ihn. Nicht mehr von ihm erzähl ich;
Denn meine Ohren traf ein Schmerzenslaut,
Weshalb ich angestrengt nach vorne blicke.
Quivi il lasciammo, che più non ne narro;
ma ne l'orecchie mi percosse un duolo,
per ch'io avante l'occhio intento sbarro.
069
Der gute Führer sagte: Sohn, es nahet
Bereits die Stadt sich, welche Dis genannt wird,
Voll schwerer Bürger und voll großer Scharen. -
Lo buon maestro disse: "Omai, figliuolo,
s'appressa la città c' ha nome Dite,
coi gravi cittadin, col grande stuolo".
072
Ich sagte: Meister, ihre Minarette
Erblick' ich wahrlich schon im Tale drunten,
Rotschimmernd als ob Feuer sie durchglühte. -
E io: "Maestro, già le sue meschite
là entro certe ne la valle cerno,
vermiglie come se di foco uscite
075
Darauf entgegnet er: Die ew'gen Flammen,
Darin sie brennen, färben sie so rot,
Wie du gewahrst in dieser niedern Hölle. -
fossero". Ed ei mi disse: "Il foco etterno
ch'entro l'affoca le dimostra rosse,
come tu vedi in questo basso inferno".
078
Wir fuhren in die tiefen Gräben ein,
Die die verzweiflungsvolle Stadt umgeben;
Die Mauern schienen mir von festem Eisen.
Noi pur giugnemmo dentro a l'alte fosse
che vallan quella terra sconsolata:
le mura mi parean che ferro fosse.
081
Indes nach langem Umweg erst gelangten
An einen Ort wir, wo mit lauter Stimme
Der Fährmann rief: Steigt aus, hier ist der Eingang! -
Non sanza prima far grande aggirata,
venimmo in parte dove il nocchier forte
"Usciteci", gridò: "qui è l'intrata".
084
Ich sah wohl tausend, welche einst vom Himmel
Geregnet, bei dem Tor, die zornig sagten:
Wer ist der eine denn, der ohne Tod
Io vidi più di mille in su le porte
da ciel piovuti, che stizzosamente
dicean: "Chi è costui che sanza morte
087
Das Reich des toten Volkes so durchwandert? -
Vorsorglich gab mein Führer zu erkennen,
Daß er geheim mit ihnen reden wollte.
va per lo regno de la morta gente?".
E 'l savio mio maestro fece segno
di voler lor parlar segretamente.
090
Da dämpften sie den wilden Zorn ein wenig
Und sagten: Komm allein. Umkehre dann
Der so verwegen eindrang in dies Reich.
Allor chiusero un poco il gran disdegno
e disser: "Vien tu solo, e quei sen vada
che sì ardito intrò per questo regno.
093
Allein geh' er den tör'gen Weg zurücke,
Wenn er ihn finden kann. Du aber bleibe,
Der durch so dunkles Land ihn hergeleitet. -
Sol si ritorni per la folle strada:
pruovi, se sa; ché tu qui rimarrai,
che li ha' iscorta sì buia contrada".
096
Nun denk' dir, Leser, ob ich ward entmutigt
Beim Tone der vermaledeiten Worte;
Gewiß, ich dachte nimmer heimzukehren.
Pensa, lettor, se io mi sconfortai
nel suon de le parole maladette,
ché non credetti ritornarci mai.
099
O teurer Führer, der du siebenmal
Und öfter Sicherheit zurück mir gabest,
Und mich aus dringender Gefahr befreitest,
"O caro duca mio, che più di sette
volte m' hai sicurtà renduta e tratto
d'alto periglio che 'ncontra mi stette,
102
Verlaß mich nicht in solchen Nöten, sagt' ich;
Ist uns das Weitergehn verwehrt, so laß uns
Gemeinsam rückwärts unsren Pfad durchmessen. -
non mi lasciar", diss'io, "così disfatto;
e se 'l passar più oltre ci è negato,
ritroviam l'orme nostre insieme ratto".
105
Mein Meister, der bis dorthin mich geführt
Erwiderte: Sei furchtlos, unsre Reise
Kann niemand hemmen, solche Bürgschaft hat sie.
E quel segnor che lì m'avea menato,
mi disse: "Non temer; ché 'l nostro passo
non ci può tòrre alcun: da tal n'è dato.
108
Nun aber bleibe hier, und speis' und stärke
Den müden Geist mit Hoffnung und Vertrauen,
Daß in der untern Welt ich dich nicht lasse. -
Ma qui m'attendi, e lo spirito lasso
conforta e ciba di speranza buona,
ch'i' non ti lascerò nel mondo basso".
111
Also verläßt mich, also geht von dannen
Der süße Vater, und zurück in Sorgen
Bleib' ich, weil ja und nein im Haupt mir streiten.
Così sen va, e quivi m'abbandona
lo dolce padre, e io rimagno in forse,
che sì e no nel capo mi tenciona.
114
Was er zu ihnen sprach kann ich nicht sagen;
Doch lange hatt' er nicht geweilt mit ihnen,
Als um die Wett' in's Tor ein jeder eilte.
Udir non potti quello ch'a lor porse;
ma ei non stette là con essi guari,
che ciascun dentro a pruova si ricorse.
117
Die Pforte schlossen unsre Widersacher
Vor meinem Herrn, dem sie den Einlaß wehrten
Und der die Schritte zögernd zu mir wandte.
Chiuser le porte que' nostri avversari
nel petto al mio segnor, che fuor rimase
e rivolsesi a me con passi rari.
120
Die Augen senkt' er nieder, von den Brauen
Schien jeder Mut geschwunden, und mit Seufzen
Sagt er: Wer wehrte mir des Schmerzes Wohnstatt? -
Li occhi a la terra e le ciglia avea rase
d'ogne baldanza, e dicea ne' sospiri:
"Chi m' ha negate le dolenti case!".
123
Drauf wandt' er sich zu mir: Erzürn' ich gleich,
So fürchte deshalb nicht, denn siegen werd' ich,
Was man zur Abwehr drinnen auch versuche.
E a me disse: "Tu, perch'io m'adiri,
non sbigottir, ch'io vincerò la prova,
qual ch'a la difension dentro s'aggiri.
126
Nicht neu ist solche Frechheit mir an ihnen;
An weniger geheimem Tor, das seitdem
Verschlußlos blieb, bewährten sie sie schon.
Questa lor tracotanza non è nova;
ché già l'usaro a men segreta porta,
la qual sanza serrame ancor si trova.
129
Auf ihm gewahrtest du die tote Inschrift.
Diesseits von ihm steigt schon den Abhang nieder,
Durchschneidend ohne Führer all die Kreise,
Sovr'essa vedestù la scritta morta:
e già di qua da lei discende l'erta,
passando per li cerchi sanza scorta,
132
Der, dessen Macht uns wird die Pforte öffnen. -
tal che per lui ne fia la terra aperta".

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