003
Geheime Pfade sind wir nun geschritten
Am Wall der Stadt, durch der Geplagten Reih'n,
Mein Meister vorn, ich folgend seinen Tritten.
Ora sen va per un secreto calle,
tra 'l muro de la terra e li martìri,
lo mio maestro, e io dopo le spalle.
006
»O höchste Kraft, die du mich führtest ein
Zum Reich der Frevler,« sprach ich, »darf ich hoffen,
Daß du Gehör mögst meinen Wünschen leih'n?
"O virtù somma, che per li empi giri
mi volvi", cominciai, "com'a te piace,
parlami, e sodisfammi a' miei disiri.
009
Darf ich sie seh'n, - da alle Särge offen, -
Die hier in diesen Grüften gereiht,
An denen keinen Wächter ich getroffen?«
La gente che per li sepolcri giace
potrebbesi veder? già son levati
tutt'i coperchi, e nessun guardia face".
012
Und er: »Die Deckel schließen sich, zur Zeit
Wann sie von Josaphats Gefilden kehren,
Und wieder sie empfängt ihr irdisch Kleid.
E quelli a me: "Tutti saran serrati
quando di Iosafàt qui torneranno
coi corpi che là sù hanno lasciati.
015
Der Epikur und die, die ihn verehren,
Ruh'n hier im Grab, die, wenn der Leib verblaßt,
Mit ihm die Sterblichkeit der Seele lehren.
Suo cimitero da questa parte hanno
con Epicuro tutti suoi seguaci,
che l'anima col corpo morta fanno.
018
Wohl hab ich deiner Frage Sinn erfaßt,
Und Aufschluß deiner Wünsche geb ich drinnen
Auch über die, die du verschwiegen hast.«
Però a la dimanda che mi faci
quinc'entro satisfatto sarà tosto,
e al disio ancor che tu mi taci".
021
Und ich: »Mein guter Meister, Herz und Sinnen
Sein'n stets dir offen, nur spart' ich mein Wort,
Weil früh'rer Mahnung folgte mein Beginnen.«
E io: "Buon duca, non tegno riposto
a te mio cuor se non per dicer poco,
e tu m' hai non pur mo a ciò disposto".
024
»O Tusker du, der durch die Feuer fort
Mit würd'gen Worten schreitest, wie im Leben,
Sei günstig mir, verweil' an diesem Ort,
"O Tosco che per la città del foco
vivo ten vai così parlando onesto,
piacciati di restare in questo loco.
027
Denn deine Mundart hat mir kundgegeben,
Daß du entstammst dem edlen Vaterland,
Dem ich vielleicht zu lästig war im Leben.«
La tua loquela ti fa manifesto
di quella nobil patrïa natio,
a la qual forse fui troppo molesto".
030
Dies Wort sich jäh aus einer Gruft entwand.
Da ließ mich näher an den Führer gehen
Die Furcht, die bei den Worten ich empfand.
Subitamente questo suono uscìo
d'una de l'arche; però m'accostai,
temendo, un poco più al duca mio.
033
Und er zu mir: »Was ist mit dir geschehen?
Sieh, Farinata ist's, der steht und spricht,
Vom Gürtel aufwärts kannst du ganz ihn sehen«
Ed el mi disse: "Volgiti! Che fai?
Vedi là Farinata che s'è dritto:
da la cintola in sù tutto 'l vedrai".
036
Schon faßte ich ins Auge sein Gesicht,
Die Brust, die Stirn sah höhnisch ich erhoben,
Als schere ihn die ganze Hölle nicht.
Io avea già il mio viso nel suo fitto;
ed el s'ergea col petto e con la fronte
com'avesse l'inferno a gran dispitto.
039
Und meines Führers kühne Hände schoben
Durch Gräberreih'n mich schnell zu ihm hinab,
Wobei er sprach: »Sprich kurz und unumwoben!«
E l'animose man del duca e pronte
mi pinser tra le sepulture a lui,
dicendo: "Le parole tue sien conte".
042
Und ich drauf herantrat an sein Grab,
Sah er mich an und seine Lippen beben.
»Sag mir, von welchen Vätern stammst du ab?«
Com'io al piè de la sua tomba fui,
guardommi un poco, e poi, quasi sdegnoso,
mi dimandò: "Chi fuor li maggior tui?".
045
Und da, ihm zu willfahren, mein Bestreben,
Verbarg ich nichts und sagt' ihm alles frei,
Da sah ich seine Brauen sich beben,
Io ch'era d'ubidir disideroso,
non gliel celai, ma tutto gliel'apersi;
ond'ei levò le ciglia un poco in suso;
048
Dann sprach er: »Meinem Stamm, meiner Partei
Stets Gegner waren sie, die uns versehrten,
Doch zweimal brach ich ihre Tyrannei.«
poi disse: "Fieramente furo avversi
a me e a miei primi e a mia parte,
sì che per due fïate li dispersi".
051
»Obgleich verjagt, sue zweimal wiederkehrten»,
Sprach ich, »denn aus der Fremde heimzuziehn,
Die Künste nie den deinen sich bewährten.«
"S'ei fur cacciati, ei tornar d'ogne parte",
rispuos'io lui, "l'una e l'altra fïata;
ma i vostri non appreser ben quell'arte".
054
Da plötzlich aus der offnen Gruft erschien
Ein Schatten bis ans Kinn ganz dicht daneben,
Der sich erhoben, glaub' ich, auf den Knie'n.
Allor surse a la vista scoperchiata
un'ombra, lungo questa, infino al mento:
credo che s'era in ginocchie levata.
057
Er schaute rings sich um, es schien sein Streben,
Zu seh'n, ob nicht noch andere mit dir,
Und als sein Argwohn gänzlich sich gegeben,
Dintorno mi guardò, come talento
avesse di veder s'altri era meco;
e poi che 'l sospecciar fu tutto spento,
060
Sprach weinend er: »Der hehren Geistes hier
Du durch den Kerker schreitest, schwarz umnachtet,
Wo ist mein Sohn und warum nicht mit dir?«
piangendo disse: "Se per questo cieco
carcere vai per altezza d'ingegno,
mio figlio ov'è? e perché non è teco?".
063
Und ich: »Ich habe nicht hierher getrachtet,
Dort wartet er, der Führer meiner Fahrt,
Dein Guido hat vielleicht ihn einst verachtet.«
E io a lui: "Da me stesso non vegno:
colui ch'attende là, per qui mi mena
forse cui Guido vostro ebbe a disdegno".
066
Doch seine Rede und der Strafe Art
Hatt' seinen Namen mir schon kund gegeben,
Drum hab' ich meine Worte nicht gespart.
Le sue parole e 'l modo de la pena
m'avean di costui già letto il nome;
però fu la risposta così piena.
069
Er schrie und sprang empor. »Was sprachst du eben,
Du sagtest »Einst« - so lebt er denn nicht mehr,
So sieht sein Auge nicht mehr Licht und Leben?«
Di sùbito drizzato gridò: "Come?
dicesti "elli ebbe"? non viv'elli ancora?
non fiere li occhi suoi lo dolce lume?".
072
Und da er sah, ich zögerte, fiel er
Zurück, eh' mir die Antwort wollte glücken.
Wo er gekniet, da war die Stelle leer.
Quando s'accorse d'alcuna dimora
ch'io facëa dinanzi a la risposta,
supin ricadde e più non parve fora.
075
Der andre Hehre, ohne sich zu bücken,
Blieb, in den Zügen unveränert, stehn,
Bog nicht den Nacken, krümmte nicht den Rücken,
Ma quell'altro magnanimo, a cui posta
restato m'era, non mutò aspetto,
né mosse collo, né piegò sua costa;
078
Dann fügte er hinzu: »Muß ich erseh'n,
Daß jene nicht die Kunst zur Heimkehr finden,
So martert das mich mehr, als mein Ergeh'n.
e sé continüando al primo detto,
"S'elli han quell'arte", disse, "male appresa,
ciò mi tormenta più che questo letto.
081
Nicht fünfzig Mal wird kommen und verschwinden
Der Kön'gin dieses Reiches bleich Gesicht,
Und du wirst selbst, wie schwer die Kunst, empfinden.
Ma non cinquanta volte fia raccesa
la faccia de la donna che qui regge,
che tu saprai quanto quell'arte pesa.
084
So wahr du heimkehrst einst zum holden Licht,
Sag', warum sind des Volks Gesetze alle
Den Meinen feindlich, grausam ihr Gericht?«
E se tu mai nel dolce mondo regge,
dimmi: perché quel popolo è sì empio
incontr'a' miei in ciascuna sua legge?".
087
»Das Blutbad bei dem großen Überfalle,
Von dem die Arbia rot, bracht, als getagt
Das zum Beschluß in unsrer Tempelhalle.«
Ond'io a lui: "Lo strazio e 'l grande scempio
che fece l'Arbia colorata in rosso,
tal orazion fa far nel nostro tempio".
090
Aufseufzend schüttelt er das Haupt und fragt:
»War ich allein? Nicht ohne Grund inmitten
Der andern hab' ich diesen Kampf gewagt.
Poi ch'ebbe sospirando il capo mosso,
"A ciò non fu' io sol", disse, "né certo
sanza cagion con li altri sarei mosso.
093
Allein stand ich, als sie den Plan gelitten,
Florenz zu schleifen, ich war's, der im Groll
Mit offner Stirn ums Wohl der Stadt gestritten.«
Ma fu' io solo, là dove sofferto
fu per ciascun di tòrre via Fiorenza,
colui che la difesi a viso aperto".
096
»Wenn je dein Stamm einst Ruhe finden soll,«
Bat ich, »lös mir den Knoten, dessen Banden
Das Urteil mir umstricken, zweifelsvoll.«
"Deh, se riposi mai vostra semenza",
prega' io lui, "solvetemi quel nodo
che qui ha 'nviluppata mia sentenza.
099
»Es scheint, ihr seht, wenn ich euch recht verstanden,
Im voraus, was der Zukunft Stimme spricht,
Und nur die Gegenwart kam euch abhanden.«
El par che voi veggiate, se ben odo,
dinanzi quel che 'l tempo seco adduce,
e nel presente tenete altro modo".
102
»Wir seh'n,« sprach er, »mit altersschwacher Sicht.
Nur was entfernt ist, das blieb Ziel des Strebens,
Denn soviel ließ uns Gott allein an Licht.
"Noi veggiam, come quei c' ha mala luce,
le cose", disse, "che ne son lontano;
cotanto ancor ne splende il sommo duce.
105
Bei dem, was naht und nah ist, bleibt vergebens
Des Geist's Bemüh'n. Wenn's nicht von außen fließt,
Wird nichts uns kund vom Stand des Erdenlebens.
Quando s'appressano o son, tutto è vano
nostro intelletto; e s'altri non ci apporta,
nulla sapem di vostro stato umano.
108
So kommt der Tag, wie du dich dess' versiehst,
Da mit erstorb'nem Wissen wir versagen,
Da sich der Zukunft Pforte ewig schließt.«
Però comprender puoi che tutta morta
fia nostra conoscenza da quel punto
che del futuro fia chiusa la porta".
111
Ich aber fühlte mein Gewissen schlagen
Und sprach: »Gebt ihm, der dort zurücksank, kund,
Daß lebend noch sein Sohn, ihr müßt ihm sagen,
Allor, come di mia colpa compunto,
dissi: "Or direte dunque a quel caduto
che 'l suo nato è co' vivi ancor congiunto;
114
Warum auf seine Frage schwieg meim Mund.
Dem Grübeln über Zweifel war's entsprossen,
Die ihr gelöst. Erklärt ihm das als Grund!«
e s'i' fui, dianzi, a la risposta muto,
fate i saper che 'l fei perché pensava
già ne l'error che m'avete soluto".
117
Schon rief mein Meister mich, drum schnell entschlossen
Hab' ich den Geist gebeten: »Nenne mir
Die Art und Namen deiner Leidsgenossen.«
E già 'l maestro mio mi richiamava;
per ch'i' pregai lo spirto più avaccio
che mi dicesse chi con lu' istava.
120
Drauf sagt' er: »Mehr denn tausend liegen hier
Mit mir, zuerst nenn' ich Friedrich den Zweiten,
Und dann den Kardinal, sonst schweig ich dir.«
Dissemi: "Qui con più di mille giaccio:
qua dentro è 'l secondo Federico
e 'l Cardinale; e de li altri mi taccio".
123
Da barg er sich, doch ich im Weiterschreiten
Trat zu dem Dichter, innerlich erregt
Von Worten, die mich wie ein Feind begleiten.
Indi s'ascose; e io inver' l'antico
poeta volsi i passi, ripensando
a quel parlar che mi parea nemico.
126
So gingen wir denn fürbaß, und er frägt:
»Was ist dir, was macht deine Seele bebend?«
Worauf ich ihm gestand, was mich bewegt.
Elli si mosse; e poi, così andando,
mi disse: "Perché se' tu sì smarrito?".
E io li sodisfeci al suo dimando.
129
»Was gegen dich du hörtest, bleibe lebend
Dir im Gedächtnis,« seine Mahnung war,
»Doch höre,« fuhr er fort, den Finger hebend:
"La mente tua conservi quel ch'udito
hai contra te", mi comandò quel saggio;
"e ora attendi qui", e drizzò 'l dito:
132
»Sie, deren schönen Augen alles klar,
Wird bald im Strahlkranze zu dir treten,
Und deines Lebens Weg wird offenbar.«
"quando sarai dinanzi al dolce raggio
di quella il cui bell'occhio tutto vede,
da lei saprai di tua vita il vïaggio".
135
Die Mauer links verließen wir und drehten,
Zur Mitte, einen Pfad das Tal entlang,
Von wo auf uns die eklen Dünste wehten
Appresso mosse a man sinistra il piede:
lasciammo il muro e gimmo inver' lo mezzo
per un sentier ch'a una valle fiede,
138
Und rings die Lüfte füllten mit Gestank.
che 'nfin là sù facea spiacer suo lezzo.

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