003
Noch war nicht Nessus jenseits am Gestade,
Da schlichen, wir uns durch Gehöldenach vorne,
Wo nirgends auch die Spur von einem Pfade.
Non era ancor di là Nesso arrivato,
quando noi ci mettemmo per un bosco
che da neun sentiero era segnato.
006
Nicht glatte Äste, sondern kraus verworrne,
Mit grüner Zier nicht, sondern dunkelgrauer,
Nicht Früchte gab's hier, sondern giftige Dorne.
Non fronda verde, ma di color fosco;
non rami schietti, ma nodosi e 'nvolti;
non pomi v'eran, ma stecchi con tòsco.
009
So straubig rauh ist nicht des Dickiehts Schauer,
Wo Bestien hausen, die das Bauland fliehen,
Von Cecina bis zu Cornetos Mauer.
Non han sì aspri sterpi né sì folti
quelle fiere selvagge che 'n odio hanno
tra Cecina e Corneto i luoghi cólti.
012
Hier nisten die abscheulichen Harpyien,
Die, Trojas Volk von den Strophaden jagend,
Von künftigem Weh die Prophezeiung schrieen.
Quivi le brutte Arpie lor nidi fanno,
che cacciar de le Strofade i Troiani
con tristo annunzio di futuro danno.
015
Dem Kopf nach Menschen, mächtige Flügel schlagend,
Den Wanst befiedert, Krallen an den Zehen,
So hockt's auf diesen Bäumen, seltsam klagend.
Ali hanno late, e colli e visi umani,
piè con artigli, e pennuto 'l gran ventre;
fanno lamenti in su li alberi strani.
018
Der gute Meister! »Eh wir weitergehen«,
Begann er, »wisse, daß im zweiten Ringe
Du dich befindest und dich drin wirst drehen,
E 'l buon maestro "Prima che più entre,
sappi che se' nel secondo girone",
mi cominciò a dire, "e sarai mentre
021
Bis ich dich an das grause Sandmeer bringe.
Drum gib wohl acht, und du erlebst, was nimmer
Du glauben würdest, sagt ich solche Dinge.«
che tu verrai ne l'orribil sabbione.
Però riguarda ben; sì vederai
cose che torrien fede al mio sermone".
024
Von allen Seiten hört ich ein Gewimmer
Und ich, der niemand sah in dem Geflechte,
Blieb stehn und die Verwirrung wurde schlimmer.
Io sentia d'ogne parte trarre guai
e non vedea persona che 'l facesse;
per ch'io tutto smarrito m'arrestai.
027
Der Meister, denk ich, dachte, daß ich dächte,
Die vielen Stimmen kämen aus den Zweigen
Von einem sich versteckenden Geschlechte.
Cred'ïo ch'ei credette ch'io credesse
che tante voci uscisser, tra quei bronchi,
da gente che per noi si nascondesse.
030
»Wenn dir«, so unterbrach er drum das Schweigen,
»Von einem Baum ein Reis zu brechen glückte,
Dein Wähnen würde sich als irrig zeigen.«
Però disse 'l maestro: "Se tu tronchi
qualche fraschetta d'una d'este piante,
li pensier c' hai si faran tutti monchi".
033
Ich streckt die Hand ein wenig vor und pflückte
Von einem großen Dornbusch einen Sprossen;
Da schrie der Stamm: warum ich ihn zerstückte?
Allor porsi la mano un poco avante
e colsi un ramicel da un gran pruno;
e 'l tronco suo gridò: "Perché mi schiante?".
036
Dann, als er ganz von Blut war übergossen,
Schrie wieder er: »Warum mich so verschandelt?
Bist jedem Hauch von Mitleid du verschlossen?
Da che fatto fu poi di sangue bruno,
ricominciò a dir: "Perché mi scerpi?
non hai tu spirto di pietade alcuno?
039
Hier siehst du Menschen, in Gestrüpp verwandelt,
Doch wenn wir Seelen wären selbst von Nattern,
Zu schonungslos hätt deine Hand gehandelt.«
Uomini fummo, e or siam fatti sterpi:
ben dovrebb'esser la tua man più pia,
se state fossimo anime di serpi".
042
Und wie ein grünes Scheit beim Flammenknattern
Des obern Endes unten im Geschwitze
Zu zischen pflegt von Dünsten, die entflattern,
Come d'un stizzo verde ch'arso sia
da l'un de' capi, che da l'altro geme
e cigola per vento che va via,
045
Quoll Wort und Blut zugleich aus diesem Ritze.
Ich stutzte wie ein furchtergriffnes Wesen
Und mir entglitt die abgebrochne Spitze.
sì de la scheggia rotta usciva insieme
parole e sangue; ond'io lasciai la cima
cadere, e stetti come l'uom che teme.
048
»Wär dies zu glauben möglich ihm gewesen,
Gekränkter Geist,« hat mich Vergil entlastet,
»Was er doch nur in meinem Lied gelesen,
"S'elli avesse potuto creder prima",
rispuose 'l savio mio, "anima lesa,
ciò c' ha veduto pur con la mia rima,
051
Nie hätte seine Hand dich angetastet.
Doch weil's unglaublich, trieb ich allzu kühne
Zur Tat ihn, die nun auf mir selber lastet.
non averebbe in te la man distesa;
ma la cosa incredibile mi fece
indurlo ad ovra ch'a me stesso pesa.
054
Doch sag ihm, wer du warst, damit zur Sühne
In jener Welt, wohin nach diesem Gange
Er kehren darf, dein Ruf von neuem grüne.«
Ma dilli chi tu fosti, sì che 'n vece
d'alcun'ammenda tua fama rinfreschi
nel mondo sù, dove tornar li lece".
057
Da sprach der Strunk: »Du lockst mit solchem Zwange,
Daß ich nicht schweige; mög's euch nicht verdrießen,
Wenn ich im Reden etwas mich verfange!
E 'l tronco: "Sì col dolce dir m'adeschi,
ch'i' non posso tacere; e voi non gravi
perch'ïo un poco a ragionar m'inveschi.
060
Ich bin's, der beider Schlüssel durft genießen
Zum Herzen Friedrichs, und ich dreht und kehrte
So sanft sie, daß beim öffnen und Verschließen
Io son colui che tenni ambo le chiavi
del cor di Federigo, e che le volsi,
serrando e diserrando, sì soavi,
063
Ich Zutritt zum Geheimfach jedem wehrte,
So meine Treu dem hehren Amt verpfändend,
Daß sich mein Schlaf und Pulsschlag dran verzehrte.
che dal secreto suo quasi ogn'uom tolsi;
fede portai al glorïoso offizio,
tanto ch'i' ne perde' li sonni e ' polsi.
066
Die Metze, nie die Buhleraugen wendend
Vom Kaiserhaus, die Mördrin aller Herzen,
Als eignes Laster doch die Höfe schändend,
La meretrice che mai da l'ospizio
di Cesare non torse li occhi putti,
morte comune e de le corti vizio,
069
Begann zu schüren und mich anzuschwärzen,
Bis die Geschürten so den Kaiser schürten,
Daß heitre Ehre ward zu Schmach und Schmerzen,
infiammò contra me li animi tutti;
e li 'nfiammati infiammar sì Augusto,
che ' lieti onor tornaro in tristi lutti.
072
Worauf die Sinne, die vom Groll verführten,
Im Wahn, den Groll im Tode zu betören,
Zum Schuldigen mich an mir Unschuldigem kürten.
L'animo mio, per disdegnoso gusto,
credendo col morir fuggir disdegno,
ingiusto fece me contra me giusto.
075
Bei meinen jungen Wurzeln will ich schwören,
Daß nie ich sucht, entgegen meinem Eide,
Dem ehrenwerten Herrn die Treu zu stören.
Per le nove radici d'esto legno
vi giuro che già mai non ruppi fede
al mio segnor, che fu d'onor sì degno.
078
Und kehrt zur Welt ihr, einer oder beide,
So wollt doch meinen Nachruhm wieder heben,
Der noch daniederliegt, gestreckt vom Neide.«
E se di voi alcun nel mondo riede,
conforti la memoria mia, che giace
ancor del colpo che 'nvidia le diede".
081
Er stockte. »Soll er weitre Auskunft geben«,
Sprach dann zu mir der Dichter, »sprich und frage,
Da er jetzt schweigt; laß nicht die Zeit entschweben!«
Un poco attese, e poi "Da ch'el si tace",
disse 'l poeta a me, "non perder l'ora;
ma parla, e chiedi a lui, se più ti piace".
084
Doch ich: »Bitt du ihn lieber, daß er sage,
Was, wie du glaubst, ich gerne möcht vernehmen;
Mich packt das Mitleid so, daß ich's nicht wage.«
Ond'ïo a lui: "Domandal tu ancora
di quel che credi ch'a me satisfaccia;
ch'i' non potrei, tanta pietà m'accora".
087
Drum hob er wieder an: »Gefangner Schemen,
Soll man nach Wunsch dir tun aus freien Stücken,
Mußt du noch eins zu sagen dich bequemen:
Perciò ricominciò: "Se l'om ti faccia
liberamente ciò che 'l tuo dir priega,
spirito incarcerato, ancor ti piaccia
090
Wie sich die Seelen in die Knubben drücken.
Und sag uns, wenn du kannst, ob's mag geschehen,
Daß sie sich solchen Gliedern je entrücken.«
di dirne come l'anima si lega
in questi nocchi; e dinne, se tu puoi,
s'alcuna mai di tai membra si spiega".
093
Da schnob der Stamm gewaltig und dies Wehen
Ward drauf zur Stimme und gab solche Kunde:
»Mit kurzen Worten will ich Rede stehen.
Allor soffiò il tronco forte, e poi
si convertì quel vento in cotal voce:
"Brievemente sarà risposto a voi.
096
Trennt eine Seele sich vom Leibesbunde,
Den selber sie zerhieb in blindem Zorne,
So weist sie Minos ab zum siebten Schlunde.
Quando si parte l'anima feroce
dal corpo ond'ella stessa s'è disvelta,
Minòs la manda a la settima foce.
099
Sie purzelt blindlings in die Hagedorne,
Dem wahllos schleudernden Geschick zum Spiele;
Hier keimt sie auf gleich einem Dinkelkorne.
Cade in la selva, e non l'è parte scelta;
ma là dove fortuna la balestra,
quivi germoglia come gran di spelta.
102
Sie wächst, den Sproß, das Waldgesträuch zum Ziele,
Und die Harpyien, die ihr Laub verzehren,
Bereiten Qual und auch der Qual Ventile.
Surge in vermena e in pianta silvestra:
l'Arpie, pascendo poi de le sue foglie,
fanno dolore, e al dolor fenestra.
105
Wie alle einmal zu den Hüllen kehren,
So wir; doch nicht, uns damit zu bekleiden,
Denn was der Mensch sich raubt, soll er entbehren.
Come l'altre verrem per nostre spoglie,
ma non però ch'alcuna sen rivesta,
ché non è giusto aver ciò ch'om si toglie.
108
Wir schleifen sie hierher zum Wald der Leiden
Und jeder Leib wird an dem Dornbusch bangen,
Aus dem die lästige Seele nicht kann scheiden.«
Qui le strascineremo, e per la mesta
selva saranno i nostri corpi appesi,
ciascuno al prun de l'ombra sua molesta".
111
Noch blieben wir beim Stamme, voll Verlangen,
Er sei gewillt, noch Reden auszutauschen,
Da stutzten wir, weil Laute zu uns drangen,
Noi eravamo ancora al tronco attesi,
credendo ch'altro ne volesse dire,
quando noi fummo d'un romor sorpresi,
114
Wie Jäger auf dem Anstand sie belauschen,
Wenn eine Hatz naht, die den Keiler zwackte,
Und von der Meute Sturm die Zweige rauschen.
similemente a colui che venire
sente 'l porco e la caccia a la sua posta,
ch'ode le bestie, e le frasche stormire.
117
Und sieh! Es flohn von links heran zwei Nackte,
Zerkrallt, sich überstürzend im Vereine,
Daß jeder Strunk im weiten Wald zerknackte.
Ed ecco due da la sinistra costa,
nudi e graffiati, fuggendo sì forte,
che de la selva rompieno ogne rosta.
120
»Herbei nun, Tod, herbei!« rief vorn der eine;
Der andre, der gern schneller wär gesprungen,
Schrie: »Lano, so behend hast du die Beine
Quel dinanzi: "Or accorri, accorri, morte!".
E l'altro, cui pareva tardar troppo,
gridava: "Lano, sì non furo accorte
123
Bei Toppo im Turniere nicht geschwungen!«
Dann, außer Atem, hat er mit den Zacken
Von einem Busch zum Knäuel sich verschlungen.
le gambe tue a le giostre dal Toppo!".
E poi che forse li fallia la lena,
di sé e d'un cespuglio fece un groppo.
126
Die Waldung wimmelt' hinter ihren Nacken
Von schwarzen Doggen, die begierig hetzten,
Wie von der Koppel losgerißne Bracken.
Di rietro a loro era la selva piena
di nere cagne, bramose e correnti
come veltri ch'uscisser di catena.
129
In den Geduckten schlugen die Gewetzten
Die Hauer, die ihn Stück für Stück zerbissen,
Und trugen weg die Glieder, die zerfetzten.
In quel che s'appiattò miser li denti,
e quel dilaceraro a brano a brano;
poi sen portar quelle membra dolenti.
132
Mein Führer nahm mich bei der Hand, beflissen,
Mit mir sich zu dem Strauche zu begeben,
Der fruchtlos weinte aus den blutigen Rissen:
Presemi allor la mia scorta per mano,
e menommi al cespuglio che piangea
per le rotture sanguinenti in vano.
135
»Jakob von Saut Andrea, war dein Streben,
Ich sollt dein Schirm sein, dir nun zum Gewinne?
Was bin ich schuld an deinem Lotterleben?«
"O Iacopo", dicea, "da Santo Andrea,
che t'è giovato di me fare schermo?
che colpa ho io de la tua vita rea?".
138
Der Meister hielt nun über diesem inne
Und sprach: »Wer warst du, dem aus so viel Wunden
Die Klagen seufzen und das Blutgerinne?«
Quando 'l maestro fu sovr'esso fermo,
disse: "Chi fosti, che per tante punte
soffi con sangue doloroso sermo?".
141
Und er: »O Seelen, die euch hergefunden,
Die schmähliche Zerfleischung zu erleben,
Die mir das Laub gerupft mit so viel Schrunden,
Ed elli a noi: "O anime che giunte
siete a veder lo strazio disonesto
c' ha le mie fronde sì da me disgiunte,
144
Ich bitt, zu meinem Fuß es aufzuheben.
Mich trug die Stadt, die einst für den Baptisten
Den ersten Schutzpatron dahingegeben.
raccoglietele al piè del tristo cesto.
I' fui de la città che nel Batista
mutò 'l primo padrone; ond'ei per questo
147
Drum quält sie dieser stets mit seinen Listen
Und, dürft noch immer an der Arnobrücke
Von ihm nicht eine Spur ihr Dasein fristen,
sempre con l'arte sua la farà trista;
e se non fosse che 'n sul passo d'Arno
rimane ancor di lui alcuna vista,
150
Den Bürgern, die die Stadt zu neuem Glücke
Einst gründeten auf Attilas Ruinen,
Hätt alle Müh vereitelt seine Tücke.
que' cittadin che poi la rifondarno
sovra 'l cener che d'Attila rimase,
avrebber fatto lavorare indarno.
153
Das eigne Haus mußt mir zum Galgen dienen.«
Io fei gibetto a me de le mie case".

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