003
Zu schauen war vor mir mit offnen Flügeln
Das schöne Bild, das selig macht' im süßen
Genusse die darin vereinten Seelen:
Parea dinanzi a me con l'ali aperte
la bella image che nel dolce frui
liete facevan l'anime conserte;
006
Und jegliche schien ein Rubin, worinnen
Der Sonne Strahl so hellentzündet glühte,
Daß er zurückespräng' in meine Augen:
parea ciascuna rubinetto in cui
raggio di sole ardesse sì acceso,
che ne' miei occhi rifrangesse lui.
009
Doch das, was ich darstellen soll nunmehro,
Hat Stimme nie erzählt, noch schrieb es Dinte,
Noch ward es je von Phantasie begriffen.
E quel che mi convien ritrar testeso,
non portò voce mai, né scrisse incostro,
né fu per fantasia già mai compreso;
012
Ich sah' und hörte sprechen auch den Schnabel:
Und in den Worten »ich« und »mein« ertönen,
Wenn »Wir« und »Unser« im Inhalt gemeint war.
ch'io vidi e anche udi' parlar lo rostro,
e sonar ne la voce e «io» e «mio»,
quand' era nel concetto e 'noi' e 'nostro'.
015
Und er begann: »Weil ich gerecht und fromm war,
Bin ich erhöhet hier in diese Glorie,
Die sich nicht überfliegen läßt von Wunsche:
E cominciò: «Per esser giusto e pio
son io qui essaltato a quella gloria
che non si lascia vincere a disio;
018
Und ließ auf Erden solch' Gedächtniß meiner,
Daß dort die Bösgearteten es loben,
Es loben, doch nicht folgen dem Erzählten.« -
e in terra lasciai la mia memoria
sì fatta, che le genti lì malvage
commendan lei, ma non seguon la storia».
021
So läßt sich eine Gluth von vielen Kohlen
Empfinden, wie von vielen Liebesgeistern
Ein einz'ger Ton da vorging aus dem Bilde:
Così un sol calor di molte brage
si fa sentir, come di molti amori
usciva solo un suon di quella image.
024
Weshalb ich fortfuhr: »O lebend'ge Blüthen
Der ew'gen Wonne, die ihr all' auf einmal
Mich alle eure Düfte athmen lasset:
Ond' io appresso: «O perpetüi fiori
de l'etterna letizia, che pur uno
parer mi fate tutti vostri odori,
027
Erlöset hauchend mich vom großen Darben,
Das lange mich im Hunger festgebannet,
Da ich dafür nicht Speise fand auf Erden.
solvetemi, spirando, il gran digiuno
che lungamente m'ha tenuto in fame,
non trovandoli in terra cibo alcuno.
030
Wohl weiß ich, da im Himmel andre Reiche
Gottes Gerechtigkeit sich macht zum Spiegel,
Sie auch dem euren nicht durch Schleier kund wird.
Ben so io che, se 'n cielo altro reame
la divina giustizia fa suo specchio,
che 'l vostro non l'apprende con velame.
033
Ihr wißt, wie andachtvoll ich mich bereite,
Zu hören, wißt auch, welches ist der Zweifel,
Der ungestillt mir ist, und doch so alt schon!« -
Sapete come attento io m'apparecchio
ad ascoltar; sapete qual è quello
dubbio che m'è digiun cotanto vecchio».
036
Gleichwie ein Falke, der, entschlüpft der Kappe,
Das Haupt bewegt und sich mit Flügeln klatschet,
Begierde zeigend und sich selbst verschönend:
Quasi falcone ch'esce del cappello,
move la testa e con l'ali si plaude,
voglia mostrando e faccendosi bello,
039
Sah' ich das Zeichen werden, das von Preisung
Göttlicher Gnade ganz und gar gewebt war,
Mit Sängen, die nur kennt, wer droben froh ist.
vid' io farsi quel segno, che di laude
de la divina grazia era contesto,
con canti quai si sa chi là sù gaude.
042
Dann hub er an: »Der, welcher den Magnet kehrt
Zum End' der Welt, und in ihr unterschieden
So viel Verborgenes und Offenbares:
Poi cominciò: «Colui che volse il sesto
a lo stremo del mondo, e dentro ad esso
distinse tanto occulto e manifesto,
045
Nicht konnt' Er so ausprägen seine Güte
Im ganzen All, daß nicht sein Wort darüber
Noch blieb' in endeloser Ueberragung:
non poté suo valor sì fare impresso
in tutto l'universo, che 'l suo verbo
non rimanesse in infinito eccesso.
048
Und dies erweist sich, da der erste Stolze,
Der Gipfel war von den Geschöpfen allen,
Da er des Lichts nicht harrte, herb herabfiel.
E ciò fa certo che 'l primo superbo,
che fu la somma d'ogne creatura,
per non aspettar lume, cadde acerbo;
051
Und draus ersieht man: jegliche gering're
Natur sei ein zu klein Gefäß dem Gute,
Das endlos ist, und sich an sich nur misset.
e quinci appar ch'ogne minor natura
è corto recettacolo a quel bene
che non ha fine e sé con sé misura.
054
Darum kann unser Schauen, welches einer
Der Strahlen sein muß jenes ew'gen Geistes,
Von dem erfüllet werden alle Dinge,
Dunque vostra veduta, che convene
esser alcun de' raggi de la mente
di che tutte le cose son ripiene,
057
Niemals aus eigener Natur so stark sein,
Daß es sein Ursprung nicht sehr weit entfernet
Von dem erscheinen sähe, was er selbst ist.
non pò da sua natura esser possente
tanto, che suo principio non discerna
molto di là da quel che l'è parvente.
060
In die Gerechtigkeit, die ew'ge, dringet
Das Schauen drum, das eurer Welt verliehn ist,
So tief nur ein, wie euer Aug' in's Meer dringt,
Però ne la giustizia sempiterna
la vista che riceve il vostro mondo,
com' occhio per lo mare, entro s'interna;
063
Das, ob es zwar am Rande noch den Grund schaut,
Im hohen Meer ihn nicht erkennt, und dennoch
Ist er vorhanden; nur sein Tiefsein birgt ihn.
che, ben che da la proda veggia il fondo,
in pelago nol vede; e nondimeno
èli, ma cela lui l'esser profondo.
066
Licht giebt es nicht, kommt's nicht von jener Klarheit,
Die nie sich trübt, doch Dunkelheit davor ist
Des Fleisches Schatten oder dessen Gift auch.
Lume non è, se non vien dal sereno
che non si turba mai; anzi è tenèbra
od ombra de la carne o suo veleno.
069
Weit offen schau nun das Versteck, das früher
Dir die Gerechtigkeit barg, die lebend'ge,
Wonach du so vielfält'ge Fragen thatest,
Assai t'è mo aperta la latebra
che t'ascondeva la giustizia viva,
di che facei question cotanto crebra;
072
So daß du sprachst: Es wird ein Mensch geboren
Am Indusstrand, und dorten ist ja keiner,
Der spräch' von Christus, noch der läs' noch schriebe:
ché tu dicevi: "Un uom nasce a la riva
de l'Indo, e quivi non è chi ragioni
di Cristo né chi legga né chi scriva;
075
Und alle seine Wünsch' und seine Thaten
Sind gut, so weit die menschliche Vernunft sieht,
Und ohne Sünd' im Leben wie im Reden:
e tutti suoi voleri e atti buoni
sono, quanto ragione umana vede,
sanza peccato in vita o in sermoni.
078
Und stirbt doch ungetauft und ohne Glauben!
Wo ist das Recht dann, welches ihn verdammet?
Wo seine Sündenschuld, wenn er nicht glaubet?
Muore non battezzato e sanza fede:
ov' è questa giustizia che 'l condanna?
ov' è la colpa sua, se ei non crede?".
081
Jetzt wer bist du, der auf dem Stuhl will sitzen,
Um zu entscheiden über tausend Meilen,
Mit seiner kurzen Schau von einer Spanne.
Or tu chi se', che vuo' sedere a scranna,
per giudicar di lungi mille miglia
con la veduta corta d'una spanna?
084
Wahrlich es würde, wer mit dir so fortschlöss',
Wenn über euch die heil'ge Schrift nicht wäre,
Erstaunenswürdig viel zu zweifeln haben.
Certo a colui che meco s'assottiglia,
se la Scrittura sovra voi non fosse,
da dubitar sarebbe a maraviglia.
087
O ird'sche Wesen ihr, o blöde Geister,
Der erste Wille, der gut in sich selbst ist,
Von sich, dem höchsten Heile, wich er niemals.
Oh terreni animali! oh menti grosse!
La prima volontà, ch'è da sé buona,
da sé, ch'è sommo ben, mai non si mosse.
090
Es ist gerecht soviel, als mit ihm stimmet:
Ihn ziehet nimmer ein erschaffnes Gut an,
Nein Er, erstrahlend, giebt ihm das Entstehen.« -
Cotanto è giusto quanto a lei consuona:
nullo creato bene a sé la tira,
ma essa, radïando, lui cagiona».
093
Wie über ihrem Nest im Kreise schwebet
Die Störchin, wenn die Jungen sie gespeiset,
Und wie das, welches satt ist, sie betrachtet:
Quale sovresso il nido si rigira
poi c'ha pasciuti la cicogna i figli,
e come quel ch'è pasto la rimira;
096
So that allda . . . und so hub ich die Augen . . .
Das benedeite Bild, das seine Flügel
Bewegete, geregt von so viel Räthen.
cotal si fece, e sì leväi i cigli,
la benedetta imagine, che l'ali
movea sospinte da tanti consigli.
099
Und kreisend sang's und sprach: »Wie meine Weisen
Dir also sind, daß du sie nicht verstehest:
So ist euch Sterblichen der ew'ge Rathschluß.« -
Roteando cantava, e dicea: «Quali
son le mie note a te, che non le 'ntendi,
tal è il giudicio etterno a voi mortali».
102
Hierauf beharrten diese lichten Brände
Des heil'gen Geistes immer noch im Zeichen,
Das in der Welt geehrt die Römer machte.
Poi si quetaro quei lucenti incendi
de lo Spirito Santo ancor nel segno
che fé i Romani al mondo reverendi,
105
Auf's Neue hub es an: »Zu diesem Reiche
Stieg Keiner je, der nicht geglaubt an Christus
So eh', wie seit man ihn an's Holz genagelt;
esso ricominciò: «A questo regno
non salì mai chi non credette 'n Cristo,
né pria né poi ch'el si chiavasse al legno.
108
Doch siehe, Viele rufen Christus, Christus,
Die beim Gericht ihm einst viel ferner stehen,
Als einer, welcher nichts gewußt von Christus:
Ma vedi: molti gridan "Cristo, Cristo!",
che saranno in giudicio assai men prope
a lui, che tal che non conosce Cristo;
111
Dergleichen Christen wird der Aethiope
Verdammen, wenn sich die zwei Schulen trennen,
Die eine ewig reich, die andre dürftig.
e tai Cristian dannerà l'Etïòpe,
quando si partiranno i due collegi,
l'uno in etterno ricco e l'altro inòpe.
114
Was werden dann die Perser sagen können
Zu euren Kön'gen, schaun das Buch sie offen,
Worein man schreibet alle ihre Flüche.
Che poran dir li Perse a' vostri regi,
come vedranno quel volume aperto
nel qual si scrivon tutti suoi dispregi?
117
Dort wird man schauen unter Albrecht's Thaten
Die, welche rasch bewegen wird die Feder,
Weil sie das Reich von Prag zur Wüste machet:
Lì si vedrà, tra l'opere d'Alberto,
quella che tosto moverà la penna,
per che 'l regno di Praga fia diserto.
120
Dort wird man schaun die Weheklagen, welche
Dem Strand der Seine bringt, die Münze fälschend
Der, welcher stirbt vom Stoß des borst'gen Felles.
Lì si vedrà il duol che sovra Senna
induce, falseggiando la moneta,
quel che morrà di colpo di cotenna.
123
Dort wird man schaun den Stolz, der Habsucht reget;
Der thöricht macht den Schotten und den Britten,
Daß ihnen nicht wohl ist in ihrer Hälfte.
Lì si vedrà la superbia ch'asseta,
che fa lo Scotto e l'Inghilese folle,
sì che non può soffrir dentro a sua meta.
126
Schaun auch die Ueppigkeit, das weiche Leben
Von dem in Spanien und dem in Böhmen,
Der Tugend nie gekannt und nie ersehnt hat:
Vedrassi la lussuria e 'l viver molle
di quel di Spagna e di quel di Boemme,
che mai valor non conobbe né volle.
129
Schaun bei dem Lahmen von Jerusalem
Mit einem I vermerkt die guten Thaten,
Die gegentheiligen mit einem M.
Vedrassi al Ciotto di Ierusalemme
segnata con un i la sua bontate,
quando 'l contrario segnerà un emme.
132
Schaun wird man auch die Habsucht und die Feigheit
Von dem, der seiner Feuerinsel wahret,
Allwo Anchises schloß sein langes Leben.
Vedrassi l'avarizia e la viltate
di quei che guarda l'isola del foco,
ove Anchise finì la lunga etate;
135
Und anzuzeigen, wie gering er, wird man
Mit Abbreviaturen von ihm schreiben,
Die viel in kleinem Raum vermerken werden.
e a dare ad intender quanto è poco,
la sua scrittura fian lettere mozze,
che noteranno molto in parvo loco.
138
Dann zeigt jedwede sich der schmuz'gen Thaten
Des Oheims und des Bruders, die so edle
Abstammung schändeten und zween der Kronen.
E parranno a ciascun l'opere sozze
del barba e del fratel, che tanto egregia
nazione e due corone han fatte bozze.
141
Auch den von Portugal und den Norweger
Wird man erkennen dort, und den von Rascia,
Der so versudelt hat Venedig's Stempel.
E quel di Portogallo e di Norvegia
lì si conosceranno, e quel di Rascia
che male ha visto il conio di Vinegia.
144
O glücklich Ungerland, ließ es sich nimmer
Mißhandeln, und glückseliges Navarra,
Schirmt' es sich mit dem Berg, der es umgürtet!
Oh beata Ungheria, se non si lascia
più malmenare! e beata Navarra,
se s'armasse del monte che la fascia!
147
Und Jeder glaube, daß als Angeld dessen
Schon Nicosia, Famagosta klagen,
Und aufgeregt sind, ihres Thieres halben,
E creder de' ciascun che già, per arra
di questo, Niccosïa e Famagosta
per la lor bestia si lamenti e garra,
150
Das nie den andern von der Seite weichet.«
che dal fianco de l'altre non si scosta».

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