003
Als ich das Innre jenes Tors betrat,
Das falsche Liebe außer Brauch läßt kommen,
Weil sie gerad läßt scheinen krummen Pfad,
Poi fummo dentro al soglio de la porta
che 'l mal amor de l'anime disusa,
perché fa parer dritta la via torta,
006
Hatt' ich, wie es sich schloß, am Ton vernommen;
Und hätt' ich da zurückgeschaut zum Tor,
Was könnte je mich zu entschuld'gen frommen?
sonando la senti' esser richiusa;
e s'io avesse li occhi vòlti ad essa,
qual fora stata al fallo degna scusa?
009
Wir stiegen durch gespaltnen Stein empor,
Der hin und wider ging wie eine Welle,
Die bald entflieht, bald dringt sie wieder vor.
Noi salavam per una pietra fessa,
che si moveva e d'una e d'altra parte,
sì come l'onda che fugge e s'appressa.
012
»Man braucht ein wenig Kunst an dieser Stelle
(Begann der Führer), um sich hin und her
Zu schmiegen an den weichenden der Wälle«
"Qui si conviene usare un poco d'arte",
cominciò 'l duca mio, "in accostarsi
or quinci, or quindi al lato che si parte".
015
Und dieses hemmte unsren Schritt so sehr,
Daß schon der Halbmond, Ruhe zu genießen,
Sein Lager wieder hatt' erreicht im Meer,
E questo fece i nostri passi scarsi,
tanto che pria lo scemo de la luna
rigiunse al letto suo per ricorcarsi,
018
Eh' wir dies enge Nadelöhr verließen.
Wir standen droben, offen jetzt und frei,
Wo sich des Bergs Felswände wieder schließen,
che noi fossimo fuor di quella cruna;
ma quando fummo liberi e aperti
sù dove il monte in dietro si rauna,
021
Ermüdet ich und zweifelnd alle zwei
Ob unsres Wegs. Der Grund war flach und eben,
Einsamer als die tiefste Wüstenei.
ïo stancato e amendue incerti
di nostra via, restammo in su un piano
solingo più che strade per diserti.
024
Von seinem Rand, wo ihn die Lüft' umgeben,
Mißt er drei Manneslängen bis zum Hang
Des Bergs, der fortfährt, in die Höh' zu streben.
Da la sua sponda, ove confina il vano,
al piè de l'alta ripa che pur sale,
misurrebbe in tre volte un corpo umano;
027
So weit mein Auge seine Flügel schwang
Nach rechts und links, so weit nach beiden Seiten
Lief dergestalt dies Sims den Berg entlang.
e quanto l'occhio mio potea trar d'ale,
or dal sinistro e or dal destro fianco,
questa cornice mi parea cotale.
030
Wir hoben noch die Füße nicht zum Schreiten,
Als ich ringsum die ganze Bergeswand,
Die jedem Aufstieg schien zu widerstreiten,
Là sù non eran mossi i piè nostri anco,
quand'io conobbi quella ripa intorno
che dritto di salita aveva manco,
033
Von weißem Marmor und so prangend fand
Von schönem Bildwerk, daß sie Polykleten,
Ja der Natur den Siegespreis entwand.
esser di marmo candido e addorno
d'intagli sì, che non pur Policleto,
ma la natura lì avrebbe scorno.
036
Der Engel, der zur Welt mit den Dekreten
Des wieder aufgeschloßnen Himmels kam,
Mit jenem Friedensschluß, dem langerflehten,
L'angel che venne in terra col decreto
de la molt'anni lagrimata pace,
ch'aperse il ciel del suo lungo divieto,
039
Erschien uns so wahrhaftig wundersam
Im Marmor, mit so lieblicher Gebärde,
Daß keiner für ein stummes Bild ihn nahm.
dinanzi a noi pareva sì verace
quivi intagliato in un atto soave,
che non sembiava imagine che tace.
042
Man schwor, daß gleich er Ave sagen werde;
Denn abgebildet war auch jene, die
Das Tor zur höchsten Lieb' aufschloß der Erde.
Giurato si saria ch'el dicesse 'Ave!';
perché iv'era imaginata quella
ch'ad aprir l'alto amor volse la chiave;
045
Und wer das Bildnis ansah, hörte sie
Ecce ancilla dei deutlich sagen:
Deutlicher war im Wachs das Siegel nie.
e avea in atto impressa esta favella
'Ecce ancilla Deï', propriamente
come figura in cera si suggella.
048
»Du mußt nicht bloß nach einem Orte fragen«
Sprach sanft der Meister, der zu jener Hand
Mich stehn ließ, wo man fühlt des Herzens Schlagen.
"Non tener pur ad un loco la mente",
disse 'l dolce maestro, che m'avea
da quella parte onde 'l cuore ha la gente.
051
So wandt' ich meine Augen denn und fand
Im Rücken der Maria nach der Seite,
Woselbst der Lenker meiner Schritte stand,
Per ch'i' mi mossi col viso, e vedea
di retro da Maria, da quella costa
onde m'era colui che mi movea,
054
Ein Bild, das andre Ding' abkonterfeite.
Vorüber an Virgil trat ich hinan,
Damit es sich vor meinen Augen breite.
un'altra storia ne la roccia imposta;
per ch'io varcai Virgilio, e fe' mi presso,
acciò che fosse a li occhi miei disposta.
057
Im selben Marmor sah ich das Gespann
Der Rinder die geweihte Lade bringen,
Die weg vom Amt schreckt unberufnen Mann.
Era intagliato lì nel marmo stesso
lo carro e ' buoi, traendo l'arca santa,
per che si teme officio non commesso.
060
Vor ihr einher in sieben Chören gingen
Die Völker, daß zwei meiner Sinn' entzweit
Der eine nein sprach, einer ja, sie singen.
Dinanzi parea gente; e tutta quanta,
partita in sette cori, a' due mie' sensi
faceva dir l'un 'No', l'altro 'Sì, canta'.
063
Desgleichen auch des Dampfs Natürlichkeit,
Der auf dem Bild umgab die Weihrauchschwinger,
Erweckte zwischen Aug' und Nase Streit.
Similemente al fummo de li 'ncensi
che v'era imaginato, li occhi e 'l naso
e al sì e al no discordi fensi.
066
Der heil'gen Truhe schritt der Psalmensinger
Demütig vor und sprang und trug zur Schau,
Daß mehr er sei denn König und geringer.
Lì precedeva al benedetto vaso,
trescando alzato, l'umile salmista,
e più e men che re era in quel caso.
069
Und drüber stand im hohen Königsbau
Am Fenster Michal, zuzuschaun dem Tanze,
Wie eine stolze und betrübte Frau.
Di contra, effigïata ad una vista
d'un gran palazzo, Micòl ammirava
sì come donna dispettosa e trista.
072
Ich trat beiseit, als ich gesehn das Ganze,
Und an ein andres Bild ging ich heran,
Das hinter Michal stand in weißem Glanze.
I' mossi i piè del loco dov'io stava,
per avvisar da presso un'altra istoria,
che di dietro a Micòl mi biancheggiava.
075
Es zeigt' in Marmor Roms erhabnen Mann,
Um dessenthalb, damit er selig werde,
Gregor den wunderbaren Sieg gewann;
Quiv'era storïata l'alta gloria
del roman principato, il cui valore
mosse Gregorio a la sua gran vittoria;
078
Ich rede von Trajan, dem Herrn der Erde.
Und eine Witwe, der man wohl das Flehn
Und Trauern ansah, stand vor seinem Pferde,
i' dico di Traiano imperadore;
e una vedovella li era al freno,
di lagrime atteggiata e di dolore.
081
Und rings um ihn war dichtgedrängt zu sehn
Reisiger Troß, und über diesem Schwarme
Sah man in goldnem Feld die Adler wehn.
Intorno a lui parea calcato e pieno
di cavalieri, e l'aguglie ne l'oro
sovr'essi in vista al vento si movieno.
084
Inmitten aller dieser schien die Arme
Zu sprechen: »Herr, gewähre Rache mir!
Mein Sohn ist tot, und ich vergeh' im Harme.«
La miserella intra tutti costoro
pareva dir: "Segnor, fammi vendetta
di mio figliuol ch'è morto, ond'io m'accoro";
087
Er schien zu sagen; »Warte, bis ich hier Zurückgekehrt.«
Und jene: »Herr« - wie einer,
Der Eile hat vor schmerzlicher Begier -,
ed elli a lei rispondere: "Or aspetta
tanto ch'i' torni"; e quella: "Segnor mio",
come persona in cui dolor s'affretta,
090
»Wenn du nun stirbst?« Und er: »So tut's statt meiner
Der nach mir.« Sie: »Mag seine Pflicht er tun,
Was nützt es dir, wenn du vergissest deiner?«
"se tu non torni?"; ed ei: "Chi fia dov'io,
la ti farà"; ed ella: "L'altrui bene
a te che fia, se 'l tuo metti in oblio?";
093
Und er: »Sei gutes Muts, ich will nicht ruhn,
Bis ich die Schuld gelöst, noch früher gehen.
Das Recht gebeut's, und Mitleid hält mich nun.«
ond'elli: "Or ti conforta; ch'ei convene
ch'i' solva il mio dovere anzi ch'i' mova:
giustizia vuole e pietà mi ritene".
096
Er, dessen Augen Neues niemals sehen,
Hat sichtbar Reden so hervorgebracht,
Uns neu, denn nie ist es bei uns geschehen.
Colui che mai non vide cosa nova
produsse esto visibile parlare,
novello a noi perché qui non si trova.
099
Indes ich stand, zu schauen nur bedacht
Auf Bilder so demüt'ger Trefflichkeiten,
Die schon des Künstlers Nam' uns teuer macht,
Mentr'io mi dilettava di guardare
l'imagini di tante umilitadi,
e per lo fabbro loro a veder care,
102
Sprach flüsternd der Poet: »Dort langsam schreiten
Von drüben seh' ich eine große Schar,
Die wird uns zu den höhern Stufen leiten.«
"Ecco di qua, ma fanno i passi radi",
mormorava il poeta, "molte genti:
questi ne 'nvïeranno a li alti gradi".
105
Daher mein Auge, welches ganz und gar
Auf Anblick neuer Wunder war gerichtet,
Zu ihm sich umzuschaun nicht säumig war.
Li occhi miei, ch'a mirare eran contenti
per veder novitadi ond'e' son vaghi,
volgendosi ver' lui non furon lenti.
108
Nun rat' ich, Leser, dat ihr nicht verzichtet
Auf guten Vorsatz, wenn ihr hört und wißt,
Wie Gott verlangt, daß man die Schuld entrichtet;
Non vo' però, lettor, che tu ti smaghi
di buon proponimento per udire
come Dio vuol che 'l debito si paghi.
111
Fragt nicht, von welcher Art die Marter ist;
Ans Ende denkt: bedenkt, dem schlimmsten Wehe
Setzt künftig der Gerichtstag Ziel und Frist.
Non attender la forma del martìre:
pensa la succession; pensa ch'al peggio
oltre la gran sentenza non può ire.
114
Ich sagte: »Meister, was ich kommen sehe,
Menschliche Wesen scheinen sie mir nicht,
Obwohl ich, was es sein mag, nicht verstehe.«
Io cominciai: "Maestro, quel ch'io veggio
muovere a noi, non mi sembian persone,
e non so che, sì nel veder vaneggio".
117
Und er: »Zu Boden krümmt sie das Gewicht
Der Folter, und auch ich ward anfangs irre,
So daß zu kämpfen hatte mein Gesicht.
Ed elli a me: "La grave condizione
di lor tormento a terra li rannicchia,
sì che ' miei occhi pria n'ebber tencione.
120
Blick fest dahin und mit dem Aug' entwirre,
Was herkömmt unter jener Felsenlast!
Schon siehst du, wie sie keuchen im Geschirre.«
Ma guarda fiso là, e disviticchia
col viso quel che vien sotto a quei sassi:
già scorger puoi come ciascun si picchia".
123
O stolze Christen, elend, sonder Rast,
Von Finsternis des Geistes Aug' umgeben,
Die auf den falschen Weg ihr euch verlaßt,
O superbi cristian, miseri lassi,
che, de la vista de la mente infermi,
fidanza avete ne' retrosi passi,
126
Merkt doch, daß wir nur Würmer sind, nur leben,
Damit der Himmelsschmetterling ersteht,
Um zur Gerechtigkeit schirmlos zu schweben.
non v'accorgete voi che noi siam vermi
nati a formar l'angelica farfalla,
che vola a la giustizia sanza schermi?
129
Was ist's, darob sich eure Seele bläht?
Seid ihr doch wie unfertige Insekten,
Ja wie ein Wurm, des Bildung nicht gerät! -
Di che l'animo vostro in alto galla,
poi siete quasi antomata in difetto,
sì come vermo in cui formazion falla?
132
Wie ihr als Träger wohl am vorgestreckten
Dach und am Deckenbau Figuren saht,
Die bis zur Brust empor die Kniee reckten,
Come per sostentar solaio o tetto,
per mensola talvolta una figura
si vede giugner le ginocchia al petto,
135
Was wohl dem Auge wahrhaft wehe tat
Und war doch keine Wahrheit, - so erschienen
Mir jene, nun sie meinem Blick genaht.
la qual fa del non ver vera rancura
nascere 'n chi la vede; così fatti
vid'io color, quando puosi ben cura.
138
Verschieden war die Krümmung unter ihnen,
Je nach der Last, die leicht war oder schwer,
Und der Geduldigste schien in den Mienen
Vero è che più e meno eran contratti
secondo ch'avien più e meno a dosso;
e qual più pazïenza avea ne li atti,
141
Dennoch zu klagen: ach, ich kann nicht mehr.
piangendo parea dicer: 'Più non posso'.

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