003
Die Stunde wehrte jetzt des Steigens Zögern,
Da schon den Mittagskreis dem Stier die Sonne,
Die Nacht dem Skorpion hat überlassen.
Ora era onde 'l salir non volea storpio;
ché 'l sole avëa il cerchio di merigge
lasciato al Tauro e la notte a lo Scorpio:
006
Drum, wie ein Mensch thut, der sich nirgends aufhält
Und seinen Weg geht, was sich ihm auch zeige,
Wenn ihn Nothwendigkeit zur Eile treibt:
per che, come fa l'uom che non s'affigge
ma vassi a la via sua, che che li appaia,
se di bisogno stimolo il trafigge,
009
So traten wir auch, einer vor dem andern,
Ein in den Durchgang, solche Stieg' erklimmend,
Die, wegen Enge, trennet die da steigen.
così intrammo noi per la callaia,
uno innanzi altro prendendo la scala
che per artezza i salitor dispaia.
012
Und gleich dem Störchlein, das die Flügel hebet,
Weil's fliegen möcht' und dod sich nicht getrauet,
Das Nest zu lassen, und sie wieder senket:
E quale il cicognin che leva l'ala
per voglia di volare, e non s'attenta
d'abbandonar lo nido, e giù la cala;
015
So, bald entbrannt' und bald erlosch mein Wille
Zu fragen, bis ich die Geberde machte,
Die der macht, der zum Reden sich entschließt.
tal era io con voglia accesa e spenta
di dimandar, venendo infino a l'atto
che fa colui ch'a dicer s'argomenta.
018
Nicht ließ mich drin, trotz schnellen Gangs, der Vater,
Der güt'ge, sondern sprach: »Schieß ab den Bogen
Des Redens, den du bis zum Eisen spanntest.« -
Non lasciò, per l'andar che fosse ratto,
lo dolce padre mio, ma disse: "Scocca
l'arco del dir, che 'nfino al ferro hai tratto".
021
Da öffnet' ich mit Zuversicht den Mund,
Und ich begann: »Wie kann man mager werden,
Wo kein Bedürfniß sich nach Nahrung zeigt?« -
Allor sicuramente apri' la bocca
e cominciai: "Come si può far magro
là dove l'uopo di nodrir non tocca?".
024
»Erinnertest du dich, wie Meleager
Sich durch Verzehren eines Brands verzehrte,
So wär dir«, sagt' er, «dies nicht räthselhaft.
"Se t'ammentassi come Meleagro
si consumò al consumar d'un stizzo,
non fora", disse, "a te questo sì agro;
027
Und dächtst du dran, wie, wenn ihr euch beweget,
Auch euer Bild im Spiegel hin- und herfährt,
So würde, was dir hart scheint, sich dir lösen.
e se pensassi come, al vostro guizzo,
guizza dentro a lo specchio vostra image,
ciò che par duro ti parrebbe vizzo.
030
Doch, daß dein innrer Wunsch befriedigt werde,
Sieh Statius hier; und ich ersuch' und bitt' ihn,
Daß er dir Arzt für deine Wunden sei.« -
Ma perché dentro a tuo voler t'adage,
ecco qui Stazio; e io lui chiamo e prego
che sia or sanator de le tue piage".
033
»Wenn ich die ew'ge Rach' ihm hier enthülle«,
Versetzte Statius, »wo du bist, so mag
mich Entschuld'gen, daß ich dir nichts weigern kann.«
"Se la veduta etterna li dislego",
rispuose Stazio, "là dove tu sie,
discolpi me non potert'io far nego".
036
Darauf begann er: »Sohn, wenn meine Worte
Dein Geist betrachtet und sie in sich aufnimmt,
Wird Licht dir über's Wie, wovon du sprachest.
Poi cominciò: "Se le parole mie,
figlio, la mente tua guarda e riceve,
lume ti fiero al come che tu die.
039
Vollkommnes Blut, das von den durst'gen Adern
Niemals wird aufgesogen, sondern rückbleibt,
Wie Speise, die man abträgt von der Tafel,
Sangue perfetto, che poi non si beve
da l'assetate vene, e si rimane
quasi alimento che di mensa leve,
042
Nimmt in dem Herzen an Gestaltungskraft
Für alle Menschenglieder, als ein solches,
Das, sie zu bilden, durch die Venen gehet.
prende nel core a tutte membra umane
virtute informativa, come quello
ch'a farsi quelle per le vene vane.
045
Nochmals geläutert, geht's hinab, wo Schweigen
Mehr ziemt als Reden; denn von dorten fließt es
Auf andres in natürlichem Gefäße.
Ancor digesto, scende ov'è più bello
tacer che dire; e quindi poscia geme
sovr'altrui sangue in natural vasello.
048
Hier nun vermählt das eine sich dem andern,
Zu dulden dies geneigt, zu wirken jenes,
Ob des vollkommnen Orts, woraus sich's dränget.
Ivi s'accoglie l'uno e l'altro insieme,
l'un disposto a patire, e l'altro a fare
per lo perfetto loco onde si preme;
051
Dort angelangt, beginnt es nun zu wirken,
Macht erst gerinnen, dann belebt es wieder
Das, was in seinem Stoff es ließ gerinnen.
e, giunto lui, comincia ad operare
coagulando prima, e poi avviva
ciò che per sua matera fé constare.
054
Die thät'ge Kraft ist Seele nun geworden,
Von einer Pflanz' in so weit unterschieden,
Daß jen' ist unterwegs, die schon am Ufer,
Anima fatta la virtute attiva
qual d'una pianta, in tanto differente,
che questa è in via e quella è già a riva,
057
Dann so wirkt, daß sie schon sich regt und fühlet
Gleich einem Meerschwamm, und drauf unternimmt,
Die Kräfte, deren Quell sie ist, zu bilden.
tanto ovra poi, che già si move e sente,
come spungo marino; e indi imprende
ad organar le posse ond'è semente.
060
Bald, Sohn, entfaltet sich, bald dehnt sich aus
Die Kraft, die aus des Zeugers Herzen stammet,
Von wo Natur für alle Glieder thätig.
Or si spiega, figliuolo, or si distende
la virtù ch'è dal cor del generante,
dove natura a tutte membra intende.
063
Doch wie aus Thierischen ein Kind soll werden,
Siehst du noch nicht; und dies ist solch ein Punkt,
Daß einen Weisern er, als dich, einst irrte,
Ma come d'animal divegna fante,
non vedi tu ancor: quest'è tal punto,
che più savio di te fé già errante,
066
So daß, nach seiner Lehre, von der Seele
Der mögliche Verstand getrennt erschien,
Weil er für diesen kein Organ erkannte.
sì che per sua dottrina fé disgiunto
da l'anima il possibile intelletto,
perché da lui non vide organo assunto.
069
Der Wahrheit öffne, die nun folgt, die Brust:
Erfahre, daß, sobald als bei dem Fötus
Die Gliederung des Hirns vollkommen ist,
Apri a la verità che viene il petto;
e sappi che, sì tosto come al feto
l'articular del cerebro è perfetto,
072
So wendet sich ihm zu der Urbeweger,
Erfreut ob solchen Kunstwerks der Natur,
Und haucht ihm neuen, krafterfüllten Geist ein,
lo motor primo a lui si volge lieto
sovra tant'arte di natura, e spira
spirito novo, di vertù repleto,
075
Der in sein Wesen aufnimmt, was da wirksam,
Und eine einz'ge Seele daraus bildet,
Die lebt und fühlt und auf sich selbst sich wendet.
che ciò che trova attivo quivi, tira
in sua sustanzia, e fassi un'alma sola,
che vive e sente e sé in sé rigira.
078
Und daß du minder ob der Rede staunest:
Sieh, wie die Sonnenwärme wird zu Wein,
Dem Saft verbunden, den die Rebe läutert.
E perché meno ammiri la parola,
guarda il calor del sol che si fa vino,
giunto a l'omor che de la vite cola.
081
Und hat nun Lachesis den Lein versponnen,
Trennt jene sich vom Fleisch und nimmt in Kräften
So Göttliches als Menschliches mit fort:
Quando Làchesis non ha più del lino,
solvesi da la carne, e in virtute
ne porta seco e l'umano e 'l divino:
084
Die andern Kräfte werden alle stumm,
Gedächtniß nur und Einsicht und der Wille
Sind im Gebrauch viel schärfer noch als ehmals.
l'altre potenze tutte quante mute;
memoria, intelligenza e volontade
in atto molto più che prima agute.
087
Ohn' Aufenthalt fällt sie dann von sich selbst
Höchst wunderbar an eines von den Ufern,
Und hier erkennt zuerst sie ihre Wege.
Sanza restarsi, per sé stessa cade
mirabilmente a l'una de le rive;
quivi conosce prima le sue strade.
090
Sobald sie dort nun einschließt eine Stätte,
Strahlt ringsher ihre bildnerische Kraft
Nach Art und Maß der Glieder, da sie lebte.
Tosto che loco lì la circunscrive,
la virtù formativa raggia intorno
così e quanto ne le membra vive.
093
Und wie die Luft, wenn sie von Dunst erfüllt ist,
Von fremdem Strahle, der in ihr sich spiegelt,
Gesdmückt erscheinet mit verschiednen Farben:
E come l'aere, quand'è ben pïorno,
per l'altrui raggio che 'n sé si reflette,
di diversi color diventa addorno;
096
So fügt auch hier die nachbarliche Luft sich
Zu jener Form, die ihrer Kraft gemäß
Die Seel' ihr aufprägt, die zurückgeblieben.
così l'aere vicin quivi si mette
e in quella forma ch'è in lui suggella
virtüalmente l'alma che ristette;
099
Und ferner, gleich dem Flämmchen, das dem Feuer
Stets nachfolgt, wie es auch die Stätte wechsle,
Folgt auch dem Geiste seine neue Form.
e simigliante poi a la fiammella
che segue il foco là 'vunque si muta,
segue lo spirto sua forma novella.
102
Daher denn hat er später sein Erscheinen
Und heißt ein Schatten; daher bildet er
Jedweden Sinn aus bis auf das Gesicht;
Però che quindi ha poscia sua paruta,
è chiamata ombra; e quindi organa poi
ciascun sentire infino a la veduta.
105
Daher auch reden wir und lachen wir;
Daher sind Thränen uns und Seufzer eigen,
Wie du am Berge wirst erfahren haben.
Quindi parliamo e quindi ridiam noi;
quindi facciam le lagrime e ' sospiri
che per lo monte aver sentiti puoi.
108
Gemäß den Wünschen und den andern Trieben,
Die uns bewegen, bildet sich der Schatten:
Dies ist der Grund von dem, was du bestaunest.« -
Secondo che ci affliggono i disiri
e li altri affetti, l'ombra si figura;
e quest'è la cagion di che tu miri".
111
Schon waren wir gelangt zur letzten Windung
Und hatten uns zur Rechten hingewendet,
Und andre Sorge nahm nunmehr uns ein.
E già venuto a l'ultima tortura
s'era per noi, e vòlto a la man destra,
ed eravamo attenti ad altra cura.
114
Hier warf der Abhang Feuer von sich aus,
Und das Gesims blies einen Wind nach oben,
Der es zurückwarf und von sich hinwegtrieb.
Quivi la ripa fiamma in fuor balestra,
e la cornice spira fiato in suso
che la reflette e via da lei sequestra;
117
Drum an dem freien Rand wir gehen mußten,
Ein jeder einzeln; und das Feuer scheut' ich
Von hier, und jenseits das Hinunterstürzen.
ond'ir ne convenia dal lato schiuso
ad uno ad uno; e io temëa 'l foco
quinci, e quindi temeva cader giuso.
120
Mein Führer sprach zu mir: »An diesem Orte
Muß man die Augen streng im Zügel halten,
Weil um ein Kleines man sich irren könnte.« -
Lo duca mio dicea: "Per questo loco
si vuol tenere a li occhi stretto il freno,
però ch'errar potrebbesi per poco".
123
»Summae Deus clementiae«, so hört' ich
Nunmehr im Schooß der großen Hitze singen,
Daß es trotzdem mich trieb, mich hinzuwenden.
'Summae Deus clementïae' nel seno
al grande ardore allora udi' cantando,
che di volger mi fé caler non meno;
126
Und Geister sah ich durch die Flamme wandeln;
Drum schaut' ich bald auf sie, bald mir zu Füßen,
Von Zeit zu Zeit so mit dem Blicke wechselnd.
e vidi spirti per la fiamma andando;
per ch'io guardava a loro e a' miei passi,
compartendo la vista a quando a quando.
129
Am Schlusse, den man diesem Hymnus gibt,
Da riefen laut sie: »Virum non cognosco;«
Dann wiederholten sie den Hymnus leise.
Appresso il fine ch'a quell'inno fassi,
gridavano alto: 'Virum non cognosco';
indi ricominciavan l'inno bassi.
132
Als er geendigt, riefen sie von neuem:
»Zum Hain lief Diana und vertrieb Callisto,
Die von der Venus Gift gekostet hatte.« -
Finitolo, anco gridavano: "Al bosco
si tenne Diana, ed Elice caccionne
che di Venere avea sentito il tòsco".
135
Dann kehrten zum Gesang sie, nannten Frauen
Darauf und Männer her, die keusch gewesen,
Wie Tugend es und Ehebund gebieten.
Indi al cantar tornavano; indi donne
gridavano e mariti che fuor casti
come virtute e matrimonio imponne.
138
Und diese Weise, glaub' ich, gnüget ihnen
Die ganze Zeit durch, da die Glut sie brennet.
Bei solcher Sorgfalt und bei solcher Nahrung
E questo modo credo che lor basti
per tutto il tempo che 'l foco li abbruscia:
con tal cura conviene e con tai pasti
141
Muß sich zuletzt die Wunde doch wohl schließen.
che la piaga da sezzo si ricuscia.

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