003
Indeß ich noch auf's grüne Laub die Augen
Geheftet hielt, wie jener pflegt zu thun,
Der seine Zeit mit Vogelfang vergeudet:
Mentre che li occhi per la fronda verde
ficcava ïo sì come far suole
chi dietro a li uccellin sua vita perde,
006
Sprach der mir mehr als Vater war: »O Sohn,
Komm nun hinweg; wir haben vortheilhafter
Die Zeit, die uns vergönnt ist, anzuwenden.« -
lo più che padre mi dicea: "Figliuole,
vienne oramai, ché 'l tempo che n'è imposto
più utilmente compartir si vuole".
009
Mein Antlitz und den Schritt nicht minder wandt' ich
Bald jenen Weisen nach, die also sprachen,
Daß ich des Gehens Müh darob vergaß.
Io volsi 'l viso, e 'l passo non men tosto,
appresso i savi, che parlavan sìe,
che l'andar mi facean di nullo costo.
012
Und wir vernahmen klagenden Gesang:
»Labia mea, Domine«, derartig,
Daß Freud' und Schmerz zugleich er uns erweckte.
Ed ecco piangere e cantar s'udìe
'Labïa mëa, Domine' per modo
tal, che diletto e doglia parturìe.
015
»Was ist das, lieber Vater, was ich höre?« -
Begann ich. Er drauf: »Schatten, welche gehen,
Wohl um den Knoten ihrer Schuld zu lösen.«
"O dolce padre, che è quel ch'i' odo?",
comincia' io; ed elli: "Ombre che vanno
forse di lor dover solvendo il nodo".
018
So wie gedankenvolle Pilger thun,
Die unterweges fremdem Volk begegnen,
Daß sie zwar hinschaun, aber stehn nicht bleiben:
Sì come i peregrin pensosi fanno,
giugnendo per cammin gente non nota,
che si volgono ad essa e non restanno,
021
So kam, sehr schnell sich hinter uns bewegend,
Heran ein Haufe schweigsam frommer Seelen,
Die im Vorübergehen uns bestaunten.
così di retro a noi, più tosto mota,
venendo e trapassando ci ammirava
d'anime turba tacita e devota.
024
Die Augen aller waren tief und hohl;
Bleich war ihr Antlitz und so abgemagert,
Daß sich die Haut fest an die Knochen legte.
Ne li occhi era ciascuna oscura e cava,
palida ne la faccia, e tanto scema
che da l'ossa la pelle s'informava.
027
Nicht also bis auf's Aeußerste der Haut
War, mein' ich, Erisichthon eingetrocknet
Durch Hunger, als er ihn am meisten scheute.
Non credo che così a buccia strema
Erisittone fosse fatto secco,
per digiunar, quando più n'ebbe tema.
030
»Das ist«, sprach ich nachdenkend bei mir selber,
»Das Volk, das einst Jerusalem verloren,
Als von des Söhnleins Fleisch Maria aß.« -
Io dicea fra me stesso pensando: 'Ecco
la gente che perdé Ierusalemme,
quando Maria nel figlio diè di becco!'.
033
Die Augen glichen Ringen ohne Steine:
Und wer im Menschenantlitz omo liest,
Der konnte wohl das m darin erkennen.
Parean l'occhiaie anella sanza gemme:
chi nel viso de li uomini legge 'omo'
ben avria quivi conosciuta l'emme.
036
Wer dächte wohl, daß eines Apfels Duft
Und eines Wassers, heft'gen Wunsch erzeugend,
So wirken könne, wüßt' er nicht das Wie?
Chi crederebbe che l'odor d'un pomo
sì governasse, generando brama,
e quel d'un'acqua, non sappiendo como?
039
Noch staunt' ich drob, was sie so ausgehungert,
Weil mir die Ursach noch verborgen blieb
Von ihrer Magerkeit und dürren Haut:
Già era in ammirar che sì li affama,
per la cagione ancor non manifesta
di lor magrezza e di lor trista squama,
042
Und aus des Kopfes Tiefe blickt' ein Schatten,
Die Augen auf mich richtend, starr mich an;
Dann rief er laut: »Was wird mir da für Gnade?« -
ed ecco del profondo de la testa
volse a me li occhi un'ombra e guardò fiso;
poi gridò forte: "Qual grazia m'è questa?".
045
Ich hätt' ihn niemals am Gesicht erkannt;
Doch offenbar ward mir aus seiner Stimme,
Was sein Aussehn in sich Entstelltes hatte.
Mai non l'avrei riconosciuto al viso;
ma ne la voce sua mi fu palese
ciò che l'aspetto in sé avea conquiso.
048
Doch jener Funk' entzündete mir gänzlich
Die Vorstellung der hingeschwundnen Lippe,
Und ich erkannte das Gesicht Forese's.
Questa favilla tutta mi raccese
mia conoscenza a la cangiata labbia,
e ravvisai la faccia di Forese.
051
»Entsetze nicht dich vor dem trocknen Aussatz,
Der mir«, fleht' er mich an, »die Haut entstellt,
Noch daß an Fleisch ich solchen Mangel leide!
"Deh, non contendere a l'asciutta scabbia
che mi scolora", pregava, "la pelle,
né a difetto di carne ch'io abbia;
054
Nein, sprich mir wahr von dir, und wer dort seien
Die beiden Seelen, welche dich begleiten,
Nicht unterlaß es, mir davon zu sprechen.« -
ma dimmi il ver di te, dì chi son quelle
due anime che là ti fanno scorta;
non rimaner che tu non mi favelle!".
057
»Dein Antlitz, das als todt ich einst beweinte,
Erregt mir jetzt nicht mindre Schmerzensklagen»,
Versetzt' ich, »da ich so entstellt es sehe.
"La faccia tua, ch'io lagrimai già morta,
mi dà di pianger mo non minor doglia",
rispuos'io lui, "veggendola sì torta.
060
Drum sag, bei Gott, mir, was euch so entblättert:
Heiß mich nicht reden, während noch ich staune,
Denn übel spricht, wer andern Wunsches voll.« -
Però mi dì, per Dio, che sì vi sfoglia;
non mi far dir mentr'io mi maraviglio,
ché mal può dir chi è pien d'altra voglia".
063
Und er zu mir: »Durch ew'gen Rathschluß senket
Auf's Wasser und den Baum, der uns im Rücken,
Sich eine Kraft, wodurch ich also schwinde.
Ed elli a me: "De l'etterno consiglio
cade vertù ne l'acqua e ne la pianta
rimasa dietro, ond'io sì m'assottiglio.
066
All jenes Volk, das dort so klagend singet,
Weil über Maß der Kehle Gier es folgte,
Wird hier durch Hunger und durch Durst geläutert.
Tutta esta gente che piangendo canta
per seguitar la gola oltra misura,
in fame e 'n sete qui si rifà santa.
069
Zu trinken und zu essen reizt den Drang uns
Der Duft, der von der Frucht kommt und der Feuchte,
Die sich von oben über's Grün verbreitet.
Di bere e di mangiar n'accende cura
l'odor ch'esce del pomo e de lo sprazzo
che si distende su per sua verdura.
072
Und nicht blos von einmaligem Durchkreisen
Des Raums wird unsre Qual hier aufgefrischt:
Ich sage Qual, und sollte Wohlthat sagen;
E non pur una volta, questo spazzo
girando, si rinfresca nostra pena:
io dico pena, e dovria dir sollazzo,
075
Denn zu dem Baume führt uns jene Sehnsucht,
Die Christum freudig trieb zum Rufe: Eli!
Als er mit seinem Herzblut uns erlöste.« -
ché quella voglia a li alberi ci mena
che menò Cristo lieto a dire 'Elì',
quando ne liberò con la sua vena".
078
Und ich zu ihm: »Von jenem Tag, Forese,
Da du die Welt mit besserm Leben tauschtest,
Sind noch fünf Jahre nicht bis jetzt verflossen.
E io a lui: "Forese, da quel dì
nel qual mutasti mondo a miglior vita,
cinqu' anni non son vòlti infino a qui.
081
War früher schon die Macht in dir erloschen,
Noch mehr zu sünd'gen, als die Stund' erschien
Des guten Schmerzes, der uns Gott versöhnet:
Se prima fu la possa in te finita
di peccar più, che sovvenisse l'ora
del buon dolor ch'a Dio ne rimarita,
084
Wie bist du denn schon hier herauf gekommen?
Ich glaubte dich da unten noch zu finden,
Wo Zeit durch Zeit wird wieder gut gemacht?« -
come se' tu qua sù venuto ancora?
Io ti credea trovar là giù di sotto,
dove tempo per tempo si ristora".
087
Und er zu mir: »So schnell hat mich gefördert,
Daß ich der Qualen süßen Wermuth trinke,
Das bitterliche Weinen meiner Nella.
Ond'elli a me: "Sì tosto m' ha condotto
a ber lo dolce assenzo d'i martìri
la Nella mia con suo pianger dirotto.
090
Mit ihren frommen Bitten, ihren Seufzern
Entriß sie mich dem Abhang, wo man wartet,
Und machte frei mich von den andern Kreisen.
Con suoi prieghi devoti e con sospiri
tratto m' ha de la costa ove s'aspetta,
e liberato m' ha de li altri giri.
093
Gott ist sie um so theurer und geliebter,
Die arme Wittwe, die so sehr ich liebte,
Je mehr allein sie steht in guten Werken;
Tanto è a Dio più cara e più diletta
la vedovella mia, che molto amai,
quanto in bene operare è più soletta;
096
Denn selber die sardinische Barbagia
Ist, was die Fraun betrifft, bei weitem keuscher,
Als die Barbagia, wo ich sie zurückließ.
ché la Barbagia di Sardigna assai
ne le femmine sue più è pudica
che la Barbagia dov'io la lasciai.
099
Was soll ich dir, o theurer Bruder, sagen?
Vor meinem Blicke liegt die Zukunft schon,
Von der die Stunde jetzt nicht gar so fern ist,
O dolce frate, che vuo' tu ch'io dica?
Tempo futuro m'è già nel cospetto,
cui non sarà quest'ora molto antica,
102
In der man von den Kanzeln wird verbieten
Den schamlos frechen Frauen von Florenz,
Beim Ausgehn so entblößt die Brust zu zeigen.
nel qual sarà in pergamo interdetto
a le sfacciate donne fiorentine
l'andar mostrando con le poppe il petto.
105
Bedurft' es je bei Frauen der Barbaren,
Der Sarazenen, geistlicher und andrer
Vermahnung, daß verhüllt sie gehen sollten?
Quai barbare fuor mai, quai saracine,
cui bisognasse, per farle ir coperte,
o spiritali o altre discipline?
108
Doch wenn gewiß die Unverschämten wüßten,
Was ihnen flugs der Himmel zubereitet,
Sie thäten jetzt den Mund schon auf zum Heulen.
Ma se le svergognate fosser certe
di quel che 'l ciel veloce loro ammanna,
già per urlare avrian le bocche aperte;
111
Denn wenn mich das Voraussehn hier nicht täuschet,
Wird Leid sie treffen, eh noch sproßt der Bart
Dem, den man jetzt mit Wiegenliedern einlullt.
ché, se l'antiveder qui non m'inganna,
prima fien triste che le guance impeli
colui che mo si consola con nanna.
114
O Bruder, nun verhehl dich mir nicht länger:
Du siehst, daß nicht blos ich, nein, all die Leute
Dahin schaun, wo die Sonne du verdeckest.« -
Deh, frate, or fa che più non mi ti celi!
vedi che non pur io, ma questa gente
tutta rimira là dove 'l sol veli".
117
Drum ich zu ihm: »Wenn du zu Sinn dir bringest,
Wie du mit mir, wie ich mit dir verkehret,
Wird solch Erinnern dich noch jetzt bedrücken.
Per ch'io a lui: "Se tu riduci a mente
qual fosti meco, e qual io teco fui,
ancor fia grave il memorar presente.
120
Von jenem Leben brachte der mich ab,
Der vor mir hergeht, als noch ehegestern
Sich rund gewiesen dort die Schwester Jenes -
Di quella vita mi volse costui
che mi va innanzi, l'altr'ier, quando tonda
vi si mostrò la suora di colui",
123
(Und auf die Sonne zeigt' ich). Dieser führte
Mich durch die tiefe Nacht der wahren Todten,
In diesem wahren Fleische, das ihm folget.
e 'l sol mostrai; "costui per la profonda
notte menato m' ha d'i veri morti
con questa vera carne che 'l seconda.
126
Von dorther brachte mich herauf sein Mahnen,
Indeß wir steigend hier den Berg umkreisten,
Der grad' euch richtet, was die Welt verkrümmet.
Indi m' han tratto sù li suoi conforti,
salendo e rigirando la montagna
che drizza voi che 'l mondo fece torti.
129
So lange, sagt er, sei er mir Begleiter,
Bis dort ich bin, allwo Beatrix sein wird:
Dort ist es mir bestimmt, ohn' ihn zu bleiben.
Tanto dice di farmi sua compagna
che io sarò là dove fia Beatrice;
quivi convien che sanza lui rimagna.
132
Virgil ist dieser, der mir solches saget
(Ich zeigt' auf ihn), - und jener andre Schatten
Ist der, um den vorhin, ihn zu entlassen,
Virgilio è questi che così mi dice",
e addita' lo; "e quest'altro è quell'ombra
per cuï scosse dianzi ogne pendice
135
Jedweder Abhang eures Reichs erbebte.«
lo vostro regno, che da sé lo sgombra".

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