003
Schlecht kämpft ein Wille gegen bessern Willen,
Drum zog, nach seinem Wunsch, ich wider Wunsch
Den Schwamm zurück, der noch nicht satt des Wassers.
Contra miglior voler voler mal pugna;
onde contra 'l piacer mio, per piacerli,
trassi de l'acqua non sazia la spugna.
006
So ging ich denn, und auch mein Führer ging
Da, wo es gangbar war, entlängs des Felsen,
Wie man auf Mauern geht dicht an den Zinnen.
Mossimi; e 'l duca mio si mosse per li
luoghi spediti pur lungo la roccia,
come si va per muro stretto a' merli;
009
Denn jenes Volk, dem tropfenweis den Augen
Das Weh entquillt, das alle Welt bedrücket,
Liegt vielmehr nach der offnen Außenseite.
ché la gente che fonde a goccia a goccia
per li occhi il mal che tutto 'l mondo occupa,
da l'altra parte in fuor troppo s'approccia.
012
Vermaledeiet seist du alte, Wölfin,
Die mehr als alle andern wilden Thiere
Du Raub begehst in endlos gier'gem Hunger.
Maladetta sie tu, antica lupa,
che più che tutte l'altre bestie hai preda
per la tua fame sanza fine cupa!
015
O Himmel, dessen Kreisen man es zumißt,
Daß sich der Dinge Stand hienieden ändert:
Wann wird erscheinen der, vor dem sie fliehet?
O ciel, nel cui girar par che si creda
le condizion di qua giù trasmutarsi,
quando verrà per cui questa disceda?
018
Wir gingen spärlichen, langsamen Schrittes,
Ich, auf die Schatten achtend, die ich weinen
Und mitleidswürdig sich beklagen hörte.
Noi andavam con passi lenti e scarsi,
e io attento a l'ombre, ch'i' sentia
pietosamente piangere e lagnarsi;
021
Zufällig hört' ich dort: »Maria, süße!«
Vor uns hin also durch das Weinen rufen,
Gleich einem Weib, das in den Wehen liegt;
e per ventura udi' "Dolce Maria!"
dinanzi a noi chiamar così nel pianto
come fa donna che in parturir sia;
024
Und ferner noch: »Du warest ja so arm,
Wie jene Herberg' uns es sehen lässet,
Wo du die heil'ge Bürde niederlegtest.« -
e seguitar: "Povera fosti tanto,
quanto veder si può per quello ospizio
dove sponesti il tuo portato santo".
027
Und dann vernahm ich noch: »Fabricius, Guter
Bei Armuth wolltest du viel lieber Tugend
Besitzen, als bei Lastern großen Reichthum.« -
Seguentemente intesi: "O buon Fabrizio,
con povertà volesti anzi virtute
che gran ricchezza posseder con vizio".
030
Mir hatten diese Worte so gefallen,
Daß ich vorschritt, um Kunde von dem Geiste
Zu haben, der sie auszusprechen schien.
Queste parole m'eran sì piaciute,
ch'io mi trassi oltre per aver contezza
di quello spirto onde parean venute.
033
Auch rühmt' er ferner die Freigebigkeit,
Die gegen Jungfraun Nicolaus erwiesen,
Zur Ehre hinzuleiten ihre Jugend.
Esso parlava ancor de la larghezza
che fece Niccolò a le pulcelle,
per condurre ad onor lor giovinezza.
036
»O Seele, die du so vortrefflich redest,
Wer warst du, sag mir«, sprach ich, »und warum
Erneust nur du allein so würdig Lob?
"O anima che tanto ben favelle,
dimmi chi fosti", dissi, "e perché sola
tu queste degne lode rinovelle.
039
Nicht fruchtlos sollen deine Reden sein,
Kehr' ich zurück, den kurzen Lauf zu enden
Von jenem Leben, das zum Ende eilet.« -
Non fia sanza mercé la tua parola,
s'io ritorno a compiér lo cammin corto
di quella vita ch'al termine vola".
042
Und er: »Ich sage dir, nicht Trostes halber,
Den ich von dort erwarte, sondern weil du
So große Gnad' erfährst, noch eh du todt bist.
Ed elli: "Io ti dirò, non per conforto
ch'io attenda di là, ma perché tanta
grazia in te luce prima che sie morto.
045
Ich war die Wurzel jener schlimmen Pflanze,
Die alles Land der Christen so beschattet,
Daß gute Frucht davon man selten pflücket.
Io fui radice de la mala pianta
che la terra cristiana tutta aduggia,
sì che buon frutto rado se ne schianta.
048
Doch wenn Douai, Gent, Lille und Brügg' es könnten,
So würden bald an ihm sie Rache nehmen;
Und Jenen bitt' ich drum, der Alles richtet.
Ma se Doagio, Lilla, Guanto e Bruggia
potesser, tosto ne saria vendetta;
e io la cheggio a lui che tutto giuggia.
051
Jenseits führt' ich den Namen Hugo Capet:
Von mir entstammten die Philipp' und Ludwig,
Durch welche Frankreich neuerdings regiert wird.
Chiamato fui di là Ugo Ciappetta;
di me son nati i Filippi e i Luigi
per cui novellamente è Francia retta.
054
Sohn war ich eines Schlächters in Paris.
Als alle alten Kön'ge bis auf Einen,
Der grau gekleidet ging, erloschen waren,
Figliuol fu' io d'un beccaio di Parigi:
quando li regi antichi venner meno
tutti, fuor ch'un renduto in panni bigi,
057
Fand in die Händ' ich mir den Herrschaftszügel
Des Reichs gezwungen und so große Macht
Durch neu Erworbnes, stärker noch durd Freunde,
trova' mi stretto ne le mani il freno
del governo del regno, e tanta possa
di nuovo acquisto, e sì d'amici pieno,
060
Daß die verwaiste Krone zugesprochen
Dem Haupte meines Sohnes ward, mit welchem
Begannen die gesalbten Schädel Jener.
ch'a la corona vedova promossa
la testa di mio figlio fu, dal quale
cominciar di costor le sacrate ossa.
063
So lang die große provenzal'sche Mitgift
Noch mein Geschlecht beraubt der Scham nicht hatte,
Galt es nicht viel, doch that es auch nichts Böses.
Mentre che la gran dota provenzale
al sangue mio non tolse la vergogna,
poco valea, ma pur non facea male.
066
Hierauf begann mit Lügen und Gewalt
Es seinen Raub und nahm nachher als Buße
Ponthieu, die Normandie und die Gascogne.
Lì cominciò con forza e con menzogna
la sua rapina; e poscia, per ammenda,
Pontì e Normandia prese e Guascogna.
069
Karl kam dann nach Italien, und als Sühne
Bracht' er zum Opfer Konradin und nachmals
Schickt' er Tommaso himmelwärts - zur Buße.
Carlo venne in Italia e, per ammenda,
vittima fé di Curradino; e poi
ripinse al ciel Tommaso, per ammenda.
072
Ich seh die Zeit, nicht sehr entfernt vom Heute,
Aus Frankreich einen andern Karl hervorziehn,
Der besser kennen lehrt sich und die Seinen.
Tempo vegg'io, non molto dopo ancoi,
che tragge un altro Carlo fuor di Francia,
per far conoscer meglio e sé e ' suoi.
075
Auszieht er waffenlos, nur mit der Lanze,
Mit der Judas gekämpft, und diese legt er
So auf Florenz an, daß der Wanst ihm platzet.
Sanz'arme n'esce e solo con la lancia
con la qual giostrò Giuda, e quella ponta
sì, ch'a Fiorenza fa scoppiar la pancia.
078
Drauf wird nicht Land er, sondern Sünd' und Schmach
Gewinnen, um so schimpflicher für ihn,
Je leichter er dergleichen Schaden achtet.
Quindi non terra, ma peccato e onta
guadagnerà, per sé tanto più grave,
quanto più lieve simil danno conta.
081
Den, der dem Schiff entsteiget als Gefangner,
Seh' ich sein Kind verhandeln und verkaufen,
Wie mit den Sklavinnen Piraten thun.
L'altro, che già uscì preso di nave,
veggio vender sua figlia e patteggiarne
come fanno i corsar de l'altre schiave.
084
Habgierigkeit, was kannst du mehr noch wirken,
Da du mein Blut so hast an dich gezogen,
Daß es nicht mehr des eignen Fleisches achtet.
O avarizia, che puoi tu più farne,
poscia c' ha' il mio sangue a te sì tratto,
che non si cura de la propria carne?
087
Daß Künft'ges wie Vergangnes kleiner scheine,
Seh' ich die Lilien einziehn in Anagni,
Und im Statthalter Christum als Gefangnen.
Perché men paia il mal futuro e 'l fatto,
veggio in Alagna intrar lo fiordaliso,
e nel vicario suo Cristo esser catto.
090
Seh', wie man ihn zum andernmal verspottet,
Seh' Essig auch und Gall' an ihm erneuern,
Seh' todt ihn zwischen Schächern, die noch leben.
Veggiolo un'altra volta esser deriso;
veggio rinovellar l'aceto e 'l fiele,
e tra vivi ladroni esser anciso.
093
Seh' dann so grausam, daß ihn dies nicht sättigt,
Den späteren Pilatus; ohne Vollmacht
Dringt in den Tempel er mit gier'gen Segeln.
Veggio il novo Pilato sì crudele,
che ciò nol sazia, ma sanza decreto
portar nel Tempio le cupide vele.
096
O du, mein Herr, wann wird die Freude mir,
Zu sehn die Rache, welche tief gehüllet
In dein Geheimniß, deinen Zorn besänftigt?
O Segnor mio, quando sarò io lieto
a veder la vendetta che, nascosa,
fa dolce l'ira tua nel tuo secreto?
099
Was ich von jener einzigen Verlobten
Des heil'gen Geistes sagt', und was zu mir
Dich wenden ließ, daß ich es dir erkläre,
Ciò ch'io dicea di quell'unica sposa
de lo Spirito Santo e che ti fece
verso me volger per alcuna chiosa,
102
Ist uns statt aller Bitten angeordnet,
So lang der Tag währt; aber wenn es Nacht wird,
Ertönt an dessen Statt das Gegentheil.
tanto è risposto a tutte nostre prece
quanto 'l dì dura; ma com'el s'annotta,
contrario suon prendemo in quella vece.
105
Wir reden stets dann von Pygmalion,
Den zum Verräther, Räuber, Schwagermörder
Sein gieriges Gelüst nach Golde machte;
Noi repetiam Pigmalïon allotta,
cui traditore e ladro e paricida
fece la voglia sua de l'oro ghiotta;
108
Und von dem Elend des habsücht'gen Midas,
Der seinem gierigen Verlangen folgte,
Weswegen man mit Fug ihn stets verlacht.
e la miseria de l'avaro Mida,
che seguì a la sua dimanda gorda,
per la qual sempre convien che si rida.
111
Wir denken ferner auch des thör'gen Achan
Der von der Beute stahl, so daß noch hier ihn
Der Zorn des Josua zu pein'gen scheinet.
Del folle Acàn ciascun poi si ricorda,
come furò le spoglie, sì che l'ira
di Iosüè qui par ch'ancor lo morda.
114
Dann klagen, nebst dem Mann, wir an Sapphira;
Lob wird dem Huftritt gegen Heliodorus;
Und Polymnestor, der den Polydorus
Indi accusiam col marito Saffira;
lodiamo i calci ch'ebbe Elïodoro;
e in infamia tutto 'l monte gira
117
Getödtet, kreist der ganze Berg zur Schande.
Zuleßt noch ruft man hier sich zu: »Nun Crassus,
Sag uns, du weißt es ja, wie Gold denn schmeckt.«
Polinestòr ch'ancise Polidoro;
ultimamente ci si grida: "Crasso,
dilci, che 'l sai: di che sapore è l'oro?".
120
Zuweilen reden wir, der laut, der leise,
Je wie der Antrieb uns zum Reden spornt,
In heftigerem, bald bald sanftrem Tone.
Talor parla l'uno alto e l'altro basso,
secondo l'affezion ch'ad ir ci sprona
ora a maggiore e ora a minor passo:
123
Drum war ich bei des Guten Lob, am Tage
Vorher, auch nicht allein hier; doch so eben
Ließ Niemand in der Näh' die Stimme hören.« -
però al ben che 'l dì ci si ragiona,
dianzi non era io sol; ma qui da presso
non alzava la voce altra persona".
126
Wir waren schon von ihm hinweggegangen
Und strebten auf dem Wege fortzukommen,
So weit, als es in unsern Kräften lag:
Noi eravam partiti già da esso,
e brigavam di soverchiar la strada
tanto quanto al poder n'era permesso,
129
Da fühlt' ich, wie bei einem Sturz, erzittern
Den Berg, darob ein Schauer mich erfaßte,
Wie der empfindet, der zum Tode gehet.
quand'io senti', come cosa che cada,
tremar lo monte; onde mi prese un gelo
qual prender suol colui ch'a morte vada.
132
Traun, nicht so stark ward Delos einst erschüttert,
Bevor Latona drauf ihr Nest bereitet,
Die beiden Himmelslichter zu gebären.
Certo non si scoteo sì forte Delo,
pria che Latona in lei facesse 'l nido
a parturir li due occhi del cielo.
135
Dann scholl von überall ein solches Rufen,
Daß auf mich zu der Meister kam und sagte:
»Nicht fürchte dich, so lang ich dich geleite!« -
Poi cominciò da tutte parti un grido
tal, che 'l maestro inverso me si feo,
dicendo: "Non dubbiar, mentr'io ti guido".
138
»Gloria in excelsis Deo!« sangen Alle,
So viel ich in der Näh' davon verstand,
Woraus den Sinn des Rufs man deuten konnte.
'Glorïa in excelsis' tutti 'Deo'
dicean, per quel ch'io da' vicin compresi,
onde intender lo grido si poteo.
141
Wir blieben still und unbeweglich stehen,
Den Hirten gleich, die einst den Sang vernommen,
Bis das Erbeben nachließ und ihn schloß.
No' istavamo immobili e sospesi
come i pastor che prima udir quel canto,
fin che 'l tremar cessò ed el compiési.
144
Dann setzten unsern heil'gen Weg wir fort,
Im Blick die Schatten, die am Boden lagen
Und die gewohnte Klage neu begannen.
Poi ripigliammo nostro cammin santo,
guardando l'ombre che giacean per terra,
tornate già in su l'usato pianto.
147
Niemals erregte mir Unwissenheit
Sehnsucht zu wissen mit so großem Kampfe,
Wenn mein Gedächtniß mich hierin nicht täuschet,
Nulla ignoranza mai con tanta guerra
mi fé desideroso di sapere,
se la memoria mia in ciò non erra,
150
Als, wie mir schien, ich sinnend damals kämpfte;
Doch wagt' ich, ob der Eile, nicht zu fragen,
Noc konnt' ich für mich selbst etwas begreifen:
quanta pareami allor, pensando, avere;
né per la fretta dimandare er'oso,
né per me lì potea cosa vedere:
153
So ging ich scheu denn und nachdenklich weiter.
così m'andava timido e pensoso.

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