003
Wenn bei'm Ergetzen oder auch bei'm Leiden,
Das irgend eine Kraft in uns erfasset,
Die Seele ganz in dieser Kraft sich sammelt:
Quando per dilettanze o ver per doglie,
che alcuna virtù nostra comprenda,
l'anima bene ad essa si raccoglie,
006
So scheint sie keiner andern mehr zu achten;
Und dies beweist den Irrthum, wenn wir meinen,
Daß Seelen mancher Art in uns erglühten.
par ch'a nulla potenza più intenda;
e questo è contra quello error che crede
ch'un'anima sovr'altra in noi s'accenda.
009
Und deshalb, hört man etwas oder sieht es,
Was unsre Seele mächtig an sich fesselt,
Wird man nicht inne, wie die Zeit entschwindet;
E però, quando s'ode cosa o vede
che tegna forte a sé l'anima volta,
vassene 'l tempo e l'uom non se n'avvede;
012
Denn eine andre Kraft ist, die da höret,
Als die, die unsre Seele gänzlich einnimmt:
Dies' ist gebunden gleichsam, jene frei.
ch'altra potenza è quella che l'ascolta,
e altra è quella c' ha l'anima intera:
questa è quasi legata e quella è sciolta.
015
Hievon wurd' ich in Wahrheit überzeugt,
Als jenem Geist ich mit Bewundrung horchte;
Denn funfzig Grade hatt' erstiegen wohl
Di ciò ebb'io esperïenza vera,
udendo quello spirto e ammirando;
ché ben cinquanta gradi salito era
018
Die Sonn', und nicht gewahr geworden war ich's,
Als wir hinkamen, wo mit eins die Seelen
Uns zuschrien: »Hier der Ort, wonach ihr trachtet!«
lo sole, e io non m'era accorto, quando
venimmo ove quell'anime ad una
gridaro a noi: "Qui è vostro dimando".
021
Oft ist die Lücke größer, die der Landmann
Mit einer Gabelvoll von seinen Dornen
Im Zaun ausbessert, wenn der Wein sich bräunet,
Maggiore aperta molte volte impruna
con una forcatella di sue spine
l'uom de la villa quando l'uva imbruna,
024
Als dort der enge Paß war, den allein wir,
Mein Führer und ich hinter ihm, erklommen,
Nachdem von uns die Schaar getrennt sich hatte.
che non era la calla onde salìne
lo duca mio, e io appresso, soli,
come da noi la schiera si partìne.
027
San Leo erreicht man, steigt nach Noli nieder
Und nach Bismantova empor zum Gipfel
Auf seinen Füßen, doch hier muß man fliegen;
Vassi in Sanleo e discendesi in Noli,
montasi su in Bismantova e 'n Cacume
con esso i piè; ma qui convien ch'om voli;
030
Mit schnellen Schwingen, mein' ich, dem Gefieder
Der großen Sehnsucht, nachgezogen Jenem,
Der Hoffnung mir verlieh und Einsicht gab.
dico con l'ale snelle e con le piume
del gran disio, di retro a quel condotto
che speranza mi dava e facea lume.
033
Wir klommen in dem Riß des Felsen aufwärts;
An jeder Seite streiften wir die Wand,
Und Fuß und Hand erheischt' der Boden unten.
Noi salavam per entro 'l sasso rotto,
e d'ogne lato ne stringea lo stremo,
e piedi e man volea il suol di sotto.
036
Als wir jetzt auf dem höchsten Simse standen
Des hohen Abhangs, in der offnen Gegend:
»Mein Meister«, sprach ich, »wie nun geht es weiter?« -
Poi che noi fummo in su l'orlo suppremo
de l'alta ripa, a la scoperta piaggia,
"Maestro mio", diss'io, "che via faremo?".
039
Und er zu mir: »Thu keinen Fehltritt abwärts;
Gewinne hinter nur nur stets den Berg,
Bis ein erfahrner Führer sich uns zeiget.« -
Ed elli a me: "Nessun tuo passo caggia;
pur su al monte dietro a me acquista,
fin che n'appaia alcuna scorta saggia".
042
Der Blick erreichte nicht des Gipfels Höhe,
Und steiler war der Abhang als die Linie,
Die den Quadranten nach der Hälfte theilt.
Lo sommo er'alto che vincea la vista,
e la costa superba più assai
che da mezzo quadrante a centro lista.
045
Ich war ermattet, als ich jetzt begann:
»O lieber Vater, kehr dich um und siehe,
Ich bleib allein zurück, wenn du nicht weilest.« -
Io era lasso, quando cominciai:
"O dolce padre, volgiti, e rimira
com'io rimango sol, se non restai".
048
»O Sohn«, versetzt' er, »müh dich bis dahin nur«,
Und zeigt' auf einen Vorsprung, etwas höher,
Der ganz umkreist den Berg von jener Seite.
"Figliuol mio", disse, "infin quivi ti tira",
additandomi un balzo poco in sùe
che da quel lato il poggio tutto gira.
051
Da spornten seine Worte so mich an,
Daß ich ihm nach mit Hand und Fuß mich mühte,
Bis ich den Gürtel unter mich gewann.
Sì mi spronaron le parole sue,
ch'i' mi sforzai carpando appresso lui,
tanto che 'l cinghio sotto i piè mi fue.
054
Nun setzten beide wir darauf uns nieder,
Nach Ost gerichtet, wo wir aufgestiegen,
Da jeder gern sich umzuschauen pflegt.
A seder ci ponemmo ivi ambedui
vòlti a levante ond'eravam saliti,
che suole a riguardar giovare altrui.
057
Erst blickt' ich auf die tiefen Ufer nieder,
Dann auf zur Sonn', und ich war drob verwundert,
Daß ihre Strahlen uns von links her trafen.
Li occhi prima drizzai ai bassi liti;
poscia li alzai al sole, e ammirava
che da sinistra n'eravam feriti.
060
Der Dichter sahe wohl, daß ganz in Staunen
Ich mir betrachtete des Lichtes Wagen,
Wo zwischen uns und Mitternacht er hinzog.
Ben s'avvide il poeta ch'ïo stava
stupido tutto al carro de la luce,
ove tra noi e Aquilone intrava.
063
»Wenn Castor«, sagt' er drum zu mir, »und Pollux
In der Gesellschaft jenes Spiegels wären,
Der auf- und niederwärts sein Licht entsendet:
Ond'elli a me: "Se Castore e Poluce
fossero in compagnia di quello specchio
che sù e giù del suo lume conduce,
066
So würdest du den röthlich glühnden Thierkreis
Noch näher bei den Bärenkreisen sehen:
Er wiche denn aus seiner alten Bahn.
tu vedresti il Zodïaco rubecchio
ancora a l'Orse più stretto rotare,
se non uscisse fuor del cammin vecchio.
069
Wenn du nun einsehn willst, wie dies geschehe,
So denk, in dir gesammelt, Zion dir
Und diesen Berg so auf der Erde stehend,
Come ciò sia, se 'l vuoi poter pensare,
dentro raccolto, imagina Sïòn
con questo monte in su la terra stare
072
Daß beide Einen Horizont nur haben,
Doch andre Hemisphären; drum der Weg,
Den Phaëton zum Unheil schlecht befahren,
sì, ch'amendue hanno un solo orizzòn
e diversi emisperi; onde la strada
che mal non seppe carreggiar Fetòn,
075
Wie du erkennen wirst, zur einen Seite
Dem hier, zur andern jenem gehen muß,
Wenn dein Verstand recht deutlich dies erwäget.« -
vedrai come a costui convien che vada
da l'un, quando a colui da l'altro fianco,
se lo 'ntelletto tuo ben chiaro bada".
078
»Gewiß, mein Meister«, sprach ich, »niemals hab' ich
So klar gesehn hierin, wo meine Einsicht
Mir mangelhaft erschien, als jetzt ich sehe:
"Certo, maestro mio", diss'io, "unquanco
non vid'io chiaro sì com'io discerno
là dove mio ingegno parea manco,
081
Daß des erhabnen Umschwungs Mittelkreis,
Den eine Wissenschaft Aequator nennet,
Und der stets fest bleibt zwischen Sonn' und Winter,
che 'l mezzo cerchio del moto superno,
che si chiama Equatore in alcun'arte,
e che sempre riman tra 'l sole e 'l verno,
084
Aus jenem deinem Grunde sich von hier aus
Nordwärts so weit entfernt, als die Hebräer
Ihn nach der heißen Gegend liegen sahen.
per la ragion che di', quinci si parte
verso settentrïon, quanto li Ebrei
vedevan lui verso la calda parte.
087
Doch, wenn dir's nicht zu lästig, möcht' ich wissen,
Wie viel des Wegs noch ist; es steigt der Gipfel
Ja höher auf, als meine Augen reichen.« -
Ma se a te piace, volontier saprei
quanto avemo ad andar; ché 'l poggio sale
più che salir non posson li occhi miei".
090
Und er zu mir: »Der Berg ist so beschaffen,
Daß er, am Anfang unten stets beschwerlich,
Je mehr man aufsteigt, mindre Mühe macht.
Ed elli a me: "Questa montagna è tale,
che sempre al cominciar di sotto è grave;
e quant'om più va sù, e men fa male.
093
Drum, wenn er so gemächlich dir wird scheinen,
Daß dir so leicht wird sein das Aufwärtssteigen,
Als führest du stromabwärts auf dem Schiffe:
Però, quand'ella ti parrà soave
tanto, che sù andar ti fia leggero
com'a seconda giù andar per nave,
096
Dann wirst am Ziel du dieses Weges sein;
Dort hoffe von den Mühen auszuruhen.
Mehr sag' ich nicht; dies weiß ich für gewiß.« -
allor sarai al fin d'esto sentiero;
quivi di riposar l'affanno aspetta.
Più non rispondo, e questo so per vero".
099
Kaum daß er nun sein Wort geendigt hatte,
Sprach eine Stimm' in unsrer Näh: »Vielleicht
Wirst du vorher zu sitzen nöthig haben.« -
E com'elli ebbe sua parola detta,
una voce di presso sonò: "Forse
che di sedere in pria avrai distretta!".
102
Beim Ton derselben wandten wir uns um
Und sahn zur Linken einen großen Felsblock,
Den erst nicht ich, noch er gesehen hatte.
Al suon di lei ciascun di noi si torse,
e vedemmo a mancina un gran petrone,
del qual né io né ei prima s'accorse.
105
Dort mühten wir uns hin; da waren Leute,
Die hinter jenem Stein im Schatten standen,
Wie solche, die aus Trägheit an sich lehnen.
Là ci traemmo; e ivi eran persone
che si stavano a l'ombra dietro al sasso
come l'uom per negghienza a star si pone.
108
Und ihrer Einer, der sehr matt mir schien,
Saß und umfing die Knie mit beiden Armen
Und hielt sein Antlitz zwischen sie gesenkt.
E un di lor, che mi sembiava lasso,
sedeva e abbracciava le ginocchia,
tenendo 'l viso giù tra esse basso.
111
»Mein lieber Meister«, sprach ich, »siehe doch
Den dort, der sich am lässigsten bezeiget,
Als wenn die Faulheit seine Schwester wäre.« -
"O dolce segnor mio", diss'io, "adocchia
colui che mostra sé più negligente
che se pigrizia fosse sua serocchia".
114
Da wandt' er sich und blickte scharf uns an,
Das Antlitz über'n Schenkel nur erhebend,
Und sagte: »Steig hinauf, denn du bist rüstig.«
Allor si volse a noi e puose mente,
movendo 'l viso pur su per la coscia,
e disse: "Or va tu sù, che se' valente!".
117
Hierauf erkannt' ich ihn, und die Beklemmung,
Die etwas noch beschleunigte den Athem,
Behinderte mich nicht, zu ihm zu gehen;
Conobbi allor chi era, e quella angoscia
che m'avacciava un poco ancor la lena,
non m'impedì l'andare a lui; e poscia
120
Und als ich bei ihm stand, hob kaum das Haupt er
Und sprach: »Hast du gesehen, wie die Sonne
Zur linken Schulter ihren Wagen führet?« -
ch'a lui fu' giunto, alzò la testa a pena,
dicendo: "Hai ben veduto come 'l sole
da l'omero sinistro il carro mena?".
123
Sein träg Geberden und die kargen Worte
Bewegten meine Lipp' etwas zum Lächeln;
Da nun begann ich: »Jetzt, Belacqua, dauerst
Li atti suoi pigri e le corte parole
mosser le labbra mie un poco a riso;
poi cominciai: "Belacqua, a me non dole
126
Du mich nicht mehr; doch sag mir, warum sitzest
Du grade hier: harrst du auf einen Führer?
Wie, oder pflegst du der gewohnten Weise?« -
di te omai; ma dimmi: perché assiso
quiritto se' ? attendi tu iscorta,
o pur lo modo usato t' ha' ripriso?".
129
Und er: »Was, Bruder, trägt das Steigen ein?
Der Pförtner Gottes, der der Schwelle hütet,
Er ließe doch mich nicht zum Läutrungsfeuer.
Ed elli: "O frate, andar in sù che porta?
ché non mi lascerebbe ire a' martìri
l'angel di Dio che siede in su la porta.
132
Erst muß hier draußen mich so oft der Himmel
Umkreisen, als er es beim Leben that,
Weil bis auf's End' ich meine Reu versparte.
Prima convien che tanto il ciel m'aggiri
di fuor da essa, quanto fece in vita,
perch'io 'ndugiai al fine i buon sospiri,
135
Hilft mir nicht früher ein Gebet, das aufsteigt
Aus einem Herzen, das in Gnaden lebt:
Was hilft ein andres, das Gott nicht genehm ist?« -
se orazïone in prima non m'aita
che surga sù di cuor che in grazia viva;
l'altra che val, che 'n ciel non è udita?".
138
Doch stieg der Dichter vor mir schon bergan
Und sagte: »Komm nun; sieh, es hat die Sonne
Den Mittagskreis erreicht, und an dem Strande
E già il poeta innanzi mi saliva,
e dicea: "Vienne omai; vedi ch'è tocco
meridïan dal sole, e a la riva
141
Bedeckt der Fuß der Nacht bereits Marocco.«
cuopre la notte già col piè Morrocco".

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert