003
Es brach den tiefen Schlaf im Haupte mir
Ein Donnerschlag, so schwer, daß auf ich fuhr,
Wie jemand, den man mit Gewalt erweckte;
Ruppemi l'alto sonno ne la testa
un greve truono, sí ch' io mi riscossi
come persona ch' è per forza desta ;
006
Und ringsum wandt' ich das geruhte Auge,
Emporgerichtet und mit festem Blick,
Daß ich den Ort erkenne, wo ich sei.
E l'occhio riposato intorno mossi,
dritto levato, e fiso riguardai
per conoscer lo loco dov' io fossi.
009
Wahr ist es, ich befand mich an dem Rande
Des qualenvollen Thals des Höllenabgrunds,
Das in sich faßt den Schall endlosen Wehes.
Vero è che 'n su la proda mi trovai
de la valle d'abisso dolorosa
che tuono accoglie d'infiniti guai.
012
Tief war er, dunkel und so voller Nebel,
Daß, wollt' ich bis zum Grund die Blicke tauchen,
Nicht das geringst' ich unterscheiden konnte.
Oscura e profonda era e nebulosa
tanto che, per ficcar lo viso a fondo,
io non vi discernea alcuna cosa.
015
»Laß nun hinab uns zu der blinden Welt«,
Begann der Dichter, bleichen Angesichtes;
»Vorangehn werd' ich, und du wirst mir folgen.« -
« Or discendiam qua giú nel cieco mondo, »
cominciò il poeta tutto smorto :
« io sarò primo, e tu sarai secondo. »
018
Und ich, der sein Entfärben wahrgenommen,
Sprach: »Wie soll gehn denn ich, wenn du erbangst,
Der sonst mir Tröster ist in meinem Zagen?« -
E io, che del color mi fui accorto,
dissi: « Come verrò, se tu paventi
che suoli al mio dubbiare esser conforto? »
021
Und er zu mir: »Die Angst der Schmerzgequälten
Da unten malet mir in's Angesicht
Das Mitleid, welches dir als Furcht erscheint.
Ed elli a me: « L'angoscia de le genti
che son qua giú, nel viso mi dipigne
quella pietà che tu per téma senti.
024
Laß gehn uns, wie der lange Weg uns mahnet.« -
So trat er ein und ließ auch mich betreten
Den ersten Kreis, der jene Kluft umschließt.
Andiam, ché la via lunga ne sospigne. »
Cosí si mise e cosí mi fé intrare
nel primo cerchio che l'abisso cigne.
027
Daselbst, soweit es mein Gehör vernahm,
Gab es Wehklagen nicht, vielmehr nur Seufzer,
Die hier die ew'ge Luft erzittern machten;
Quivi, secondo che per ascoltare,
non avea pianto mai che di sospiri
che l'aura etterna facevan tremare.
030
Und dies kam her von Schmerzen sonder Martern
Der Schaaren, deren's viel' und große gab
Von Kindern, wie von Frauen und von Männern.
Ciò avvenía di duol sanza martíri
ch' avean le turbe, ch' eran molte grandi
d'infanti e di femmine e di viri.
033
Da sprach der gute Meister: »Fragst du nicht,
Was das für Geister sind, die du dort siehst?
So wisse denn, bevor du weiter gehst,
Lo buon maestro a me: « Tu non dimandi
che spiriti son questi che tu vedi ?
Or vo' che sappi, innanzi che piú andi,
036
Daß sie nicht fehlten; haben sie Verdienst,
So gnügt es nicht, weil sie der Tauf' entbehren,
Des Glaubens Pforte, welchen du bekennst;
Ch' ei non peccaro ; e s' elli hanno mercedi,
non basta, perché non ebber battesmo,
ch' è porta de la fede che tu credi.
039
Und wenn sie vor dem Christenthume lebten,
Verehrten Gott sie nicht wie sich's gebührt:
Und so gehör' ich selbst zu jenen selben.
E se furon dinanzi al cristianesmo,
non adorar' debitamente a Dio :
e di questi cotai son io medesmo.
042
Ob solchen Mangels, nicht ob andrer Schuld
Sind wir verdammt und nur dadurch gequält,
Daß sonder Hoffnung wir in Sehnsucht leben.« -
Per tai difetti, non per altro rio,
semo perduti, e sol di tanto offesi,
che sanza speme vivemo in disio. »
045
Als ich dies hört', ergriff mich tiefer Schmerz,
Weil ich erkannte Leute großer Tugend,
Die in dem Zwischenreich des Vorhofs schwebten.
Gran duol mi prese al cor quando lo 'ntesi,
però che gente di molto valore
conobbi che 'n quel limbo eran sospesi.
048
»Sag mir, o Meister, sage, Herr, mir doch«,
Begann ich, weil gewiß ich werden wollte
Des Glaubens, welcher allen Wahn besiegt:
« Dimmi, maestro mio, dimmi, segnore, »
comincia' io per volere esser certo
di quella fede che vince ogne errore :
051
»Gelangt wer je hinaus, sei's durch sein eignes,
Sei es durch fremd Verdienst, zur Seligkeit?« -
Und er, der mein verhülltes Wort begriff,
« Uscicci mai alcuno, o per suo merto
o per altrui, che poi fosse beato? »
E quei, che 'ntese il mio parlar coperto,
054
Sprach jetzt: »Ich war erst kurz in diesem Zustand,
Als einen Mächt'gen [*]Jesus Christus. ich ankommen sah,
Der war gekrönet mit des Sieges Zeichen.
Rispuose : "Io era nuovo in questo stato,
quando ci vidi venire un possente,
con segno di vittoria coronato.
057
Er nahm hinweg von hier des Urahns Schatten,
Und Abels, seines Sohns, und den des Noah,
Des Moses, der Gesetz gab, Abraham,
Trasseci l'ombra del primo parente,
d'Abel suo figlio e quella di Noè,
di Moisè legista e obidente,
060
Den folgsamen Erzvater, König David,
Israel, nebst dem Vater und den Söhnen
Und Rahel auch, um die soviel er that,
Abraàm patriarca e Davíd re,
Israèl con lo padre e co' suoi nati
e con Rachele, per cui tanto fé ;
063
Und andre viel', und machte sie glückselig;
Und wissen sollst du, daß vor diesen niemals
Noch Menschenseelen draus erlöset worden.« -
E altri molti, e feceli beati ;
e vo' che sappi che, dinanzi ad essi,
spiriti umani non eran salvati. »
066
Nicht hemmten wir den Gang, dieweil er sprach,
Vielmehr durchschritten wir trotzdem den Wald,
Den Wald, mein ich, von dichten Geisterschaaren.
Non lasciavam l'andar perch' ei dicessi,
ma passavam la selva tuttavia,
la selva, dico, di spiriti spessi.
069
Noch waren wir nicht allzuweit gegangen
Vom obern Rand diesseit, da sah ein Feu'r ich,
Das einer Schattenhemisphär' obsiegte.
Non era lunga ancor la nostra via
di qua dal, quand' io vidi un foco
ch' emisperio di tenebre vincía.
072
Wir waren etwas noch von dort entfernt,
Doch so nicht, daß ich nicht zum Theil erkannt,
Daß ehrenwerthe Schaar den Ort einnähme.
Di lungi n'eravamo ancora un poco,
ma non sí ch' io non discernessi in parte
ch' orrevol gente possedea quel loco.
075
»O du, den jede Kunst und Weisheit ziert,
Wer sind die mit dem ehrenvollen Ansehn,
Das von der Andern Art sie unterscheidet?« -
« O tu ch' onori scienzia ed arte,
questi chi son, c' hanno cotanta onranza,
che dal modo de li altri li diparte ? »
078
Und er zu mir: »Der ehrenvolle Ruf,
Der fort von ihnen tönt im Leben droben,
Trägt Gnad' im Himmel ein, die so sie fördert.« -
E quelli a me: « L'onrata nominanza
che di lor suona su ne la tua vita,
grazia acquista in ciel che sí li avanza. »
081
Und mittlerweile hört' ich eine Stimme:
»Auf! Ehre sei dem sehr erhabnen Dichter!
Sein Schatten, der entfernt war, kehrt zurück!« -
Intanto voce fu per me udita :
« Onorate l'altissimo poeta ;
l'ombra sua torna, ch' era dipartita. »
084
Als aufgehört die Stimm' und stille schwieg,
Sah ich hervor vier große Schatten schreiten,
Von Ansehn weder traurig, noch auch heiter.
Poi che la voce fu restata e queta,
vidi quattro grand' ombre a noi venire :
sembianza avean né trista né lieta.
087
Da fing der gute Meister an zu sagen:
»Schau jenen mit dem Schwert in seiner Hand,
Der vor den andern wie ein Fürst einhergeht,
Lo buon maestro cominciò a dire :
« Mira colui con quella spada in mano,
che vien dinanzi ai tre sí come sire.
090
Das ist Homer, der oberste der Dichter.
Der andre, welcher folgt, Horaz der Spötter.
Ovid als dritter und Lucan als letzter.
Quelli è Omero poeta sovrano ;
l'altro è Orazio satiro che vene ;
Ovidio è 'l terzo, e l'ultimo Lucano.
093
Weil jeglicher von ihnen die Bezeichnung
Mit mir gemein hat, die die Stimm' ausrief,
Erweisen sie mir Ehr' und thun dran wohl.« -
Però che ciascun meco si convene
nel nome che sonò la voce sola,
fannomi onore, e di ciò fanno bene. »
096
So sah ich dort vereint die schöne Schule
Des Fürsten im erhabensten Gesange,
Der ob den andern wie ein Adler schwebt.
Cosí vidi adunar la bella scuola
di quel segnor de l'altissimo canto
che sovra li altri com' aquila vola.
099
Als sie ein wenig Zwiegespräch gehalten,
Sahn sie mich an mit grüßender Geberde,
Ob welcher Ehre lächelte mein Meister.
Da ch' ebber ragionato insieme alquanto,
volsersi a me con salutevol cenno ;
e 'l mio maestro sorrise di tanto.
102
Doch mehr erzeigten sie mir noch der Ehre;
Denn anreihn ließen sie mich ihrer Zahl,
So daß der Sechst' ich war bei solcher Weisheit.
E piú d'onore ancora assai mi fenno,
ch' ei sí mi fecer de la loro schiera,
sí ch' io fui sesto tra cotanto senno.
105
So gingen bis zum Lichtglanz wir selbander,
Von Dingen sprechend, drob zu schweigen schicklich,
Wie's dorten schicklich war, davon zu reden.
Cosí andammo infino a la lumera,
parlando cose che 'l tacere è bello,
sí com' era 'l parlar colà dov' era.
108
An edlen Schlosses Fuß gelangten wir,
Das hohe Mauern siebenfach umkreisten
Und das ein schönes Flüßchen rings umschloß.
Giugnemmo al piè d'un nobile castello,
sette volte cerchiato d'alte mura,
difeso intorno d'un bel fiumicello.
111
Das überschritten wir wie festen Boden.
Durch sieben Pforten ging ich mit den Weisen;
Aufnahm uns eine Au' mit frischem Grün.
Questo passammo come terra dura ;
per sette porte intrai con questi savi :
venimmo in prato di fresca verdura.
114
Dort waren Leute, langsam ernsten Blickes
Und würd'gen Ansehns in Geberd' und Mienen;
Sie sprachen wenig und mit sanfter Stimme.
Genti v'eran con occhi tardi e gravi,
di grande autorità ne' lor sembianti :
parlavan rado, con voci soavi.
117
Und nach der Seiten einer zogen wir
Zu offnem Platz, erhellt und hochgelegen,
So daß wir Alle dort beisammen sahn.
Traemmoci cosí da l'un de' canti,
in luogo aperto, luminoso e alto,
sí che veder si potean tutti quanti.
120
Grad gegenüber auf dem grünen Rasen,
Da wurden mir gezeigt die hohen Seelen,
Durch deren Schau ich selbst mich höher fühlte.
Colà diritto, sovra 'l verde smalto,
mi fuor' mostrati li spiriti magni,
che del vedere in me stesso n' esalto.
123
Ich sah Elektra dort mit viel Gefährten;
Hector erkannt' ich drunter und Aeneas,
Den Cäsar auch, bewehrt mit Adlerblick;
I' vidi Elettra con molti compagni,
tra' quai conobbi Ettor ed Enea,
Cesare armato con li occhi grifagni.
126
Camilla schaut' ich und Penthesilea
Zur andern Seit', und sah König Latinus,
Der bei Lavinia, seiner Tochter, saß;
Vidi Cammilla e la Pantasilea
da l'altra parte, e vidi 'l re Latino
che con Lavina sua figlia sedea.
129
Sah jenen Brutus, der Tarquin verjagte,
Lucretia, Julia, Martia und Cornelia,
Und seitwärts einsam sah ich Saladin.
Vidi quel Bruto che cacciò Tarquino,
Lucrezia, Iulia, Marzia e Corniglia ;
e solo in parte vidi il Saladino.
132
Als ich ein wenig mehr die Augen hob,
Sah ich den Meister derer, welche wissen,
Dort in der Philosophen Kreise sitzen,
Poi ch' innalzai un poco piú le ciglia,
vidi 'l maestro di color che sanno
seder tra filosofica famiglia.
135
All' ihn bewundern, all' ihm Ehr' entbietend.
Ich sah daselbst auch Sokrates und Platon,
Die näher ihm als alle Andern stehen;
Tutti lo miran, tutti onor li fanno :
quivi vid' io Socrate e Platone,
che 'nnanzi a li altri piú presso li stanno ;
138
Dann Demokrit, deß Welt auf Zufall ruht,
Thales, Diogen und Anaxagoras,
Zeno, Empedokles und Heraklit.
Democrito che 'l mondo a caso pone,
Diogenès, Anassagora e Tale,
Empedoclès, Eraclito e Zenone ;
141
Ich sah der Eigenschaften guten Sammler,
Ich meine Dioscorides, sah Orpheus,
Tullius und Livius, Seneca, den Lehrer
E vidi il buono accoglitor del quale,
Diascoride dico ; e vidi Orfeo,
Tullio e Livio e Seneca morale ;
144
Des Sittlichen, Euklid und Ptolomäus,
Hippokrates, Galen und Avicenna,
Averroës, den mächt'gen Kommentator.
Euclide geomètra e Tolomeo,
Ipocrate, Avicenna e Galieno,
Averroís, che 'l gran comento feo.
147
Nicht kann ich hier von Allen ganz berichten,
Da so der große Stoff mich weiter drängt,
Daß für die That oftmals das Wort nicht hinreicht.
Io non posso ritrar di tutti a pieno,
però che sí mi caccia il lungo tèma,
che molte volte al fatto il dir vien meno.
150
Um Zwei verminderte die Sechszahl sich:
Auf andrem Weg führt' mich der weise Führer
Aus jener ruh'gen in die Luft, die zittert;
La sesta compagnia in due si scema :
per altra via mi mena il savio duca,
fuor de la queta, ne l'aura che trema ;
153
Und dahin kam ich, wo nichts ist, was leuchtet.
E vegno in parte ove non è che luca.

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