003
Kein Höllendunkel, keine Nacht, beraubt
Jegliches Sternes, und von Wolken ganz
Verfinstert, unter einem dürft'gen Himmel
Buio d'inferno e di notte privata
d'ogne pianeto, sotto pover cielo,
quant'esser può di nuvol tenebrata,
006
Bildeten je so dichten Schleier mir,
Als jener Rauch, der uns allhier bedeckte,
Noch waren je so rauh sie dem Gefühle,
non fece al viso mio sì grosso velo
come quel fummo ch'ivi ci coperse,
né a sentir di così aspro pelo,
009
Daß sie das Aug' zu öffnen nicht erlaubten.
Weshalb mein kundiger und treuer Führer
Zu mir hintrat und mir die Schulter bot.
che l'occhio stare aperto non sofferse;
onde la scorta mia saputa e fida
mi s'accostò e l'omero m'offerse.
012
Wie hinter seinem Führer geht der Blinde,
Um nicht zu irren und nicht anzustoßen
An etwas, das ihn schmerze oder tödte:
Sì come cieco va dietro a sua guida
per non smarrirsi e per non dar di cozzo
in cosa che 'l molesti, o forse ancida,
015
So ging ich durch die herbe trübe Luft,
Auf meinen Führer horchend, der da sprach:
Gieb Acht, daß du von mir getrennt nicht werdest!
m'andava io per l'aere amaro e sozzo,
ascoltando il mio duca che diceva
pur: "Guarda che da me tu non sia mozzo".
018
Ich hörte Stimmen, und jegliche schien
Um Frieden und Erbarmen anzuflehen
Jenes Lamm Gottes, das die Sünden trägt.
Io sentia voci, e ciascuna pareva
pregar per pace e per misericordia
l'Agnel di Dio che le peccata leva.
021
Mit Agnus Dei begannen immer sie;
Ein Wort und Eine Weise war in allen,
Daß volle Eintracht unter ihnen schien.
Pur 'Agnus Dei' eran le loro essordia;
una parola in tutte era e un modo,
sì che parea tra esse ogne concordia.
024
Sind Geister dies, mein Meister, die ich höre?
Sprach ich; und er zu mir: Du ahnest richtig:
Des Zornes Fessel aufzulösen gehn sie.
"Quei sono spirti, maestro, ch'i' odo?",
diss'io. Ed elli a me: "Tu vero apprendi,
e d'iracundia van solvendo il nodo".
027
Wer bist denn du, der unsern Rauch durchschneidet,
Und von uns also redest, als ob du
Die Zeit noch theiltest nach des Mondes Vierteln?
"Or tu chi se' che 'l nostro fummo fendi,
e di noi parli pur come se tue
partissi ancor lo tempo per calendi?".
030
So ward von einer Stimme uns gesagt;
Weshalb mein Meister sprach: Antworte du,
Und frag', ob man von hier empor mag steigen.
Così per una voce detto fue;
onde 'l maestro mio disse: "Rispondi,
e domanda se quinci si va sùe".
033
Und ich: O Seele, die du hier dich reinigst,
Um schön zu dem zu kehren, der dich schuf,
Willst du mir beistehn, sollst du Wunder hören.
E io: "O creatura che ti mondi
per tornar bella a colui che ti fece,
maraviglia udirai, se mi secondi".
036
Ich folge dir, so weit es mir erlaubt,
Antwortet' er, und läßt der Rauch nicht sehen,
So wird das Hören uns beisammen halten.
"Io ti seguiterò quanto mi lece",
rispuose; "e se veder fummo non lascia,
l'udir ci terrà giunti in quella vece".
039
Darauf begann ich: Mit den Fesseln steig ich
Empor, die nur der Tod uns löst, und bin
Hierher gekommen durch der Hölle Qualen.
Allora incominciai: "Con quella fascia
che la morte dissolve men vo suso,
e venni qui per l'infernale ambascia.
042
Und so mich Gott also in seine Gnade
Geschlossen, daß er seinen Hof mir zeige,
Auf eine früher nie erhörte Weise:
E se Dio m' ha in sua grazia rinchiuso,
tanto che vuol ch'i' veggia la sua corte
per modo tutto fuor del moderno uso,
045
Verbirg mir nicht, wer du warst vor dem Tode,
Sag' mir's, und sag' ob ich auf rechtem Wege,
Und deine Worte seien unsre Führer.
non mi celar chi fosti anzi la morte,
ma dilmi, e dimmi s'i' vo bene al varco;
e tue parole fier le nostre scorte".
048
Lombarde war ich, und Markus genannt,
Kundig der Welt, und jene Tugend liebt' ich,
Auf welche keines Bogen jetzt gespannt ist.
"Lombardo fui, e fu' chiamato Marco;
del mondo seppi, e quel valore amai
al quale ha or ciascun disteso l'arco.
051
Du gehst ganz recht, wenn du empor willst steigen.
So sprach er, und fügt' noch hinzu: Ich bitte
Daß, wenn du oben, du dann für mich bittest.
Per montar sù dirittamente vai".
Così rispuose, e soggiunse: "I' ti prego
che per me prieghi quando sù sarai".
054
Und ich zu ihm: Mein Wort verpfänd' ich dir
Zu thun was du begehrest, doch vergeh ich
An einem Zweifel, kann ich ihn nicht lösen.
E io a lui: "Per fede mi ti lego
di far ciò che mi chiedi; ma io scoppio
dentro ad un dubbio, s'io non me ne spiego.
057
Erst war er einfach, doppelt ist er jetzt,
Wenn ich dein Wort, das mir Gewißheit giebt,
Mit anderswo Gehörtem jetzt verbinde.
Prima era scempio, e ora è fatto doppio
ne la sentenza tua, che mi fa certo
qui, e altrove, quello ov'io l'accoppio.
060
Wohl ist die Welt, wie du es ausgesprochen,
Durchaus von jeder Tugend jetzt verlassen,
Und ganz bedeckt und schwanger nur von Bosheit:
Lo mondo è ben così tutto diserto
d'ogne virtute, come tu mi sone,
e di malizia gravido e coverto;
063
Doch bitt' ich, daß du mir den Grund anzeigest,
Daß ich ihn seh' und andern ihn anzeige;
Denn der sucht ihn im Himmel, der auf Erden.
ma priego che m'addite la cagione,
sì ch'i' la veggia e ch'i' la mostri altrui;
ché nel cielo uno, e un qua giù la pone".
066
Erst einen Seufzer, den der Schmerz in Ach!
Verwandelte, ausstoßend sprach er: Bruder,
Die Welt ist blind, und wohl kommst du von ihr.
Alto sospir, che duolo strinse in "uhi!",
mise fuor prima; e poi cominciò: "Frate,
lo mondo è cieco, e tu vien ben da lui.
069
Ihr, die ihr lebet, leitet jeden Grund
Stets nur vom Himmel ab, als ob er alles
Mit sich bewegte mit Nothwendigkeit.
Voi che vivete ogne cagion recate
pur suso al cielo, pur come se tutto
movesse seco di necessitate.
072
Wär's so, wär' ja der freie Will' in euch
Zerstört, und nicht mit Recht könntet ihr erndten
Vom Guten Freud' und von der Sünde Trauer.
Se così fosse, in voi fora distrutto
libero arbitrio, e non fora giustizia
per ben letizia, e per male aver lutto.
075
Es weckt der Himmel eure ersten Triebe,
Nicht alle, sag' ich, doch gesetzt ich sagt' es,
Könnt' ihr doch Gut und Böse unterscheiden.
Lo cielo i vostri movimenti inizia;
non dico tutti, ma, posto ch'i' 'l dica,
lume v'è dato a bene e a malizia,
078
Habt freien Willen, der, wenn in den ersten
Kampf mit dem Himmel er nur Stand hielt, dann
Wenn er sich stärket, alles überwindet.
e libero voler; che, se fatica
ne le prime battaglie col ciel dura,
poi vince tutto, se ben si notrica.
081
Frei unterworfen einer größren Kraft
Und höhrem Wesen seid ihr, und die schaffen
Den Geist in euch, um den nicht sorgt der Himmel.
A maggior forza e a miglior natura
liberi soggiacete; e quella cria
la mente in voi, che 'l ciel non ha in sua cura.
084
Deshalb, wenn abgewichen jetzt die Welt ist,
Ist's eure Schuld, in euch muß man sie suchen;
Das will ich nun ganz deutlich dir erklären.
Però, se 'l mondo presente disvia,
in voi è la cagione, in voi si cheggia;
e io te ne sarò or vera spia.
087
Es kommt aus seiner Hand, die ihr liebkoset
Eh' sie noch ist, nach Kinder Weise scherzend,
Einfältiglich, die Seele, die von nichts weiß;
Esce di mano a lui che la vagheggia
prima che sia, a guisa di fanciulla
che piangendo e ridendo pargoleggia,
090
Bald lächelnd und bald weinend tändelt sie,
Nur daß, ausgehend von dem sel'gen Schöpfer,
Sie gern zu dem, was sie erfreut, zurückkehrt.
l'anima semplicetta che sa nulla,
salvo che, mossa da lieto fattore,
volontier torna a ciò che la trastulla.
093
Zuerst fühlt sie die Lust an kleinem Gute,
Und eilt getäuscht ihm nach, wenn ihre Liebe
Von Leitung oder Zügel nicht gelenkt wird.
Di picciol bene in pria sente sapore;
quivi s'inganna, e dietro ad esso corre,
se guida o fren non torce suo amore.
096
Drum mußt' als Zügel man Gesetze haben,
Mußt' einen König haben, der erkännte
Zum mindesten den Thurm der wahren Stadt.
Onde convenne legge per fren porre;
convenne rege aver, che discernesse
de la vera cittade almen la torre.
099
Gesetze giebt es, doch wer hält darauf?
Niemand! dieweil der Hirte, der vorangeht,
Zwar wiederkäut, doch nicht gespaltnen Hufs ist.
Le leggi son, ma chi pon mano ad esse?
Nullo, però che 'l pastor che procede,
rugumar può, ma non ha l'unghie fesse;
102
Weshalb das Volk, das seinen Führer sieht,
Nur zielen nach dem Gut, wonach es gierig,
Sich davon nährt, und nicht nach andrem fragt.
per che la gente, che sua guida vede
pur a quel ben fedire ond'ella è ghiotta,
di quel si pasce, e più oltre non chiede.
105
Wohl kannst du sehen, daß die üble Leitung
Der Grund ist, der die Welt so schlecht gemacht,
Und nicht Natur, die in euch wär' verdorben.
Ben puoi veder che la mala condotta
è la cagion che 'l mondo ha fatto reo,
e non natura che 'n voi sia corrotta.
108
Es pflegte Rom, das gut die Welt geordnet,
Zwei Sonnen zu besitzen, die die beiden
Wege, der Welt und Gottes, zeigen konnten.
Soleva Roma, che 'l buon mondo feo,
due soli aver, che l'una e l'altra strada
facean vedere, e del mondo e di Deo.
111
Die eine hat erstickt die andre, und
Zum Hirtenstab das Schwert gefügt, so daß
Sie beide nun nothwendig übel wandeln,
L'un l'altro ha spento; ed è giunta la spada
col pasturale, e l'un con l'altro insieme
per viva forza mal convien che vada;
114
Weil nun vereint das eine nicht das andre
Mehr fürchtet. Glaubst du's nicht, sieh auf die Frucht;
Denn jede Pflanz' erkennt man an dem Saamen.
però che, giunti, l'un l'altro non teme:
se non mi credi, pon mente a la spiga,
ch'ogn'erba si conosce per lo seme.
117
Im Lande, das wie Etsch so Po bewässern,
War Tapferkeit und edler Sinn zu finden,
Bevor der Kampf mit Friederich begann.
In sul paese ch'Adice e Po riga,
solea valore e cortesia trovarsi,
prima che Federigo avesse briga;
120
Jetzt kann mit Sicherheit allda hindurchgehn
Und sich anschließen, wer aus Schamgefühl
Den Umgang mit den Guten ausgegeben.
or può sicuramente indi passarsi
per qualunque lasciasse, per vergogna,
di ragionar coi buoni o d'appressarsi.
123
Wohl giebt's drei Greise noch, die da beschämen
Die neue Zeit, und denen spät es dünket,
Daß Gott in's bessre Leben sie versetze.
Ben v'èn tre vecchi ancora in cui rampogna
l'antica età la nova, e par lor tardo
che Dio a miglior vita li ripogna:
126
Der gute Gerhard, Conrad von Palazzo
Und Guido von Castel, den fränkisch man
Den einfachen Lombarden besser nennt.
Currado da Palazzo e 'l buon Gherardo
e Guido da Castel, che mei si noma,
francescamente, il semplice Lombardo.
129
So sage denn nunmehr, daß Roma's Kirche,
Weil zwei Gewalten sie in sich vereinet,
In Koth fällt, und die Bürd' und sich besudelt.
Dì oggimai che la Chiesa di Roma,
per confondere in sé due reggimenti,
cade nel fango, e sé brutta e la soma".
132
Wohl urtheilest du recht, sprach ich, mein Markus;
Und nun erkenn' ich, weshalb von der Erbschaft
Die Söhne Levi's ausgeschlossen waren.
"O Marco mio", diss'io, "bene argomenti;
e or discerno perché dal retaggio
li figli di Levì furono essenti.
135
Doch welcher Gerhard ist's, den du als Probe
Erloschnen Volkes nennst zurückgeblieben,
Als Vorwurf dem verwilderten Jahrhundert?
Ma qual Gherardo è quel che tu per saggio
di' ch'è rimaso de la gente spenta,
in rimprovèro del secol selvaggio?".
138
Entweder täuscht mich, oder es versucht mich
Dein Wort, sprach er, da du toskanisch redend,
Vom guten Gerhard nichts zu wissen scheinst.
"O tuo parlar m'inganna, o el mi tenta",
rispuose a me; "ché, parlandomi tosco,
par che del buon Gherardo nulla senta.
141
Ich kenn' ihn nicht mit anderm Beinamen,
Ich nähm' ihn denn von seiner Tochter Gaja.
Gott sei mit euch! denn mehr geh ich mit euch nicht.
Per altro sopranome io nol conosco,
s'io nol togliessi da sua figlia Gaia.
Dio sia con voi, ché più non vegno vosco.
144
Sieh, wie die Helle, die dort aus dem Rauch strahlt,
Schon dämmert, und da muß ich mich entfernen;
Dort ist der Engel, eh' er noch sich zeigt.
Vedi l'albor che per lo fummo raia
già biancheggiare, e me convien partirmi
(l'angelo è ivi) prima ch'io li paia".
147
So sprach er, und wollt' weiter mich nicht hören.
Così tornò, e più non volle udirmi.

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