003
Wer ist nur der, der unsern Berg umkreiset,
Und wie er will die Augen schließt und öffnet,
Bevor der Tod den Flug ihm hat gegeben?
"Chi è costui che 'l nostro monte cerchia
prima che morte li abbia dato il volo,
e apre li occhi a sua voglia e coverchia?".
006
Ich weiß nicht wer, doch ist er nicht allein;
Frag' du ihn, da du näher dich befindest,
Und red' ihn freundlich an, auf daß er spreche!
"Non so chi sia, ma so ch'e' non è solo;
domandal tu che più li t'avvicini,
e dolcemente, sì che parli, acco' lo".
009
So redeten von mir zur rechten Hand
Zwei Geister, die sich zu einander neigten,
Den Kopf dann hoben, um mit mir zu sprechen.
Così due spirti, l'uno a l'altro chini,
ragionavan di me ivi a man dritta;
poi fer li visi, per dirmi, supini;
012
Der eine sprach: O Seele, die geheftet
Noch in dem Körper schon zum Himmel steigst,
Erfreue aus Erbarmen uns und sage
e disse l'uno: "O anima che fitta
nel corpo ancora inver' lo ciel ten vai,
per carità ne consola e ne ditta
015
Woher und wer bist du? denn diese Gnade,
Die dir verliehn, setzt mehr uns in Erstaunen,
Als sonst ein Ding, das nie zuvor gewesen.
onde vieni e chi se'; ché tu ne fai
tanto maravigliar de la tua grazia,
quanto vuol cosa che non fu più mai".
018
Es breitet mitten durch Toskana sich
Ein Fluß, sprach ich, deß Quell in Falterona,
Und hundert Miglien Laufs sätt'gen ihn nicht;
E io: "Per mezza Toscana si spazia
un fiumicel che nasce in Falterona,
e cento miglia di corso nol sazia.
021
Von seinen Ufern bring' ich diesen Leib her.
Euch sagen, wer ich sei, wär' eitles Reden,
Da noch nicht sehr mein Name sich verbreitet.
Di sovr'esso rech'io questa persona:
dirvi ch'i' sia, saria parlare indarno,
ché 'l nome mio ancor molto non suona".
024
Wenn deine Meinung ich recht aufgefaßt
Im Geist, erwiderte darauf derselbe,
Der erst gesprochen, meinest du den Arno.
"Se ben lo 'ntendimento tuo accarno
con lo 'ntelletto", allora mi rispuose
quei che diceva pria, "tu parli d'Arno".
027
Der andre sprach zu ihm: Weshalb verbarg
Nur dieser hier den Namen jenes Flusses,
Wie man es pflegt mit Gräulichem zu machen?
E l'altro disse lui: "Perché nascose
questi il vocabol di quella riviera,
pur com'om fa de l'orribili cose?".
030
Und jener Schatten der gefraget worden,
Erwiderte sogleich: Nicht weiß ich's, doch
Verdient der Name jenes Thals zu schwinden;
E l'ombra che di ciò domandata era,
si sdebitò così: "Non so; ma degno
ben è che 'l nome di tal valle pèra;
033
Denn gleich vom Ursprung an, wo so geschwängert
Der Berg mit Wasser ist, von dem Pelorus
Sich losgerissen, daß er nirgend reicher
ché dal principio suo, ov'è sì pregno
l'alpestro monte ond'è tronco Peloro,
che 'n pochi luoghi passa oltra quel segno,
036
Bis dahin, wo sich als Ersatz ergießt
Was von dem Meer der Himmel aufgesogen,
Woher die Flüsse haben was sie führen,
infin là 've si rende per ristoro
di quel che 'l ciel de la marina asciuga,
ond' hanno i fiumi ciò che va con loro,
039
Verfolgt die Tugend man wie eine Schlange,
Sei's Mißgeschick des Ortes, oder sei's
Ueble Gewohnheit, die sie so antreibet.
vertù così per nimica si fuga
da tutti come biscia, o per sventura
del luogo, o per mal uso che li fruga:
042
Weshalb denn so ihre Natur verwandelt
Dieses elenden Thals Bewohner, daß
Es scheint, als habe Circe sie geweidet.
ond' hanno sì mutata lor natura
li abitator de la misera valle,
che par che Circe li avesse in pastura.
045
Den ersten dürft'gen Lauf vollbringet er
Durch schmutz'ge Säue, die der Eichelkost
Mehr als der Menschenspeise würdig sind.
Tra brutti porci, più degni di galle
che d'altro cibo fatto in uman uso,
dirizza prima il suo povero calle.
048
Dann, weiter abwärts findet Kläffer er,
Die biss'ger sind als ihre Macht es zuläßt;
Den Rücken wendet er unwillig ihnen.
Botoli trova poi, venendo giuso,
ringhiosi più che non chiede lor possa,
e da lor disdegnosa torce il muso.
051
Und wie er anschwillt, weiter abwärts fließend,
Jener verwünschte, unglücksel'ge Graben,
Verwandeln sich die Hunde mehr in Wölfe.
Vassi caggendo; e quant'ella più 'ngrossa,
tanto più trova di can farsi lupi
la maladetta e sventurata fossa.
054
Hinabgestiegen dann, durch dunkle Klüfte
Findet die Füchse er so voller Arglist,
Daß keinen Geist sie fürchten, der sie meistre.
Discesa poi per più pelaghi cupi,
trova le volpi sì piene di froda,
che non temono ingegno che le occùpi.
057
Nicht will ich schweigen, ob auch wer mich höre,
Und gut wird's diesem sein, erinnert er sich
An das, was wahrer Geist mir offenbaret.
Né lascerò di dir perch'altri m'oda;
e buon sarà costui, s'ancor s'ammenta
di ciò che vero spirto mi disnoda.
060
Ich sehe deinen Neffen, der geworden
Zum Jäger jener Wölfe, an dem Ufer
Des grausen Flusses, und sie all' einschüchtert.
Io veggio tuo nepote che diventa
cacciator di quei lupi in su la riva
del fiero fiume, e tutti li sgomenta.
063
Ihr Fleisch verkauft er, während sie am Leben,
Wie altes Schlachtvieh tödtet er sie dann,
Des Lebens viele, sich des Ruhms beraubend.
Vende la carne loro essendo viva;
poscia li ancide come antica belva;
molti di vita e sé di pregio priva.
066
Blutig tritt er aus diesem grausen Walde,
Und läßt ihn so, daß wohl in tausend Jahren,
Zum frühren Stande er sich nicht bewaldet.
Sanguinoso esce de la trista selva;
lasciala tal, che di qui a mille anni
ne lo stato primaio non si rinselva".
069
Wie beim Verkündigen zukünft'gen Unheils
Sich trübt das Antlitz dessen, der es höret,
Von welcher Seit' auch die Gefahr ihm drohe,
Com'a l'annunzio di dogliosi danni
si turba il viso di colui ch'ascolta,
da qual che parte il periglio l'assanni,
072
So sah die andre Seel' ich, die gewendet
Zum Hören stand, bestürzt und traurig werden,
Nachdem das Wort sie in sich aufgenommen.
così vid'io l'altr'anima, che volta
stava a udir, turbarsi e farsi trista,
poi ch'ebbe la parola a sé raccolta.
075
Der einen Rede und der andern Anblick
Machte begierig mich nach ihren Namen,
Und meiner Frage fügt' ich Bitten bei.
Lo dir de l'una e de l'altra la vista
mi fer voglioso di saper lor nomi,
e dimanda ne fei con prieghi mista;
078
Weshalb der Geist, der erst zu mir gesprochen,
Wieder begann: Du willst, daß ich mich neige,
Dir das zu thun, was du mir selbst nicht thun willst:
per che lo spirto che di pria parlòmi
ricominciò: "Tu vuo' ch'io mi deduca
nel fare a te ciò che tu far non vuo' mi.
081
Doch da Gott will, daß seine Gnad' an dir
So sehr erglänze, will auch ich nicht karg sein.
Drum wisse, daß ich bin Guido del Duca.
Ma da che Dio in te vuol che traluca
tanto sua grazia, non ti sarò scarso;
però sappi ch'io fui Guido del Duca.
084
Es war mein Blut von Scheelsucht so entbrannt,
Daß wenn ich wen vergnügt gesehen, du mich
Gesehn mit Neides Blässe übergossen.
Fu il sangue mio d'invidia sì rïarso,
che se veduto avesse uom farsi lieto,
visto m'avresti di livore sparso.
087
Von meiner Aussaat erndt' ich solches Stroh.
O Menschheit, warum heftest du dein Herz
An Dinge, die Gemeinschaft nicht ertragen!
Di mia semente cotal paglia mieto;
o gente umana, perché poni 'l core
là 'v'è mestier di consorte divieto?
090
Dieser ist Rainer, dies der Preis, die Ehre
Des Hauses Calboli, von welchem keiner
Zum Erben seiner Tugend sich gemacht.
Questi è Rinier; questi è 'l pregio e l'onore
de la casa da Calboli, ove nullo
fatto s'è reda poi del suo valore.
093
Und nicht sein Blut allein ist jetzt entblößt,
Zwischen dem Po, dem Berg, dem Meer, dem Reno,
Des Guts, das dient zur Wahrheit und zur Freude,
E non pur lo suo sangue è fatto brullo,
tra 'l Po e 'l monte e la marina e 'l Reno,
del ben richesto al vero e al trastullo;
096
Denn inner dieser Grenzen ist's so voll
Von giftigem Gestrüpp, daß es nur spät
Durch Anbau könnte ausgerottet werden.
ché dentro a questi termini è ripieno
di venenosi sterpi, sì che tardi
per coltivare omai verrebber meno.
099
Wo sind der wackre Lizio, wo Manardi,
Pier Traversar' und Guido von Carpigna!
Wie seid ihr Romagnuolen ausgeartet!
Ov'è 'l buon Lizio e Arrigo Mainardi?
Pier Traversaro e Guido di Carpigna?
Oh Romagnuoli tornati in bastardi!
102
Wann sieht Bologna wieder einen Fabbro?
Faenza einen Bernardin di Fosco?
Ein edles Reis aus niederm Kraut entsprossen.
Quando in Bologna un Fabbro si ralligna?
quando in Faenza un Bernardin di Fosco,
verga gentil di picciola gramigna?
105
Wundre dich nicht, o Tusker, daß ich weine,
Wenn ich gedenke des Guido da Prata,
Ugolin's d'Azzo, der mit uns gelebet,
Non ti maravigliar s'io piango, Tosco,
quando rimembro, con Guido da Prata,
Ugolin d'Azzo che vivette nosco,
108
Friedrichs Tignoso's und seiner Genossen,
Der Traversara und der Anastagi;
Und beide Häuser sind jetzt ohne Erben!
Federigo Tignoso e sua brigata,
la casa Traversara e li Anastagi
(e l'una gente e l'altra è diretata),
111
Der Frau'n und Ritter Leiden so wie Freuden,
Die Lieb' und Edelsinn in uns erweckten,
Da wo die Herzen jetzt so schlecht geworden.
le donne e ' cavalier, li affanni e li agi
che ne 'nvogliava amore e cortesia
là dove i cuor son fatti sì malvagi.
114
O Brettinoro, warum fliehst du nicht!
Da dein Geschlecht schon ist davon gegangen,
Und vieles Volk, um nicht verderbt zu werden.
O Bretinoro, ché non fuggi via,
poi che gita se n'è la tua famiglia
e molta gente per non esser ria?
117
Wohl thut Bagnacavall, daß es nicht züchtet,
Und übel Castrocaro, schlimmer Conio,
Das solche Grafen zu erzeugen strebt.
Ben fa Bagnacaval, che non rifiglia;
e mal fa Castrocaro, e peggio Conio,
che di figliar tai conti più s'impiglia.
120
Recht werden die Pagani thun, sobald nur
Ihr Satan fort; jedoch nicht so daß rein
Von ihnen je ein Zeugniß übrig bliebe.
Ben faranno i Pagan, da che 'l demonio
lor sen girà; ma non però che puro
già mai rimagna d'essi testimonio.
123
O Ugolin di Fantoli, dein Name
Ist sicher nun, da keinen man erwartet,
Der aus der Art geschlagen ihn verdunkle.
O Ugolin de' Fantolin, sicuro
è 'l nome tuo, da che più non s'aspetta
chi far lo possa, tralignando, scuro.
126
Doch geh nun fort, Toskaner! denn viel mehr
Hab ich jetzt Lust zu weinen als zu reden:
So hat unser Gespräch mein Herz beklemmet.
Ma va via, Tosco, omai; ch'or mi diletta
troppo di pianger più che di parlare,
sì m' ha nostra ragion la mente stretta".
129
Wir wußten, daß die theuren Seelen uns
Fort gehen hörten, und da sie nun schwiegen
Flößten sie uns Vertraun zum Wege ein.
Noi sapavam che quell'anime care
ci sentivano andar; però, tacendo,
facëan noi del cammin confidare.
132
Als vorwärts schreitend wir allein geblieben,
Kam eine Stimme uns entgegen, die
Dem Blitze gleich, wenn er die Luft durchschneidet.
Poi fummo fatti soli procedendo,
folgore parve quando l'aere fende,
voce che giunse di contra dicendo:
135
Es wird mich tödten wer mein habhaft wird!
Sprach sie und floh, dem Donner gleich verhallend,
Wenn er die Wolken plötzlich hat durchbrochen.
'Anciderammi qualunque m'apprende';
e fuggì come tuon che si dilegua,
se sùbito la nuvola scoscende.
138
Als dann unser Gehör von ihr befreit war,
Erklang die andre mit so starkem Krachen,
Daß sie dem Donner glich, der gleich dem Blitz folgt.
Come da lei l'udir nostro ebbe triegua,
ed ecco l'altra con sì gran fracasso,
che somigliò tonar che tosto segua:
141
Ich bin Aglauros die zum Felsen ward.
Und ich, um an den Dichter mich zu schmiegen,
Trat nun nicht vorwärts, sondern mehr zurück.
"Io sono Aglauro che divenni sasso";
e allor, per ristrignermi al poeta,
in destro feci, e non innanzi, il passo.
144
Schon war die Luft von allen Seiten ruhig,
Als er zu mir: Das ist der harte Zügel,
Der jeden sollt' in seinen Schranken halten;
Già era l'aura d'ogne parte queta;
ed el mi disse: "Quel fu 'l duro camo
che dovria l'uom tener dentro a sua meta.
147
Doch ihr verschlingt den Köder, so daß euch
Des alten Feindes Haken zu ihm zieht,
Und drum hilft wenig Zügel oder Zuruf.
Ma voi prendete l'esca, sì che l'amo
de l'antico avversaro a sé vi tira;
e però poco val freno o richiamo.
150
Es ruft der Himmel euch, der euch umkreiset,
Die ewigen Schönheiten offenbarend,
Und euer Auge schaut doch nur zu Boden:
Chiamavi 'l cielo e 'ntorno vi si gira,
mostrandovi le sue bellezze etterne,
e l'occhio vostro pur a terra mira;
153
Drum schlägt euch der, der alles wohl erkannt.
onde vi batte chi tutto discerne".
156

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