003
Schon war die Sonne zu dem Horizonte
Gekommen, dessen Mittagskreis bedecket
Jerusalem mit seinem höchsten Punkte;
Già era 'l sole a l'orizzonte giunto
lo cui meridïan cerchio coverchia
Ierusalèm col suo più alto punto;
006
Die Nacht indeß, die ihr entgegen kreiset,
Trat aus dem Ganges vor, mitsammt der Wage,
Die ihr entschlüpft, sowie die Nächte wachsen:
e la notte, che opposita a lui cerchia,
uscia di Gange fuor con le Bilance,
che le caggion di man quando soverchia;
009
So daß die weißen und die rothen Wangen
Der lieblichen Aurora, wo ich war,
Vom Alter dunkler schon gefärbet waren.
sì che le bianche e le vermiglie guance,
là dov'i' era, de la bella Aurora
per troppa etate divenivan rance.
012
Wir standen immer noch am Meeresufer,
Wie Leute, die den Weg sich überlegend,
Im Geist wohl wandern, doch der Leib bleibt stehn.
Noi eravam lunghesso mare ancora,
come gente che pensa a suo cammino,
che va col cuore e col corpo dimora.
015
Und siehe, gleich wie in des Morgens Nähe
Mars durch die dicken Dünste glühet, tief
Am Abendhimmel auf des Meeres Ebne,
Ed ecco, qual, sorpreso dal mattino,
per li grossi vapor Marte rosseggia
giù nel ponente sovra 'l suol marino,
018
Erschien mir, und möcht' ich es wiedersehen!
Ein Licht, das über's Meer so schnell daherkam,
Daß keines Vogels Flug ihm zu vergleichen.
cotal m'apparve, s'io ancor lo veggia,
un lume per lo mar venir sì ratto,
che 'l muover suo nessun volar pareggia.
021
Nachdem von ihm das Aug' ich nur ein wenig
Gewendet, um den Führer zu befragen,
War leuchtender und größer es geworden.
Dal qual com'io un poco ebbi ritratto
l'occhio per domandar lo duca mio,
rividil più lucente e maggior fatto.
024
Zuerst sah ich an jeder Seit' ein Weißes,
Ich weiß nicht was, an ihm, und weiter unten
Trat noch ein solches nach und nach hervor.
Poi d'ogne lato ad esso m'appario
un non sapeva che bianco, e di sotto
a poco a poco un altro a lui uscìo.
027
Noch sprach kein Wort der Meister, bis die ersten
Der Weißen sich als Flügel offenbarten.
Dann als den Steuermann er wohl erkannte,
Lo mio maestro ancor non facea motto,
mentre che i primi bianchi apparver ali;
allor che ben conobbe il galeotto,
030
Rief er: Mach', mach', daß du die Knie beugest!
Sieh' Gottes Engel dort! falte die Hände!
Von nun an wirst du solche Diener sehen.
gridò: "Fa, fa che le ginocchia cali.
Ecco l'angel di Dio: piega le mani;
omai vedrai di sì fatti officiali.
033
Schau, wie er jede Menschenkunst verschmäht,
Wie er der Flügel nur bedarf statt Ruder,
Und statt der Segel zu so weiter Fahrt!
Vedi che sdegna li argomenti umani,
sì che remo non vuol, né altro velo
che l'ali sue, tra liti sì lontani.
036
Schau, wie er sie zum Himmel hat erhoben,
Die Lüfte schlagend mit den ew'gen Federn,
Die nicht wie sterbliches Gefieder wechseln!
Vedi come l' ha dritte verso 'l cielo,
trattando l'aere con l'etterne penne,
che non si mutan come mortal pelo"
039
Je mehr und mehr die göttliche Gestalt
Sich nähert', um so glänzender erschien sie,
Daß in der Näh' es nicht ertrug das Auge;
Poi, come più e più verso noi venne
l'uccel divino, più chiaro appariva:
per che l'occhio da presso nol sostenne,
042
Drum senkt' ich es, und jener kam ans Ufer
Mit einem schnellen und so leichten Fahrzeug,
So daß das Wasser nichts davon verschlang.
ma chinail giuso; e quei sen venne a riva
con un vasello snelletto e leggero,
tanto che l'acqua nulla ne 'nghiottiva.
045
Am Hintertheile stand des Himmels Fährmann,
Deß Seligkeit man auf dem Antlitz las.
Und mehr denn hundert Geister saßen drin.
Da poppa stava il celestial nocchiero,
tal che faria beato pur descripto;
e più di cento spirti entro sediero.
048
In exitu Israel de Aegypto
Sangen sie alle mit vereinter Stimme,
Nebst dem, was in dem Psalme weiter folgt.
'In exitu Isräel de Aegypto'
cantavan tutti insieme ad una voce
con quanto di quel salmo è poscia scripto.
051
Drauf segnet' er sie mit des Kreuzes Zeichen,
Worauf sie alle sich ans Ufer warfen,
Und er zog fort, so schnell wie er gekommen.
Poi fece il segno lor di santa croce;
ond'ei si gittar tutti in su la piaggia:
ed el sen gì, come venne, veloce.
054
Der Haufen, der allhier zurückblieb, schien,
Des Orts unkundig rings sich umzusehen,
Wie wer ihm gänzlich Neues soll erfahren.
La turba che rimase lì, selvaggia
parea del loco, rimirando intorno
come colui che nove cose assaggia.
057
Nach allen Seiten sendete die Sonne
Das Licht, und hatte mit den hellen Pfeilen
Vom Mittagskreis den Steinbock schon vertrieben,
Da tutte parti saettava il giorno
lo sol, ch'avea con le saette conte
di mezzo 'l ciel cacciato Capricorno,
060
Als jenes neue Volk die Stimm' erhob
Zu uns, und zu uns sprach: Wenn ihr ihn wisset,
Zeigt uns den Weg zum Berge zu gelangen!
quando la nova gente alzò la fronte
ver' noi, dicendo a noi: "Se voi sapete,
mostratene la via di gire al monte"
063
Virgil antwortete: Ihr glaubt vielleicht,
Daß wir des Ortes kundig seien, doch
Wir sind Fremdlinge hier, so gut wie ihr.
E Virgilio rispuose: "Voi credete
forse che siamo esperti d'esto loco;
ma noi siam peregrin come voi siete.
066
Wir sind vorhin gekommen, kurz vor euch,
Auf anderm Wege, der so rauh und mühsam,
Daß jedes Steigen jetzt ein Spiel uns sein wird.
Dianzi venimmo, innanzi a voi un poco,
per altra via, che fu sì aspra e forte,
che lo salire omai ne parrà gioco"
069
Die Seelen, die am Athmen wahrgenommen,
Daß zu den Lebenden ich noch gehörte,
Verfärbten gänzlich vor Erstaunen sich
L'anime, che si fuor di me accorte,
per lo spirare, ch'i' era ancor vivo,
maravigliando diventaro smorte.
072
Und wie zum Boten, der den Oelzweig bringt,
Das Volk sich drängt, um Neuigkeit zu hören,
Und keiner das Getretenwerden scheut,
E come a messagger che porta ulivo
tragge la gente per udir novelle,
e di calcar nessun si mostra schivo,
075
So hefteten die sel'gen Seelen alle
Auf mein Gesicht die Blicke, fast vergessend
Dahin zu gehn, um schöner noch zu werden.
così al viso mio s'affisar quelle
anime fortunate tutte quante,
quasi oblïando d'ire a farsi belle.
078
Und eine sah ich, die mit solcher Liebe
Vortrat, mich zu umarmen, daß sie mich
Das Aehnliche an ihr zu thun bewog.
Io vidi una di lor trarresi avante
per abbracciarmi, con sì grande affetto,
che mosse me a far lo somigliante.
081
O eitle Schatten, die den Schein nur haben!
Dreimal umschlang ich sie mit meinen Armen,
Und dreimal kehrten leer sie mir zurück.
Ohi ombre vane, fuor che ne l'aspetto!
tre volte dietro a lei le mani avvinsi,
e tante mi tornai con esse al petto.
084
Erstaunen mahlte sich auf mein Gesicht;
Weshalb der Schatten lächelnd sich zurückzog,
Und ich ihm folgend weiter vorwärts trat.
Di maraviglia, credo, mi dipinsi;
per che l'ombra sorrise e si ritrasse,
e io, seguendo lei, oltre mi pinsi.
087
Gar freundlich bat er, daß ich ruhig bliebe,
Darauf erkannt' ich ihn und bat ihn dringend,
Daß er mit mir zu sprechen etwas weile.
Soavemente disse ch'io posasse;
allor conobbi chi era, e pregai
che, per parlarmi, un poco s'arrestasse.
090
Und er darauf: Wie im sterblichen Leben
Ich dich geliebt, so lieb' ich dich befreit jetzt,
Drum blieb ich stehn; du aber, warum gehst du?
Rispuosemi: "Così com'io t'amai
nel mortal corpo, così t'amo sciolta:
però m'arresto; ma tu perché vai?
093
O mein Casella, um einst später wieder
Hierher zu kommen mach' ich diese Reise.
Doch, wie ist dir so lange Zeit entzogen?
"Casella mio, per tornar altra volta
là dov'io son, fo io questo vïaggio",
diss'io; "ma a te com'è tanta ora tolta?
096
Und er: Kein Unrecht ist mir wiederfahren,
Wenn der, der aufnimmt, wann und wen er will,
Die Ueberfahrt mir mehrmals hat verweigert;
Ed elli a me: "Nessun m'è fatto oltraggio,
se quei che leva quando e cui li piace,
più volte m' ha negato esto passaggio;
099
Denn aus gerechtem Willen fließt der seine.
Doch seit drei Monden hat er aufgenommen
In allem Frieden wer eintreten wollte.
ché di giusto voler lo suo si face:
veramente da tre mesi elli ha tolto
chi ha voluto intrar, con tutta pace.
102
Weshalb ich, der zum Meere mich gewendet,
Da wo der Tiber Wasser salzig wird,
Holdselig von ihm aufgenommen ward.
Ond'io, ch'era ora a la marina vòlto
dove l'acqua di Tevero s'insala,
benignamente fu' da lui ricolto.
105
Nach jener Mündung geht sein Flug auch jetzt,
Weil immerwährend dort zusammen kommen,
Die nicht zum Acheron hinunterstürzen.
A quella foce ha elli or dritta l'ala,
però che sempre quivi si ricoglie
qual verso Acheronte non si cala"
108
Und ich zu ihm: Raubt dir ein neu Gebot nicht
Gedächtniß und Gebrauch lieblichen Sanges,
Der alle meine Wünsche sonst mir stillte,
E io: "Se nuova legge non ti toglie
memoria o uso a l'amoroso canto
che mi solea quetar tutte mie doglie,
111
Mögst du damit ein wenig meine Seele
Erfreuen, die, weil mit dem Leibe sie
Hierhergekommen, so beschweret ist.
di ciò ti piaccia consolare alquanto
l'anima mia, che, con la sua persona
venendo qui, è affannata tanto!
114
»Die Liebe, die zu mir im Geiste redet,«
Begann er den Gesang so süß darauf,
Daß diese Süßigkeit noch in mir nachtönt.
'Amor che ne la mente mi ragiona'
cominciò elli allor sì dolcemente,
che la dolcezza ancor dentro mi suona.
117
Der Meister drauf und ich und jene Leute,
Die mit ihm waren, schienen so zufrieden,
Als ob nichts anders ihren Geist berührte.
Lo mio maestro e io e quella gente
ch'eran con lui parevan sì contenti,
come a nessun toccasse altro la mente.
120
Wir waren all' aufmerksam und gefesselt,
Von seinen Tönen, als der würd'ge Greis
Uns zurief: Was ist das, ihr trägen Geister?
Noi eravam tutti fissi e attenti
a le sue note; ed ecco il veglio onesto
gridando: "Che è ciò, spiriti lenti?
123
Welch Säumniß, welcher Stillestand ist das?
Lauft zu dem Berg, die Rinde abzustreifen,
Die euch Gott offenbar nicht werden läßt!
qual negligenza, quale stare è questo?
Correte al monte a spogliarvi lo scoglio
ch'esser non lascia a voi Dio manifesto"
126
Wie wenn die Tauben Lolch oder Getreide
Ruhig genießen, zu dem Fraß versammelt,
Und den gewohnten Stolz nicht offenbaren,
Come quando, cogliendo biado o loglio,
li colombi adunati a la pastura,
queti, sanza mostrar l'usato orgoglio,
129
Wenn dann etwas erscheinet was sie fürchten,
Urplötzlich ihre Speise liegen lassen,
Weil eine größ're Sorge sie ergriffen,
se cosa appare ond'elli abbian paura,
subitamente lasciano star l'esca,
perch'assaliti son da maggior cura;
132
So sah ich diesen frisch gekommnen Haufen
Aufgeben den Gesang, zum Abhang eilen:
Wie wer da läuft und weiß nicht wo er hinkommt,
così vid'io quella masnada fresca
lasciar lo canto, e fuggir ver' la costa,
com'om che va, né sa dove rïesca;
135
Und unser Weggehn war nicht minder eilig.
né la nostra partita fu men tosta.
138

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert