003
An eines hohen Ufers letztem Rand,
Von großen Felsentrümmern rings gebildet,
Gelangten wir zu graus'rer Anhäufung.
In su l'estremità d'un'alta ripa
che facevan gran pietre rotte in cerchio,
venimmo sopra più crudele stipa;
006
Und dort, des gräul'gen Uebermaßes wegen,
Des Stankes, den der tiefe Abgrund aushaucht,
Bargen wir uns im Schutze eines Deckels
e quivi, per l'orribile soperchio
del puzzo che 'l profondo abisso gitta,
ci raccostammo, in dietro, ad un coperchio
009
Von einem großen Sarg, deß Inschrift sagte:
Papst Anastasius beherberg' ich,
Welchen Photin vom rechten Weg ablenkte.
d'un grand'avello, ov'io vidi una scritta
che dicea: 'Anastasio papa guardo,
lo qual trasse Fotin de la via dritta'.
012
Nur zögernd dürfen wir hinab jetzt steigen,
Daß unsre Sinn' etwas gewohnt erst werden
Des schlimmen Hauchs, den später wir nicht achten.
"Lo nostro scender conviene esser tardo,
sì che s'ausi un poco in prima il senso
al tristo fiato; e poi no i fia riguardo".
015
So sprach der Meister, und ein'gen Ersatz,
Sagt' ich, ersinne, daß die Zeit nicht nutzlos
Vergeh'! und er: Ich denke schon daran.
Così 'l maestro; e io "Alcun compenso",
dissi lui, "trova che 'l tempo non passi
perduto". Ed elli: "Vedi ch'a ciò penso".
018
Mein Sohn, von diesen Felsen eingeschlossen,
Find'st abgestuft du hier drei klein're Kreise,
Gleich denen, sprach er, die du jetzt verlassen.
"Figliuol mio, dentro da cotesti sassi",
cominciò poi a dir, "son tre cerchietti
di grado in grado, come que' che lassi.
021
Verdammter Geister sind sie alle voll:
Doch damit später dir der Anblick g'nüge,
Vernimm, wie und warum sie so beschaffen.
Tutti son pien di spirti maladetti;
ma perché poi ti basti pur la vista,
intendi come e perché son costretti.
024
Jedweder Bosheit, die der Himmel haßt,
Ist Unrecht Ziel, und dieses Ziel betrübet
Bald mit Gewalt, und bald mit Trug den Nächsten.
D'ogne malizia, ch'odio in cielo acquista,
ingiuria è 'l fine, ed ogne fin cotale
o con forza o con frode altrui contrista.
027
Der Trug jedoch, dem Menschen eigenthümlich,
Mißfällt Gott mehr, und die da Trug geübt,
Versinken tiefer, und mehr Leid befällt sie.
Ma perché frode è de l'uom proprio male,
più spiace a Dio; e però stan di sotto
li frodolenti, e più dolor li assale.
030
Den ersten Kreis nimmt ganz Gewaltthat ein;
Gebildet und getheilet in drei Ringe
Ist er, weil man Gewalt an dreien übt.
Di vïolenti il primo cerchio è tutto;
ma perché si fa forza a tre persone,
in tre gironi è distinto e costrutto.
033
Man übt Gewalt an Gott, an sich, am Nächsten,
Und zwar, wie du ganz deutlich sollst erkennen,
Sowohl an ihm wie auch an seiner Habe.
A Dio, a sé, al prossimo si pòne
far forza, dico in loro e in lor cose,
come udirai con aperta ragione.
036
Gewalt fügt Tod und schmerzliche Verwundung
Dem Nächsten zu, und schädigt seine Habe
Durch Umsturz, Brand und schändliche Erpressung.
Morte per forza e ferute dogliose
nel prossimo si danno, e nel suo avere
ruine, incendi e tollette dannose;
039
Darum, wer mordet, tückisch Wunden beibringt,
Die Räuber und Verwüster alle quälet
Der erste Ring in mannigfalt'gen Schaaren.
onde omicide e ciascun che mal fiere,
guastatori e predon, tutti tormenta
lo giron primo per diverse schiere.
042
Der Mensch kann an sich selbst, an seine Güter
Gewalt'ge Hand anlegen; drum fühlt Reue
Im zweiten Ring vergeblich jeder, der
Puote omo avere in sé man vïolenta
e ne' suoi beni; e però nel secondo
giron convien che sanza pro si penta
045
Sich eures Lebens selber hat beraubt,
Wer all' sein Gut verschleudert und vergeudet,
Und weint nun hier, da fröhlich er sein könnte.
qualunque priva sé del vostro mondo,
biscazza e fonde la sua facultade,
e piange là dov'esser de' giocondo.
048
Der Gottheit auch kann man Gewalt anthun,
Im Herzen sie verleugnend und verfluchend,
Verachtend die Natur und ihre Güte.
Puossi far forza ne la deïtade,
col cor negando e bestemmiando quella,
e spregiando natura e sua bontade;
051
Und darum drückt der kleinste dieser Kreise
Sein Siegel auf Sodoma und Caorsa,
Auf jeden, der als Gottverächter spricht.
e però lo minor giron suggella
del segno suo e Soddoma e Caorsa
e chi, spregiando Dio col cor, favella.
054
Den Trug, der jegliches Gewissen naget,
Uebt man so gegen den, der uns vertraut,
Wie den, der dies Vertraun uns nicht geschenkt.
La frode, ond'ogne coscïenza è morsa,
può l'omo usare in colui che 'n lui fida
e in quel che fidanza non imborsa.
057
Die letzte Art scheint nur das Band der Liebe,
Das die Natur gebildet zu verletzen;
Drum nisten in dem zweiten Ring die Heuchler,
Questo modo di retro par ch'incida
pur lo vinco d'amor che fa natura;
onde nel cerchio secondo s'annida
060
Die Schmeichler, und wer Zauber übt, die Fälscher,
Wer Straßenraub begangen, Simonisten,
Die Kupler, Gauner und mehr solch Geschmeiß.
ipocresia, lusinghe e chi affattura,
falsità, ladroneccio e simonia,
ruffian, baratti e simile lordura.
063
Die andre Art vergißt nicht bloß die Liebe,
Die von Natur, auch die, die dann hinzukommt,
Woraus die Sondertreue sich erzeuget.
Per l'altro modo quell'amor s'oblia
che fa natura, e quel ch'è poi aggiunto,
di che la fede spezïal si cria;
066
Weshalb im kleinsten Kreise, wo der Punkt ist
Des Universums, worauf Satan ruht,
Ewig verzehrt wird wer Verrath begangen.
onde nel cerchio minore, ov'è 'l punto
de l'universo in su che Dite siede,
qualunque trade in etterno è consunto".
069
Und ich: Mein Meister, deine Rede schreitet
So deutlich vor, und unterscheidet wohl
Das Volk, das diesen Abgrund hier bewohnet,
E io: "Maestro, assai chiara procede
la tua ragione, e assai ben distingue
questo baràtro e 'l popol ch'e' possiede.
072
Doch sage mir: Die in dem schmutz'gen Sumpfe,
Die Sturmgepeitschten, die der Regen trifft,
Und die so herbe Wort' einander zuschrei'n.
Ma dimmi: quei de la palude pingue,
che mena il vento, e che batte la pioggia,
e che s'incontran con sì aspre lingue,
075
Warum nicht sind sie in der glühnden Stadt
Gepeinigt, wenn doch Gottes Zorn sie trifft;
Trifft er sie nicht, woher denn ihre Marter?
perché non dentro da la città roggia
sono ei puniti, se Dio li ha in ira?
e se non li ha, perché sono a tal foggia?".
078
Und er zu mir: Warum doch irret ab
Dein Geist von dem was sonst er pfleget, oder
Wo anderwärts hin ist dein Sinn gerichtet?
Ed elli a me "Perché tanto delira",
disse, "lo 'ngegno tuo da quel che sòle?
o ver la mente dove altrove mira?
081
Erinnerst du dich nicht mehr jener Worte,
Womit die Ethik die drei Neigungen
Verhandelt, die dem Himmel sind verhaßt?
Non ti rimembra di quelle parole
con le quai la tua Etica pertratta
le tre disposizion che 'l ciel non vole,
084
Unmäßigkeit und Bosheit und die tolle,
Verthierte Wildheit, und wie jene erste
Gott minder haßt, und wen'ger Schand' erzeugt.
incontenenza, malizia e la matta
bestialitade? e come incontenenza
men Dio offende e men biasimo accatta?
087
Wenn du dir die Belehrung wohl betrachtest,
Und dich erinnern willst, wer jene sind,
Die oben, draußen ihre Strafe leiden,
Se tu riguardi ben questa sentenza,
e rechiti a la mente chi son quelli
che sù di fuor sostegnon penitenza,
090
So wirst du leicht einsehn, warum getrennt sie
Von diesen Sündern sind, und warum minder
Erzürnt Gottes Gerechtigkeit sie züchtigt.
tu vedrai ben perché da questi felli
sien dipartiti, e perché men crucciata
la divina vendetta li martelli".
093
O Sonne, die du jedes kranke Auge
Heilst, du erfreust mich so, wenn du erläuterst,
Daß Zweifeln fast wie Wissen mich beglückt.
"O sol che sani ogne vista turbata,
tu mi contenti sì quando tu solvi,
che, non men che saver, dubbiar m'aggrata.
096
Kehr' noch, sprach ich, ein wenig mehr zurück,
Da, wo du sagest, daß durch Wucher leide
Die Gottes Lieb', und löse mir den Knoten!
Ancora in dietro un poco ti rivolvi",
diss'io, "là dove di' ch'usura offende
la divina bontade, e 'l groppo solvi".
099
Philosophie, sprach er zu mir, belehret
Den Achtsamen in mehr als einem Theile,
Wie die Natur ihren Verlauf ableitet
"Filosofia", mi disse, "a chi la 'ntende,
nota, non pure in una sola parte,
come natura lo suo corso prende
102
Aus Gottes Weisheit und aus seiner Kunst.
Und wenn du wohl auf deine Physik achtest,
Wirst du nach nicht zu vielen Seiten finden,
dal divino 'ntelletto e da sua arte;
e se tu ben la tua Fisica note,
tu troverai, non dopo molte carte,
105
Wie eure Kunst, so viel sie es vermag,
Der Gottes folgt, wie Schüler ihrem Lehrer,
Daß eure Kunst nun Gottes Enklin scheint.
che l'arte vostra quella, quanto pote,
segue, come 'l maestro fa 'l discente;
sì che vostr'arte a Dio quasi è nepote.
108
Aus diesen beiden, wenn den Anfang du
Der Genesis beachtest, soll der Mensch
Sein Leben ziehn und damit vorwärts kommen.
Da queste due, se tu ti rechi a mente
lo Genesì dal principio, convene
prender sua vita e avanzar la gente;
111
Und weil der Wuch'rer andre Wege einschlägt,
Da er die Hoffnung setzt auf andre Dinge,
Verachtet er Natur und ihre Tochter.
e perché l'usuriere altra via tene,
per sé natura e per la sua seguace
dispregia, poi ch'in altro pon la spene.
114
Doch folge mir nunmehr, wie's mir beliebt!
Schon schlüpfen auf am Horizont die Fische,
Und auf dem Caurus liegt der Wagen ganz,
Ma seguimi oramai che 'l gir mi piace;
ché i Pesci guizzan su per l'orizzonta,
e 'l Carro tutto sovra 'l Coro giace,
117
Und weiter dort steigt man den Fels hinab.
e 'l balzo via là oltra si dismonta".
120

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