Niccolò Piccinni

Das gute Mädchen

Eine Operette in drey Akten

Personen

Der Baron von Waldorf

Die Baronesse von Waldorf, seine Schwester

Der Graf, Liebhaber der Baronesse

Hannchen, ein Gärtnermädchen

Röschen, ein Gärtnermädchen

Julchen, Kammeriungfer der Baronesse

Lucas, ein Gärtner

Siegmund, ein Dragoner

Der Schauplatz ist auf dem Schlosse des Barons.

Erster Aufzug.

Erster Auftritt.

Der Schauplatz ist ein Garten.

HANNCHEN, allein, einen Blumengiesser in der Hand.
O! des Anblicks voller Wonne,
Wenn am Morgen sanft die Rose
Neu belebt durch Thau und Sonne,
Duftend durch die Knospe bricht!
Wenn ihr Glanz dem Aug‘ Entzücken,
Und ihr Wohlgeruch Erquicken
Der gerührten Brust verspricht.

Mit jedem Morgen erhält dieser Garten hier neue Reize für mich; ich eile gleich beym Erwachen, um hier die ersten Stunden der Fruhlingstage zuzubringen, die glücklichsten Stunden meines Lebens! Alles ist so ruhig, so heiter, so wohlthätig! Und wie süß ist mir die Arbeit, die ich hier verrichte! Die Wartung dieser Pflanzen, wie angenehm und belohnend! – – Aber ich werde gestört. – –

Zweiter Auftritt.

Hannchen und Lucas.

LUCAS. Schönen guten Morgen, Jungfer Hannchen! – Schon so früh bey der Hand? Ho! die Blumen habens doch recht gut bey ihr. Sie giebt sich rechte Mühe damit; aber mit aller der Mühe wird sie die Blumen da doch nicht so schön machen können, als sie selbst ist.
HANNCHEN. Dacht‘ ich doch nicht, daß Lucas so feine Schmeicheleyen sagen könnte!
LUCAS. Keine Schmeicheleyen, Jungfer Hannchen; ich rede, wie ichs meyne. Wenn ich ein Mädchen schön nenne, so muß sie's auch seyn, und das ist gerade der Fall.
HANNCHEN. Laß ers gut seyn, Freund Lucas, ich hab ihn noch was zu fragen – – – Was wars doch? – – –
LUCAS. Nicht doch, wir wollen noch immer ein paar Worte über das sprechen, wovon ich vorhin sagte. Ich habe schon lange Gelegenheit gesucht, ihr darüber meine Neigung zu sagen, Jungfer Hannchen.
HANNCHEN. Worüber denn?
LUCAS. Je nun, daß es mit all den glatten Gesichtern, den rothen Bäckelchen, den zierlichen Füßchen, mit all den Zierereyen der verliebten Gecke nichts ist; daß ein ehrlicher Kerl ungehobelt und ungeschliffen, zwanzigmal mehr werth ist, als so ein geputzter Laffe, dem das Herz warlich nicht an der rechten Stelle sitzt.
HANNCHEN. Wer zweifelt daran?
LUCAS. Höre sie nur:

Besser als Reichthum,
Edler als Schönheit,
Ist in der Liebe
Die Redlichkeit.

Reichthum zerrinnet,
Schönheit veraltet,
Aber die Treue
Wächst mit der Zeit.
HANNCHEN. Das ist alles sehr wahr, lieber Lucas, aber weiß er auch wohl, daß es heut zu Tage Mode geworden ist, mit Treu und Ehrlichkeit groß zu thun, und daß der sie oft am wenigsten besitzt, der am meisten damit prahlt?

Jeder Verliebter
Trägt auf den Lippen
Schwüre der Treue,
Und Redlichkeit.

Schwüre zerrinnen,
Treue veraltet,
Selten nur trist man
Beständigkeit.
LUCAS. Soll das mich gelten? – Rein, wahrhaftig, Hannchen, so kennst Du mich noch nicht. Ich habe es lange gewünscht, daß Du mich möchtest besser kennen lernen.
HANNCHEN. Kenn‘ ich mich doch selbst kaum, – – Du weißt, ich bin hier von der gnäd'gen Gräfin auferzogen, aber von meiner eigentlichen Abkunft weiß Niemand was Gewisses.
LUCAS. Ach! davon ist hier die Rede nicht – Ich verstehe das Kennenlernen ganz anders – Was meynst Du, Hannchen, wenn wir etwas näher mit einander bekannt wurden? – – Versteht sich in allen Ehren!
HANNCHEN. Wie das?
LUCAS. Die allerliebste Unschuld! – Was meynst Du, Hannchen, möchtest Du wohl mit mir verwandt seyn?
HANNCHEN. Warum das nicht?
LUCAS. Wärst Du wohl zufrieden, wenn ich Dein Vetter wäre?
HANNCHEN. O ja!
LUCAS. Oder Dein Halbbruder?
HANNCHEN. Auch das.
LUCAS. Oder gar – – oder gar – – was meynst Du, Hannchen –
HANNCHEN. Ich verstehe ihn nicht, Herr Lucas.
LUCAS. Je nun – gar – gar – Dein Mann?
HANNCHEN. Das ist eine andere Frage; die beantwortet man nicht so geschwinde. Sen Er immer mit der Schwesterliebe zufrieden; das denk‘ ich, ist schon mehr als genug.
LUCAS. Es ist wohl wahr; aber Schwester und Bruder ist doch ein ganz ander Ding, als Mann und Frau – Je mehr ich darüber nachsinne, desto größer wird der Unterschied.

Die schwesterliche Liebe,
Gefällt mir nicht zum Besten;
Doch muß ich mich schon trösten,
Wenn's denn nicht anders ist.

Gnug wenn du mich nur liebest,
Wer weiß ob nicht die Schwester
Dereinst mit ihrem Bruder,
Ein engres Bündnis schließt.

Dritter Auftritt.

Hannchen allein; hernach der Baron.

HANNCHEN. Ich glaub‘ es wohl, daß ers gut meynt; und das er mir gut ist, hab ich schon lange gemerkt. Auch ich bin ihm herzlich gut; aber zum Manne möcht‘ ich ihn doch nicht. Freylich, wenn mein Herz so ganz frey wäre, wenn ich wüßte, daß die geheimen verschwiegenen Wünsche – – Aber da kömmt der gnädige Herr – Ich muß ihm ausweichen – Sie will gehen.
DER BARON. Bleib hier, Hannchen; vor mir wirst Du doch nicht davon laufen? Ich bin doch wohl so fürchterlich nicht?
HANNCHEN. Nein, gnädiger Herr; aber –
BARON. Bleib‘, sag‘ ich – Ich sah Dich im Garten, und kam eben deswegen herein.
HANNCHEN. Ich dächte, Sie machten Ihren Spatziergang, gnädiger Herr und liessen mich an meine Arbeit gehen.
BARON. Was Arbeit? – Du sollst Dich nicht so abmatten, Hannchen. Du thust Dir Schaden.
HANNCHEN. Im geringsten nicht, gnädiger Herr, meine Arbeit ist mir ein wahres Vergnügen; Lassen Sie mich!
BARON. Nur ein Wort, Hannchen – Ich muß Dir sagen – –
HANNCHEN. Was befehlen Sie denn?
BARON. Daß du mein Hannchen bist.
HANNCHEN. Freylich gehör‘ ich Ihnen an, gnädiger Herr, und ich habe Ihnen alles zu verdanken – Ich werde es nie vergessen.
BARON. Nun so könntest Du auch wohl ein wenig gefälliger gegen mich seyn –
HANNCHEN. Wie meynen Sie das? – Ich möcht‘ Ihnen ja alles auf der Welt zu Gefallen thun, das halt‘ ich für meine Schuldigkeit – Sie haben mir zu befehlen; das weiß ich sehr gut.
BARON. Nun so befehl ich Dir – mir ein wenig gut zu seyn. Er saßt sie bey der Hand.
HANNCHEN sich losreissend. Lassen Sie mich, gnädiger Herr, das ist zu viel – Lassen Sie mich. Sie eilt davon.
BARON. Höre nur, Hannchen, – höre! – sie läuft davon, das närrische Ding! So gut, so unschuldig! – Und doch verräth mir ihre Unruhe, ihre Verlegenheit, daß sie gegen mich nicht so ganz fühllos ist. Ha! wenn das wäre – Dann würd ich mich für unendlich glücklich halten! – Sie ist so schön, so liebenswürdig! – Doch da kömmt Jemand – Ich muß thun, als ob ich hier spatzieren gienge. Er geht in eine Allee des Gartens.

Vierter Auftritt.

Röschen mit zwey Fruchtkörben; hernach der Baron.

RÖSCHEN.
Armes Mädchen! Last und Müh
Plagt und drückt dich spät und früh;
Nichts wird ohne mich gethan,
Kaum daß ichs ertragen kann,
Und ich bin so klein und zärtlich,
O! wer nimmt sich meiner an?
BARON der gegen das Ende der Arie aus einer Aller zurückkömmt. Armes Röschen, Du trägst ja recht schwer! – Komm, ich will dir helfen. Er nimmt ihr die Körbe ab, und setzt sie auf die Erde.
RÖSCHEN. O sie sind gar zu gütig, gnädiger Herr, gar zu gütig.
BARON beyseite. Sie kann mir zu meiner Absicht beförderlich seyn; ich muß ihr schmeicheln – Laut. Wie gehts dann, mein liebes Röschen.
RÖSCHEN. Wie Sie sehen, gnädiger Herr, zu Ihrem Befehl.
BARON. Du bist ja heute recht hübsch,
RÖSCHEN. Sage mir doch, bist du wohl eher verliebt gewesen?
RÖSCHEN. O – Sie beschämen mich, gnädiger Herr – Ich verliebt? – Wie wäre das möglich? – Ich bin ja erst sechzehn Jahr alt.
BARON. Also weißt du wohl gar nicht, was verliebt sehn heißt?
RÖSCHEN verschämt. So recht nicht, gnädiger Herr –
BARON. Aber möchtest du einen, der verliebt ist, wohl einen Gefallen erzeigen?
RÖSCHEN. Warum das nicht? – So viel weiß ich wohl, daß die Verliebten gutherzige Leute seyn sollen, und gutherzigen Leuten dient man gerne.
BARON. Und mich hälft Du doch wohl für gutherzig?
RÖSCHEN. O! gar sehr, gnädiger Herr.
BARON. Wenn ich Dir nun sage, daß ich auch verliebt bin?
RÖSCHEN. Nun so weiß ich mir Ihre Gutherzigkeit desto besser zu erklären.
BARON. Und wirst mir auch gerne einen Dienst erweisen?
RÖSCHEN. Mit tausend Freuden!
BARON. Höre nur, Röschen, ich liebe ein Mädchen, das mehr Engel als Mädchen ist.
RÖSCHEN verschämt. Sie scherzen, gnädiger Herr.
BARON. Nein, nein, im Ernst; ein Mädchen, das lauter Anmuth, Unschuld und Gefälligkeit ist, so rei zend, so einnehmend! – Du glaubst es nicht!

Welch ein Mädchen! – zum Entzücken
Hat es die Natur gemacht!
Welche Glut in ihren Blicken!
Welch ein Zauber, wenn sie lacht!

Ihre kleinen süßen Lippen!
Ihre großen, hellen Augen!
He, so schön seh ich sie nie.
Alle die verbuhlten Schönen,
Die sich nach Erobrung sehnen,
Sind nur Schatten gegen Sie.

Geht nur alle, Mädchen alle!
Schön und heßlich, geht nur alle!
Ihres Gleichen sind ich nie.
RÖSCHEN. Sie sind ganz außer sich, gnädiger Herr! – Darf man denn nicht wissen, was das für ein Mädchen ist?
BARON. Du sollst es wissen; Dir allein will ich es anvertrauen, aber sag‘ es keiner Seele – Es ist – Hannchen.
RÖSCHEN erstaunt. Hannchen?
BARON. Ja, Röschen; aber sey ja verschwiegen; Ich verlaß mich auf Dich. Wir reden ein andermal weiter davon. Itzt nichts mehr; Ich sehe dort den Grafen durch die Alleen kommen. Geht ab.
RÖSCHEN. Dacht‘ ich doch Wunder, wie glücklich ich schon wäre! – Aber warte, die vergebene Freude soll ihm theuer genug zu stehen kommen! Bey der Gelegenheit hab‘ ich doch das Geheimnis entdeckt. Sie will gehen.

Fünfter Auftritt.

Röschen. Der Graf.

DER GRAF. He, guten Morgen, Röschen! Höre doch ein Wort! – Ist die gnäd'ge Frau bey der Hand?
RÖSCHEN. Ich kanns nicht sagen, Herr Graf.
GRAF. Wer gieng denn da eben so geschwinde von Dir weg?
RÖSCHEN. Unser gnäd'ger Herr.
GRAF. Der Baron? Ganz gewiß hat er Dir einen freundlichen guten Morgen gesagt.
RÖSCHEN. Freundlich war er genug, aber mir galt die Freundlichkeit nicht.
GRAF. Wem denn sonst?
RÖSCHEN. Ach, wenn Sie das wüßten! – – Aber, mein Herr Graf, ich habe schweigen gelernt; und vollends was ich nicht zu sagen versprochen habe, das lockt man mir so leicht nicht ab. Nein, nein, von mir erfahren Sie nichts.
GRAF. Sage mir nur etwas, ich verlange nicht alles zu wissen.
RÖSCHEN. Nein, nein. Wenn ich Ihnen etwas sagte, so wüßten Sie alles; oder dieses Etwas brächte Sie doch leicht auf die Spur, auch das übrige zu erfahren. Nein, nein, Herr Graf.

Immer noch blieb ich
Treu und verschwiegen;
Hasse, wie Schlangen,
Falschheit und Lügen;
Liebe die Redlichkeit,
Ehre die Treue.

Wenn nun auch Hannchen –
Ich mags nicht sagen –
Mit ihrer Schönheit –
Ich darfs nicht wagen;
Seh ich gleich vieles,
Bleib ich doch lieber
Sprachlos dabey.

Geht ab.

Sechster Auftritt.

DER GRAF allein. Was ist das? – Hannchen – mit ihrer Schönheit – – Sollte sie den Baron bestrickt haben? Sollt‘ er schlecht genug denken, um sich zu einem Bauermädchen herabzulassen? Die geheimnißvolle Art, mit der Röschen davon sprach, ist mir verdächtig. Ich liebt des Barons Schwester, und sein Betragen ist mir nicht gleichgültig. Vielleicht ist es bloße Neckerey; Das mag seyn. Zum Zeitvertreib ist schon ein solch Gärtnermädchen dann und wann gut genug; aber wenn er eine Thorheit begehen, wenn er sich mit ihr verheyrathen wollte, da dankte ich bey aller meiner Liebe zu seiner Schwester, für die schöne Schwägerschaft.

Zärtlichkeit; mit Zaubertönen
Lockst du mich; ich folg und höre;
Doch dort rufen Rang und Ehre:
Thor, du wählest deine Schmach!

Flüchtig durchgeträumten Freuden,
Welche mir die Liebe schenkt,
Folgen Jahre voller Leiden,
Jahre voller Schande nach.

Geht ab.

Siebenter Auftritt.

Der Schauplatz ist ein Zimmer.

Die Baronesse allein; hernach der Graf.

DIE BARONESSE in einem Buche lesend. Daß doch meine Zerstreuung schon mit dein frühen Morgen anfängt! – Keine Seite kann ich mit gehöriger Aufmerksamkeit lesen; gleich sind meine Gedanken anderswo. Ach, es ist ganz anders mit mir, seitdem ich den Grafen kenne, seitdem er mein Herz gefesselt hat! Und vollends in der Stunde, wo er mir gewöhnlich seinen Besuch macht, mißlingt mir jeder Versuch, an etwas anders zu denken – Man pocht. Ha! das ist er gewiß schon – Herein!
GRAF. Vergeben Sie, mein Fräulein, daß ich so unangemeldet komme, ich fand Niemand von den Bedienten draussen.
BARONESSE. Ich nehme Ihnen diese Freyheit weniger übel, Herr Graf, als Ihre Entschuldigung. Sie sollten schon wissen, daß Sie mir auch unangemeldet, immer willkommen sind.
GRAF. Das ist sehr gütig von Ihnen, mein Fräulein.
BARONESSE. Haben Sie schon eine Promenade gemacht?
GRAF. Nur durch den Garten, weil ich im Hause Nie mand fand.
BARONESSE. Und im Garten fanden Sie auch Niemand?
GRAF. Niemand, als ein Gärtnermädchen. Es war zwar noch Jemand da, aber der fand es nicht für gut, sich vor mir sehen zu lassen.
BARONESSE. Und darf ich wissen, wer das war?
GRAF. Ihr Herr Bruder, mein Fräulein.
BARONESSE. Ich wüßte doch nicht, warum der sich nicht vor Ihnen sehen lassen wollte.
GRAF. Ey nun, es giebt gewisse Augenblicke, wo man sich nicht gerne überraschen läßt.
BARONESSE. Ich verstehe Sie nicht.
GRAF. Er war eben im Gespräch mit einem artigen Mädchen.
BARONESSE. Mit dem Gärtnermädchen, ganz gewiß?
GRAF. Sie habens errathen.
BARONESSE. Mit Hannchen, nicht wahr?
GRAF. Das nicht, mit Röschen; aber die sagte mir freylich so was von ihm und Hannchen, das ich nicht recht verstand.
BARONESSE. Ich begreife nicht, wie mein Bruder sich so vergessen kann. Er scheint mir würklich ganz im Ernst in das alberne Ding verliebt zu seyn. Ich denke lange drauf, sie mit guter Manier aus unsern Dienste zu schaffen. Am Ende ist an dem Ge sichtchen nichts besonders; und doch thut es seit einiger Zeit so vornehm und schnüppisch, daß es ein Aerger anzusehen ist. Wenn die Kreaturen sich einmal in den Kopf setzen, daß ein Kavalier sie leiden kann, so wissen sie nicht mehr, wie sie sich vor Hochmuth gebehrden sollen, gerade wie die albern Bürgerstöchter, die alle Moden mitmachen wollen, die der Adel mit Mühe und Kosten aus Frankreich erhält.

Welche nie erhörte Dinge
Führt der leid'ge Hochmuth ein!
Mädchen, niedrig und geringe,
Wollen groß, wie Damen seyn;
Man vergißt der Stände Gränzen,
Bläht sich auf und sucht zu glänzen,
Pracht und Stolz sind allgemein.

Man geht und stolzirt,
In Locken frisirt,
Mit Federn geziert,
Am Arme geführt,
O! laßt doch die Ehre
Wem Ehre gebührt.
GRAF. Lassen Sie es gut seyn. Ich denke immer, es ist eine vorübergehende Leidenschaft, die nicht lange dauren wird. Wir müssen nur darauf denken, ihm einen andern Gegenstand zu schaffen.
BARONESSE. Und diesen zu entfernen, das soll das erste seyn; ich will nun einmal im Ernst das zu thun – Wer ist da?

Achter Auftritt.

Die Vorigen. Hannchen.

HANNCHEN in der Thüre, die sie halb öfnet, mit einem Blumenstrauß in der Hand. Ists erlaubt, Ihro Gnaden?
BARONESSE. Ha! nur herein! Du kömmst mir eben recht. Wollen Sie mich im Garten erwarten, Herr Graf. Der Graf geht ab. Gieb her – Sie nimmt ihr den Strauß aus der Hand. Das ist wohl nicht der erste Strauß, den Du heute überreichst.
HANNCHEN. Der erste Ihro Gnaden.
BARONESSE. Lüge nicht Mädchen, ich kenne dich schon.
HANNCHEN. Wenn Ihro Gnaden mich kennen, so wissen Sie, daß ich nicht zu lügen pflege.
BARONESSE. Hast Du meinen Bruderbeute schon gesehen?
HANNCHEN. Ja, gnädiges Fräulein.
BARONESSE. So früh schon? – Wo war er denn?
HANNCHEN. Im Garten, Ihro Gnaden.
BARONESSE. Höre Mädchen, ich hab‘ es lange gnug angesehen, daß Du meinen Bruder überall nachgehest. Du versäumst darüber Deine Arbeit; alles klagt über Dich. Kurz und gut, ich gebe Dir Deinen Abschied.
HANNCHEN. Meinen Abschied? – Aber der gnädige Herr? –
BARONESSE. Den werd‘ ich doch nicht erst fragen sollen, wenn ich von meinen Bedienten Jemand abschaffen will? Er hat sich blos um die männliche Domestiquen zu bekümmern. Du sollst heute noch fortgehen.
HANNCHEN. Aber wohin, Ihro Gnaden?
BARONESSE. Wohin du willst.
HANNCHEN. Sie kennen meine Armuth, meinen hülflosen Zustand, gnädiges Fräulein, und wollen mich so verstossen? Ich bitte recht sehr, thun Sie es nicht!
BARONESSE. Du verdienst es nicht besser.
HANNCHEN. Gott! womit hab‘ ich das verdient, mein gnädiges Fräulein? Sie thun mir Unrecht; mein Herz spricht mich von allen Vorwürfen frey. Man hat mich bey Ihnen verläumdet.
BARONESSE. Kein Wort weiter! – Du sollst gehen.
HANNCHEN weinend. Aber wohin? – wohin? – Ich Unglückliche! – hab‘ ich doch keinen, der sich meiner annehmen wird! – O das ist zu grausam!

Mich von aller Welt verlassen,
Vaterlos und Mutterlos,
So zu quálen, so zu hassen!
Ach, das Unrecht ist zu groß!
Keiner hilft mir, keiner hört mich,
Meine Thränen sind vergebens,
Und umsonst mein banges Flehn.

Nun wohlan, so will ich gehn,
Jedermann um Beystand flehn.
Armes, unglückvolles Hannchen,
Endlich wirst du Hülfe sehn!
Ach! ich weiß, ich weiß, der Himmel
Kann die Unschuld nicht verschmähn.

Geht ab.

Neunter Auftritt.

DIE BARONESSE allein. Endlich will ich doch das durchsetzen, was ich schon lange mir vorgenommen habe. Freylich seh ich voraus, daß mein Bruder es sehr übel empfinden und alles anwenden wird, sie wieder zurückzubringen. Aber das soll er dafür haben, daß er sich bisher meiner Verbindung mit dem Grafen widersetzt hat. Ich muß die Freude haben, mich an ihm zu rächen, und diese Rache wird ihm gerade die empfindlichste seyn.

Wuth der gekränkten Liebe,
Sey rüstig und erwache,
Wild ist der Trieb zur Rache,
Der dieses Herz entflammt!

Kann er so niedrig wählen?
Stand und Geburt vergessen:
Nein, nein, der Trieb der Ehre,
Ist ihm nicht angestammt.

Geht ab.

Zehnter Auftritt.

Der Garten.

Julchen und Röschen.

JULCHEN. Komm her, Röschen, wir wollen uns in der Gegend aufhalten. Hier muß sie vorbey. Sie packt itzt ihre Armseligkeiten in einen Bündel, und wird gleich aus dem Hause gehen.
RÖSCHEN. Glück auf den Weg! Ich habe es lange gewünscht, und freue mich, daß ichs endlich einmal erlebt habe.
JULCHEN. Aber was wird der gnädige Herr dazu sagen?
RÖSCHEN. Freylich wird es ein paar Tage übler Laune zwischen ihm und seiner Schwester setzen. Aber das giebt sich endlich auch wohl wieder.
JULCHEN. Komm, wir wollen hier auf die Seite gehen; sie muß gleich kommen; hernach wollen wir uns stellen, als nähmen wir recht zärtlichen Abschied von ihr. Sie gehen auf die Seite.

Eilfter Auftritt.

Quintetto.

Die Vorigen. Anfangs Hannchen ungesehen, zur Reise gekleidet; hernach Lucas und der Baron.

HANNCHEN.
Ach ich such‘ – und noch vergebens –
Ruh und Lindrung meiner Leiden:
Ueberall, wohin ich gehe,
Folgt Verbruß und Unruh mir.
JULCHEN UND RÖSCHEN.
Hannchen, gehst du weg von hier?
Und wohin? – O! sag‘ es mir!
HANNCHEN.
Denkt‘ an mich, lebt wohl auf immer,
Ich verlaß euch itzt und gehe;
Schenkte doch ein andrer Himmel
Mir auch andres bessres Glück!
JULCHEN UND RÖSCHEN beyseite.
Geh nur, geh‘, ich gönn‘ es dir,
Tausend Meilen weit von hier.
LUCAS.
Wohin gehst du meine Liebe?
Bestes Hannchen, ach! wohin?
JULCHEN UND RÖSCHEN.
Ha mein Freund man weiß es schon,
Ihr geht selbst mit ihr davon.
HANNCHEN.
Spotter doch nicht meines Unglücks,
Wenn ihr gleich mich nicht beklagt.
JULCHEN UND RÖSCHEN.
Sie verzeihen, Sie vergeben,
Wenn wir schon zu viel gesagt.
LUCAS.
Komm nur; mit der Bruderliebe
Will ich mich zufrieden geben.
HANNCHEN.
Schütze du mein armes Leben.
Laß mich deinen Trost erfreun!
JULCHEN UND RÖSCHEN.
Bringe du sie nur dahin
Wo es unser Herr begehret,
Der dich mit dem Rang beehret,
Kuppler letzt für ihn zu seyn.
LUCAS.
Unser Herr?
JULCHEN UND RÖSCHEN.
Ja ja mein Freund,
Anders ist es nicht gemeint.
LUCAS.
Falsche geh, ich muß dich hassen:
HANNCHEN.
Ach, es hat mich zu verlassen
Sich die ganze Welt vereint.
DER BARON.
Hannchen, du willst von mir fliehn?
Bleib zurück, sonst gilts mein Leben;
Was enteilst du? bleib zurück!
JULCHEN UND RÖSCHEN.
Mit dem Gärtner geht sie fort,
Seiner Führung übergab sie
Längst ihr Herz und ihr Geschick.
DER BARON.
Wie? mit Lucas?
JULCHEN UND RÖSCHEN.
Wie Sie sehen.
DER BARON.
Falsche! nun so magst du gehen,
Deiner nehm ich mich nicht an.
HANNCHEN.
Gott, für Schmerz möcht‘ ich vergehn,
Ach, es ist um mich gerhan!
DER BARON.
Laß vom Gärtner dich begleiten.
LUCAS.
Laß vom gnädgen Herrn dich leiten.
JULCHEN UND HANNCHEN.
Nun das fängt vortreflich an!
HANNCHEN.
Gnädger Herr –
DER BARON.
Laß mich zufrieden!
HANNCHEN.
Bester Freund –
LUCAS.
Wir sind geschieden.
HANNCHEN.
Wohl, so sey es euch geklagt.
JULCHEN UND RÖSCHEN.
Sie verzeihen, Sie vergeben,
Wenn wir schon zu viel gesagt;
HANNCHEN.
Ach, wer nimmt sich meiner an?
ALLE.
Nein, du gehst mich nichts mehr an,
Falschheit und Verrath betrüben
Die zuletzt, die sie verüben,
Untreu führt sie selber an.

Zweyter Aufzug.

Erster Auftritt.

Ein Gehölz.

DER BARON allein.
Weh mir, daß Sie mich flieht!
Sie war mein ganzes Glück;
Jetzt kehrt in mein Gemüth
Nie Ruh und Trost zurück.
Grausames Scheiden!
All meine Freuden
Sind nun dahin.

Hier in dies Gehölz soll sie gegangen seyn, aber schwerlich sind ich sie wieder – Ich Leichgläubiger, daß ich jenen beyden Verläumderinnen mehr traute, als dem guten unschuldigen Mädchen! – Nein, ich muß sie wieder haben, es koste, was es wolle, und dann soll keine Gewalt sie mir wieder entreißen – Sachte! Dort hör‘ ich ein Geräusch! – Ha! sie ists, sie ists! Er geht ein wenig auf die Seite.

Zweyter Auftritt.

Der Baron. Lucas mit Hannchen an der Hand.

LUCAS. Komm mit mir, Hannchen, es freut mich, daß ich Dich eingeholet habe. Itzt will ich Dich zu einem Verwandten von mir in nächsten Dorfe, bringen, wo Dirs an nichts fehlen soll. Ich will Dir – –
BARON herzu eilend. Ha, komm mit mir, Hannchen, komm mit mir. Er saßt sie in den Arm, und eilt mit ihr ab.
HANNCHEN. Weh mir! – gnädiger Herr! – Wohin? – Sie gehen ab.

Dritter Auftritt.

LUCAS allein, nachdem er eine Zeitlang in stummen Erstaunen gestanden. Ist das Traum oder Wahrheit? – – Da steh ich, als wär ich aus den Wolken gefallen! – Husch! hat er sie weg. – Eben glaubt ich Wunder, wie gut mirs werden würde; und dann schnappt man mir nun den schönen Bissen vorm Maule weg. – Ich möchte rasend werden, so ärgert michs! – Da wird nun alles über mich lachen, und die Nase rümpfen, und mich aushöhnen, daß ich so angeführt bin! – Und Hannchen ist nun auf immer für mich verloren – Huh! wie mich das ärgert. Er zieht ein Gartenmesser hervor. Das beste ist, ich helfe mir kurz und gut von der Welt; hier siehts Niemand, und so ist doch alles auf einmal vorbey; so sterb‘ ich doch mit Ehren.

Böses Hannchen! sieh, dein Lucas
Wird sich hier für dich entleiben;
Thu ichs, oder laß ichs bleiben?
Armer Lucas, laß es seyn! –
Doch nur herzhaft! – aller Pein,
Werd ich denn entledigt seyn.

Vierter Auftritt.

Siegmund und Lucas.

SIEGMUND. He, zum Teufel! Kerl, was fängst Du an, Kerl?
LUCAS erschrocken. Au weh! was giebts?
SIEGMUND. Bist Du toll? Was hattest Du vor?
LUCAS. Mir von der Welt zu helfen.
SIEGMUND. Du bist nicht klug, Mensch! Die Welt ist gut genug. Es läßt sich schon darinne leben. Freylich, so ein Taglöhner, wie Du vermuthlich bist, hat wohl nicht viel Freude drinn.
LUCAS. Ach! Herr, ich hätte Freude genug in der Welt; aber – –
SIEGMUND. Was denn, aber?
LUCAS. Aber Hannchen ist für mich verloren.
SIEGMUND. Was ist das für ein Hannchen?
LUCAS. Ein gutes liebes Mädchen, daß ich so lieb, so lieb hatte! – Aber sie ist für mich verloren!
SIEGMUND. Du bist ein Narr! Wenn ein Mädchen davon läuft, holt ein rechtschaffner Kerl ein neues wieder. Vorrath ist immer noch genug da. Aber ich sehe schon, Du kennst die Welt noch nicht recht. Im Felde, Freund, im Felde lernt man erst recht, wie man leben muß. Komm mit nimm Dienste; da sollst Du schon anders denken lernen. Komm mit.
LUCAS. Ich danke gar schön.
SIEGMUND. Im Lager lebt es sich ganz anders, als hier hinterm Pfluge. Da sollst Du Mädchen genug haben.
LUCAS. Aber auch Schläge und Hiebe genug.
SIEGMUND. Je nun, dafür wollen wir auch schon sorgen, daß Du mit heiler Haut davon kömmst. Hast Du kein Herz im Leibe, so darfst Du nur bey der Bagage zurückbleiben. Lustig mit ins Lager, da gehts herrlich her!

Da sind Trommeln und Trompeten,
Da sind Zittern, da sind Flöten,
Aller Art Musik ist da,
Hübsche Marketänermädchen
Tänzen mit dir Hopsasa!
Sind die Feinde weit von dir,
Trinke ruhig Wein und Bier;
Nähern denn die Feinde sich,
Geh du und verkrieche dich.
Wenn ich mich ins Schlachtfeld wage,
Mit dem Säbel um mich schlage:
Denn bleib du zurück im Lager,
Trink und tanze ritterlich.
LUCAS. Nein, mein Herr Dragoner, ich habe mein Lebtage keine Lust zum Soldatenleben gehabt, mein Lebetage nicht.
SIEGMUND. Ha! die Lust wird schon kommen – Aber erst muß ich mein Gewerbe im Schlosse dort bestellen. Wohnt da nicht der Baron von Waldorf?
LUCAS. Ja, ja, ganz recht.
SIEGMUND. Nun so komm mit mir. Er zieht ihn mit sich fort.

Fünfter Auftritt.

Zimmer der Baronesse.

Die Baronesse. Der Graf.

BARONESSE. Sie sind also gewiß, daß sie nicht wieder kommen kann?
GRAF. Seyn Sie ohne Sorgen; es geht alles wie wir es verabredet haben. So bald sie durchs Gehölz ist, wo wie sie selbst haben hineingehen sehen, fällt sie meinen Leuten in die Hände, die sie schon in sichre Verwahrung bringen werden. Und mein Fräulein, ich darf doch ihrer Liebe gewiß seyn?
BARONESSE. Bin ich es denn von der Ihrigen? –
GRAF. Das sollten Sie wenigstens, mein Fräulein, Ich verlasse Sie, um alles zu unsrer Verbindung vorzubereiten, die alle meine Wünsche befriedigen und mein Glück vollkommen machen soll. Zweifeln Sie indessen im geringsten nicht an der Aufrichtigkeit meiner Gesinnungen.

Längst schwur mein Herz die Treue;
Geweiht ist dieß Versprechen.
Wie kann mein Herz es brechen?
Dir bleib‘ es ewig treu!
Trau meinen ersten Schwüren;
Der Eifer meiner Liebe
Wird gnug dich überführen,
Wie unverstellt sie sey.

Geht ab.

Sechster Auftritt.

Die Baronesse allein; hernach Julchen und Röschen.

BARONESSE. Endlich werd‘ ich also das ruhige, glückliche Loos erhalten, das ich längst gewünscht habe. Mein Bruder mag denn für sich zusehen; ich bin nur froh, daß ich ihn von einem Schritte zurück gehalten habe, der seinen Stand und die Ehre unsers Hauses auf ewig beschimpfet hätte.
RÖSCHEN zu Julchen im Hereingehen. Geh du voran.
JULCHEN. Du mußt den Anfang machen.
RÖSCHEN. Ich mag es ihr kaum anbringen.
BARONESSE. Nur näher her! – Was habt ihr denn?
JULCHEN. Ach gnädiges Fräulein –
BARONESSE. Was denn? –
JULCHEN. Hannchen, das garst'ge Mädchen –
BARONESSE. Nun?
JULCHEN. Ist wieder hier im Hause.
BARONESSE. Unmöglich!
RÖSCHEN. Ganz gewiß, wir haben sie beyd zurückkommen sehen.
BARONESSE. Sollte der Graf mich betrogen haben? – oder ist es mein Bruder –
RÖSCHEN. Ja, ja. Ihr Herr Bruder, gnädiges Fräu lein, hat sie wieder ins Haus gebracht.
BARONESSE. Wo ist sie denn?
JULCHEN. In Ihrem Zimmer, hier gleich draussen.
BARONESSE. Was macht sie denn da?
JULCHEN. Das weiß der Himmel. Aber befehlen Sie, daß wir einmal zusehen? Es ist ein Schlüsselloch an der Thüre, wodurch man alles sehen kann, was darinnen vorgeht.
BARONESSE. Meinetwegen, seht einmal zu!

Röschen und Julchen gehen ab

Duetto.

RÖSCHEN die eilig zurückkömmt.
Eben sah ich durch die Thüre
Hannchen auf und nieder gehn,
Bey sich sprechen und sich scheuen,
Mit verstörten wilden Blick.

Geht ab.

JULCHEN hereinlausend.
Eben sah ich wie sie seufzte,
Ihre Hände rang und weinte,
Und ich hört‘ wie sie ausrief:
Jammervoll ist mein Geschick!

Geht ab.

RÖSCHEN wiederkommend.
Eben sah ich in dem Zimmer
Auch den gnädgen Herrn erscheinen,
Tröstend wollt er mit ihr reden,
Doch sie wies ihn stolz zurück.

Ab.

JULCHEN zurückkommend.
Immer noch stellt sie sich spröde,
Immer steht er noch und bittet,
Doch schon gönnt das stolze Mädchen
Schlau ihm manchen Seitenblick.

Ab.

RÖSCHEN wieder herein.
Itzo reden sie zusammen.
JULCHEN wieder herein.
Itzo thun sie schon recht zärtlich.
BEYDE.
Was nun weiter wird geschehen
Mag ich lieber gar nicht sehen
Nein ich gehe nicht zurück.
BARONESSE. Geht nur an eure Arbeit, und meldet mir es, wenn was vorfällt. Julchen und Röschen gehen ab. Ich dacht es gleich, daß es der Graf nicht seyn könnte, durch dessen Schuld dieser Anschlag mißlungen ist. Seine Absichten sind zu aufrichtig; seine Denkungsart ist zu edel dazu. Er verdient es nicht, daß ich den geringsten Verdacht auf ihn halte; er verdient es, daß ich mit ganzem Herzen mich auf ihn verlasse.

Dich, süße Ruh der Seelen,
Soll kein Verdacht mehr stören,
Falsch kann sein Herz nicht schwören,
Nein, er verräth mich nicht.

Treu mir allein ergeben
Ist er bisher geblieben,
Und zärtlich mich zu lieben,
Lehrt ihn Natur und Pflicht.

Siebenter Auftritt.

Ein Saal.

Der Baron. Hannchen.

HANNCHEN. Lassen Sie mich gehen, gnädiger Herr. BARON der ihr nacheilt. Wohin, Hannchen, wohin eilest Du?
HANNCHEN. Ich will zu Ihrer Fräulein Schwester gehen, mich zu ihren Füssen werfen, und sie um Vergebung bitten. Ich höre, sie ist sehr böse auf mich.
BARON. Das ist alles umsonst; geh nicht zu ihr; sie würde Dir nur wieder übel begegnen.
HANNCHEN. Aber Sie ist doch einmal meine Herrschaft.
BARON. Du bist ein liebes gutes Mädchen. Aber bleib hier, es hilft Dir doch zu nichts. – Er faßt sie bey der Hand. Komm mit mir, Hannchen.
HANNCHEN sich loswindend. Lassen Sie mich gnädiger Herr. Lassen Sie mich.
BARON. Du bist mein gutes liebes Hannchen, komm mit mir. Er will sie wegführen, sie sträubt sich und macht sich von ihm los.
HANNCHEN.
Nicht so frey, nicht so frey will ich bitten. –
Nicht so nah, etwas weiter zurücke.
Ach die sanften, die schmachtenden Blicke
Drohn mir schon zu viele Gefahr.
Zu billiges Herz,
Schon trist dich zu sehr
Der zärtliche Schmerz!
Genug so – nicht mehr.
Nein, ich bitte, nicht weiter, nicht weiter,
O, schonen sie meiner! ich bitte recht sehr:
O! gehn Sie – was soll das? – ich leid es nicht mehr.

Geht ab.

BARON allein. Bey aller ihrer Güte und Unschuld scheint ihr Herz mir doch nicht ganz ungerührt zu seyn. Wie glücklich, wenn ich es wäre, der es gerühret hätte! – Aber ich schmeichle mir vielleicht zu sehr. –

Es kömmt ein Bedienter.

BEDIENTER. Gnädiger Herr, es ist ein Dragoner draußen, der nothwendig mit Ihnen zu sprechen hat.
BARON. Laß ihn herein kommen.

Bedienter geht ab.

Achter Auftritt.

Der Baron. Siegmund.

SIEGMUND. Gehorsamer Diener – Sie sind also der Baron von Waldorf?
BARON. Ja, mein Freund, was verlangt Er von mir?
SIEGMUND. Hier ist ein Brief von meinem Herrn, dem Obersten von Schleenburg, den ich Ihnen selbst übergeben sollte. Er sagte mir, ich würde Antwort von Ihnen, und ein junges hübsches Mädchen obendrein zurückbringen.
BARON den Brief lesend. Im Kriege – beym Durchzuge – vor zwanzig Jahren – als ein kleines Kind – da gelassen – bitte Sie mir zurück zu senden – Ha! komm Du mit mir, Freund, bis morgen mußt Du hier bleiben. Thue Dir unterdessen was zu gute. Für sich. Gott, welche Entdeckung!
SIEGMUND. Nun ja, bis morgen hab‘ ich allenfalls Zeit, wenns nur nicht länger wird. Aber haben Sie auch ein gutes Glas Wein?
BARON. So gut, und so viel Du willst, komm nur.

Gehen ab.

Neunter Auftritt.

Ein Garten.

Hannchen allein; hernach Siegmund.

HANNCHEN. Endlich erhol ich mich einmal wieder, und kann über alles das nachdenken, was mir begegnet ist. Welche Unruhe! welche Verfolgung und Nachstellung von allen Seiten her! – Ich bin ganz ermüdet. Sie setzt sich auf eine Rasenbank: Hier will ich ein wenig ausruhen – daß nein Schicksal noch immer so ungewiß ist! daß ich nichts von meiner Abkunft, von meinen Eltern weiß! – O kennte ich sie nur; und wären sie auch elend und arm, und lebten sie auch in der niedrigsten Bauerhütte, so würd ich doch zu ihnen eilen, und bey ihnen einen weit bessern Aufenthalt finden, als hier im Schlosse – Ich will doch versuchen, ob ich ein wenig einschlummern kann.

Seufzend erlieg‘ ich
Dem Gram und Kummer;
Labender Schlummer,
O, stärke mich!
SIEGMUND. Der Garten hier ist recht schön! – Es lebt sich hier überhaupt so ganz gut, und ich glaube wohl, daß man so in weniger Zeit Krieg und Lager vergessen könnte. – Aber hier im Garten soll ich das kleine Mädchen finden, sagt der Baron, wovon mein Oberster geschrieben hat? – Ha! da sitzt eine und schläft! – die wirds seyn! – Julchen und Röschen kommen in der Ferne. Der Teufel! – ein allerliebstes Ding! – Wie hübsch sie ist! – auf die Reisegesellschaft freu ich mich! – Herr Oberster, Herr Oberster! Das Ding wird mir verdächtig; sollte das würklich seyn? – Sachte, sie erwacht.
HANNCHEN erwachend. Wo bin ich? – Wer ist das? –

Quintetto.

RÖSCHEN UND JULCHEN.
Das läßt ehrbar! das läßt schön!
Ha! wir habens wohl gesehn,
Wie sie hier mit dem Soldaten
So vertraulich sich besprach.
HANNCHEN.
Ich lag hier im festen Schlummer,
Was verlangt ihr? was erdenkt ihr?
Eben wurd ich ja erst wach.
SIEGMUND.
Laß dieß Mädchen mir zufrieden,
Denn wer sich an ihr vergreift,
Der bekömmts mit mir zu thun.
HANNCHEN.
Wer ist er denn?
SIEGMUND.
Ich bin Siegmund.
RÖSCHEN U. JULCHEN.
Ja wir wissens!
SIEGMUND.
Abgesendet –
RÖSCHEN UND JULCHEN.
O! wir sehens –
SIEGMUND.
Ey so schweigt und laßt mich reden!
RÖSCHEN UND JULCHEN.
Wer das glaubte!
SIEGMUND.
Dich zu holen.
RÖSCHEN UND JULCHEN.
Lauter Lügen!
SIEGMUND.
Höre nur –
RÖSCHEN UND JULCHEN.
Wir zweifeln noch.
SIEGMUND.
Garstge Mädchen, schweiget doch!
HANNCHEN.
Ich weiß nicht –
RÖSCHEN UND JULCHEN.
So wissen wir es.
HANNCHEN.
Ich schlief fest –
RÖSCHEN UND JULCHEN.
Das war Verstellung.
HANNCHEN.
Ich weiß nichts.
RÖSCHEN UND JULCHEN.
Sie leugnets noch.
SIEGMUND.
Garstge Mädchen, schweiget doch!
RÖSCHEN UND JULCHEN.
Welch ein Trotzen! Welche Frechheit
Doch das alles hilft euch nicht.
SIEGMUND UND HANNCHEN.
Ohn‘ Erröthen sieht die Unschuld
Der Verläumdung ins Gesicht.
DER BARON.
Ha dort seh ich Hannchen wieder?
Itzt wird sie ihr Glück schon wissen,
Ohne Furcht voll Hoffnung seyn.
HANNCHEN.
Gnädger Herr –
RÖSCHEN UND JULCHEN.
Die Unverschämte.
SIEGMUND.
Herr Baron!
RÖSCHEN UND JULCHEN.
Hier waren beyde
HANNCHEN.
Ich weiß gar nichts –
RÖSCHEN UND JULCHEN.
Ganz vertraulich,
SIEGMUND.
Falsche Mädchen.
RÖSCHEN UND JULCHEN.
Aeußerst zärtlich –
SIEGMUND UND HANNCHEN.
Wahrlich, das sind lauter Lügen!
Lauter Lügen!
RÖSCHEN UND JULCHEN.
Nein mein Herr,
Braut ist sie und Bräutgam Er!
BARON.
Ganz vertraulich?
RÖSCHEN UND JULCHEN.
Ja nicht anders;
BARON.
Aeußerst zärtlich?
RÖSCHEN UND JULCHEN.
Ganz gewiß;
BARON.
Aeußerst zärtlich?
RÖSCHEN UND JULCHEN.
Ja ganz sicherlich.
BARON.
Ganz vertraulich?
RÖSCHEN UND JULCHEN.
O! recht ärgerlich.
ALLE VIERE.
Er bedenkt sich, nur Geduld!
BARON.
Art'ge Kinder, seyd ganz ruhig,
Ich weiß wer der Mann hier ist;
Und wenn mich es nicht verdrießt,
Geht es euch noch minder an.
RÖSCHEN UND JULCHEN.
Nun vortreflich!
SIEGMUND.
Das war herrlich;
HANNCHEN.
Wenn doch der Dragoner gienge!
BARON.
Nein mein Hannchen, er soll bleiben,
Denn er meint es gut mit Dir.
RÖSCHEN UND JULCHEN.
Nun viel Glücks denn Ihro Gnadens
Zu der neuen Schwägerschaft!
BARON UND SIEGMUND.
Unverschämte, wollt ihr schweigen!
RÖSCHEN UND JULCHEN.
Das heißt doch recht blind vergafft.
BARON.
Gieb die Hand mir,
HANNCHEN.
Nein mein Herr!
BARON.
Ich befehl es, gieb sie her!
RÖSCHEN UND JULCHEN.
Das ist niedrig! das ist schändlich!
BARON UND SIEGMUND.
Unverschämte, schweigt doch endlich!
Ihr bedenkt nicht, wer ihr seyd.
RÖSCHEN UND JULCHEN.
O! wir sind gar sehr erfreut.
ALLE.
Hat man so was je gesehen?
Nein, fürwahr das geht zu weit!

Dritter Aufzug.

Erster Auftritt.

Ein Saal.

Der Baron. Die Baronesse.

BARON. Nun, meine Schwester, wie ich höre, ist alles richtig, und Du heyrathest den Grafen?
BARONESSE. Du kamst mir zuvor; ich wollte Dirs eben selbst sagen.
BARON Freylich hätt‘ ich es lieber von Dir selbst, als von vielen andern gehört; Jedermann wußte es früher, als Dein Bruder. Aber es sey darum; ich will minder zurückhaltend gegen Dich seyn, und gleich itzt die Erklärung meiner Heyrath thun.
BARONESSE. Deiner Heyrath?
BARON. Ja, Schwester, weil Du mich itzt verlassen wirst, so machen meine häuslichen Umstände diese Veränderung nothwendig; und meine Wahl ist getroffen.
BARONESSE. Darf man denn wissen, auf wen sie gefallen ist?
BARON. O ja. Ich heyrathe ein Fräulein von Schleenburg, die Tochter eines Obersten, von einem alten Hause und ansehnlichen Vermögen.
BARONESSE. Und Hannchen?
BARON. Hannchen bleibt nicht mehr in meinen Diensten.
BARONESSE. Das hat sich alles geschwinde verändert.
BARON. Freylich wohl, und alles nach meinem Wunsch.
BARONESSE. Nun das freut mich! Für sich. Ich muß das gleich dem Grafen sagen. Lebe wohl, Bruder! wir sehen uns bald wieder. Aber wo ist denn Deine Braut?
BARON. Ich werde sie Dir bald vorstellen.

Die Baronesse geht ab.

BARON. Und da werdet ihr alle große Augen machen. Die kleine Schadenfreude will ich noch davon haben! Freylich wohl, hat sich alles sehr verändert; ich bin nun der glücklichste Liebhaber von der Welt.

Froh lächelt mir die Zukunft,
Rings um mich her sind Freuden;
Glück wird nunmehr mein Leiden,
Lust mein vergeßner Schmerz.

Lohn der getreuen Liebe,
Ganz wirst du mich beglücken!
Unnennbares Entzücken
Füllt und durchströmt mein Herz.

Geht ab

Zweiter Auftritt.

HANNCHEN allein. Das sind noch lauter Räthsel für mich! – Und dabey thun sie beyde so geheimnißvoll, der gnädige Herr so gut, als der Dragoner, und sagen mir alles nur halb – Wäre es wahr, was ich aus allen Anspielungen errathe! Wäre ich würklich von adelicher Abkunft! O! da dürst ich endlich die Erfüllung der geheimen Wünsche, hoffen, die mein Herz bisher nur im Stillen gehegt, und noch keinen entdeckt hat. – Und warum sollt ich nicht hoffen? Es ist eine gewisse Ahndung von einer glücklichen Veränderung, die mich so heiter, so frölich macht, daß ich alle Ungewißheit meines Schicksals darüber vergesse.

Herz sey den Freuden offen,
Wag es, dein Glück zu hoffen,
Die Liebe täuscht dich nicht.
Sie hält was sie verspricht,
Und wer sie folgsam hört,
Treu ihre Flamme nährt,
Dem wird ihr Lohn gewährt.

Ha! da kömmt was – Ich scheue mich, meine Freude zu verrathen. Ab.

Dritter Auftritt.

Julchen und Lucas.

JULCHEN. Also hast Du es auch schon gehört, daß die Sache nun richtig ist?
LUCAS. Leider! hab‘ ichs gehört; Der Dragoner hatte ein paar Flaschen Wein nach einander ausgeleert, und er wurde dir so treuherzig, daß er mir mehr erzählte, als ich wissen wollte. Ich sehe nun wohl ein, daß ich ablassen muß; zu adelichen Fräuleins darf sich so ein armer Schlucker, wie ich bin, nicht versteigen.
JULCHEN. Und was sagte denn der Dragoner; er weiß doch, daß du in Hanchen verliebt gewesen bist?
LUCAS. Leider! weiß er das, und hat mich auch tüchtig damit geschuriegelt. Am Ende sagt er immer: Narr, es giebt noch mehr hübsche Mädchen in der Welt.
JULCHEN. Das denk‘ ich auch.
LUCAS. Schon recht, aber bis daher hab‘ ich die übrigen hübschen Mädchen gehen lassen, itzt werden sie sich um mich auch nicht bekümmern.
JULCHEN. Du mußt nur anfangen, sie nicht mehr gehen zu lassen.
LUCAS. Ach Julchen, da muß ich denn erst von vorne wieder anfangen; und wer steht mir dafür, daß ich am Ende doch nicht wieder blind komme?
JULCHEN schlau. An Julchen denkst du wohl nicht mehr?
LUCAS. He, Mädchen, fragst Du das im Ernst? Ich dächte, Du wärst mir gar nicht mehr gut.
JULCHEN. Ich sollt es wohl nicht; aber was hilfts, lange zu launen, und zu schmollen? Kurz und gut. Lucas, ich bin Dir itzt noch eben so gut, wie ehedem.

Ich bin ein sanftes Mädchen,
Nicht wie die meisten Schönen
Zur Eifersucht geneigt;
Mich kann ein Wort versöhnen
So bald man Reue zeigt.
Was hilft das lange Quälen,
Ihr eifersüchtgen Seelen?
Man stellt sich bös und ärgerlich,
Und dennoch liebt man sich.

Geht ab

LUCAS allein. Gut, daß ich das weiß; nun ist meine Wahl getroffen. Hannchen wär mir freyllich zehnmal lieber gewesen; aber wer kanns ändern? Meine Schuld ists nicht, da sie so meine Frau nicht wird. Und Julchen ist doch ein ganz gutes Ding. Freylich ists kein Kinderspiel, sich zu verheyrathen, und man kann sich häßlich betrügen; aber einmal muß es doch gewagt seyn; und wer nicht wagt, gewinnet nicht.

Schön ist die Blonde,
Schön ist die Braune:
Diese bezaubert.
Jene gefällt;
Mädchen die Menge
Giebts in der Welt:
Wüßt ich nur, welche
Die Probe hält!
Denn in der Heyrath
Ists wie im Lotto,
Wo man die Tetnen
Nicht leicht erhält.

Vierter Auftritt.

Lucas und Siegmund.

SIEGMUND. So recht, guter Freund, siehst Du, das Glas Wein hat Dir alle Deine Grillen vertrieben! Sagt ichs Dir nicht? Lucas Ja wohl, Herr Dragoner, Er hat recht gehabt.
SIEGMUND. Wer zwey Flaschen getrunken hat, der hat immer recht, er mag sagen, was er will. Siehst Du, Kamerad, ein Glas Wein ist allemal das beste Mittel, über alle Narrenspossen in der Welt zu lachen, und alle Grillen zum Henker zu jagen. Im Felde hab‘ ich das gar oft und viel erfahren.

Wenn beym Getümmel lärmender Schlacht,
In meiner Seele Mordlust erwacht,
Acht ich kein Rauschen spaltender Säbel,
Nicht der Geschütze dampfenden Nebel,
Nicht der Kanonen schreckliches Bu;
Denn meine Flasche leer ich dazu.
Weine vermehren mächtig den Muth,
Weine befeuren kriegerisches Blut.

Gehen ab.

Fünfter Auftritt.

Der Baron allein; hernach Hannchen.

BARON. Alles vereiniget sich, ihre edle Abkunft zu bestätigen, alle die Zeichen und Beweise stimmen genau zusammen, die ihr Vater mir in seinem Briefe angiebt. Ich darf nicht länger zweifeln. Und wie liebreich, wie zuvorkommend ist es von ihrem Vater, daß er mir alle Bewerbungen erspart, mir die Hand seiner Tochter von selbst anbietet. Er zieht den Brief hervor und liest »Ich habe, schreibt er, Ihre Zuneigung gegen meine Tochter erfahren, und ihre Absicht, sich mit ihr zu verbinden. Ich kann ihre Hand keinem würdigern geben, als ihrem Wohlthäter, der sie auch ohne Stand und Glück zu seiner Gattin zu wählen keinen Anstand nahm. Mehr Beweis braucht es nicht von der Aufrichtigkeit Ihrer Liebe. Sie ist die Ihrige. Führen Sie das Mädchen zu mir, so werd‘ ich mit Thränen des Danks und der Freude ihre Hand in die Ihrige legen.« – Der gute redliche Mann! er verdient eine solche Tochter – Ich habe sie hieher rufen lassen – Ha! da kömmt sie schon.
HANNCHEN. Sie haben mich rufen lassen, gnädiger Herr, was befehlen Sie?
BARON. Willst Du mir wohl einen recht schönen Strauß binden, Hannchen?
HANNCHEN. Mit vielem Vergnügen.
BARON. Und weißt Du, für wer der Strauß bestimmt ist?
HANNCHEN. Nein, gnädiger Herr!
BARON. Für meine Braut, mit der ich mich noch heute verloben werde.
HANNCHEN etwas betroffen. Noch heute? – Nun, ich statte Ihnen meinen unterthänigen Glückwunsch ab! Sie will gehen.
BARON. Wart‘, Hannchen, fragst Du nicht einmal, wer meine Braut ist?
HANNCHEN. Das wäre zu neugierig, gnädiger Herr.
BARON. Du glaubst nicht, Hannchen, wie gut, wie liebenswürdig sie ist. Ich habe so viele Ursachen, die glücklichste, beste Ehe zu hoffen. Es ist ein Fräulein von Schleenburg, eines Obersten Tochter.
HANNCHEN unruhig. Ich empfehle mich gnädiger Herr.
BARON. Aber Hannchen, Du scheinst mir keinen Antheil an meinem Glucke zu nehmen. Du siehst dabey so niedergeschlagen aus; Du thust so unruhig; was ist das?
HANNCHEN. Ich geh‘, um Ihnen den Strauß zu binden.
BARON sie zurückhaltend. Nein, bleib hier, es hat Zeit damit. Du mußt mir erst muntrer aussehen; sonst wählest Du mir lauter ernste, traurige Blumen.

Duetto.

DER BARON.
Voll von erwünschter Heiterkeit
Lacht itzt Dir dein Geschick,
Umwölkt mit trüber Traurigkeit
Sep nun nicht mehr dein Blick.
HANNCHEN.
Zu grausam höhnst du meine Noth,
Verspottest meinen Schmerz.
Ach, meiner Thränen milder Strom
Rührt nicht dein hartes Herz.
BARON.
Nichts soll dieß Glück dir rauben
HANNCHEN.
Noch wag ichs nicht zu glauben.
BEYDE.
Du nur, gerechter Himmel!
Du siehst und kennst mein Herz;
BARON.
Komm nur und höre mich!
HANNCHEN.
Ich weiß, du täuschest mich.
BARON.
Vernimm: du bist weit glücklicher,
Als deine Seele denkt.
HANNCHEN.
Zu lange schon, du Grausamer,
Hat mich dein Spott gekränkt.
BARON.
Vor zwanzig Jahren
Bist du gefunden,
Und keiner wußte
Von deiner Abkunft;
Itzt weiß man alles:
Dich ließ dein Vater,
Von edlem Hause,
Im Kriegsgetümmel
Auf diesem Gute;
Zeichen und Namen
Alles trist ein.
HANNCHEN.
Weh mir! wie könnte
Das möglich seyn?
All diese Wunder
Sind mir ein Räthsel.
Was wird mein Schicksal
Endlich noch seyn?
BARON.
Wisse, dein Vater
Hat dich zu suchen,
Jenen Dragoner
Zu mir gesendet.
Glück und Vergnügen,
Freuden des Vaters,
Freuden der Liebe,
Warten nun dein.
HANNCHEN.
Himmel, wie könnte
Das möglich seyn?
Zweifelnd und hoffend
Zittert das Herz mir,
Voller Besorgniß,
Voller Entzücken.
Soll ich verzweifeln?
Soll ich mich freun?
BARON.
Freue dich, liebes,
Glückliches Mädchen!
HANNCHEN.
Bin ich nicht Hannchen?
BARON.
Du bist ein Fräulein,
Meine Verlobte.
HANNCHEN.
Dürst ich das glauben?
Könnte das seyn?
BARON.
Alles ist Wahrheit,
Was ich Dir sage.
Könnt ich Dich täuschen?
Beym Himmel, nein!
HANNCHEN.
Süsses Entzücken
Füllt mir die Seele,
Wie sich die Sorgen
Alle zerstreun!
BARON.
Reiche die Hand mir!
HANNCHEN.
Nein sie erlauben –
BARON.
Wag es zu glauben.
HANNCHEN.
Wohl, es mag seyn.
BEYDE.
Welch ein Entzücken!
Ich kann nicht mehr,
Reichlich belohnt ihr,
Segnende Freuden!
Sehnsucht und Traurigkeit,
Kummer und Schmerz.
Ewig geknüpfte
Bande der Liebe,
Bande der Treue
Fesseln mein Herz.

Sechster Auftritt.

Die Vorigen. Siegmund.

SIEGMUND. Herr Baron, ich habe Ihren Befehl ausgerichtet, und Ihrem Fräulein Schwester die bewußten Papiere überreicht. Der Herr Graf war eben bey ihr. Sie lasen sie miteinander, und waren vor Erstaunen und Verwundrung eine Zeitlang ganz stumm. Hernach fragten sie mich nach allen Umständen meines Obersten, und schienen sich zu freuen, daß alles so gut steht.
BARON. Ich danke Dir, Freund. Sey versichert, daß ich auf Lebenslang für Dein Glück sorgen werde.
SIEGMUND. Und itzt soll ich Ihnen den Herrn Grafen, und Ihre Fräulein Schwester anmelden. Sie werden gleich hier seyn.
BARON. Da kommen sie schon.

Siebenter Auftritt.

Die Vorigen. Die Baronesse. Der Graf. Lucas. Röschen und Julchen.

BARON zu Hannchen, die er an der Hand führt. Wir wollen Ihnen entgegen gehen. – – Nun meine Schwester, ich versprach, Dir meine Braut vorzustellen; hier ist sie – – Auch Ihnen, Herr Graf, empfehle ich sie, als künftige Schwiegerin. –
GRAF. Wir haben Ihre Papiere gelesen, und sind von allen völlig überzeugt. Sie können glauben, daß ich an Ihrem Glücke aufrichtig Theil nehme.
BARONESSE. Sey das auch von mir versichert, lieber Bruder; Ich habe unsre Leute mit herein kommen lassen, um Zeugen unsrer Eintracht und unsrer gemeinschaftlichen Freude zu seyn.
BARON. Es sind schon alle Anstalten gemacht, diesen Abend vergnügt zuzubringen. Morgen begleite ich mein Hannchen zu ihrem Vater, und dann soll eine doppelte Verbindung dies Schloß zum Aufenthalt der heitersten Freude machen.
JULCHEN Rede doch, Lucas.
LUCAS. Ich dächte, meine gnädige Herrschaften, wir machten das Kleeblatt der Heyrathen vollzählig. Julchen ist mit mir versprochen.
BARON. Herzlich gern, ihr mögt einander heyrathen, wenn meine Schwester es zufrieden ist.
BARONESSE. Meine Einwilligung haben sie schon.
GRAF. Und dort Auf Siegmund u. Röschen zeigend. steht auch ein Paar, das wol nicht übel zusammen paßte.
SIEGMUND. Geduld, Herr Graf, ich überleg es eben. Wir sind zwar noch nicht so weit mit einander; aber es wird ja auch wohl Rath dazu. Nicht wahr, Röschen?
RÖSCHEN. Ich glaub‘ es wohl. Wir sprechen schon weiter darüber.
BARON. So vergnügt und einträchtig ist unsre häusliche Gesellschaft noch nie gewesen; aber von nun an sey sie es immer.

Komm weigre dich nicht länger
Mir Hand und Herz zu geben.
HANNCHEN.
Ich werde glücklich leben,
Doch immer demuthsvoll.
BARONESSE.
Seyn Sie mir sehr willkommen!
GRAF.
Ich bitt um ihre Freundschaft!
HANNCHEN.
Erfreulich ist das Band mir,
Das uns vereinen soll.
SIEGMUND.
Nun das gefällt mir,
Das klingt ganz anders.
RÖSCHEN UND JULCHEN.
Verzeihn Sie, gnädiges Fräulein!
HANNCHEN.
Ich werd‘ an nichts mehr denken.
LUCAS.
Das ich so treu sie liebte,
Auch das verzeihn Sie mir!
HANNCHEN.
Du warst getreu und redlich,
Und das vergelt ich dir.
ALLE.
Göttin der Eintracht!
Steig‘ itzt hernieder,
Weihe der Liebe
Reizendes Band.

Jeder empfinde
Spät noch die Wonne,
Die er hier heute
Durch Dich empfand!

Ende.