Antigonae. Ein Trauerspiel (Sophokles, Übers. Friedrich Hölderlin), 5 Akte (1940-1949; 9. Aug. 1949 Salzburger Festspiele, Felsenreitschule), Dirigent Fricsay; Regie O. F. Schuh; Bauten C. Neher; Antigonae Res Fischer; EA Dresden, Staatsoper 1950 (Gastspiel in Berlin); Mannheim 1959; Genf und Bern 1970
Musik von Carl Orff
Sophokles (496-406 v. Chr.), geb. und gest. in Athen. 123 Dramen werden ihm zugeschrieben, erhalten sind nur sieben: Aias, Antigone, Elektra, Ödipus der Tyrann, Trachinierinnen, Philoktet, Ödipus auf Kolonos. Friedrich Hölderlin (1770-1843) ließ die Übersetzungen von Ödipus der Tyrann und Antigonae 1804 erscheinen. Ihre sprachliche Kühnheit erregte zunächst mehr Befremden als Anerkennung. Das Mißverständnis wich jedoch in unseem Jahrhundert höchster Bewunderung.
Antigonae (Schwester des im Tode geächteten Polyneikes) - (Mezzo-)Sopran
Ismene - (Mezzo-)Sopran
Chorführer - Bariton
Kreon - Bariton
Ein Wächter - Tenor
Hämon - Tenor
Tiresias - Tenor
Ein Bote - Baß
Euridice - Sopran
Das antike Theben
6 Klaviere (auch mit Schlegel und Plektron gespielt), 4 Harfen, 9 Kontrabässe, 6 Flöten, 6 Oboien, 6 Trompeten mit Dämpfer, 7-8 Pauken, Schlagwerk (Steinspiel, Xylophon, Holztrommel, 2 Glocken, 3 Glockenspiele, 4 Paar Zimbeln, 3 türkische Becken, 3 Paar türkische Becken, kleiner Amboß, 3 Triangeln, 2 Große Trommeln, 6 Tamburine, 6 Paar Kastagnetten, 10 große javanische Buckelgongs)
Durchkomponiert; ca. 2 1/2 Stunden; B. Schott's Söhne, Mainz
Im Kampfe um Theben haben die Brüder Polyneikes und Eteokles, ersterer in den Reihen der Belagerer, der andere auf der Seite der siegreichen Eroberer, den Tod gefunden. Auf Befehl des Königs Kreon soll die Leiche des Polyneikes unbestattet im Felde liegen bleiben. Antigonae aber fordert ihre Schwester Ismene auf, ihr bei der Bestattung des Bruders zu helfen, um die größte Schmach, die einem Griechen angetan werden kann, abzuwenden. Während Kreon seinen Befehl vor dem Chor der Alten begründet, meldet ein Wächter, ein Unbekannter habe den Toten bestattet, indem er den Leichnam mit Staub überstreute. Antigonae wird vor Kreon gebracht. Ruhig bekennt sie sich zu ihrer Tat, die ihr die Stimme des Herzens geboten habe. Der König verfügt Antigonaes Tod, obwohl sein eigner Sohn Hämon, Antigonaes Verlobter, deren Tun verteidigt und auch der Chor den hier geoffenbarten Geist der Liebe preist. Man führt Antigonae fort, um sie in einem Felsengrab zu verschließen. Der blinde Seher Tiresias fordert die Bestattung des Polyneikes und Antigonaes Freilassung, denn sonst werde bald aus Kreons eigenem Blut ein Opfer fallen. Allein ehe noch der König seine Befehle rückgängig machen kann, trifft die Kunde ein, daß Antigonae sich selbst entleibt und Hämon ihr im Tode nachgefolgt ist. Auch Kreons Gattin Eurydice nimmt sich mit einem Fluch gegen den Sohnesmörder das Leben. In wilder Verzweiflung wütet Kreon gegen sich selbst. Der Chor rühmt weises Denken und Handeln, das vor übereilten Taten bewahrt.
In Antigonae zieht Orff letzte und kühnste Konsequenzen seines Persönlichkeitsstils. Das Orchester verzichtet mit Ausnahme der Kontrabässe auf Streicher, erfordert 6 Klaviere, 4 Harfen, 6 Flöten, 6 Oboen, darunter 3 Englischhörner, 6 Trompeten, 7-8 Pauken sowie eine Fülle weiteren Schlagzeugs, teilweise Instrumente exotischen Ursprungs, die zum ersten Mal im Instrumentarium des Operntheaters erscheinen. Orff erzielt damit eigenartige, vielfach ungewohnte Klangwirkungen und Stimmungen, die der dramatischen und psychologischen Situation entsprechen und eindruckvertiefend wirken. Auch spielt die Ostinatotechnik eine wesentliche Rolle. Der eingangs angeschlagene Akkord, eine zu Beginn einer Szene auftauchende Figur gibt ihrem Gesamtablauf das Signum. Die Singstimmen entwachsen in ihren skandierenden Einsätzen unmittelbar dem gesprochenen Wort und gleiten in eine meist psalmodierende Diktion hinüber, deren gelegentliches Melisma kein Zierat, sondern notwendiges Mittel der Charakterisierung ist. Der Aufbau der Stärkegrade vollzieht sich stufenweise. Tempobeschleunigungen verstärken die seelisch-dramatischen Spannungsverhältnisse und führen zu mächtigen Eindruckshöhepunkten. Das neuartig kühne, vor allem mit dem "Goldgrund" des Chores zu kultischen Urgründen des Theater zurücktrachtende Werk erheischt nicht nur einen neuen, vom üblichen Opernbesucher sich abhebenden Hörertyp, sondern auch eine veränderte Einstellung des zu höchsten Gestaltungsaufgaben aufgerufenen Sängers, der zugleich die Grenzlagen der menschlichen Stimme beherrschen muß.
1949 Ferenc Fricsay; Wiener Philharmoniker, Chor der Wiener Staatsoper
Antigonae: Res Fischer
Chorführer: Benno Kusche
Ein Bote: Josef Greindl
Ein Wächter: Helmut Krebs
Eurydice: Hilde Zadek
Haemon: Lorenz Fehenberger
Ismene: Maria von Ilosvay
Kreon: Hermann Uhde
Tiresias: Ernst Haeflinger
Stradivarius STR 10060 (2 CD) (139'17 live)
1951 Georg Solti; Bayerisches Staatsorchester, Chor der Bayerischen Staatsoper
Antigonae: Christel Goltz
Chorführer: Benno Kusche
Ein Bote: Kurt Böhme
Ein Wächter: Paul Kuen
Eurydice: Marianne Schech
Haemon: Karl Ostertag
Ismene: Irmgard Barth
Kreon: Hermann Uhde
Tiresias: Ernst Haeflinger
Orfeo C 407 952 I (2 CD) (151'07 live)
1961 Ferdinand Leitner; Chor & Orchester des Bayerischen Rundfunks
Antigonae: Inge Borkh
Chorführer: Keith Engen
Ein Bote: Kim Borg
Ein Wächter: Gerhard Stolze
Eurydice: Hetty Plümacher
Haemon: Fritz Uhl
Ismene: Claudia Hellmann
Kreon: Carlos Alexander
Solo: Friedrich Brückner-Rüggeberg, Wulf von Lochner, Peter Schranner, Karl Schwert, Josef Weber
Tiresias: Ernst Haeflinger
DG 437 721-2 (3 CD) (160'01)