Die Psyche betrachtet den blutigen Schweiß Christi im Garten

1
O du allerliebster Gott,
Was wird mit dir werden?
Daß du liegst voll Angst und Not
Bebend auf der Erden,
Daß dein rosenfarbnes Blut
Durch dein Antlitz dringet
Und ein Engel Trost und Mut
Dir, dem Tröster, bringet?

2
Ach, du siehst die große Pein
Und das bittre Leiden,
Welches dir wird Mark und Bein,
Leib und Seel durchschneiden.
Siehst, daß aller Menschen Schuld
Und, was ich verbrochen,
Ernstlich und ohn einge Huld
Wird an dir gerochen.

3
Ach, wie sollte nicht dein Herz
Zittern, beben, zagen,
Weil es schon des Todes Schmerz
Fühlt und all die Plagen!
Weil auf dich alleine fällt
Alle Last der Sünden,
Mußt du freilich, Heil der Welt,
Große Pein empfinden!

4
Ach mein Heiland, könnt ich doch
Mindern solches Leiden
Und von diesem schweren Joch
Eine Bürd abschneiden!
Könnt ich doch, o Gotteslamm,
Dir was helfen tragen
Und für dich, mein Bräutigam,
Zittern, stehn und zagen.

5
Denn du bist in diesen Tod
Meinetwegen kommen,
Hast aus Liebe meine Not
Ganz auf dich genommen.
Du ergibst dich willig drein,
Gottes Vaterwillen
Auch in unerhörter Pein
Gänzlich zu erfüllen.

6
Ei, so hilf denn, ewger Freund,
Meiner armen Seele,
Wenn sie vor dem Tod und Feind
Bebt samt ihrer Höhle.
Laß mir deinen teuren Schweiß
Wohl zustatten kommen,
Wenn ich von dem Erdenkreis
Werde weggenommen.

Heilige Seelenlust oder geistliche Hirtenlieder - Zweites Buch 1

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