Sie wird getröstet von ihrem Jesu

1
Als ich nächst im Wald spazierte
Und viel große Klagen führte,
Daß ich armes Waiselein
Müßt ohn meinen Bräutgam sein,
Kam mein Jesus selbst zu mir
Und versprach mit süßen Worten,
Daß er wollt an allen Orten
Bei mir bleiben für und für.

2
Schau, ich habe dich vom Bösen,
Sprach er, gerne wolln erlösen
Und mit meinem Blut und Tod
Dich erretten aus der Not.
Bin auch stets bei dir, mein Kind,
Ob zwar deine blöden Sinnen
Meiner selten werden innen
Und um mich betrübet sind.

3
Sollt ich denn dich nun verlassen
Und dein lieblichs Seufzen hassen?
Sollt ich nicht zu jeder Zeit
Bei dir sein in Traurigkeit?
Zweifle nicht mein Täubelein,
Denn daß ich vor deiner Seele
Mich verberg und lang verhöhle,
Ist dir gut und muß so sein.

4
Wart, du wirst mich schon genießen
Und nach deinem Wunsche küssen,
Wenn ich dich aus dieser Qual
Führen werd in meinen Saal.
Wenn ich deine Lieb und Treu
Werde mit mir selbst belohnen
Und du ewig bei mir wohnen,
Aller Seufzer quitt und frei.

5
Als ich diesen Trost gehöret,
Ward mein Klagen bald zerstöret.
Voller Freude war mein Sinn
Und der Jammer ganz dahin.
Alle Vöglein deuchten mich,
Lieblicher als vor zu singen
Und der Westwind mir zu bringen
Kühlre Lüftlein, kühlern Strich.

6
Jesu, sprach ich, nun soll eben
Dir mein Sinn sein aufgegeben,
Alles Seufzen soll fortan
Sein nach deinem Willn getan.
Denn ich weiß, daß du, mein Licht,
Ob du mir zwar bleibst verborgen
Manchen Abend, manchen Morgen,
Dennoch wirst verlassen nicht.

Heilige Seelenlust oder geistliche Hirtenlieder - Viertes Buch 10

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