Wie ist die deutsche Welt in Neuigkeit ersoffen!
Man deckt und kleidet sich/ man schreibet/ singt und spricht/
Man reiset/ schläfft und isst/ man reitet/ tanzt und ficht
Nach neu-erwählter Art: Wer Glück und Gunst will hoffen/
Muß sich in allem Thun der Neuigkeit bequemen/
Sonst wird ihn Uberwitz mit Hohn und Spott beschämen.

Es bleibet nicht darbey: Man ändert auch die Sitten/
Der Küttel alter Treu und deutscher Redligkeit
Ist unsrer Mode-Welt ein viel zu schlechtes Kleid:
Die junge Neuigkeit will überall gebitten.
Was Wunder/ wenn nun auch in manchem deutschen Lande
Der neue vor will gehn dem alten Adel-Stande?

Das Alter wird veracht/ das doch so viel begehren:
Doch will ich lieber Alt- als Jung-gebohren seyn;
Mit Auffgeld tauschet man die alten Müntzen ein:
Der Firne-Wein gilt mehr/ als der noch soll verjähren.
Man sieht die Aloe nach hundert Jahren blühen/
Der jungen Tulpe Pracht in kurtzer Zeit entfliehen.

VIII. Vermischte Gedichte 51

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