Buß-Gedancken bey grosser Hitze

Wo soll ich fliehen hin/ daß ich im Schatten sitze?
Es brennt des Höchsten Zorn mit angeflammter Hitze
Den von Gerechtigkeit und Unschuld-blossen Geist/
Der Thränen aus dem Aug/ und Blutt vom Hertzen schweist.
Kein Kürbiß-Blat beschirmt mich nicht/
Wenn dieser Sonne Feuer sticht/
Kein dunckler Wald noch düstre Höle
Kühlt oder birgt die matte Seele.

Der Unschuld reines Kleid/ zu dem ich war erkohren/
Hab ich durch Evens Lust und Adams Biß verlohren/
Mein Wahnwitz reist mir selbst den Rock des Heiles ab/
Den mir der Tauffe Bund doch zu gebrauchen gab.
Die mit viel Schuld beschwärzte Schoß
Ist leider aller Zierde bloß/
Nichts hab ich mehr mit Furcht und Zagen/
Als nackte Dürfftigkeit zu klagen.

Wo soll ich fliehen hin? der Tag will kühle werden/
Die Gnaden-Sonne neigt sich weit von mir zur Erden/
Von fernen dräuet mir Zahnklappern finstrer Grufft/
Von Hinten schrecket mich das Stürmen schwartzer Lufft:
Wie sich ein Aespen-Laub bewegt/
Wenn Eurus Zweig an Zweige schlägt/
So sieht man unter solchem Wittern
Mein höchsterschrocknes Hertze zittern.

Wohin verberg ich mich für Gottes Angesichte?
Der tieffsten Berge Klufft ist seinen Augen lichte!
Sezt ich dem Rücken gleich Matutens Flügel an/
So weiß ich/ daß sein Blick mich doch ereilen kan.
Des abgelegnen Meeres Grund
Ist ihm durch alle Flutten kund/
Wolt ich mir in die Hölle betten/
So findt sich da auch kein Erretten.

Last Decken Babylons mit stoltzem Ruhme sticken/
Mich kan kein fremder Zeug bey eignem Mangel schmücken/
Ich poche nur umsonst auff Arbeit meiner Hand/
Und würcke nichts als Müh und Frevel zum Gewand.
Mit Adams welckem Feigen Blat
Bedeck ich meine Missethat/
Mein Thun gleicht leichten Spinnenweben/
Und kan mir keine Kleidung geben.

Weg mit geborgtem Schmuck und eigner Flecken Kleide/
Mein Jesus beut mir an die Rosin-rothe Seide/
Durch sein selbst eigen Blutt gefärbt ans Creutzes Stamm.
Ward nicht das erste Kleid/ (er ist das reine Lamm
Für mich von Anbeginn geschlacht:)
Durch Gott von Fellen selbst gemacht?
In sein Verdienst will ich mich kleiden/
Und so getrost von hinnen scheiden.

III. Himmelschlüssel oder Geistliche Gedichte 81

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