Die Verliebte und Betrübte

Betrübte Nacht/ in der mich Furcht und Schrecken
Ohn Unterlaß von meiner Ruhe wecken/
Wenn kömmt ein mahl die lange Mitternacht/
Die meiner Pein ein endlich Ende macht?

Du gehst vorbey/ mein Leyden bleibt zu rücke/
Die Stunden fliehn/ doch nicht mein Ungelücke.
Dein kühler Thau erfrischt den trocknen Klee/
Mich überschwemmt der Thränen heisse See.

Es ruht die Welt in sanfften Schlaff gewieget/
Wenn meine Seel in tausend Aengsten lieget/
Ich werffe mich mit Seuffzen hin und her/
Das leichte Bett ist mir als Bley zu schwer.

Die stille Glutt durchkocht die dürre Seele/
Das Hertze brennt wie Etnens Schwefel-Höle/
Mein Wange zeigt der rothen Flamme Schein/
Wird aber bald voll bleicher Asche seyn.

Kein schwerer Traum darff mich bekümmert machen/
Ich habe Qual genung bey hellem Wachen.
Mein Leben ist ein Traum und Gauckel-Spil/
Damit mich Glück und Zeit bethören will.

Komm/ blasser Mond/ und leuchte mir zu Grabe/
Da ich forthin die beste Ruhstatt habe.
Erreich' ich gleich des jungen Tages Licht/
So überleb' ich doch die Sonne nicht.

II. Anemons und Adonis Blumen 108

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