Die Perlen nicht allein, in deines Mundes Pforte
Bewahren mußt du mehr als Perlen deine Worte.

Die gute Lehre nahm vordem ein weiser Mann
Von einem armen, der mit Schaden sie gewann.

Der Arme, der im Sand ein Dutzend Perlen fand,
Vernähte zehn davon in sein zerlumpt Gewand.

Die beiden übrigen, weil ihm die List war kund
Der Diebe, nahm er und verwahrte sie im Mund.

Die Diebe kamen ihm die Kleider durchzusehn,
Und nahmen die darin verborgnen alle zehn.

Er dachte: Fahret hin! ihr seyd des Glückes Gabe;
Mir gnügen noch die zwei, die ich im Munde habe.

Zum Glücke dacht' ers nur, denn hätt' er es gesprochen,
Sie hätten auch die zwei ihm aus dem Mund gebrochen.

Doch wenn sich dir das Glück verschworen hat zum Bösen,
So wird zur Unzeit es dir schon die Zunge lösen.

Er geht zur Stadt und will verkaufen seinen Schatz,
Und denkt, beim Juwelier ist wohl der rechte Platz.

Dem aber kamen heut zwölf Perlen grad abhanden;
Er freut sich, daß sobald die zwei davon sich fanden.

Wie er das lump'ge Kleid des Finders angesehn,
Fragt er: Das sind die zwei, wo sind die andern zehn?

Der Mann in Unschuld spricht: der Dieb hat sie genommen.
»Ganz recht! wer ist der Dieb? Du mußt zum Richter komm

Der arme Mann erschrickt, läßt seinen Schatz in Stich,
Entflieht in Eil und nimmt die Lehr' allein mit sich:

Die Perlen nicht allein, in deines Mundes Pforte
Bewahren mußt du mehr als Perlen deine Worte.

Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1, 1836, II. 5

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