Auf dem Hochberg

(12. Juli)
An Agnes

Die Gletscher glühen in dem goldnen Lichte
Und rötlich glänzt die Felsenwand,
Um diese Gipfel wehen Traumgesichte,
Aus frühen Tagen mir bekannt.

Im Purpurmeer seh ich den Nachen treiben:
Die Sonne spiegelt sich im weiten See.
Am fernen Kloster zähl ich alle Scheiben,
Im Herzen wird mirs wohl und weh.

Es locken Täler hinter Felsentoren,
Ein Sehnen faßt mich im Gemüt,
Nach Glück, besessen ─ nie ─ und nie verloren,
Verwelkt und niemals doch erblüht!

Den Blick laß in die blaue Ferne tauchen
─ Dort ist es nicht, nur Trug und Pein!
Da unten, wo die stillen Hütten rauchen,
Da muß es oder nirgend sein!

Auf Alpenhöhe mit dir, Seelenschwester,
Im Abendschein ich schweigend stand,
Nicht reden könnt ich, drückte fest und fester
Nur deine liebe, treue Hand.

Die Glocken riefen zum Gebet die Müden,
Und aller Zauber der Natur
Kam über uns mit seinem tiefen Frieden,
Doch blieb auch eine Wehmutspur.

Wann stehen wir wie jetzt so eng verbunden
Wohl wieder in dem Abendstrahl,
Wann bringen späte Jahre solcher Stunden
Verein im grünen Alpental?

Bald wird der Abschied mir die Brust zerschneiden,
Vom Vaterland, vom Vaterhaus.
Getrennt von dir, muß Herzensfrost ich leiden,
Zur Fremde treibt es mich hinaus.

Du bist mir mehr als meine Heimatschwelle,
Dein Herz ist mir ein Heilgenschrein,
Mir wie dem müden Pilgrim die Kapelle;
Ich legte Wonn und Schmerz hinein!

Wir werden oft uns, einst gewiß ach! trennen,
Vereint doch sein in Lieb, Gebet.
Wir werden wieder sehen uns, erkennen:
Ein Trost ist dies, der fest besteht.

Entstehungszeit unbekannt. Erstdruck 1910.

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