In einer Sommernacht gesungen
Sei mir gegrüßet, o Nacht, du Freundin stiller Betrachtung!
Sei der erwachten Natur erhabnem Genusse geheiligt!
Hoch auf luftigen Pfaden im weiten Himmelsgefilde
Wandelt der Mond und bescheinet die Flur, die vom Walde begrenzt wird,
Der mich schweigend empfängt, und hebet die nächtliche Feier.
Tiefe Stille ringsum ─ nur einsame Laute vernehm ich,
Die wie Töne des Traums dem schlummernden Walde entschweben,
Und mit rührender Macht, als wären es Sprecher des Himmels,
In die Seele mir dringen und wecken die schlummernde Gottheit.
Nacht! du enthebest das Herz der Macht betörender Lüste,
Und mit Zaubergewalt entstreifst du dem Auge die Binde,
Von der Leidenschaft um ihren Vasallen geschlungen.
Einem entheiligten Tempel gleichet die sündige Seele,
Der den Götzen geweiht, gefüllet mit Bildern des Wahns ist;
Doch dein Ernst, o Nacht! erreget des weiseren Lebens
Kräftigen Keim, das Denken ans letzte Verstummen des Menschen;
Denn vom bewegten Gemüt wird jede Erscheinung gedeutet.
Plötzlich birgt nun der Mond sich hinter die schleierne Wolke,
Dämmerungslicht verbreitend über die waldige Gegend,
Gleich dem Lichte Vernunft; auch dies wird vom Schleier gedunkelt,
Der den himmlischen Gast der irdischen Hülle verwahret.
Weiter verfolg ich den Weg, den gefallene Blüten bedecken.
Lange nicht währet die Blüte, es sinkt das schöne Gebilde,
Wenns den ätherischen Duft in die wogenden Lüft verhaucht hat.
Wie die Blüte des Baums muß sinken die Blüte der Schöpfung,
Sinken der Mensch; ─ doch gleicht er in allem der Blüte, und wird die
Menschliche Seele dereinst der Blüte verwehetem Hauch gleich?
Oder lebet sie fort und lebt, ohne je zu vergehen,
Immer sich weitend und inniger immer die Gottheit erfassend?
Seligster aller Gedanken! vielleicht gedacht auch vom Ewgen
Und gewecket in mir durch seinen empfindbaren Abdruck,
Durch die Natur! Doch jetzt hemmt liebliche Störung den Fortgang
Meiner Betrachtung, es ist das schmelzende Lied Philomelens.
Der begeisterte Vogel feiert nun jubelnd sein Dasein.
Wie mich der Strom melodischer Töne süß zwingend dahinreißt,
Wiegend die horchende Seel im Wechselschwunge des Wohlklangs.
Heil dir, herrlicher Sänger! als Schöpfungsgenosse verwandt mir,
Wie ein jegliches Wesen der großen Verbrüderung Mitglied!
(Schöne Ansicht der Dinge, sie knüpfet mit liebendem Bande
Uns an die Welt und ist die Mutter beständiger Freuden.)
Entstanden 1823. Erstdruck 1891.
Sei mir gegrüßet, o Nacht, du Freundin stiller Betrachtung!
Sei der erwachten Natur erhabnem Genusse geheiligt!
Hoch auf luftigen Pfaden im weiten Himmelsgefilde
Wandelt der Mond und bescheinet die Flur, die vom Walde begrenzt wird,
Der mich schweigend empfängt, und hebet die nächtliche Feier.
Tiefe Stille ringsum ─ nur einsame Laute vernehm ich,
Die wie Töne des Traums dem schlummernden Walde entschweben,
Und mit rührender Macht, als wären es Sprecher des Himmels,
In die Seele mir dringen und wecken die schlummernde Gottheit.
Nacht! du enthebest das Herz der Macht betörender Lüste,
Und mit Zaubergewalt entstreifst du dem Auge die Binde,
Von der Leidenschaft um ihren Vasallen geschlungen.
Einem entheiligten Tempel gleichet die sündige Seele,
Der den Götzen geweiht, gefüllet mit Bildern des Wahns ist;
Doch dein Ernst, o Nacht! erreget des weiseren Lebens
Kräftigen Keim, das Denken ans letzte Verstummen des Menschen;
Denn vom bewegten Gemüt wird jede Erscheinung gedeutet.
Plötzlich birgt nun der Mond sich hinter die schleierne Wolke,
Dämmerungslicht verbreitend über die waldige Gegend,
Gleich dem Lichte Vernunft; auch dies wird vom Schleier gedunkelt,
Der den himmlischen Gast der irdischen Hülle verwahret.
Weiter verfolg ich den Weg, den gefallene Blüten bedecken.
Lange nicht währet die Blüte, es sinkt das schöne Gebilde,
Wenns den ätherischen Duft in die wogenden Lüft verhaucht hat.
Wie die Blüte des Baums muß sinken die Blüte der Schöpfung,
Sinken der Mensch; ─ doch gleicht er in allem der Blüte, und wird die
Menschliche Seele dereinst der Blüte verwehetem Hauch gleich?
Oder lebet sie fort und lebt, ohne je zu vergehen,
Immer sich weitend und inniger immer die Gottheit erfassend?
Seligster aller Gedanken! vielleicht gedacht auch vom Ewgen
Und gewecket in mir durch seinen empfindbaren Abdruck,
Durch die Natur! Doch jetzt hemmt liebliche Störung den Fortgang
Meiner Betrachtung, es ist das schmelzende Lied Philomelens.
Der begeisterte Vogel feiert nun jubelnd sein Dasein.
Wie mich der Strom melodischer Töne süß zwingend dahinreißt,
Wiegend die horchende Seel im Wechselschwunge des Wohlklangs.
Heil dir, herrlicher Sänger! als Schöpfungsgenosse verwandt mir,
Wie ein jegliches Wesen der großen Verbrüderung Mitglied!
(Schöne Ansicht der Dinge, sie knüpfet mit liebendem Bande
Uns an die Welt und ist die Mutter beständiger Freuden.)
Entstanden 1823. Erstdruck 1891.