Der Steirertanz

Robert

Laß, Freund, uns übernachten
In jenem Jägerhause,
Das uns entgegenklinget
Mit Geigen und Gesängen.
Heut ließ die Sonne sprühen
Die sommerscharfen Pfeile,
Es war ein heißes Wandern
Auf steilen Bergespfaden;
Wir wollen uns erfrischen.
Und sind des Leibes Mühen
Am raschen Wanderstabe
Belohnt mit wackerm Imbiß
Und manchem Becher Weines,
Erquicken wir die Seele
Mit heiteren Gesprächen.

Heinrich

Es war ein herrlich Wandern;
Den Abgrund überspringend,
Die Felswand überkletternd,
Fand ich in seiner hohen
Geheimnisvollen Heimat
Manch schönes Alpenblümlein,
So einsam, bis zur Stunde
Gekannt nur von den Lüften,
Besucht nur von den Wolken,
Erblickt von Sternenaugen.

Robert

Es war ein herrlich Wandern;
Vom Klippenast des Kalkes,
Vom schwarzen Beet des Abgrunds
Hab ich gepflückt Gedanken,
Niewelke Blumen Gottes,
Die werden freudig duften
Mir durch mein ganzes Leben.

(Sie treten ins Haus)

Jäger

Seid schön gegrüßt, Ihr Herren,
Glückselig guten Abend!

Robert

Wollt Ihr zwei müde Wandrer
Herbergen für die Nacht?

Jäger

Willkommen mir von Herzen!
Nur ists in meiner Hütte
Ein wenig toll und voll,
Wir haben heute Hochzeit;
Ihr müßt Euch schon begnügen,
Ein Plätzchen wo zu nehmen,
Das nicht die Lust besetzt hat,
's wird freilich knapp genug sein.

Heinrich

Hier wollen wir uns lagern,
Den Tanz zu überschauen.
Sieh dort den Jägerburschen,
Den schlanken, schönen, flinken;
Auf seinem grünen Hute
Gemsbart und Hahnenfeder;
Aus seinem festen Auge
Blitzt ihm ein Siegesstrahl;
Die Gemse, die sein Blick faßt
In ihrer Felsenheimat,
Wird nicht mehr lange weiden
Die frischen Alpenkräuter;
Die Dirne, die sein Blick faßt,
Wird nicht mehr lange wandeln
Auf ihrer grünen Alpe
Mit leichtem, freien Herzen.

Robert

Das ist der beste Schütze
Im steirischen Gebirge.
Ich wollte, Freund, es schlügen
Entschlüsse mir und Taten
So scharf getreu zusammen,
Wie diesem wackern Jäger
Sein Blick und seine Kugel.

Heinrich

Er ist der beste Schütze
Und ist der feinste Tänzer
Von diesen Burschen allen.
Wie er die schöne Dirne
So leicht und sanft und sicher
Im frohen Kreise tummelt!
Uns läßt das lustge Paar
Hintanzen vor den Augen,
Harmonischer Bewegung,
Ein freundlich Bild des Lebens.
Er reicht dem lieben Mädchen
Hoch über ihrem Haupte
Den Finger, und sie dreht sich
Um seine Faust im Kreise,
Die Anmut um die Stärke.
Er tanzt gerade vorwärts
In edler Manneshaltung
Und läßt das liebe Mädchen
Leicht wechselnd aus der Rechten
In seine Linke gleiten
Und nimmt die Flinkbewegte
Herum in seinem Rücken,
Läßt sich von ihr umtanzen,
Als wollt er sich umzirken
Rings um und um mit Liebe
Und ihr im Tanze sagen:
Du schließest mir den Kreis
Von allen meinen Freuden!

Robert

Nun fassen sich die Frohen
Zugleich an beiden Händen
Und drehen sich geschmeidig,
Sich durch die Arme schlüpfend,
Und blicken sich dabei
Glückselig in die Augen,
Als wollten sie sich sagen:
So wollen wir verbunden,
Uns meinander schmiegend,
Hintanzen leicht und fröhlich
Durchs wechselvolle Leben!

Heinrich

Hörst du den Jäger jauchzen?
Zu enge sind der Seele
Die Ufer ihres Leibes,
Und jubelnd überbrausen
Die Fluten des Entzückens.

Robert

Siehst du die Erd ihn stampfen?
Im Freudenübermute
Gibt er der Erde schallend
Den Fußtritt der Verachtung;
»Du kriegst nur unsre Asche!«
Ruft ihr sein helles Jauchzen,
Und flammend blickt sein Auge
Der Liebsten in das Auge,
Unsterblichkeitsgewiß:
»Wir haben uns auf ewig!« ─
Die Blicke dieser beiden
Sind mir gewisse Bürgschaft
Für mein unsterblich Leben.
Was sich geliebt auf Erden,
Muß dort sich wiederfinden.

Heinrich

Das glaub ich nimmermehr,
So gern ich auch, o Freund
Und treuer Berggenosse,
Mit dir durchstreifen möchte
In einem andern Leben
Die himmlischen Gebirge
Und dort sie alle finden,
Die hier mein Herz verloren;
Doch kann ich es nicht glauben.
Wie diese Musikanten
Auf Geig und Zither spielen
Den lustgen Steirertanz,
Den ersten Teil des Walzers
Im zweiten wiederholend,
Nur wechselnd in der Tonart:
Meinst du, der alte Geiger,
Dem die Gestirne tanzen
Zur starken Weltenfiedel,
Wird unser Erdenleben,
Wenns einmal abgespielt ist,
Noch einmal runterspielen,
Nur höher, in der Quinte? ─

Robert

Ich meine das mit nichten.
Wohl bin ich nur ein Ton
Im schönen Liede Gottes;
Doch wie das schöne Lied
Wird nimmermehr verklingen,
So wird der Ton im Liede
Auch nimmer gehn verloren,
Nicht brechen sich am Grabe:
Und was im Erdenleben
Mit ihm zusammenklang,
Wird einst mit ihm erklingen
Zu freudigen Akkorden
Im Strom des ewgen Liedes.

Entstanden 1835. Erstdruck 1836.

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