Die Löwin gieng auf Raub, und ließ daheim zwei Jungen,
Die hatten noch kein Blut geleckt mit ihren Zungen.

Sie hatten nur die Milch der Mutterbrust gesogen,
Und ihren Kindern war der Mutter Herz gewogen.

Sie schlang den blut'gen Raub nun mit zwiefacher Lust,
Um ihrem Paar mit Milch zu füllen jede Brust.

Doch als sie heim nun kam, war ihr zuvorgekommen
Ein kühner Jäger, der die Jungen weggenommen.

Die Löwin, wie sie sah sich ihrer Brut beraubt,
Wie hat sie mit Gebrüll den Wald durchras't, durchschnaubt!

Die Äffin auf dem Baum (sie hielt im Arm ein Kind)
Sah zu, und rief: Warum tobst du so ungelind?

Sie sprach: Wie sollt' ich nicht, wenn ihre Lust die Affen
Behalten, und ich mir die meine sah entraffen?

Die Äffin sprach: Mög' ich stets meine Freude sehn!
Dir aber ist villeicht verdientes Leid geschehn.

Sprich: wovon nährst du dich? von Früchten wol und Laube? ─
»Nein! meinem Stamm und Stand gemäß, von blut'gem Raube.« ─

Und fragtest du erst, die du fraßest, ob sie Gatten,
Ob Eltern sie daheim, oder ob Kinder hatten? ─

Sie sprach: Nein, Alt und Jung fraß ich ohn' Unterscheid;
Doch das that ich, wem that die Unschuld was zu Leid?

Die Äffin sprach: Zu Leid wird sie auch nie was thun;
Der Kinder Unschuld büßt die Schuld der Mutter nun.

Doch ists ein Widerspruch, unschuld'ge Löwenbrut;
Die Milch, die sie an dir getrunken, war schon Blut.

Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3, 1837, VII. 82

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